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Velhagen & Klasings Monatshefte — Band 28, 1.1913/​1914

DOI issue:
Heft 3 (November 1913)
DOI article:
Höcker, Paul Oskar: Saisonbeginn an deutschen Bühnen
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https://doi.org/10.11588/diglit.54883#0532

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438 ILLLLLLLLLI Saisonbeginn an deutschen Bühnen VLALLLLLLKÄLlÜ


Szenenbild aus „Robert Guiscard" von Heinrich von Kleist in der Eröffnungsvorstellung des neuen
Königlichen Schauspielhauses in Dresden (Phot. Herzfeld)

schon den Ost. Bang und fürchterlich, wie aus
grauenvollen, nächtlichen Tiefen geboren, naht
etwas Ungeheures, Unabwendbares. Guis-
card selbst ist vom Giftpfeil getroffen. Noch
ist ein Zweifel möglich, denn Guiscard ent-
spricht nach langer Pause dem Rufe der er-
regten Seinen. Sofort fühlt man: hier
kämpft ein Löwe seinen Verzweiflungskampf
mit einem heimtückischen, entsetzlichen Feinde.
Aber herrisch weist er den aufsässigen Neffen
in seine Schranken und aufrecht hört er den
Klagen seines Volkes zu, das aus dem
mörderischen Pesthauch hinaus nach der
Heimat verlangt. Furchtbar naht dem Hel-
den das Geschick, kurz vor der Vollendung
seines stolzesten Planes: sein Volk sinkt da-
hin, er selbst, vom Pesthauch getroffen, ein
sterbender Mann. Und von fern leuchten
die Kuppeln von Byzanz, dem Ziel seiner
ehrgeizigen Wünsche, im Morgensonnenschein.
Ein Anfall reißt den Helden zu Boden, aber
noch ist das Mark Robert Guiscards nicht
aufgesogen. Er reckt sich auf und mit großer
Gebärde voll Titanentrotz und Anklage grüßt
er Byzanz. — Die dunklen Vorhänge gleiten

langsam zusammen. Still, mit tiefer Er-
schütterung, dem besten Kriterium der starken
Wirkung, verharrte das Publikum. Man
war wie in einem Bann, man spürte das
Walten des Genius und war ergriffen und
dankbar. Die Aufführung war würdig des
Tags. Die Regie hatte dem Fragment
der Dichtung, die durch szenischen Aufbau,
durch granitne Gestaltung der Charaktere,
Fülle, Geschehenes, Reichtum der inneren
Handlung und Festhalten der unheimlichen,
schwer lastenden Stimmung etwas Monu-
mentales hat, mit vollem Verständnis des
besondern Stils alles gegeben.
Die Behandlung des Chors war großzügig
und überzeugend in den dynamischen Schat-
tierungen. Die besten Schauspielkräfte, Lothar
Mehnert und Paul Wiecke an der Spitze,
verwirklichten die Absichten des Dichters. Die
glückliche szenische Gestaltung auf der Bühne
des neuen Hauses verstärkte die Wirkung.
Otto Ludwigs Auftakt zu einem Charaker-
drama mit der Person Friedrichs des Großen
im Mittelpunkt ist „Die Torgauer Heide".
Das Werk kann zwar „Wallensteins Lager"


Szenenbild aus Otto Ludwigs „Torgauer Heide". Kgl. Schauspielhaus in Dresden (Phot. Herzfeld)
 
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