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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 13,2.1900

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Heft 21 (1. Augustheft 1900)
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Grunsky, Karl: Die Instrumentierung der Meistersinger
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.7960#0338

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aufhöreri, dcn Schönrcdncr Bulthaupt und gar cinen Hanslick zu Gcvatter zu
bitten, wie es Thomas wahrlich nicht mangels bcssercr Autoritnten thut.

l)r. A. Grunsky.

Lose Mätter.

rilcinc Aindheit.

Von Friedrich Hebbel.

Vorbemerkung. Jst es cine Kühnheit, daß wir dicses Stück unsern
Lesern bieten? Sie haben's ja alle in ihrem Hebbel daheim! Mit Vcrlaub: sie
haben noch nicht alle ihren Hebbel daheim, noch lange nicht allc. Die abcr,
welche ihn schon auf dem Bücherbrett haben, wollen sich mit uns dcr Propa-
ganda freuen, welche hier das kleinc Werk eines großen Toten für seine großen
Werke macht, denn dieses wunderbare Fragment erschließt ganz gewiß dcm
Hebbelschen Geiste wiederum ncue Pforten.

>.

Mcin Vater besaß zur Zeit meiner Geburt cin kleines Haus, an das ein
Gärtchen stieß, in welchem sich einige Fruchtbäume, namentlich cin sehr cr-
giebiger Birnbaum, befanden. Jn dern Hause waren drei Wohnungcn, deren
freundlichste und gerüumigste wir einnahmen; ihr Hauptvorzug bestand darin,
daß sie gegen die Sonncnseite lag. Die anderen beiden wurden vermictet: die
uns gegenüberliegende war von dem alten Mauermann Claus Ohl ncbst sciner
kleinen, kiummen Frau bewohnt, und die dritte, zu der cin Hinter-Eingang
durch dcn Garten sührte, von einer Tagelöhner-Familic. Die Mietsleute wech-
selten nie, und sür uns Kinder gehörten sie mit zurn Hause, wie Vater und
Mutter, von denen sie sich auch, was die liebreiche Beschäftigung mit uns an-
langte,7 kaum oder gar nicht unterschieden. Unscr Garten war von nndcrn
Gärten umgeben. An der einen Seite befand sich dcr Gartcn eines jovialen
Tischlermeisters, der mich gern necktc und von dem ich heute nicht bcgreife,
wie cr, was er doch später that, sich sclbst das Leben nehmen konnte. Jch
hatte einmal als ganz kleines Bürschchen mit altklugem Gcsicht übcr den Zaun
zu ihm herüber gesagt: Nachbar, es ist sehr kalt l und er wurde nicht müdc, dicscs
Wort gegen mich zu wiederholen, besonders in den heißen Sommermonaten. An
den Garten des Tischlers stieß dcr des Predigers. Dieser war von ciner hohen,
hülzernen Planke eingefaßt, die uns Kindern das Ueberschaucn verwehrte, nicht
aber das Durchblinzeln durch Spalten und Risse. Dies machte uns im Früh-
ling, wenn die sremden schönen Blumen wieder kamen, an dencn der Garten
reich war, eine unendlichc Freude, nur zitterten wir, der Prediger müchte uns
gewahr werden. Vor dicsem hatten wir eine unbcgrenzte Ehrfurcht, die sich
eben so sehr aus sein crnstes, strenges, milzsüchtiges Gesicht und scinen kaltcn
Blick, als anf seinen Stand und seine uns imponierenden Funktiuncn, z. B. auf
sein Herwandeln hintcr Leichen, die immer an unserem Hauso vorbeikamcn, ge-
gründet haben mag. Wenn er zu uns hinüber sah, was er zuwcilen that,
hörtcn wir jedesinal zu spielcn auf und schlichen nns ins Haus zurück. Nach
einer anderen Seite bildete ein alter Brunnen die Grcnze zwischcn unscrem
Garten und dcm nachbarlichen. Von Bäumcn beschattet und tief wie er war,
die hölzerne Bedachung gcbrechlich und dunkclgrün bemoost, konnte ich ih» nie
ohne Schauer betrachtcn. Gcschlosscn wurde das lüngliche Viercck durch dcn
Garten eines Milchhündlers, dcr wegen dcr Kühc, dic er hielt, bei dcr ganzen
Nachbarschaft in einem Herrenansehcn stand, und durch den Hof eines Wciß-
gMiers, dcs verdrießlichstcn allcr Mcnschen, von dem meine Mutter immer.
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