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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 13,2.1900

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Heft 13 (1. Aprilheft 1900)
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Rundschau
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Unsre Noten und Bilder
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https://doi.org/10.11588/diglit.7960#0051

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* Die Redaktion des „Türmers"
erläßt in ihrem Märzhefte eine aus-
führliche Gegenerklärung gegen die Be-
schuldigung des Herrn von Gumppen-
berg (vgl. Kw. XIII, ,o). Nach dieser
bleibt dem ,Türmer" nichts vorzu-
werfen, als kleine Unkorrektheiten im
rcdaktioncllen Verkehr, wie sie wohl
überall einmal vorkommen; von einer
bewutzten Fälschung der Meinung
eines Mitarbeiters kann nicht mehr
die Rede bleiben. Was sür unser
Empfindcn sehrzuUngunsten Gumppen-
bergs spricht, ist der jetzt mitgeteilte

Umstand, datz ihm der „Türmer"
selbst den nachträglichen Abdruck der
veränderten Sätze in der ursprüng-
lichen Fassung angeboten hat, bevor
uns Gumppenberg um Abdruck seiner
Erklärung bat. Wir weichen in der Be-
urteilung literarischer Erscheinungen oft
sehr weit vom „Türmer" ab. Umso-
mehr freut es uns, unsre jüngst ausge-
sprochene Meinung, datz er ein chrlich
nach bestem Gewissen geleiteteS Blatt
sei, trotz Herrn von Gnmppenberg aus-
recht erhalten zu könncn.

Ansre Noren und Wtlder.

Unsere Notenbcilage bringt diesmal vier Choräle als Jllustrationen
zu dem Aufsatz in diesem Hefte; drei der schönsten Bachischen Choralsätze
„Wachet auf ruft uns die Stimme", „O Haupt voll Blut und Wunden" und
„Wer hat dich so geschlagen" wurden srüher schon (Kw. XII. z und ,5) abge-
druckt. Der Vortritt gebührt „Christ ist erstanden", mit Rücksicht auf scin ehr-
würdiges Alter und auf die Osterzeit. Wir geben ihn im Satz von Hans Leo
Hatzler (isoL). Es folgt ein inniges religiöses Sehnsuchtslied. Der Dichter
(M. Meyfart, ch IS22) glaubt wie in zarter Verzückung die heilige Stadt Jeru-
salem mit hohcn Zinnen und Türmen zu erblickcn, und dieselbe schwärmerischc
— fast möchte man sagen Eichendorfsische — Stimmung bebt auch durch die
Melodie. Der Tonsatz stammt von dem greisen I. G. Herzog. Das Lied „O
Heiland, reitz den Himmel auf" ist in den katholischen Rheinlanden heimisch.
Wir geben eS so, wie es Drewes mitteilt, der sich auf das Nheinfelssche Gesang-
buch als Quelle beruft. „Es hat mir das Lied", bcmerkt er treffend, „immer
den Eindruck geradezu hinreißender, himmclstürmender Gcwalt gemacht, man
möchte sagcn, es habe etwas Titanisches an sich. Da crscheint der Heiland als
der geminoe gigss substrmtiae, der sich zum siegesfrohen Laufe anschickt, jedes
Hemmnis überwindcnd. Zunnchst sind es die eisernen Himmelsthore, die scin
Heraustreten vcrhindern wollen. Allein bereits hat cr mit starkcr Hand Schlotz
und Riegel nicht geöffnet, nein, weggebrochen, ein Kraftstück, das lebhaft an
Samson gemahnt, der mit den Thoren von Gaza den Berg hinaneilt. Dies
das grotzartige, gewaltige Bild. Die Stimmung ist eine heiligc, sich selbst
nicht meisterndc Ungeduld, ein frommes Ungestüm, das dem Himmel selbst
Gewalt anthun möchte. Dicse Gefühle werden nun durch die in der kraftvollen
dorischen Tonart mehr cinherbrausende als schreitende Melodie zum Aus-
druck gebracht: ein Beispiel wie wcnige, datz Wort und Weise wie Leib und
Seele zu lebendiger Einheit ineinander wachsen." (Ein Wort zur Gesangbuch-
srage, Freiburg, Herder. S. 72 ff.) — Den Beschlutz bildet das mächtige Refor-
mationslied aus der darauf erbauten Bachischen Kantate. Ein unvergleichlicher
Satz. Man glaubt im Batz den ehernen Tritt eines Hecres wehrhafter Gottes-
streiter zu vernchmen, während darüber hin die Mclodie ihres in fester Zu-
versicht erschallenden Gesanges braust.

Als heiteren Schlutz fügen wir eincn just 225 Jahre alten Marsch von
Lully, dcm Bcgründer der französischen Oper hinzu. Es ist ein Kabinet-

Aprilheft i<-oa
 
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