SILELLLLLEELES
BkS Assuan LLLÄL
8L^V
373
sei das Grenzland Oberägyptens und Nubiens
ein norwegischer Fjord. Dann zur Rechten
der Ausblick auf ein paradiesisches Eiland:
die Palmeninsel Elefantine; zur Linken, lang
und schmal am Nilufer ausgestreckt, eine
weiße Stadt. Sie leuchtet weit hinaus, über
Fluß und Ferne, von hundert und aber hun-
dert Palmenkronen wie von einem Baldachin
überschattet: Assuan, die Wüstenstadt.
R R W
Auf der Insel Elefantine. Savoyhotel.
„Eine Tragödie ..
Schon seit Wochen weile ich auf diesem
Eiland, in seinen Palmenwäldern, unter den
Blütenbäumen seines Parks, darunter die
Märchenszene von Shakespeares „Sturm" spie-
len könnte. Trotzdem rufe ich aus: „Eine
Tragödie!" Ich erlebe sie seit Wochen jeden
Tag; denn jeden Tag erlebe ich die Wüsten
Arabiens und Libyens, zwischen deren schim-
mernden Öden Assuan mit dem Nil und seinen
Eilanden wie durch Zauber eingebettet liegt.
Ich blicke auf vom Papier, und durch
leise schwankende Palmenkronen, über den
Rosenglanz der in voller Blüte prangenden
Oleanderbäume hinweg strahlen mir die
libyschen Wüstenberge entgegen. Sie strahlen.
Blendender Glanz geht aus von ihnen. Ich
weiß nicht, was hier unterirdischer leuchtet:
der ewig regenlose Himmel oder die Erde
dort, wo sie Wüste ist? Seit meinen Kinder-
tagen machte ich mir von dieser eine Vor-
stellung als von etwas unerhört Schreck-
lichem, und nun muß ich hier ihre unsägliche
Schönheit erkennen. Ein Grauen bleibt
freilich darüber gebreitet wie das Erschauern
der Seele bei einer Schicksalstragödie der
großen griechischen Dichter.
Aufblickend von meinem Papier, sehe ich
jenseits des linken Nilufers, mir aber ganz
nahe, die Eingänge, die in die Felsengräber
der Fürsten von Elefantine führen. Gruft
reiht sich an Gruft. Ich sehe die schmale
Felsenrinne im gelben Wüstensand, darauf
die Sarkophage die Steile emporgewunden
wurden. Die Särge bestanden aus dem
Granit der Arabischen Wüste, und jeder Sarg
war ein Koloß. Die Begräbnisstätten der
Fürsten von Elefantine gehören den ältesten
Zeiten ägyptischer Geschichte an, also vier
Jahrtausende vor Christus, und ich sah auf
den Wänden dieser tief in das Gestein ein-
geführten Mausoleen die Bildnisse jener viel-
tausendjährigen Begrabenen in farbenfreu-
diger Buntheit.
Dort drüben befindet sich auch eines der
ältesten Koptenklöster des Landes. Es liegt
in einer Senkung des Wüstengebirgs, rings-
um nichts als roter Sand und gelber Fels:
Wüste - Wüste - Wüste! Seit Jahrhun-
derten liegt das Kloster erster ägyptischer
Bekenner des Evangeliums in Ruinen. Es
war eine ganze Stadt gewesen. Dafür
spricht auch eine erst vor kurzem entdeckte
koptische Nekropole, die jenem Heiligtum an-
gehört haben muß, obwohl sie volle fünfzig
Kilometer davon entfernt in der libyschen
Wüste eingesargt ist: bis in solche Entfer-
nungen von jeder menschlichen Wohnstätte
schleppte man selbst noch in späteren Zeiten
die Toten, um sie vor der Schändung der
Grabräuber zu schützen, die noch vor nur
wenigen Jahrzehnten die Mumien der Pha-
raonen im Tale der Könige bei Theben
geplündert. Auf den weiten Sandflächen
unterhalb der Klippen, darauf sich die Trüm-
mer der Klosterstadt erheben, fand ich viele
Fährten von Schakalen und Wölfen. Sie
führten sämtlich an den Fluß zur Tränke
hinab. Beim ersten Morgengrauen kann
der Wachende in einer der vornehmsten
Fremdenherbergen der Kulturwelt, dem
Savoyhotel auf Elefantine, das belfernde
Bellen der Schakale, das heisere Heulen der
Wölfe hören, und jede Nacht, in der ich
keinen Schlaf fand, aufstand und das Fenster
öffnete, um nach dem feierlichen Kreuz des
Südens auszuspähen, hörte ich aus den
Palmenwäldern von Elefantine meine wun-
dersame Nilmusik: das leise, leise, eintönige
Kreischen und Knarren der Schöpfbrunnen,
von den Dorfbewohnern vor der Erntezeit
auch nachts betrieben. Freilich sind die
Nächte Oberägyptens von einem Glanz er-
füllt, als sei das Sternenlicht nordischer
Mondschein. Auch in Sternennächten be-
halten hier die Blüten des Oleanders und
Hibiskus, die scharlachroten und violetten
Blattblumen der Euphorbien und Bougain-
ville«, alle die Rosengefilde, die hier wahre
Blütendichtungen sind, ihre Farbenpracht.
Auf dem Südende der Insel liegt das
Pompeji Ägyptens: die Ruinen der Stadt
Elefantine, bereits zur Zeit von König Menes
der Sitz eines mächtigen Fürstengeschlechts
am ersten Katarakt mit Palästen und Tem-
peln, die erst vor kurzem noch einer vanda-
lischen Zerstörungswut zum Opfer fielen.
Aber selbst ihre traurigen Reste bilden be-
redte Zeugen vergangener Pracht. Noch
sind Gassen und Plätze deutlich erkennbar.
Aus den schwarzen Schuttmassen ragen gra-
nitene Portiken und Pforten, Altäre und
Sanktuarien auf. Säulen und Mauern be-
decken bunte Hieroglyphenschrift und heilige
Flachreliefs, und noch öffnen sich Grüfte
späterer Geschlechter: stieß ich doch auf einer
einsamen Wanderung auf lange Reihen von
Sarkophagen aus Ton und Stein, die immer
noch ihre Toten zu bergen scheinen.
Den Trümmern und Toten entfliehend,
stieg ich gestern hinab zum Nilufer. Dort
stand ich auf den Kanten eines scharfen
Riffs, unmittelbar über den brandenden
Wassern, und schaute ergriffenen Gemüts auf
die Welt des Katarakts bis gegen Philä hin-
auf. Eine Welt ist's, die der nicht vergessen
kann, wer sie einmal sah. Die beiden Wüsten
bilden das Bett des Stroms, dessen Wirbel
ein Labyrinth winziger Eilande umrauschen:
Klippen/ Schollen, Zinnen und Zacken, im-
mer wieder Klippen, Schollen, Zinnen und
Zacken! Die einen erglühen in der dunklen
BkS Assuan LLLÄL
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sei das Grenzland Oberägyptens und Nubiens
ein norwegischer Fjord. Dann zur Rechten
der Ausblick auf ein paradiesisches Eiland:
die Palmeninsel Elefantine; zur Linken, lang
und schmal am Nilufer ausgestreckt, eine
weiße Stadt. Sie leuchtet weit hinaus, über
Fluß und Ferne, von hundert und aber hun-
dert Palmenkronen wie von einem Baldachin
überschattet: Assuan, die Wüstenstadt.
R R W
Auf der Insel Elefantine. Savoyhotel.
„Eine Tragödie ..
Schon seit Wochen weile ich auf diesem
Eiland, in seinen Palmenwäldern, unter den
Blütenbäumen seines Parks, darunter die
Märchenszene von Shakespeares „Sturm" spie-
len könnte. Trotzdem rufe ich aus: „Eine
Tragödie!" Ich erlebe sie seit Wochen jeden
Tag; denn jeden Tag erlebe ich die Wüsten
Arabiens und Libyens, zwischen deren schim-
mernden Öden Assuan mit dem Nil und seinen
Eilanden wie durch Zauber eingebettet liegt.
Ich blicke auf vom Papier, und durch
leise schwankende Palmenkronen, über den
Rosenglanz der in voller Blüte prangenden
Oleanderbäume hinweg strahlen mir die
libyschen Wüstenberge entgegen. Sie strahlen.
Blendender Glanz geht aus von ihnen. Ich
weiß nicht, was hier unterirdischer leuchtet:
der ewig regenlose Himmel oder die Erde
dort, wo sie Wüste ist? Seit meinen Kinder-
tagen machte ich mir von dieser eine Vor-
stellung als von etwas unerhört Schreck-
lichem, und nun muß ich hier ihre unsägliche
Schönheit erkennen. Ein Grauen bleibt
freilich darüber gebreitet wie das Erschauern
der Seele bei einer Schicksalstragödie der
großen griechischen Dichter.
Aufblickend von meinem Papier, sehe ich
jenseits des linken Nilufers, mir aber ganz
nahe, die Eingänge, die in die Felsengräber
der Fürsten von Elefantine führen. Gruft
reiht sich an Gruft. Ich sehe die schmale
Felsenrinne im gelben Wüstensand, darauf
die Sarkophage die Steile emporgewunden
wurden. Die Särge bestanden aus dem
Granit der Arabischen Wüste, und jeder Sarg
war ein Koloß. Die Begräbnisstätten der
Fürsten von Elefantine gehören den ältesten
Zeiten ägyptischer Geschichte an, also vier
Jahrtausende vor Christus, und ich sah auf
den Wänden dieser tief in das Gestein ein-
geführten Mausoleen die Bildnisse jener viel-
tausendjährigen Begrabenen in farbenfreu-
diger Buntheit.
Dort drüben befindet sich auch eines der
ältesten Koptenklöster des Landes. Es liegt
in einer Senkung des Wüstengebirgs, rings-
um nichts als roter Sand und gelber Fels:
Wüste - Wüste - Wüste! Seit Jahrhun-
derten liegt das Kloster erster ägyptischer
Bekenner des Evangeliums in Ruinen. Es
war eine ganze Stadt gewesen. Dafür
spricht auch eine erst vor kurzem entdeckte
koptische Nekropole, die jenem Heiligtum an-
gehört haben muß, obwohl sie volle fünfzig
Kilometer davon entfernt in der libyschen
Wüste eingesargt ist: bis in solche Entfer-
nungen von jeder menschlichen Wohnstätte
schleppte man selbst noch in späteren Zeiten
die Toten, um sie vor der Schändung der
Grabräuber zu schützen, die noch vor nur
wenigen Jahrzehnten die Mumien der Pha-
raonen im Tale der Könige bei Theben
geplündert. Auf den weiten Sandflächen
unterhalb der Klippen, darauf sich die Trüm-
mer der Klosterstadt erheben, fand ich viele
Fährten von Schakalen und Wölfen. Sie
führten sämtlich an den Fluß zur Tränke
hinab. Beim ersten Morgengrauen kann
der Wachende in einer der vornehmsten
Fremdenherbergen der Kulturwelt, dem
Savoyhotel auf Elefantine, das belfernde
Bellen der Schakale, das heisere Heulen der
Wölfe hören, und jede Nacht, in der ich
keinen Schlaf fand, aufstand und das Fenster
öffnete, um nach dem feierlichen Kreuz des
Südens auszuspähen, hörte ich aus den
Palmenwäldern von Elefantine meine wun-
dersame Nilmusik: das leise, leise, eintönige
Kreischen und Knarren der Schöpfbrunnen,
von den Dorfbewohnern vor der Erntezeit
auch nachts betrieben. Freilich sind die
Nächte Oberägyptens von einem Glanz er-
füllt, als sei das Sternenlicht nordischer
Mondschein. Auch in Sternennächten be-
halten hier die Blüten des Oleanders und
Hibiskus, die scharlachroten und violetten
Blattblumen der Euphorbien und Bougain-
ville«, alle die Rosengefilde, die hier wahre
Blütendichtungen sind, ihre Farbenpracht.
Auf dem Südende der Insel liegt das
Pompeji Ägyptens: die Ruinen der Stadt
Elefantine, bereits zur Zeit von König Menes
der Sitz eines mächtigen Fürstengeschlechts
am ersten Katarakt mit Palästen und Tem-
peln, die erst vor kurzem noch einer vanda-
lischen Zerstörungswut zum Opfer fielen.
Aber selbst ihre traurigen Reste bilden be-
redte Zeugen vergangener Pracht. Noch
sind Gassen und Plätze deutlich erkennbar.
Aus den schwarzen Schuttmassen ragen gra-
nitene Portiken und Pforten, Altäre und
Sanktuarien auf. Säulen und Mauern be-
decken bunte Hieroglyphenschrift und heilige
Flachreliefs, und noch öffnen sich Grüfte
späterer Geschlechter: stieß ich doch auf einer
einsamen Wanderung auf lange Reihen von
Sarkophagen aus Ton und Stein, die immer
noch ihre Toten zu bergen scheinen.
Den Trümmern und Toten entfliehend,
stieg ich gestern hinab zum Nilufer. Dort
stand ich auf den Kanten eines scharfen
Riffs, unmittelbar über den brandenden
Wassern, und schaute ergriffenen Gemüts auf
die Welt des Katarakts bis gegen Philä hin-
auf. Eine Welt ist's, die der nicht vergessen
kann, wer sie einmal sah. Die beiden Wüsten
bilden das Bett des Stroms, dessen Wirbel
ein Labyrinth winziger Eilande umrauschen:
Klippen/ Schollen, Zinnen und Zacken, im-
mer wieder Klippen, Schollen, Zinnen und
Zacken! Die einen erglühen in der dunklen