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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 13,2.1900

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Heft 17 (1. Juniheft 1900)
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Batka, Richard: Neue Wagnerliteratur
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https://doi.org/10.11588/diglit.7960#0185

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Darstellung des Verhältnisscs zwischen den beiden Männern so viel rnhiges
Urteil und strenge Sachlichkeit bewahrt hätte? Und oü ein deutscher Wagncriancr
scincn Meistcr mit solcher höflichcn Entschiedenheit gcgcn Nietzsche und Tolstoj
verteidigen würde, wie Mauriee Kufserath in seinem Buche ^Musicievs et
pdilosopbes" (Paris, F. Alcan)? Jn vieler Hinsicht vortrefflich ist ein Werk des
Holländers Eugen Thoinas über „Die Jnstrumentation der Meistersinger"
(Mannheim, F. Heckcl», das cin von den Musikschriftstellern bisher arg vcrnach-
lässigtes Gebiet behandelt und im Kunstwart noch eine besondere Besprechung
finden soll. Bei einzclnen ästhetischen Fragcn muß man dem Verfasser aller-
dings cntgegentreten, z. B. wenn er den „Meistersingcrn" Verstöße gegen Wag-
ners Prinzip vorwirft unter Hinweis auf die Wortwiederholungcn im Chor
„Reich ihm das Rcis! Scin der Prcis!" und das Quintett. Als ob eine Volks-
versammlung, die von eincm Gcdankcn beherrscht wird, nicht immer wieder
in dieselben, sein Empfinden ausdrückenden Wortc ausbräche! Der Vergleich
mit der Prügelszcne ist da nicht angebracht, denn da handelt sich^s um indi-
viduelle Gruppen und Personen, die einen mannigfach wechselnden szenischen
Vorgang mit ihren Rufen begleiten. Und was das Quintctt betrifft, so ist es
nur eine Unterstellung seiner Gegner, daß Wagner das Ensemble grundsätzlich
verworfen habe. Nur das schablonenhafte Ensemble, das Zusammensingen um
seiner selbst willen, nicht das durch die dramatische Situation gerechtfertigte
hat cr verworfen. Dics nur nebcnbci zur Aufklärung.

„Welches Werk Richard Wagners halten Sie für das beste?" Mit dieser
Rundfrage wandte sich ein junger italienischer Musiker, Hugo Tomicich, an
die Vertreter der heutigen Kunstwelt, und das Ergebnis liegt in einem schmucken
Büchlein (Triest, C. Schmidl) vor. Sechzig Beiträge sind eingelaufen; Wein-
gartner, M. Wirth, Bungert, Ondricek, Busoni, Gura, Kienzl, Volbach, Rei-
mann, Smareglia, Moszkowski, Teresina Tua, Rcznicek u. n. haben sich be-
teiligt. Dazwischcn drängt zuweilen ungesragt die liebe Eitelkcit obskurer
„Größen" sich vor, wie die eines Herrn von Freudenberger, der da anhebt:
„Jch hatte Gelegenheit, Jhren Prospekt bei . . . zu sehen und erlaube mir, Jhnen
auch meine Ansicht über Wagners Werke zu senden." Folgt ein albcrner
Pancgyrikus auf „Tannhäuser". Sehen wir von dergleichen Allzuinenschlichem
ab, so bleibt doch außer manchen interessanten Einzelheiten für den heutigen
Stand der Wagnerbeurteilung bemerkenswert, daß die meisten Stimmen auf
die „Meistersinger" (;s) oder auf den „Tristan" (;;) sich vereinigcn odcr auch
zwischcn beidcn schwanken. Tomicich beabsichtigt, bald ein zweites Bändchen
sciner Veröffentlichungen herauszugcben. Für den künftigen Geschichtschreiber,
der darstellen will, wie Wagner auf die Nachwelt gewirkt hat, wird da immer-
hin schätzbares Material zusammengetragen.

Unter den dcutschen Erscheinungcn sei zunüchst A. Prüfers Buch „Die
Bühncnfcstspiele in Bayreuth" (Leipzig, E. W. Fritzsch) hervorgehobcn. Das ist
nicht nur ein zweckdienliches und durchaus lopales Vademecum für Bayreuth-
pilgcr, cs ist auch sonst mit Nutzen zu gebrauchen. Man findet das nötige
historischc und üsthetische Material, alle wichtigen Belegstellen über Bayreuth,
über Wagners Kunstanschauungen und Werke bequem und übersichtlich bei-
sammcn. Das schönste und ergiebigste Kapitel, von den „Meistersingern", bildet
den Schluß. Ferner wäre E. Wcrnickcs mit Wärme geschriebenes, populäres
Büchlein „Richard Wagner als Erzieher" (Langensalza, Bedcr) zn nennen.
Eine ebcnfalls sehr gcschickte Arbeit O. Lünings über „Wagncr als Dichter
und Denkcr" bildet das „Neujahrsblatt der allgemeincn Musikgcsellschaft in

(. Iuuiheft ^900

irr
 
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