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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 13,2.1900

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Heft 16 (2. Maiheft 1900)
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Volbach, Fritz: Die Zukunft unserer Chormusik, [2]
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.7960#0150

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kunstoollen ^6stirnmigen Chöre von Richard Strauß, sein „Wanderers
Sturmlied" u. a. m., oersteht sich von selbst. Hier handelte es sich aber nicht
um eine Aufzählung der bedeutendsten Chorwerke unserer Zeit, sondern um die
Ermittlung der Tcndenz in unserm modernen Schassen auf dem Gebiete der
Chormusik und den daraus zu folgernden Fortschritt.

„Jrrtum verläßt uns nie; doch zieht ein höher Bedürfnis

Jmmer den strebenden Geist leise zur Wahrheit hinan."

Fritz volback.

Lose Dlätter.

Aus Vischcks „Fnust, doittein Tcil".

Vorbemerkung: „Friedrich Theodor Vischer — ja, wir wenig-
stens bringen es nicht fertig, von Goethes Gruft wieder auf die Straße zu
treten, ohne einen Gruß der Dankbarkeit hinüberzusenden auch nach Vischers
Grab. Wer hat den Großen gekannt, wie er, wer ihn geliebt, wie er, wer
mit so slammendem Wort uns Deutschen seine Tiefen erhellt l Es ist eine Lust,
zu lesen alles, was Vischer über Goethe geschrieben hat, alles, und es ist
viel: welche Wissenschaftlichkeit, vereint mit wie blühendem Kunstgefühl, welcher
sittliche Ernst, vereint mit welch innerer Freiheit, welche Beweglichkeit der
Form zwischen ruhigstcr Abwägung und heiterstem Scherz! Vischer bewies ja
auch, daß wahre Liebe nicht blind ist, sondern die hellsten Augcn hat — wie
haßte er die »Anbetungsmichelei«, wie verspottete cr im »dritten Teile« zu Faust
mit wahrhaft befreiendem Gelächter die Goethebonzen! Es wird einmal zu den
Unbegreiflichkeiten unserer Zeit gerechnet werden, daß insbesondere Vischers
Kritik über den zweiten Faust-Teil noch immer in Deutschland nicht allgemcin
gekannt und anerkannt ist. Sie ist nie widerlegt worden und nie zu wider-
legen, sie ist klar rvie das Sonnenlicht — aber die Goethegelahrtheit geht in
wcitem Bogen um sie herum, spricht gewichtige Worte von Augur zu Augur
und thut dem Volke gegenüber, als hätte kcin Vischer je ihre Hohlheit gezeigt."
So schrieben wir in unserm Goethe-Heft aus dem warnien Gefühl all der
Dankbarkeit gegen Vischcr heraus, und heut wicdcrholen wirs: wir wissen
keinen andern, der annähernd so viel wie Vischer gethan, uns unsern Goethe
verstehen, genießen, lieben zu lehren. Die ganze Leistung z. B. der doch gewiß
verdienstreichen Goethegesellschaft tritt in der Beziehung hinter dio Arbeit
dieses einen Mannes zurück. Aber Vischer hat mit off.enen Augen geliebt, er
hat gesehen, wo Alter und Schwäche begann, und hat klar unterschiedcn zwischen
dcm Goethe der vollen Dichterkraft und dem feinen und weisen Denkergreise,
dessen Gestaltungsvermögen doch ermattet war. W ir sehen gerade darin eine
prächtige That: ohne Vischer wäre der zweite Teil des Faust auch als Kunst-
werk den Deutschen zum Vorbild und Kanon geworden, was für die Ent-
wicklung unserer Dichtungen nichts geringeres bedcutet hätte, als einen Fluch.
„Kritik also ist es", sagten wir im Goetheheft, „was wir für Goethe cr-
schnen, und so gewiß er der Allergrößte ist, so gewiß die allerernsteste und
strengste. Wir brauchen uns kaum vor dem Verdachte zu wehren, wir künnten
darunter ein Betasten auf »Korrektheit« und dergleichcn, könnten darunter
etwas wie eine ürztliche Untersuchung nach »Fehlern« verstehen. Wir ersehnen
eine vor allen Dingen unbefangene und voraussetzungslose eingehende und ein-
dringende berufene Prüfung seiner Dichtungen auf die V er s ch i o d cn h e it
ihrer Lebenswerte und auf das Verhältnis dieser Werte zu einander im
Runstwart

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