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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 13,2.1900

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Heft 16 (2. Maiheft 1900)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.7960#0167

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tenanlagen wiederholt — wie sehr das
vonnöten ist, bcwies nun beinahe zum
Erschrecken die eben veranstaltete
„Deutsche Gartenba u - Ausstel-
lung" inDresden. Die Luxusblumen-
zucht allerdings, der sie in der Haupt-
sache geividmet war, kommt da wcnig-
stens vorläufig noch wenig in Frage.
Aber schon die Gartenpläne — wie
selten einmal ein grötzerer Zug, wie
ängstlich durchgeführt das System der
„Bretzelwege",^ wie wenig Zusammen-
fühlen mit den Architekturen! Beinahe
zum Grausen verriet sich die Abwesen-
heit wirklichen Kunstgeistes aber in
Erscheinungen, die vielleicht nebensäch-
lich erscheinen, aber überaus bezeich-
nend sind,

So wuchert unter den Bindereien
noch immer jene „Pflastertechnik", die
ohne jede Rücksicht auf die Blumen-Jn-
dividualität Blüte neben Blüte drängt,
um farbigeFlächcn zusammenzustopsen.
Kommt denn keinem dcr Herren der
Gedanke, daß es doch kaum Aufgabe
der Blumenbinderei sein kann, mangel-
haft nachzumachen, was man sehr viel
einfacher, dauerhafter und schöner mit
farbigen Steinen, Holz- oder Glas-
stücken herstellcn kann? Und was für
Gräulichkeiten hatman da prämiiert!
Da war ein Niesenkranz zusammen-
gepfercht aussglaubtman's?) Himmels-
schlüsselblüten — und das bekam die
große Silberne Medaille! Da war ein
Strandkorb aus Blüten zusammenge-
drahtet, oben auf diesem Strandkorb
klebte ein Strauß und unten an ihm
hing eine Bandschleise — goldene Preis-
münze! Wer, fragt man sich verblüfft,
waren die Autoritäten, die so salo-
mouisch entscheiden konnten? Ach ja,
nber über was für Ehrenpreise ver-
fügten sie auch! Unter der Menge der
ausgestellten Gaben waren nur zwei
oder drei Stück, die ein Mann von Ge-
schmackin scinemZimmerduldenwürde.

Auch, was von Gartenschmuck
zu sehen war, zeigte noch kaum Ansätze
zur Besserung gegen früher. Die fürch-

terlichen farbigen Figuren scheinen
eher noch beliebter geworden zu sein;
früher gab's wenigstens nur Zwerge
und Rehe zu sehen, jetzt gibts auch
noch Hühner, Katzen, Hunde, Neger,
und selbsr die Riesenpilze als Sitze ge-
deihen weiter, während sich der Geist
derFabrikanten an sogenannten „Scher-
zen" beinahe überanstrengt. Nichts ist
für die Tiefe des allgemeinen Ge-
schmacks bezeichnender, als daß dieser
Kram beliebt werden und inimer noch
beliebt bleiben konnte. Kein Kunst-
werk, meine Herren von der Garton-
ausstcllung, will dem Auge eine Tüu-
schung aufschwindeln, die in der näch-
sten Sekunde zerplatzen muß. Deshalb
ist cs für gewöhnlich nicht naluralistisch
bemalt, wenn es das aber ist, fo
grenzt es sich doch durch Postament
oder Rahmen deutlich von der um-
gebenden Welt der Wirklichkeit ab.
Von innen heraus beseelt es sich:
wird s o der Marmor oder Thon dem
Beschauer zum Leben, schön, so bleibt
er Leben, Leben aus dem Geiste, Kunst.
Eure Puppen aber haben den Lebens-
schein von außen her aufgemalt, ihr
schwindelt sie in die Wirklichkeit hin-
ein, indem ihr sie durch nichts von ihr
trennt, sondern scheinbar zufällig in
sie hineinstellt, und so zerschmilzt einein
denn diese Lebensschminke unter den
Augen. Wahrlich, cin Erfolg des
Schweißes wert, wenn einer eine Se-
kunde lang denkt: da steht eine Henne,
— ha ha ha, wie komisch, es ist ja
kcine! O Piepenbrink, Piepenbrink, du
kannst grauenhaft sein! Und während
dieser Schund dutzendweise auftrat,
war von wirklichem künstlerischem
plastischemGartenschmuckaufderganzen
Ausstellung kaum ein einziges Stück zu
sehn. Jch denke mir, man hat sich ge-
sagt: was geht die Künstler unsre
„Branche" an, oder auch, noch wahr-
scheinlicher, man hat an diese „Nicht-
Fachleute" gar nicht gedacht.

Die Gartentische und -Stühle waren
zumeist „modern". „Modern" — man
2. Maiheft lyott
 
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