der Westfront ein regelrechter Turm,
der Helm mit großen Gaupen be-
reichert, mit einem dicken vergoldeten
Kreuze bekrönt; das Portal mit Wim-
pergen und zwei Filialen in Kunststein
aufgeschmückt und mit einer Maßwerk-
Flügelthür geschlossen. Weite Fenster,
damit sie dem »weiträumigen, einheit-
lichen« Jnneren ja nur genügendes
Licht spcnden, mit eiscrnen Sprossen
versehen und rautensörmig mit weißem,
von einem schmalen einfarbigen Streifen
eingefaßten Kathedraleglase verglast,
erhellen denKirchenraum, dessenWände
in einem lichten Farbentone gestrichen
und felderweis mit breiten und feinen
Linien eingefaßt werden und über
dem sich eiue in den Fugen gestäbte,
lasierte, mit rot, blau und womöglich
etwas Gold abgesetzte Holzdecke spannt.
Die Ausstattungsstücke in Maßwerk-
tischlerei und in der Farbe ähnlich be-
handelt wie die Decke, der Fußboden
mit kleinen, bunt gcmusterten Thon-
plättchen belegt- — Das ist ungefähr
das Jdeal, welches denen, die nach der
neuen, »wnrdigen« Kirche trachten,
vorzuschwcben pflegt; in Wirklichkeit
einnüchternes,kahles,poesieloses Mach-
werk, unecht aufgcputzt, viel zu groß
sür die kleine Dorfgemeinde wie für den
Maßstab der Umgebung, kalt, bar der
Uebcrlieferung vcrflosscncr Zeiten, vcr-
gangener Geschlechter, bar auch dcr
Erinncrungen sür den Einzelnen, der
Erinnerungon an all die Vorgänge
und Erlebnisse, die den fühlcndcn
Menschen, die insbcsondere dcn in
stetigen und einfachen Lebensverhält-
nissenaufwachscndenDorfbewohncreng
mit seinem heimatlichen Gotteshause
verketten oder doch verkettcn sollten."
Liegt wirklich das Bedürfnis zu
neuen und größeren Kirchenbauten vor,
so treten halt andere Verhältnisse ein-
Dann baue man getrost, aber indem
man's wagt, man selber zu sein.
Glückt da auch nicht alles, besser wird's
doch, als die langweilige Korrektheit
ängstlich akademischer Architektur. Denn
einem sröhlichen Verhauen hier ivird
fröhliches Gelingen an andern Stcllen
oft genug zur Seite stehn- Und schon
gibt's in all unsern Großstädten wie-
der wirkliche Küustler unter den
Architekten, die gern mit ihrem Rate
zur Hand gehn.
Verinischtes.
* Zur Ansichtskarten-Mode
stellt Rosegger im „Heimgarten" die
folgcnde kleino Ncchnung auf: „Eine
Familie mit dem gewöhnlichen Be-
kanntcnkreis gibt wöchentlich minde-
stens vier Ansichtskarten aus. Wenn
vielleicht im Winter weniger, so gewiß
im Sommer mehr. Um dieses Gcld
könnte sie sich jährlich acht bis zchn
schöne Bücher anschaffen."
387
2. rlugnstheft lyoo
der Helm mit großen Gaupen be-
reichert, mit einem dicken vergoldeten
Kreuze bekrönt; das Portal mit Wim-
pergen und zwei Filialen in Kunststein
aufgeschmückt und mit einer Maßwerk-
Flügelthür geschlossen. Weite Fenster,
damit sie dem »weiträumigen, einheit-
lichen« Jnneren ja nur genügendes
Licht spcnden, mit eiscrnen Sprossen
versehen und rautensörmig mit weißem,
von einem schmalen einfarbigen Streifen
eingefaßten Kathedraleglase verglast,
erhellen denKirchenraum, dessenWände
in einem lichten Farbentone gestrichen
und felderweis mit breiten und feinen
Linien eingefaßt werden und über
dem sich eiue in den Fugen gestäbte,
lasierte, mit rot, blau und womöglich
etwas Gold abgesetzte Holzdecke spannt.
Die Ausstattungsstücke in Maßwerk-
tischlerei und in der Farbe ähnlich be-
handelt wie die Decke, der Fußboden
mit kleinen, bunt gcmusterten Thon-
plättchen belegt- — Das ist ungefähr
das Jdeal, welches denen, die nach der
neuen, »wnrdigen« Kirche trachten,
vorzuschwcben pflegt; in Wirklichkeit
einnüchternes,kahles,poesieloses Mach-
werk, unecht aufgcputzt, viel zu groß
sür die kleine Dorfgemeinde wie für den
Maßstab der Umgebung, kalt, bar der
Uebcrlieferung vcrflosscncr Zeiten, vcr-
gangener Geschlechter, bar auch dcr
Erinncrungen sür den Einzelnen, der
Erinnerungon an all die Vorgänge
und Erlebnisse, die den fühlcndcn
Menschen, die insbcsondere dcn in
stetigen und einfachen Lebensverhält-
nissenaufwachscndenDorfbewohncreng
mit seinem heimatlichen Gotteshause
verketten oder doch verkettcn sollten."
Liegt wirklich das Bedürfnis zu
neuen und größeren Kirchenbauten vor,
so treten halt andere Verhältnisse ein-
Dann baue man getrost, aber indem
man's wagt, man selber zu sein.
Glückt da auch nicht alles, besser wird's
doch, als die langweilige Korrektheit
ängstlich akademischer Architektur. Denn
einem sröhlichen Verhauen hier ivird
fröhliches Gelingen an andern Stcllen
oft genug zur Seite stehn- Und schon
gibt's in all unsern Großstädten wie-
der wirkliche Küustler unter den
Architekten, die gern mit ihrem Rate
zur Hand gehn.
Verinischtes.
* Zur Ansichtskarten-Mode
stellt Rosegger im „Heimgarten" die
folgcnde kleino Ncchnung auf: „Eine
Familie mit dem gewöhnlichen Be-
kanntcnkreis gibt wöchentlich minde-
stens vier Ansichtskarten aus. Wenn
vielleicht im Winter weniger, so gewiß
im Sommer mehr. Um dieses Gcld
könnte sie sich jährlich acht bis zchn
schöne Bücher anschaffen."
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2. rlugnstheft lyoo