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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 13,2.1900

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Heft 23 (1. Septemberheft 1900)
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.7960#0421

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Also: spitz die Ohren!

Wie ich gestern die Briefmarken einsammle (sür eine Million bekommt
man wirklich ein chinesisches Kind, es ist kcin Aufsitzer, du kannst dich d'rauf
verlassen und mir ein paar Tausend schicken, wenn du sie bcisammen hast),
seh' ich daruntcr eine würtembergische.

Wer schreibt uns denn aus Würtemberg, Mama? — „Das ist ein Gc-
heimnis", sagt dic Mama, und ich seh' ihr an, daß sie d'rauf brennt, es aus-
zuschwatzen. Paar Minuten später weitz ich Alles.

Jn seiner Jugend hat Papa in eincm Regiment mit dem Grafen Aich-
Kronburg gedient. Beide haben sich um dieselbe reiche Erbin beworbcn, und
der Schwabe hat sie erobert und Papa war der erste, der ihm dazu gratuliert
hat. So sind sie Freunde geblieben. Und jetzt schickt dcr Dynast aus Schwaben-
land seinen Erbgrafen auf Reisen, und der soll sich in Sebendorf aufhalten
und sich bemühen, dem Papa und der Mama zu gefallen und am aller-
meisten . . . Wem? hat sie mich erraten lassen und hat mich umarmt, wie
die Mütter uns umarmen, wenn sie hoffen, uns bald los zu werden.

Einen S'chwaben also, denk Dir! — Wenn ich nur wützte, wie cr aus-
schaut, ob er nicht gar zu große Fütze hat, auf denen er am Nachmittag „zum
Bier" geht mit seincn Beamten.

Nach dcm Souper aber, mein Kind, da war es bei unS so, datz ich mir
gedacht habe: und wenn er Elephantenfüße hat, ich nehm' ihn doch!

Ein Abend ohne Gäste, wie er jetzt manchmal vorkommt in Sebenberg,
ist rein zum Auswachsen!

Papa redet sich ein, datz er die Sportzeitung liest, schlüft aber. Mama
strickt ein weitzes Umhängtuch mit Dessins, gebildet durch die herabfallende
Asche der Esceptionales, die sie immer im Munde sührt. Der Onkel spielt
Festung mit der Singlehrerin, und die Tante löst Silbenrätsel auf mit
Früulein Nagel. — „Das fünfundfünfzigste Wort, Fräulein?" — „Ein Dorf in
Serbicn." — „Mein Gott, in Serbien!" — „Es fängt mit einem K an und
cndet mit cinem E." — „Bitte um den Meyer." — „Jch habe schon nachgesehen
da stcht es nicht." — „Jch bitte also um den Ritter." — Und jetzt fallcn sie
über den Ritter her.

Das ist Tisch Nr. ,.

Am Tisch Nr. 2, am andern Ende des Saales, spiclen „die Kleinen"
mit dcm Erziehungsdepartement Pocherl, und ich sitze auf dcm Pouf allein
zwischen dem Alter und der Kindheit, wie Dido auf Naxos. Da war ich wieder
gelehrt, du mutzt verzeih'n — die Langweile macht einen dumm.

Mcine Dogge strcckt sich und gähnt mich an: — Vener! sag' ich ihr,
gehen wir auf den Balkon, wir zwei — Vielleicht fliegt zu unserer Unter-
haltung cine Fledermaus vorüber. Kaum lehn' ich ani Geländcr, wcr komint
nachgestiefelt? — Papa. — er lehnt sich auch ans Geländcr und sagt erst gar
nichts. Auf einmal fängt er an: — „Du, Katz!" — „Was Papa?" — „Was
machst denn?" — „Jch vorhöre Fledermüuso, Papa." Er lacht. — „Jch sag'
dir was, abor plausch nicht, hörst?" — „Nein, Papa." — „Wirst nicht plauschcn?"
— „Nein, Papa." Er droht mir mit dcn Augen: — „Auch nicht mit der
Mania, verstehst?" .... Darauf hin erzählt er mir die Geschichte vom Erbgrafcn.

Jch habe mich nur erkundigt, ob die Kronburgs Ncnnpferde haltcn.
Papa weitz es nicht, glaubt abcr chcr Nein als Ja. O wch!

Deinc Muschi.

,. Septemberheft ,900
 
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