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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 13,2.1900

DOI issue:
Heft 20 (2. Juliheft 1900)
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Batka, Richard: Johann Sebastian Bach
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https://doi.org/10.11588/diglit.7960#0292

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zurück, zu jeuem biedern thüringischen Müller, der „unter währendem
Mahlen" vergnüglich seine Zither zu spielen pslegtc; sie deuten auf seinen
Sohn, den lustigen Spielmann Hans, der als eigene Jndividualität die
Geige „nach seiner Art" schon zu behandeln wußte; sie legen uns dar,
wie das Geschlecht der Bache sich immer breiter iin Lande verzweigte,
wie ein Teil, der Kantorei und Organisterei ergeben, in den Dienst der
kirchlichen Tonkunst trat, während eine andere Gruppe sich der Kunst-
pfeiferei, der weltlichen Musik, widmete: bis beide Richtungen in dem
breiten Strombett Johann Sebastians zusammenliefen.

Nun aber nehmen die Biographen Bachs das Wort und unterrichten
uns über alle Einzelheiten seines Lebensganges. Sie schildern uns, wie
er nach seinen Lehr- und Wandcrjahren als Organist zu Arnstadt durch die
kleinstädtischen Philister, zu Mühlhausen durch die kunstfeindlichen Pietistkn
zu Weimar durch die Gleichgültigkeit des Hofes zum Weggang veranlaßt
wird. Sie schildern dann als idyllische Episode in seinem bewegten
Lcben dcn Aufenhalt beim Fürsten Leopold von Köthen und als solennen
Abschluß das Thomaskantorat zu Leipzig, wo ein beschränkter Magistrat
dem gewaltigen Künstler steten Verdruß bereitet und eine Ehrung durch
Friedrich den Großen wie ein letzter Sonnenschein in sein trübes Alter
fällt. Bach stirbt — und bald weiß niemand mit Sicherheit die Stelle
zu bezeichnen, wo seine Gebeine ruhen . . .

Der Psychologe tritt hinzu: er schildert die Persvnlichkeit
unseres Großen. Er zerstört das patriarchalische Dulderbild der schwäch-
lichen Legende, er zeigt uns in Vach die starke Kampfnatur, den cnergi-
schen, leidenschaftlichen, stolzen Mann, der weit entfernt davon, sich in
Demut zu ducken, trotzig und unerschrocken aufbegehrt gegen die Obrig-
keit, ebenso wie er keineswegs an die überliefertcn „Kunstgesetze" sich
bindet und in seincn Kantaten als kühncr Reformator der protestantischen
Kirchenmusik auftritt. Und wieder kommt ein Kunstgeschichtler, um zu
erklären, wieso dieser Genius als ein Vollcnder und Abschließer jahr-
hundertlangen Kunststrebens gelten darf, um die Verbindungslinien von
Pachelbel und Weber zum „wohltemperierten Klavier", von den großen
Venetianern zu den Orgelwerken, von den deutschen Spielmannsgilden
zu den Partiten, von Couperin zu den französischen Suiten, von Schütz
und Kuhnau zur Mathäuspassion zu ziehen, um Bach als den großen
Lerner darzustellen, der freilich die von außen übernommenen Kunst-
elemente im Feuer seiner Eigenart zu verschmelzen und mit individueller
Kraft zu durchdringen vermochte.

Jetzt hält auch der Musikfreund nicht länger hinter dem Berge.
Er weist auf die Werke des Meisters ohne alle Seitenblicke hin, er ver-
sucht unseren Chören klar zu machen, was sie an der lll-woll Messe,
unsern Pianisten, was sie am „Wohltemperierten Klavier", am „Jtalieni-
schen Konzert", der „Chromatischen Phantasie", den „Tokkaten", unsern
Organisten, was sie an den Chorälen und Orgelstücken, unsern Geigern,
was sie am O-moll Konzert und den Sonaten für unvergängliche Schütze
besitzen, und die Kunstpolitiker ergänzen seine Ausführungen durch den
dringenden Wunsch, es möchten diese Schätze im Kunstlebcn der Gegen-
wart viel reichlicher dem allgemeinen Besten zugeführt werden, als
lcider immcr noch geschieht. Denn Bachische Musik sei ein Gesnnd-

Amistwart
 
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