Das Perpetuum mobile — die Tragikomödie der Technik 403
Jacob Leupold erzählt in seiner Schrift
(erschienen zu Leipzig im Jahre 1724) von
einem Perpetuum mobile, das mittels der na-
türlichen Wirkung der Schwerkraft arbei-
tete: „Trotz alledem halten wir eine per-
petuierliche Bewegung für keine Unmöglich-
keit, wie doch der ganzen Welt von dem Kanz-
ler Orffyreus dargetan und durch das fürst-
liche Wort des Landgrafen von Hessen-Kassel
bezeugt worden ist, der diese wunderbare Be-
wegung, welche er zwei Monate lang zur
Untersuchung hatte und die während dieser
ganzen Zeit in einer versiegelten Kammer
sich befunden hat, aufs genaueste geprüft
und beobachtet hat." Man sieht, der Glaube
an die endliche Gewinnung eines Perpetuum
mobile war nicht zu erschüt-
tern.
Das Wunderwerk des Aben-
teurers Orffyreus machte eine
solche Unordnung in den Köp-
fen der zeitgenössischen Gelehr-
ten, daß z. B. Professor Gra-
vesante einen langen Brief an
Isaac Newton schrieb, in dem
er seinen Glauben ans Per-
petuum mobile ausspricht
und Leibniz, der grundsätzlich
die perpetuierliche Bewegung
für unmöglich erklärte, des
Irrtums bezichtigte. Leider
zerschlug Orffyreus sein Wun-
derwerk selbst, angeblich um
die Ausstellungstage zu er-
sparen, und wir kamen so ums
Perpetuum mobile. Das Rad
des Orffyreus war mit Kane-
vas derartüberdeckt, daß man
das Innere nicht sehen konnte.
„Gelinde gedreht, blieb es so-
fort wieder stille stehen, wenn
man ihm aber einen beträcht-
lichen Grad von Schnelligkeit
gab, blieb es in ziemlich
rascher Bewegung, und es er-
scholl Lärm wie von pras-
selnden Steinen." Das Wun-
derwerk wird wohlvon gleicher
oder ähnlicher Art gewesen
sein, wie das Rad des Mar-
quis von Worcester. Wir zeigen eine der
überlieferten Ausführungen des Perpetuum
mobile von Orffyreus; der Rarität wegen
sei diese angebliche Orffyreus-Konstruktion
auch hier wiedergegeben trotz starker Be-
denken bezüglich ihrer Echtheit.
In dem vom Marquis von Worcester ver-
faßten ok Irivontlons" findet sich
sein Perpetuum mobile „als vorteilhafter
Wechsel von Zentren" beschrieben. „Um zu
erzielen, daß alles Gewicht der niedergehenden
Seite eines Rades von dessen Mitte aus in
fortdauernder Bewegung mit der anderen,
emporgehenden Seite sei, aber doch gleich
an Anzahl und Größe an jeder Seite ist,
scheint ein sehr unglaubliches Ding, wenn
man es nicht gesehen hat. Aber es ist
doch versucht worden und wurde dem letzten
Könige im Tower gezeigt, wobei zwei extra-
ordinäre Gesandte sowie die Herzoge von
Richmond und Hamilton in dessen Begleitung
waren. Das Rad war 14 Fuß groß und halte
40 Gewichte, jedes von 50 Pfund. Sir William
Belfor, damals Leutnamt des Tower, kann es
mit anderen bezeugen, daß sie alle sahen,
daß nicht eher die großen Gewichte die
Durchmesserlinie auf der oberen Seite pas-
sierten, als bis sie schon wieder einen Fuß
weiter vom Zentrum hingen, sowie daß sie,
ehe sie die Durchmesserlinien der unteren
Seite passiert hatten, schon wieder einen
Fuß näher hingen. Nun möge man gefälligst
daraus Beliebiges folgern." Das ist geschehen.
Im „Handbuche der Naturphilosophie" hat
Partington dem Phänomem des Marquis
von Worcester nachgespürt; er kam zu dem Er-
gebnisse, das in unsrer Abbildung dargestellt
erscheint. Ein recht kleines, beschämendes
Resultat, wenn man die großen Worte und
das Aufsehen bedenkt, die das Worcestersche
Rad seinerzeit umrahmten. Es war also
wieder nichts — eine reibungslose Maschine
ergab sich auch nicht durch diese „Überlistung
der Schwerkraft". Der „gesunde Menschen-
verstand" triumphierte stets von neuem. Den
phantastischen Narren aber sei zur Entschul-
digung gesagt, daß man eben noch nichts
vom Gesetze der Erhaltung der Kraft, von
den Widerstandsmomenten und vielem an-
deren wußte. Schrieb doch die französische
26*
Aus Messing und Eisen konstruiertes Perpetuum mobile
Jacob Leupold erzählt in seiner Schrift
(erschienen zu Leipzig im Jahre 1724) von
einem Perpetuum mobile, das mittels der na-
türlichen Wirkung der Schwerkraft arbei-
tete: „Trotz alledem halten wir eine per-
petuierliche Bewegung für keine Unmöglich-
keit, wie doch der ganzen Welt von dem Kanz-
ler Orffyreus dargetan und durch das fürst-
liche Wort des Landgrafen von Hessen-Kassel
bezeugt worden ist, der diese wunderbare Be-
wegung, welche er zwei Monate lang zur
Untersuchung hatte und die während dieser
ganzen Zeit in einer versiegelten Kammer
sich befunden hat, aufs genaueste geprüft
und beobachtet hat." Man sieht, der Glaube
an die endliche Gewinnung eines Perpetuum
mobile war nicht zu erschüt-
tern.
Das Wunderwerk des Aben-
teurers Orffyreus machte eine
solche Unordnung in den Köp-
fen der zeitgenössischen Gelehr-
ten, daß z. B. Professor Gra-
vesante einen langen Brief an
Isaac Newton schrieb, in dem
er seinen Glauben ans Per-
petuum mobile ausspricht
und Leibniz, der grundsätzlich
die perpetuierliche Bewegung
für unmöglich erklärte, des
Irrtums bezichtigte. Leider
zerschlug Orffyreus sein Wun-
derwerk selbst, angeblich um
die Ausstellungstage zu er-
sparen, und wir kamen so ums
Perpetuum mobile. Das Rad
des Orffyreus war mit Kane-
vas derartüberdeckt, daß man
das Innere nicht sehen konnte.
„Gelinde gedreht, blieb es so-
fort wieder stille stehen, wenn
man ihm aber einen beträcht-
lichen Grad von Schnelligkeit
gab, blieb es in ziemlich
rascher Bewegung, und es er-
scholl Lärm wie von pras-
selnden Steinen." Das Wun-
derwerk wird wohlvon gleicher
oder ähnlicher Art gewesen
sein, wie das Rad des Mar-
quis von Worcester. Wir zeigen eine der
überlieferten Ausführungen des Perpetuum
mobile von Orffyreus; der Rarität wegen
sei diese angebliche Orffyreus-Konstruktion
auch hier wiedergegeben trotz starker Be-
denken bezüglich ihrer Echtheit.
In dem vom Marquis von Worcester ver-
faßten ok Irivontlons" findet sich
sein Perpetuum mobile „als vorteilhafter
Wechsel von Zentren" beschrieben. „Um zu
erzielen, daß alles Gewicht der niedergehenden
Seite eines Rades von dessen Mitte aus in
fortdauernder Bewegung mit der anderen,
emporgehenden Seite sei, aber doch gleich
an Anzahl und Größe an jeder Seite ist,
scheint ein sehr unglaubliches Ding, wenn
man es nicht gesehen hat. Aber es ist
doch versucht worden und wurde dem letzten
Könige im Tower gezeigt, wobei zwei extra-
ordinäre Gesandte sowie die Herzoge von
Richmond und Hamilton in dessen Begleitung
waren. Das Rad war 14 Fuß groß und halte
40 Gewichte, jedes von 50 Pfund. Sir William
Belfor, damals Leutnamt des Tower, kann es
mit anderen bezeugen, daß sie alle sahen,
daß nicht eher die großen Gewichte die
Durchmesserlinie auf der oberen Seite pas-
sierten, als bis sie schon wieder einen Fuß
weiter vom Zentrum hingen, sowie daß sie,
ehe sie die Durchmesserlinien der unteren
Seite passiert hatten, schon wieder einen
Fuß näher hingen. Nun möge man gefälligst
daraus Beliebiges folgern." Das ist geschehen.
Im „Handbuche der Naturphilosophie" hat
Partington dem Phänomem des Marquis
von Worcester nachgespürt; er kam zu dem Er-
gebnisse, das in unsrer Abbildung dargestellt
erscheint. Ein recht kleines, beschämendes
Resultat, wenn man die großen Worte und
das Aufsehen bedenkt, die das Worcestersche
Rad seinerzeit umrahmten. Es war also
wieder nichts — eine reibungslose Maschine
ergab sich auch nicht durch diese „Überlistung
der Schwerkraft". Der „gesunde Menschen-
verstand" triumphierte stets von neuem. Den
phantastischen Narren aber sei zur Entschul-
digung gesagt, daß man eben noch nichts
vom Gesetze der Erhaltung der Kraft, von
den Widerstandsmomenten und vielem an-
deren wußte. Schrieb doch die französische
26*
Aus Messing und Eisen konstruiertes Perpetuum mobile