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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 13,2.1900

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Heft 18 (2. Juniheft 1900)
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Weltliche Feste in Kirchen
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https://doi.org/10.11588/diglit.7960#0229

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wcltlicbc >^cste i«« Airci'cn.

Unserc Lcser erinnern sich, datz wir im Kunstwart <XUI, ,c>, S. zyq) die
Frage stelltcn, ivcshalb wohl anscheinend nirgends im ganzen Deutschen Reich
die Goethcfeicr in ciner Kirche abgehalten worden sci, während das doch in
der Schweiz z. B. im Bcrner Münster geschehen ist. „Nun schcint uns", sagten
wir, „zu einer wahrhaft crhebenden Fcier auch solcher Art das Gotteshaus
der am allcrbesten geeignctc Raum: scine Weihe adclt das weltliche Fest und
das weltlichc Fest crinncrt schön an den Zusammenhang der hohen Lebensgüter
mit dcr Neligion, wenn cs in der Kirche vor sich geht." Wir tratcn also da-
für cin, dort, wo nndcrn würdige Festräume schlen, die Kirchen ernstcn und
hohen wcltlichcn Festen überhaupt zu öffnen. Aus unsre damalige Bitte sind
uns von Geistlichen unter unsern Lesern Antworren auf jene Frage zugegangen,
dic über das Vcrhältnis unsercr Kirche zur Kunst manches Licht werfen.

Unbedingt ablehnend hat sich gegen „weltliche Feste in Kirchcn" nur
ein einziger Theologe verhalten. „Zn unscrm Gotteshaus hat nur eine Gestalt
ein Necht, der gekreuzigte und auferstandene Heiland, für den wir lcben, dcr
sür uns lebt — was sonst noch eindringt, und wär's die Kunst in ihrer reinsten
Schöne, entwciht diesen Raum." Das Abhalten von weltlichen Festen in Kirchen
würde einen „Verflüchtigungsprozcß unsrer christlichen Religion" beschlcunigen.
Dcr Einsender crklärt abcr, cr sei noch jung und crst Kandidat, seine Meinungs-
äutzerung möge als cine mchr prioate geltcn; „cinc öffcntlichc Antivort zu
gcben, wäre die Sachc ältercr Geistlichen."

Von dcn ältcrcn Geistlichcn, die uns geschrieben haben, stcht kcin einziger
ganz auf dem Standpunkt dieses jungcn Amtsbruders. Am nüchsten noch stcht
ihm derDichtcr Heinrich Stcinhausen, Pfarrcr zu Podelzig. „Auch Goethcs
Kunst", schreibt cr, „wie die aller Grotzen in ihrem Reichc, umspannt das Uni-
vcrsum, und auch scinc Bühne ist an dcr Grcnze aufgeschlagen, jcnseits dcr die
Unendlichkeit init Nütseln schweigt. Dennoch aber nannte er sich in seincn jungcn
Tagcn das Weltkind und in seincn alten hiclt er es für crwähnenswcrt, datz
kein einzigcs seiner Lieder sich sür ein Kirchengcsangbuch als geeignet crwiescn
hätte: cin dcutlicher Wink, die Schranke nicht zu übcrsehcn, die allc Kunst
auch in ihren höchstcn Vollbringungen vom Gebiet ües Glaubcns, zumal des
christlichen trennt. Der Anbetende kann wohl Gegenstand künstlerischcr Ge-
staltung sein, cr selbst abcr empfinder, genietzt, erfährt die Objekte sciner Ver-
ehrung als dic allerstrikicstc Wirklichkcit, die cignem Bildungstriebc weit cnt-
rückt ist; wie ja allc Religion, ist sie anders nicht schon entartet, nicht aus
Ausrcgung noch so edlcn Sclbst- und Weltgefühls ausgeht, sondcrn mit höchstem
Ernst existenziell scin will, d. h. die Verwirklichung im Leben mit Ueber-
windung dcr härteslcn Widcrstände zum Zweck hat.

Frcilich wird die Phantasie, dic Seelenkraft, ohne die keine Kunst wirklich
wird, bcsondcrs auch vom Religionsglauben beflügelt; abcr selbst der rcligiöse
Künstlcr, wenn ihn scinc Kunst in Anspruch nimmt, bethätigt sich auf einem
Gcbiete, das schr verschicdcn ist von dcm, das er betritt, wenn er feicrnd oder
wirkcnd scincn religiösen Glauben ausübt. Tahcr auch den Kunstwcrken christ-
lich religiösen Jnhalts gcgenüber Derständnis und Gcnutz selbst dem Atheistcn
sich »icht vcrsagt, wenn cr nur sonst für Kunst empfänglich ist.

Wir meinen daher, cs könne wedcr für dic Kunst noch die Neligion von
Nutzcn scin, wcnn üslhetischc Nührung und Anrcgung mit frommcr Erbauung

2. Inniheft tyou
 
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