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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 13,2.1900

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Heft 14 (2. Aprilheft 1900)
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Göhler, Georg: Johannes Brahms
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.7960#0070

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Symphonie, die seine Wege gcht." Gewiß thut sie das, aber eben drum
ist sie nicht Beethovenisch. Ein Beethoven ist nur, wer nicht Beethoven.
sein will, ein großer und ganz unabhängiger Geist, der genau wie
Beethoven nichts weiß von Vorbildern, ciner der nicht will, sondern
muß und schafft, in allem er selbst. Brahmsens Kraft ist nn Becthoven
gescheitcrt. Jn seiner nächsten Symphonie ist zum Glück wieder mehr
Serenadenton. Aber schon in der dritten kommen wieder „groß gedachte"
Tinge vor, die nicht sind, was sie scheinen. Bei dcn Stellcn, wo's um
die Welt geht, strahlen die Farben bei Brahms kein Licht, obwohl alle Nebcl
geschwunden sind. Die vierte Symphonie bewahrt ihrcn eigenen Platz,
weil sie in der Färbung mehr als allc anderen mit harmonischen Mitteln
aus der Zeit vor Beethoven arbeitet. Dieses Zurückgreifen auf alte
Elcmente, das unstreitig dem Hörcr vicl Anregung gibt und eine Be-
reicherung der Farbenskala in dcr Musik bedeutet, wird von mancher
Seite Brahms als eine That angerechnet, die ihn zum Eröffner einer
neuen Aera mache. Jch bin der Ansicht, daß man gewiß durchaus nicht
verkennen darf, daß ebenso wie die Entwicklung der Jnstrumenticrungs-
kunst so auch dic Verfeinerung des harmonischen Elemcnts für den
Fortschritt in der Kunst sehr bedeutungsvoll ist. Aber die Wiederauf-
nahme einer alten Technik ist am allerwenigstcn dann eine kunstgcschicht-
liche Leistung, wenn die ganze Zeit so wie so nach zwei Richtungen,
nach der Vergangenheit wie nach der Zukunft, auf den erfolgreichsten
Entdeckerzügen strcift. Neben den Errungenschaften, die wir den wirk-
lichen Erben Beethovenschen Geistes, Liszt und Wagner, verdanken, spielen
solche Funde denn doch keine Rolle. Und auf dcn Spurcn Beethovens ist
Brahms cben immer wieder zwar zu künstlerisch gediegenen Leistungen
voll vieler schöner Einzelheiten, aber nie zu einem wirklich großen Stil
gekommen. Der war ihm von Natur versagt und darum unerreichbar.

Es ist bedauerlich, daß in den 5kreisen vieler Musikcr und Kritiker
solche Urteile über cinen großen Künstler immer noch als pietätlos
gelten. Aber cs wird sich allmühlich doch die Anschauung Bahn brechen
müssew, daß man gerade eincm echten Künstler nichts Verächtlichercs
anthun kann, als auch seine unbedeutenderen Produkte zu loben. Und
wenn es die Natur des Künstlers so will, daß gerade die Werke kleinster
Form sein Bestes sind, daß aber in dem, was die Welt „das Große"
nennt, seine Eigenart ihm den Sieg unmöglich machte, dann soll man
chrlich sein und anerkennen, was anzuerkcnncn ist, und fallcn lasscn,
was es verdient. Brahms ist als Lyriker so groß, daß er nicht nötig
hat, wegen seiner Versuche, Bcethovenische Felsenbauten aufzutürmen,
nachsichtig behandelt zu werden. Schließlich wird sich dic Einsicht doch
allgcmcin verbreiten, daß das Geschlecht dcr Beethovcn nicht über Brahms,
sondern über Liszt in die Zukunft führt. Gcorg Göhlcr.

Lose Wlütter.

Aus „Lyscn ^ vou Geovg vou Ginpteda.

Eine Vorbemcrkung braucht's diesnial kaum, denn über das ganzc
vortrefflichc Buch sagt Bartels in dioscm Heftc das Nötige, uud dic ausgelöstc
Stellc rundet sich so gut ab, daß cs der Ergänzungcn nicht bedarf. Das Werk
ist bci F. Fontane L Co. in Berlin erschienen.

Kuiistwart
 
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