Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 13,2.1900

DOI Heft:
Heft 17 (1. Juniheft 1900)
DOI Artikel:
Rundschau
DOI Artikel:
Unsre Noten und Bilder
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7960#0210

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Urteile geben. Daß in vielen
Fällen die Partci ein Recht hat, öffent-
lich gehört zu rvcrden, ja, daß dieses
sogar sehr oft im Jnteresse der Oeffent-
lichkeit selber liegt, das aber bestreiten
mir gar nicht. Gibt ein Autor ästhe-
tische Urteile über seine eigenen oder
ein Verlegcr solche übcr seine Verlags-
rverke ab, so wird er's ja freilich schwer

haben, die Vermutung zu widerlegen,
daß er befangen sei. Abcr cs gibt
eine Menge anderer Fälle, wo die Be-
teiligten durch thatscichlicheMitteilungen
immerhin aufklürend wirken können.
Mögen sie's thun! Aber immer: mit
dem Namen drunter, mit der un-
mißverständlich deutlichen Angabe:
hier spricht die Partei. A.

Wnsre Ooten und Wilder.

Wer in Detlev von Liliencrons Gedichtsammlung „Der Haidegänger"
blättert, der findet bald ein begeistertes Poem „An Hugo Wolf", das etwa
folgendermaßen anhebt: „Erinnersl du dich der Tage? Du sangcst uns deine
sz — dreiundfünfzig — Mörike-Lieder vor, und deine ungezählten Wunder-
weisen aus Goethe und Eichendorff. Vorn im Mörikeheft, auf erster Seite,
hattest du Bescheidener des Dichters Bild verehrend aufgestellt. Welcher Ton-
setzer that je so? . . Und die Schamrüte flog mir ins Gesicht für unsere
Landsleute, daß sie dir nicht horchten, und daß sie ihren großen, lieben Dichter
Mörike nicht kennen . ." Jawohl, ein bittres Unrecht wärs, am Gedcnktage
Mörikes nicht auch des großen Tonmcisters zu gedenken, der wie kein Anderec
den Hauch vom Geiste des schwäbischen Dichters vcrspürt hat und scinen Worten
den kongenialen musikalischen Ausdruck zu verleihcn imstande war.

Manch andere Tonmeister haben Mörikesche Gedichte gelegentlich kompo-
niert, dic meistcn Robert Schumann. Bekannter worden ist nur „Schün Roh-
traut" und „Die Soldatenbraut". Von Robert Franz würe „Ein Stündlein
wohl vvr Tag" zu erwähnen; von Brahms „An eine Aeolsharse". Aber man
vergleiche diese Lieder, soweit sie auch von Wolf in Musik gesetzt sind und
ziehe vielleicht noch Kompositionen anderer neuercr Lyriker, z. B. d'Alberts
„Nimmersatte Liebe" oder Kahns „Gärtner" heran, um recht einzusehen, wie
sehr es Wolf gelungen ist, durch tiefes Versenken in den Dichter dcn poctischcn
Ausdruck zu erschöpfen und durch die Krast dcs Tones zu unerhörten Wirkungen
zu steigern. Man hat bei Wolfs Mörikeliedern nie das Gefühl, als lege ein
Fremder der Dichtung ein musikalisches Gewand um, so organisch, so aus cin
und demselben schöpfcrischen Zentrum heraus scheinen die Töne zu dringen;
ohne an dem Dichtcrwort geistreich hcrumzudeuteln, cröffncn sie glcichsam erst
alle Ausblicke von ihm ins „Land der Seele".

Jm Kunstwart hat schon vor zehn Jahren Joseph Schalk bewundernd
von diesen Herrlichkeiten gesprochen. Später haben wir einen Aufsatz Krctzsch-
mars darüber abgcdruckt, und im vorigen Jahrgang hat Batka insbesondere
Wolfs Mörikeband besprochen. So können wir nnsre Leser auf früher
Gesagtes verweisen, soweit es sich um die allgemcinere Charakteristik
dieses Genies handelt. Wenden wir uns den beiden Tonstücken zu, die wir
unsern Lesern vorlegen.

„Denk es o Seele." Wolf faßt das Gedicht als eine Traumuision
aus. Leisc pocht cs, wie banger Herzschlag, und wie ein beklommener Scnfzer
ringt sich dic Klavierfigur e a gis g von dcrBrust. Zweimal. Dann beginnt
die Singstimmc „sehr leise" über stockenden Rhythmen dic ängstliche Frage.
Tiefes Sinnen auf der Fcrmate. Dann unter Herzklopfen die Antwort, und
wieder die Seufzerfigur, der man die Worte „Ach Gott! ach Gott!" unterlegen

Runstwart
 
Annotationen