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Kunstwart und Kulturwart — 33,3.1920

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Heft 14 (2. Aprilheft 1920)
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14991#0122

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oon zwei Beziehnngen unkünstlerisch.
Lntweder: sie erstrebten wissenschaft--
liche Richtigkeit, trotzdem sich zn wis-
senschaftlicher Darstellung doch ge-
wiß die Silhouette schon wegcn ihrer
„Linseitigkeit" nicht eignet. Oder:
sie sentimentalisiertcn, indem sie von
den wirklichen Lebensbedingungen der
Pflanze um des nur so genannten
„Poetischen" willen absahen. Was
sonst einigermaßen gelang, kam selten
über eine Art von dekorativer Wir-
kung hinaus, die doch insofern auch
wieder verfehlt war, als es auf weißen
Blättern gar nichts zn dekorieren gab,
und demnach das Lrzeugnis in der Luft
hing.

Die Pflanzen-Silhonetten von
Minna Saalwächter ziehe ich nicht nur
den andcrn Schattenrissen, die sie bis-
her veröffentlicht hat, weit vor, sondern
auch den Pflanzen-Schattenrissen aller
andern Deutschen, die ich kenne. Sie
sind nicht nur geschickt und geschmack-
voll, sie sind vor allem aus einem
außerordentlich lebendigen Einfühlcn
in das Wachsen einer Pflanze gebildet.
Man wolle an unsern Proben einmal
die Sandegge und den Sänerling aus
das Gefühl sür Habitus hin ver-
gleichen nnd beachten, wie bis ins
kleinste Spitzchen das besondere
formbildende Prinzip durchstrebt. Oder
man vergleiche robustcre Gesellen, den
Enzian etwa und den Krokus. So ar-
beitet kein äußerliches, wenn auch noch
so peinliches Abzeichnen, so bildet eine
die Kräfte der gestaltenden Natur in
sich nachfühlende, innige und ehrfürch-
tige Liebe. Niemals erlaubt sich die
Saalwächter, der schönen Linie zulieb
die Natur meistern zu wollen. Sie
holt auch ihre künstlerischen Wirkun-
gen in diesen Sachen ausschließlich aus
ihr, der Natur, hcraus.

Damit hängt wohl auch zusammcn,
daß Minna Saalwächter ihre Blät-
ter, wenn uur irgend möglich, in
der Größe der Pflanzen selbcr
bringt. Vielleicht bezeugen gerade die
großcn Blätter unsrer Mappe am
schnellsten ihre Vorzüge.

So glaube ich, der Kunstwart hatte
das Recht, eine Anzahl der schönsten
Saalwächterschen Pflanzen-Risse in
einer Mappe herauszugeben. Ich
meine, er kann damit wiedcr auf einem

kleinen Gebiete der „Berinnerlichnng
deS Vetriebes" dienen. Wer von den
Schatten-Schneidern der Saalwächter
nacheifert, indem er sich das zur
Hauptaufgabe setzt, was sie als solche
empfand — ich meine, der arbeitet
an der Erstarkung des Naturge-
fühls für sich und für die, die sich
seiner Gaben freuen sollen. A

Schubertsche Gitarrelieder

ranz Schnbert war, wie die meisten
seincr mu ikalischm Zeitgenossen, ein
guter Gitarrespicler. Oft genug hat
ihm die Zupfgeige das Klavier er-
setzen müssen, wenn es galt, ein neues
Lied frisch vom Papier weg seinen
Freunden vorzusingen, und eine ganze
Reihe seiner Gesänge sind sogar zu
seinen Lebzeiten bci Wiener Verlegcrn
in der Vcarbeitung sür eine Stimme
und Gitarrebegleitung erschicnen. Sie
wurden jedoch vergcssen, und keiner der
Mnsiker, die sich nach dem Wicder-
einsetzen der Lauten- und Gitarrcbewc-
gung um das Herbeischaffen guter Stücke
für die Zupfinstrumente verdient ge-
macht haben, hat an Schuberts Gitarre-
lieder gedacht, bis vor kurzcm Richard
Schmid sO S ch u b e rt - L i e d e r zur
Gitarre (bei Fr. H o fm e i st e r in Leip-
zig) veröffentlichte. Es handelt sich dabei
also nicht etwa um Bearbeitungen des
Herausgebers, sondern um Neudrucke
echter Schubertscher Gitarre-Gesäuge.
Die meisten davon kcnnen wir schon
in ihrer Gestalt vom Klavier her. Es
ist auch nicht anzunehmen, daß diesen
künstlerisch durch die Schmidsche Ver-
öffentlichung nun einc ernslliche „Kon-
kurrenz" crwachse. Schubert wird immer
der Schöpser des deutschcn Klavier-
licdes bleiben. Aber selbst in der uns
bisher allein bckannt gewesenen Kla-
vicrform seiner Gesänge gab es man-
cherlei Begleitfiguren, die ihren Ar-
sprung in der Gitarrctechnik hatten.
Man denke nur an Lieder wie das
„Heidenröslcin" odcr an„Das Wandcrn
ist des Müllers Lust." Sie sind uns
jetzt von Schmid in ihrcr ursprünglichen
und natürlichen Gestalt wiedergegeben
worden. Bei andereU freilich merkt man
die nachträgliche Einrichtung. Denn
anch Schubcrt war an mancherlci Be-
schränkungen gebunden, die ihm die
Eigenart und der Tonnmfang aufer-
 
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