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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 13,2.1900

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Heft 24 (2. Septemberheft 1900)
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Die klassische Kunst, [2]
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.7960#0465

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>es den Schmuck der Kopfseite eines langen schmalen Refektoriums. Der Saal
hat nur von einer Seite Licht und Lionardo nahm auf dieses vorhandene Licht
Bezug, indem er es als matzgebend auch im Gemülde anerkannte, was kein
vereinzelter Fall ift. Es kommt hoch von links und erhellt die gegenüber-
liegende Wand im Bild nicht vollständig. Die Tonunterschiede zwischen Licht
und Schattcn sind so beträchtlich, dah Ghirlandajo daneben gleichtönig und
slach erscheint. Hell hebt sich das Tischtuch heraus und die vom Licht gestreiften
Köpfe gewinnen vor der dunkeln Wand eine grohe plastische Wirkung. Und
noch ein Resultat ergab sich aus diesem Festhalten der gcgebenen Lichtquelle.
Judas, der hier von seiner früheren Abseitsstellung befreit und in die Reihe
der übrigen Jünger aufgenommen wurde, ist doch isoliert: er ist der einzige,
der ganz gegen das Licht sitzt und dessen Gesicht daher dunkel ist. Ein einfaches
nnd wirksames Mittel der Charakteristik, an das vielleicht der junge Rubens
gedacht hat, als er sein Abendmahl malte, das jetzt in der Brera hängt."

Lose Wlüller.

Aus ^ricörich Aietzschcs werken.

Vorbemerkung. Die nachfolgenden Proben aus den Werken
Nietzsches (Verlag C. G. Naumann, Leipzig) erheben in keiner Weise den
Anspruch, die vielfältigen Phasen und Seiten seines Schaffens zu charak-
terisicren. Nur die moralphilosophischen Gedankenkreise seiner letzten Ent-
wickelungsstufe, die man gewöhnlich als die eigentliche „Lehre" oder
gar als das „System" Nietzsches zu bezeichnen beliebt, sind durch eine
Neihe bemerkenswerter Abschnitte aus dem „Zarathustra", aus „Jenseits
von Gut und Böse" und der „Genealogie der Moral" vertreten. Die
übrigen Stellen haben mit dieser „Philosophie" wenig zu schaffen; sie sollen
teils den Stilisten, teils den Menschen Nietzsche kennzeichnen. So die
Naturschilderung aus dem Engadin und das Bekenntnis „Sternenfreundschaft",
das offenbar auf Richard Wagner Bezug hat. Die am Anfang abgedruckten
seinsinnigen ästh etisch en Betrachtungen aus „Menschliches, Allzumenschliches"
wtrden durch ihren Jnhalt unsere Leser besonders interessieren, nicht obgleich
soudern weil sie in einem gewissen Gegensatze zu unsern eigenen Bestrebungcn
teils wirklich stehn, teils doch zu stehen scheinen. Für unsre eigne Auffassung
über Nietzsche sei aus den Leitaufsatz dieses HefteS verwiesen.

Zu einer vorläufigen Orientierung über dcn Tod dient vielleicht am
bestcn das Buch von Riehl. Es bildet einen Band dcs Fromannschen
Sammelwerks „Klassiker der Philosophie".

Aus „Monschliches, A llz u m ens ch l i ch e s".

K u n stb e d ü rfn is zwciten Ranges.— Das Volk hat wohl etwas
von dem, was man Kunstbedürfnis ncnncii darf, aber es ist wenig und wohl-
feil zu befriedigcn. Jm Grunde genügt hierfür der Abfall dcr Kunst: das soll
man ehrlich sich cingestchen. Man crwäge doch nur zum Beispiel, an was für
Melodicn und Liedern jetzt unsere kraftvollsten, unverdorbenstcn, treuherzigsten
Schichten dcr Bevülkerung ihre rechle Herzcnsfreude haben, man lebe uuter
Hirten, Sennen, Bauern, Jägcrn, Soldatcn, Sceleuten und gebe sich dic Ant-
wort. Und wird nicht in der klcincn Stadt, gerade in den Häusorn, wclcho
der Sitz altvercrbter Bürgertugend sind, jcne allerschlcchteste Musik gcliebt, ja
gehätschelt, welche überhaupl jetzt hervorgebracht wirü? Wer von tiefercm Be-
dürfnisse, von unausgefülltem Begehren nach Kunst in Bezichung auf das Volk,

2. Septemberbett

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