136 IZSkLELLSiS-s vr. Wilhelm Mießner: Fritz Klimsch
modernen Stoffen, sind nun allerdings ein
bißchen vor unserer jüngsten Zeitkrankheit
gefeit. Schon mit 16 Jahren bezog der
junge Frankfurter 1886 die Berliner Aka-
demie. So kam er noch mitten in jene
Jahre hinein, die die aufstrebende Reichs-
hauptstadt zum Mittelpunkt einer neuen,
lebendigen Kunst machte. Als Schüler
Schapers hat er von dessen wunderbarem
Lehrtalent reichen Vorteil ziehen können.
Frühzeitig hat er sich denn auch von
jenem pathetischen Begasstil abgewendet,
gegen den die neue Jugend Front machte;
er fand damals vielmehr in Hildebrand
lZ Mädchenakt. Holz
seinen Meister. Aber schon im Jahre
1894 verschaffte ihm der Staatspreis für
eine Studienreise einen weiteren Blick.
Paris und Rodin waren die ersten gro-
ßen Erlebnisse dieser Wanderjahre, und
ganz besonders zeigten ihm die Porträts
von Rodin einen neuen Weg. Hier waren
der bildenden Kunst psychologische Ent-
deckungsfahrten gelungen, die ihn immer
wieder auf das tiefste, beschäftigt haben:
Menschen darzustellen mit dem lebendigen
Atem ihres Wesens. Dazu konnte alle
gewollte Klassik nicht mehr verhelfen. Der
moderne Mensch fordert neue, viel nervösere
Ausdrucksmittel. 1895 ist Klimsch dann
nach Italien gegangen wie einer, der in
den Hellen Himmel des Südens eine in
sich gefestigte Art mitbringt und den Rausch
der Farben und Formen mit Selbsterleb-
tem beseelt. Später hat er so Griechenland
besucht und London um des Britischen
Museums willen. Aber sein innerstes Stre-
ben blieb mit Berlin verwachsen und mit den
Gedanken, mit denen unsere Sezession ihre
schöpferischen Mitglieder erfüllte. Sein
rheinisches Temperament und eine gesunde
Frankfurter Jugend haben sich dabei früh-
zeitig erproben können. Sein starkes Gefühl
für die seelische Bedeutung einer Geste hat
ihm einen schönen Erfolg gesichert. Er hat
in jeder seinerPerioden auf einen wirklichen
Abschluß hingestrebt und das, was seiner
Natur nach darauf folgen mußte, mit dem
gleichen Eifer erfaßt. So daß man zuletzt,
wie es hier versucht wurde, einen gemein-
samen Gedanken in seinem Werk erkennen
kann, der wohl der Grundgedanke seines
Wesens sein muß. Er hat mehr als manche
andere den Geist seines Materials erkannt
und Stein und Bronze auch im Stil von-
einander geschieden. Die Jägerinnen sind
nicht zufällig Bronzearbeit.
Dem Stein hätte er eine solche zerfließende
Empfindsamkeit nie zugetraut, und klarer
noch wird der Unterschied von Bronze und
Stein fürihn bei den Portrütbüsten. Männ-
liche Gedankenschärfe, militärische Wetter-
härte ließ sich besser, wie im Bildnis des Ge-
neralfeldmarschalls Grafen von Schlieffen,
in Bronze zeigen mit ihren deutlicheren
Riefen. Weibliche Charaktere und Liebens-
würdigkeit mit ihrem gepflegten Gesichts-
ausdruck brachten ihm besser der weiße
Stein, das geschmeidige Holz zum Ausdruck.
modernen Stoffen, sind nun allerdings ein
bißchen vor unserer jüngsten Zeitkrankheit
gefeit. Schon mit 16 Jahren bezog der
junge Frankfurter 1886 die Berliner Aka-
demie. So kam er noch mitten in jene
Jahre hinein, die die aufstrebende Reichs-
hauptstadt zum Mittelpunkt einer neuen,
lebendigen Kunst machte. Als Schüler
Schapers hat er von dessen wunderbarem
Lehrtalent reichen Vorteil ziehen können.
Frühzeitig hat er sich denn auch von
jenem pathetischen Begasstil abgewendet,
gegen den die neue Jugend Front machte;
er fand damals vielmehr in Hildebrand
lZ Mädchenakt. Holz
seinen Meister. Aber schon im Jahre
1894 verschaffte ihm der Staatspreis für
eine Studienreise einen weiteren Blick.
Paris und Rodin waren die ersten gro-
ßen Erlebnisse dieser Wanderjahre, und
ganz besonders zeigten ihm die Porträts
von Rodin einen neuen Weg. Hier waren
der bildenden Kunst psychologische Ent-
deckungsfahrten gelungen, die ihn immer
wieder auf das tiefste, beschäftigt haben:
Menschen darzustellen mit dem lebendigen
Atem ihres Wesens. Dazu konnte alle
gewollte Klassik nicht mehr verhelfen. Der
moderne Mensch fordert neue, viel nervösere
Ausdrucksmittel. 1895 ist Klimsch dann
nach Italien gegangen wie einer, der in
den Hellen Himmel des Südens eine in
sich gefestigte Art mitbringt und den Rausch
der Farben und Formen mit Selbsterleb-
tem beseelt. Später hat er so Griechenland
besucht und London um des Britischen
Museums willen. Aber sein innerstes Stre-
ben blieb mit Berlin verwachsen und mit den
Gedanken, mit denen unsere Sezession ihre
schöpferischen Mitglieder erfüllte. Sein
rheinisches Temperament und eine gesunde
Frankfurter Jugend haben sich dabei früh-
zeitig erproben können. Sein starkes Gefühl
für die seelische Bedeutung einer Geste hat
ihm einen schönen Erfolg gesichert. Er hat
in jeder seinerPerioden auf einen wirklichen
Abschluß hingestrebt und das, was seiner
Natur nach darauf folgen mußte, mit dem
gleichen Eifer erfaßt. So daß man zuletzt,
wie es hier versucht wurde, einen gemein-
samen Gedanken in seinem Werk erkennen
kann, der wohl der Grundgedanke seines
Wesens sein muß. Er hat mehr als manche
andere den Geist seines Materials erkannt
und Stein und Bronze auch im Stil von-
einander geschieden. Die Jägerinnen sind
nicht zufällig Bronzearbeit.
Dem Stein hätte er eine solche zerfließende
Empfindsamkeit nie zugetraut, und klarer
noch wird der Unterschied von Bronze und
Stein fürihn bei den Portrütbüsten. Männ-
liche Gedankenschärfe, militärische Wetter-
härte ließ sich besser, wie im Bildnis des Ge-
neralfeldmarschalls Grafen von Schlieffen,
in Bronze zeigen mit ihren deutlicheren
Riefen. Weibliche Charaktere und Liebens-
würdigkeit mit ihrem gepflegten Gesichts-
ausdruck brachten ihm besser der weiße
Stein, das geschmeidige Holz zum Ausdruck.