nie vergessen, daß diese noch sehr in den Anfängen stcckt, daß erst in dcr
zwciten Hälfte des vorigcn Zahrhundcrts die ersten Vcrsuche ciner all-
gemeinen Musikgeschichtsschreibung gemacht wurden, daß selbst das Wcrk,
das die Einzeluntcrsuchungen bis zum Jahrc s870 etwa zusammenfaßt,
die Musikgeschichte von Ambros, nur bis zum Jahre s600 rcicht und
trotz seines hohen Wertes auf das deutlichste gezeigt hat, welche Mcnge von
Kärrnerarbeit noch nötig ist, ehe ein König an den Ausbau einer festge-
gründeten Musikgeschichte denken darf. Jctzt leben wir im Zeitalter dieser
Spezialstudien über engbegrenzte Gebiete biographischer wie bibliographischer
Natur, jetzt werden die Steine augcfahren und behauen, aus deuen das
neue Jahrhundert den Bau wird erstehen sehen. Das ist dcr Grund,
weshalb eine neue wissenschaftliche Musikgcschichtc großcn Umfangs, auf
die man sich verlassen könnte, noch fehlt. Die wcnigcn, dic Fähigkeit
dazu hätten, sie zu schreiben, sind eben die, dcucn es selbst am klarstcn
ist, wie vieler Vorarbeiten ein solches Werk noch üedarf. Und so sind
wir darauf angewicscn, uns inzwischen mit knappen Darstellungen der
Materie zu begnügen und in Streitsragen die Entscheidung noch offcn zu
lassen. Jmmer noch zu empfehlen ist die Benützung des „Handbuchs
der Musikgeschichte" von Arrep von Tommer, obwohl seine lctzte Auf-
lage bereits s878 erschienen und darum von der Wissenschaft in manchen
Punkten überholt ist. Für die ülteste Zeit ist sehr brauchbar das Kom-
pcndium der Musikgeschichte von Prosniz, währcnd als kurze zusammcu-
fassende Darstellungen unbedingt die zuverlässigstcn die Arbciten Hugo
Riemauns siud, sein Katechismus dcr Musikgeschichte, von dem den Laien
nur dcr zweite Teil beschäftigen wird, ebenso wie die Ucbersicht in dcm
„Goldencn Buch der Musik", das ja leider sonst viel Bedeuklichcs hat.
Tie bekannte „Geschichte der Musik im Umriß" von Köstlin bringt durch
die Einteilung des Stoffs und die einseitige Behandlung so viel Unklar-
heit in die musikgeschichtliche Betrachtungsweise, daß von ihr abzuraten
ist. Dagegen ist cin Wcrk beim Publikum noch viel zu wenig als Ouelle
musikgeschichtlicher Kenntnissc gcschätzt, das in dcn Hünden sehr vieler
Kunstfreunde ist. Jch meine die drei Bände von Kretzschmars „Führer durch
den Konzertsaal". Jn dcnen steckt eine Menge Gcist gewordcucs histo-
risches Wissen, das gerade, weil cs nicht trocken nach dcm Schema vor-
getragen wird, auch in Laienkreisen einc Fülle von Anregungen gcben
könnte. Man sollte das Buch viel weniger zur Oricuticrung vor oder
im (!) Konzert bcnützen, als sich daraus über den Zusammcnhang der
einzelnen Phasen der geschichtlichen Entwickluug Belehruug vcrschaffcn.
Ueberhaupt — und damit komme ich zur Hauptsachel — handelt
es sich nicht um die Erwcrbung toten Wissens, um das Einprügen von
Zahlen und Namen, auch nicht darum, alten Kunstwcrkeu nuu mit
kritischem Ohr gegenüber zu treten und an ihnen archüologische Studien
zu machen. Das ist für Laien zwccklos und sührt zu nichts, und Kuust-
wartleser vor allen Dingen haben Besseres zu thun als das. Die
Beschäftigung mit alter Kunst hat nur Zwcck fttr den
Kunstfreund, wenn sie i h m rein k ü n st l e r i s ch c n Genuß
verschafft, sein E m p f i n d u n g s l e b c n zu lebendiger
Mitarbeit anspornt, es bereichert, und wenn sie da-
durch mittelbar auch für dic K u n st der Gegcnwart
Segen b , ing t. Um immcr dieser Anschauungsweisc lcben zu können,
Aunsiwart
zwciten Hälfte des vorigcn Zahrhundcrts die ersten Vcrsuche ciner all-
gemeinen Musikgeschichtsschreibung gemacht wurden, daß selbst das Wcrk,
das die Einzeluntcrsuchungen bis zum Jahrc s870 etwa zusammenfaßt,
die Musikgeschichte von Ambros, nur bis zum Jahre s600 rcicht und
trotz seines hohen Wertes auf das deutlichste gezeigt hat, welche Mcnge von
Kärrnerarbeit noch nötig ist, ehe ein König an den Ausbau einer festge-
gründeten Musikgeschichte denken darf. Jctzt leben wir im Zeitalter dieser
Spezialstudien über engbegrenzte Gebiete biographischer wie bibliographischer
Natur, jetzt werden die Steine augcfahren und behauen, aus deuen das
neue Jahrhundert den Bau wird erstehen sehen. Das ist dcr Grund,
weshalb eine neue wissenschaftliche Musikgcschichtc großcn Umfangs, auf
die man sich verlassen könnte, noch fehlt. Die wcnigcn, dic Fähigkeit
dazu hätten, sie zu schreiben, sind eben die, dcucn es selbst am klarstcn
ist, wie vieler Vorarbeiten ein solches Werk noch üedarf. Und so sind
wir darauf angewicscn, uns inzwischen mit knappen Darstellungen der
Materie zu begnügen und in Streitsragen die Entscheidung noch offcn zu
lassen. Jmmer noch zu empfehlen ist die Benützung des „Handbuchs
der Musikgeschichte" von Arrep von Tommer, obwohl seine lctzte Auf-
lage bereits s878 erschienen und darum von der Wissenschaft in manchen
Punkten überholt ist. Für die ülteste Zeit ist sehr brauchbar das Kom-
pcndium der Musikgeschichte von Prosniz, währcnd als kurze zusammcu-
fassende Darstellungen unbedingt die zuverlässigstcn die Arbciten Hugo
Riemauns siud, sein Katechismus dcr Musikgeschichte, von dem den Laien
nur dcr zweite Teil beschäftigen wird, ebenso wie die Ucbersicht in dcm
„Goldencn Buch der Musik", das ja leider sonst viel Bedeuklichcs hat.
Tie bekannte „Geschichte der Musik im Umriß" von Köstlin bringt durch
die Einteilung des Stoffs und die einseitige Behandlung so viel Unklar-
heit in die musikgeschichtliche Betrachtungsweise, daß von ihr abzuraten
ist. Dagegen ist cin Wcrk beim Publikum noch viel zu wenig als Ouelle
musikgeschichtlicher Kenntnissc gcschätzt, das in dcn Hünden sehr vieler
Kunstfreunde ist. Jch meine die drei Bände von Kretzschmars „Führer durch
den Konzertsaal". Jn dcnen steckt eine Menge Gcist gewordcucs histo-
risches Wissen, das gerade, weil cs nicht trocken nach dcm Schema vor-
getragen wird, auch in Laienkreisen einc Fülle von Anregungen gcben
könnte. Man sollte das Buch viel weniger zur Oricuticrung vor oder
im (!) Konzert bcnützen, als sich daraus über den Zusammcnhang der
einzelnen Phasen der geschichtlichen Entwickluug Belehruug vcrschaffcn.
Ueberhaupt — und damit komme ich zur Hauptsachel — handelt
es sich nicht um die Erwcrbung toten Wissens, um das Einprügen von
Zahlen und Namen, auch nicht darum, alten Kunstwcrkeu nuu mit
kritischem Ohr gegenüber zu treten und an ihnen archüologische Studien
zu machen. Das ist für Laien zwccklos und sührt zu nichts, und Kuust-
wartleser vor allen Dingen haben Besseres zu thun als das. Die
Beschäftigung mit alter Kunst hat nur Zwcck fttr den
Kunstfreund, wenn sie i h m rein k ü n st l e r i s ch c n Genuß
verschafft, sein E m p f i n d u n g s l e b c n zu lebendiger
Mitarbeit anspornt, es bereichert, und wenn sie da-
durch mittelbar auch für dic K u n st der Gegcnwart
Segen b , ing t. Um immcr dieser Anschauungsweisc lcben zu können,
Aunsiwart