Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 13,2.1900

DOI Heft:
Heft 15 (1. Maiheft 1900)
DOI Artikel:
Rundschau
DOI Artikel:
Unsre Noten und Bilder
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7960#0131

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
ist, begreift man allmählich: das
Altcr dieser Benennungen fängt an, sie
vor Thorheit zu schützen. Wehe aber
den neu eingeholten Vokabeln! Seit
ctwa zehn Jahren gibt man in allen
Großstädten der deutschen Lande Cösar
Francks Oratorium: „die „Selig-
keiten", — ist der Kunstwart der
cinzige gewesen, der fruchtlos darauf
hingcwiesen hat, daß Francks Text sich
mit den Scligpreisungen Jesu be-
schäftigt? Ein ander Stück: Man
bittet Amerika, imTransvaalkrieg seine
„guten Dienste" anzubieten. Sollen
die Worte wirklich zum Ausdruck des

Gedankens dasein — dann bitte, was
denken sich unsre Zeitungsleute dabei?
Ues bons otüces heißt, als technischer
Ausdruck des internationalen Rechts,
zu deutsch: die Vermittlung. Seien
wir doch froh, daß wir statt der Phrase
von den boas okücss ein eindeutig klares
Wort für die Sache haben. Aüer es
ist dieselbe gedankenträge Buchstaben-
übersetzerei im Spiol, wie beim bütel
cle ville, das noch heutigen Tags in
den Zeitungen sast immer zu einem
„Stadthaus" wird, während kein
Mensch bei uns das Rathaus anders
als eben Rathaus nennt.

Ansre Ooten und IStlder.

Unsre Musikbeilage enthält diesmal zwei Lieder. Das erste, aus
eincr Folge „ernster Gesänge" (Aachen, Verlag Naus) zur Probe ausgewählt,
soll unsern Lesern die Bekanntschaft mit Leo Blech vermitteln, einem schr
begabten Komponisten aus dem Rheinlande, der aus der Schule Humperdincks
hervorgegangen ist. Wie schon die Ueberschrift und die tiefe Lagc andeutet, ist
üas zugrunde liegende Goethische Gedicht nicht aus dem ätherischen Empfinden
der Mignon des Meisterromanes erfaßt, wie etwa bei Schubert oder Hugo
Wolf, sondern durchaus subjektiv, stark-leidenschaftlich und höchst modern in
der Faktur. — Dagcgen gibt Richard Wintzers im Ton fast Robert
Franzisch anmutendes Lied das kleine Gedichtchen Liliencrons mit ebenso cin-
fachcn Mitteln wicder. Wir bringen es hier nach der handschriftlichen Auf-
zeichnung.

Unsre Bilderbeilagen sind diesmal mit dem Schweizer Albcrt
Welti einem Maler gewidmet, der deutsch ist vom Kopf bis zur Zehe, nicht
ctwa absichtlich „nationalistisch", sondern deutsch einfach vom Blute her, diesem
besondcren Saft, der allem Sehn, Denken und Empfinden die Farbe dcs
Lebcns gibt. Man erinncre sich dessen, was wir kürzlich erst Lber das Deutsche
in der Kunst sagen konnten und schaue sich dann dies Doppelbildnis an: ist es nicht
geradezu cine Jllustration dafür? Die poselose Ehrlichkeit, der Respekt vor der
Natur, dersich imVcrschmähen allen„Verschöncrns" äußert,dieUeberfülle vonjedes
Plätzchen in Bcschlag nehmenden Einzelheiten, der Mangel an „Stil" in jenem
gewisscn Sinnc im Einzelwerk wie in der ganzen Komposition, das gemütvoll-
lustige Hereinziehen von hundert kleinen Bezüglichkeiten, die Freude an der
Gotteswelt — wirklich, man muß weit herumsuchen, bis man wen findet, dcr
sein inncres Dcutschtum so ocrgnüglich-unbefangen „gehen läßt". Weltis zweitcs

l. Ulaiheft 1900
 
Annotationen