Laseszettuag
für die rverkrstrge Bevölkerung der AMtSbezirke Heidelberg, Wiesloch, Ginsheim, Eppmgen, Sberbach, Mosbach, Buchen Adelsheim, Boxberg,
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Heidelberg, Mittwoch, 2^. Januar ^920
M. ^7 » 2. Jahrgang
E——-L ! . c !! -!-.!-MS»
Verantwort-.: Für Innere u. äußere Politik, Volkswirtschaft ».Feuilleton: Or.
G. Kraus, für Kommunales u. soziale Rundschau: F. Kahnr für Lokales:
O.Geibek, fiir die Anzeigen: H. Hoffmann, sämtlich in Heidelberg.
Druck und Verlag der llnterbadischen Verlagsanstalt G. m. b. H„ Heidelberg.
Geschäftsstelle: Gchröderstraße S9.
Fernsprecher: Anzeigen-Annahme 2673, Redaktion 2648.
Das internationale Wirtschafts-
und Valutaproblem.
haben bei den verschiedensten Gelegenheiten auch in der
Dotszeitung" auf die Wichtigkeit einer planmäßigenWirt^
sPolitik für die Hebung unserer Valuta und den wirt-
lvastikhen Wiederaufbau hingewiescn. Zugleich aber auch darauf,
datz dieses Problem letzten Endes ein internationales ist und daß
mrr eine gemeinsame Wirtschaftspolitik aller in Frage kommenden
Staaten es losen kann. Am 13. und 14. Oktober und am 2. und 3.
November igig fanden inAmsterdam vertrauliche Be-
sprechungen statt, an der bekannte Volkswirtschaftler
Englands, Frankreichs, der Vereinigten Staaten, Dänemarks, Nor-
wegeas, der Schweiz, Schwedens und der Niederlande teilnahmen
«so die sich mit der Losung der finanziellen und wirtschaftlichen Pro-
diem« in der Welt und insbesondere in Europa befahlen. Der Nie-
derschlag dieser Erörterung wird jetzt in Form einer Denkschrift ver-
öffentlich^ die gleichzeitig den Negierungen der obengenannten
europäischen Staaten überreicht worden ist. Außer den Unterschrif-
ten der Konferenzteilnehmer weist das Dokument die Namen einer
Anzahl sehr bedeutender Männer des wirtschaftlichen Lebens, von
Bankiers, Kaufleuten, Fabrikanten, Reedern, Oekonomen, Künstlern,
Abgeordneten usw. auf. Das Schriftstück ist mit Rücksicht auf die
Gestaltung der politischen Lage in den letzten Wochen, aber auch
um einen Druck auf die politischen Vorgänge
auszuüben, fetzt veröffentlicht worden.
Emgeleitet wird die Denkschrift mit der Forderung einer inter-
nakumalen Wirtschastskonserenz. Die unterzeichneten Persönlichkeiten er-
klären als Privatpersonen, dah die Regierungen der durch den Krieg
am meisten betroffenen Staaten, nämlich der Vereinigten Staaten von
Amerika, Großbritanniens und Irlands sowie der britischen Kolonien, fer-
ner Frankreichs^ Belgiens, Italiens, Japans, Deutschlands, Oesterreichs,
der neutralen Staaten Europas und der wichtigsten Exportländer Süd-
amerikas, angesichts.der außerordentlichen Dringlichkeit der Sach« so rasch
»le irgend möglich. Besprechungen betreffs Einberufung einer Konfe-
renz finanzieller Sachverständiger elnleiten mögen. Die
Konferenz solle di« Aufgabe haben, die wirtschfatlichen Verhältnisse in
allen Ländern feftzustellen. Sollte die Konferenz zu der Ansicht kommen,
daß eine gemeinsame Hilfe notwendig sei, so wäre es auch ihre Aufgabe,
zu ermitteln, auf „welche Weise dis Hilfe bewerkstelligt worden könnte, wer
ihrer zuerst bedürftig sei und wie die Bedingungen lauteten, unter denen
sie gewährt werden solle. Die folgenden Abschnitte der Denkschrift stellen
Erläuterungen zu dieser Forderung dar. Zunächst wird betont, es müsse
die erste Aufgabe sein, zu verhindern, daß Europa dem Bankerott und der
Anarchie «nheimfalle; ferner mühten der Verbrauch herabgesetzt und die
Steuererhebungen gesteigert werden. Dies sei das aussichtsreichste, wenn
nicht das einzige Hilfsmittel in der bedrängten Lage. Gelange cs nicht
schnell zur Anwendung, so würde die Geldentwertung noch weiter svrt-
fchretten und schließlich denBankervtt und die Anarchie zur Folge haben.
Kein Land habe eine soziale und wirtschaftliche Zukunft, das unbeirrt die
Politik verfolge, seine laufenden Ausgaben durch Vermehrung des Geld-
umlaufs oder durch stetige Herausgabe von Zinsschuldverschreioungen zu
bestreiten, ohne dah die tatsächlichen Einnahmen damit in gleichem Mähe
Schritt hielten. Es sei unbedingt notwendig, für jeden Staat unter beson-
dere» Berücksichtigung der Umstände und der Bedürfnisse nach genauer
Untersuchung eiue Behandlungsweise zu finden. Kein Land dürfe Anspruch
aus Kredit machen oder würde als zahlfähiger Schuldner angesehen werden
können, wenn es sich nicht bereit erkläre oder dazu imstande sei, seine lau-
fenden Ausgaben mit den Einnahmen aus Steuern oder anderen Quellen
in Einklang zu. bringen. Von diesem Grundsätze mühten die Völker aller
Mächte durchdrungen sein, denn sonst sei es unmöglich, sie aus dem Traum
falscher Erwartungen und Illusionen zu wecken und zur Erkenntnis der
harten Tatsache zu bringen.
8m nächsten Abschnitt beschäftigt sich die Denkschrift mit ben
Mittelmächten. Es sei klar, so heißt es darin, daß Deutsch-
land und OesterreichhöhereLastenzu tragen hätten als
die Sieger und daß sie in Uebereinstimmung mit dem Friedensver-
trag noch schwerere würden auf sich nehmen müßen. Es sei aber
dafür gesorgt, daß diese Lasten die Grenze der äußersten Tragfähig-
keit der genannten Länder nicht überschreiten und das Prvduk-
tionsvermögen, die eigentliche Quelle der praktischen Steuer-
erhebung, nicht vernichtet werde. Dies liege im Interesse ihrer
Gläubiger und im Interesse der ganzen Welt, deren künftige politische
und wirtschaftliche Entwicklung davon abhänge, daß Deutschland und
Oesterreich nicht dem Bankerott anheimfielen. Wenn z. B. die Kon-
ferenz nach genauer Untersuchung zu dem Schluß kommen sollte, es
sei diesen Ländern selbst bei praktischer Durchführung einer weit-
gehenden Steuererhebung aus Eigentum, Einkommen, Handel und
Verbrauch unmöglich, die Summen aufzubringen, de-
ren sie für die Bezahlung der festgesetzten lausenden Schulden an
ihre Gläubiger benötigten, so müsse man von der Wiederher-
stellungskommission erwarten, daß sie diesen Umstand be-
rücksichtige und die Höhe der jährlich von den Mittelmächten zu ent-
richtenden Beträge innerhalb der Grenze ihrer Zahlungsfähigkeit
herabmindere, selbst wenn es sich dadurch als notwendig Herausstellen
sollte, die Frist, innerhalb der die Schulden zu tilgen seien, zu ver-
längern. Tie Lasten und die Zeitspanne dürften bestimmte Grenzen
nicht überschreiten und nicht so schwer auf die Lebensmöglichkeiten
der betreffenden Staaten drücken, daß ihre Zahlungswilligkeit in
einen Zustand der Hoffnungslosigkeit und des Auf-
ruhrs umschlage.
Auch unter den siegreichen Staaten fänden sich solche, deren wirt-
schaftliche Lage äußerst schwierig sei und die in gleicher Weise untersucht
werben müsse, nämlich unter dem Gesichtspunkt, daß sich die Stcuer-
deiastung im Rahmen derTraafäbigkeit halte. Die Unter-
zeichner glauben, daß, soviel auch auf dem Wege des normalen Bank-
verkehrs geschehen mag, das nötige Betriebskapital doch dem Betrage nach
zu groß sei und zu rasch beschafft werden wüste, als daß man ohne eine
Kreditgewährung auf einer Basis internationalen Zusammen-
wirkens auskommen könne. Als Richtlinien für eine solche Aktion werden
angeführt:
k. Der größere Teil der Gelder muß notwendigerweise von
den Ländern ausgebracht werden, deren Handelsbilanz und Wechselkurs
eisen günstigen Stand ausweisen.
LLangsristiger Auslandskredit, wie er hier ins Auge
gefaßt wird, erscheint nur so weit wünschbar, als er absolut notwendig ist,
um die Produktion wieder in Gang zu setzen. Er ersetzt nicht die Anstren-
gungen und Opfer jedes einzelnen Landes, durch die sich allein die internen
Probleme lösen tasten. Das Gleichgewicht kann nur dadurch wiederhcrge-
Nellt werden, daß die tatsächlich bestehenden wirtschaftlichen Verhältnisse
auf den Einzelnen einen starken Druck ausüden, wie sie es ja nun auch
notwendigerweise tun müssen.
Dr. Haas lehnt ab.
Berlin, 21. Ian. Staatsrat Dr. Haas aus Karlsruhe
hat ben ihm angetragenen Posten eines deutschen Gesandten in Bel-
grad abgelehnt.
Das Zentrum zur Besetzung des
Reichsschatzministerium.
Berlin, 21. Ian. Wie die Vossische Zeitung aus parlamen-
tarischen Kreisen erfährt- erhebt nunmehr wieder das Zentrum An-
spruch auf die Besetzung des Reichsschatzministeriums mit der Be-
gründung, daß es noch immer stärker sei als die beutschdemvkratische
Fraktion, da nicht alle Bayern aus der Zentrumsfraktion ausge-
schieden seien.
Die französische Friedensdelegation wird
sich auflösen.
Paris, 21. Ian. Dem „Ternps" zufolge hat die französische
Friedensdelegation ihre Demission beschlossen.
Die politische Zusammensetzung des
französischen Kabinetts.
Paris, 20. Ian. Das Ministerium Millerand enthält 21
Parlamentarier. Davon entfallen auf die republikanischen Sozia-
listen 5, auf die Linksrepublikaner 8, auf die Radikalen 2 und auf
die Radikalsozialisten 4, auf die republikanische Linke einer, auf die
demokratische Entente auch einer. Dem Parlament gehören nicht
an der Finanzminister, der Ackerbauminister, der Minister für die
befreiten Gebiete und der Unterstaatssekretär für den technischen
Unterricht.
Eine zweite amerikanische
Friedenskonferenz.
Annapolis, 20. Ian. (F-rnkspruch.) Die zweite panameri-
kanische Friedenskonferenz trat heutx in Washington zusammen. Der
Vorsitzende Schahsekretär Gl aff verlas ein Schreiben Wilsons.
Staatssekretär Lansing erklärte in einer Rede, die neue Konferenz
sei ein neuer Beweis der gegenseitigen Interessen und Freundschaft
der Nationen.
3. Aus diesem Grunde und auch wegen der großen internen Kapital-
Nachfrage in den kreditgebenden Ländern selbst soll der zu gewährende
Kredit auf das absolut notwendige Minimum beschränkt
werden.
4. Soweit als möglich soll die Hilfe in einer Form gewährt werden,
welche den nationalen und internationalen Verkehr nicht mit einschränken-
den Kontrollen der Regierungen belastet.
5. Jedes gewählte Vorgehen soll so viel als immer möglich die Kre-
ditbeschaffung und die Entwicklung des Verkehrs in normalen Bahnen
fördern.
6. Soweit cs sich als möglich erweist, in den kreditgebenden Ländern
Anleihen öffentlich aufzulcgen, muß es unter solchen Bedingungen erfolgen,
daß Anreiz zur Anlage der wirklichen Ersparnisse der Einzelnen besteht;
sonst erfährt die Inflation eine Verstärkung.
7. Die Schuldnerländer hätten die beste verfügbare Sicherheit zu
leisten. Zu diesem Zwecke wäre übereinzrckommen, daß:
s) solcheAnlcihen im Rang vor allen andern Schuldverpflich-
tungen ob innere Schuld, Zahlungen für Wiedergutmachungen oder inter-
alliierte Rcgierungsschulden, stehen sollen;
b) besondere Sicherheit seitens der borgenden Länder beiseite gestellt
werden soll als Garantie für die Zahlung von Zins und Amortisation;
die Art dieser Sicherheit würde vielleicht von Staat zu Staat verschieden
sein; im Falle Deutschlands und der neuenStaaten hätte sie
aber die Zuweisung von Einfuhr- und Ausfuhrabgaben, zahlbar zu einem
Goldumrcchnungskurs, und im Falle der Staaten, welche Zahlungen von
Deutschland zu empfangen haben, ein erstes Recht auf diese Leistungen
zu umfassen.
Unterzeichnet ist dieses Memorandum, das zum Schlüße noch einmal
die Dringlichkeit der Angelegenhea betont:
Für die Schweiz von Gustave Advr, Alfred Frey, Guillaume
Pictet, Rodvlphe de Haller, Alfred Sarasln. Für Dänemark u. a.
von C. C. Andersen, F. I. Borgbierg, I. C. Christensen, C. M. T.
Eold, E. Glueckstadt, I. Knudsten. Für Großbritannien u. a. von
Sir Richard Vaster-Smith, Bart, Präsident der Lloyds Bank, Lord
Inchcape, Walter Leaf, Frederick Charles Goodenough, Reginald
M'Kenna, Sir Robert Kindersley, Präsident eng-sicher Großbanken, Lord
Robert Cecil, Sir Donald Maclean Thomas Clynes, Bryc«,
Asquith. Für Holland u. a. von Dr. S. Dissering, C. E. Ter
Meulen, T. van Karnebeek, Dr. D. Fock, S. P. van Eeghen, oe Mouchy,
Präsidenten der Handelskammern von Amsteroam und Rotterdam. Für
Norwegen u. a. vom Präsidenten des Parlaments . tto B. Halvorsen,
K. Bomhoff, Patrick Volckmar. <zur Schweden u. a. von I. L. Kjell-
berg, H. Lagercrantz, A. K. Wallenberg. T. Frist, Branting, Comte R. S.
Hamilton, S. A. A. Lindman, prof. Cassel. Für die Vereinigten
Staaten u. a. von Hoover, Taft, Banderliv. oames Albert
Sttlman, Hevburg, Warburg.
Politische Ueberstcht
Der „Fall Kautsky" vor dem Untersuchungsausschuß.
Im Untersuchungsausschuß der Nationalversamm-
lung kam es am Samstag Abend über die Veröffentlichung des
Kautskyschen Buches abermals zu einer ausgedehnten Debatte', in
deren Verlauf der Angeschuldigte wiederholt das Wort nahm, um
sich gegen die Angriffe der Rechten zu verteidigen. Oskar Cohn
versuchte den Nachweis, daß Kautsky von vvrnhereist berechtigt ge-
wesen sei, für sein Buch das ihm zugängliche Material zu benutzen.
Eine etwaige Bestrafung Kautskys würde das Vertrauen in die
Unparteilichkeit des Untersuchungsausschusses vernichten.
Wegen der erregten Vorwürfe des Abg. Schulz (Brvmberg),
daß Kautsky den Eid der Amtsverschwiegenheit gebrochen und aus
dem Unglück des Vaterlandes ein Geschäft gemacht habe, nahm vor
allem Genosse Landsberg den Angegriffenen in Schutz. Auch
ihm gefalle das Buch nicht, es sei in seinem Grundgedanken ver-
! fehlt, aber der sachliche Standpunkt Kautskys scheide hier völlig
I aus. Von einer bewußten Verletzung des Amtsgeheimnisses könne
keine Rede sein. Spahn vom Zentrum ist, gleichfalls der Mei-
nung, daß ein bewußter Wvrtbruch nicht vorliege; die Ausschließung
sei daher abzulehnen.
In der Abstimmung wurde der Antrag Kahl-Dohna auf Aus-
schluß Kautskys als Sachverständigen gegen vier Stimmen abge-
lehnt. Der Vorsitzende Petersen (Dem.) faßte die Ansicht der
Mehrheit des Ausschusses dahin zusammen, daß durch die im Ver-
laufe der Aussprache abgegebenen Erklärungen Kautskys die
Pflicht zur Amtsverschwiegenheit ausdrücklich von ihm anerkannt
worden sei. Die Angelegenheit könne somit als erledigt gelten.
Unsere eigene Stellung zum Kautsky-Buch Haden wir bereits
an verschiedenen Stellen der „Volkszeitung" zum Ausdruck gebracht.
Eigenartig hat es uns berührt, daß zufolge eines Deutschnationalen
Antrages Kantsky dem Untersuchungsausschuß Rede und Antwort
stehen muß. Wir meinen, bah Kautsky mindestens ebensoviel Recht
yat, Sachverständiger von Untersuchungsausschüssen zu sein, wie die
konservativen Historiker a la Dietrich, Schäfer, die die ganze Welt-
geschichte bisher nur im Spiegel des Gottcsgnadenkönigtmns ge-
sehen haben.
Erzberger und Trimborn über den Einheitsstaat.
In der Montagstagung des Zentrumsparteitages (vgl. den kur-
zen Bericht in unserer gestrigen Nummer) war der Gedanke des
Einheitsstaates Gegenstand lebhafter Debatte. In seiner großan-
gelegten Rede sagte darüber Abg. Trimborn:
Das Zentrum war vvn jeher stark f ö r d e r a!i st i s ck. Den
veränderten Verhältnissen entsprechend hat es nach dem Wegfall der
Dynastien eine Verstärkung der Reicksgcwalt entsprechend
unterstützt. Die Stimmung für den Einheitsstaat hat in unseren
Reihen mehr und mehr Boden gewonnen, nicht aber ohne Stimmung
für den zentralistischen Einheitsstaat. Wir widersetzen uns einer Ber-
preußung Deutschlands, verlangen aber eine Neugliederung des Rei-
ckes, die in erster Linie eine Umgestaltung Preußens notwendig macht.
Preuße» muß im Reiche aufgehen,
nicht in einem straff zentralsierten, sondern in einem nach vernünftigen
Gesichtspunkte neugegkiederten Reiche. Tin Einheitsstaat, in dem alles
zentralisiert- schematisiert und schablonistert werden soll nach preußischem
oder Berliner Muster, wird von uns abgelehnt. Im Gegensatz hierzu
sollen nichtzenttalistisch verwaltete Provinzen des Landes geschaf-
fen werden, die entsprechend ihrer historischen, wirtschaftlichen und kul-
turellen inneren Berechtigung ein staatliches Eigenleben im Rah-
inen der Reichsverfassung führen. Wir sind der festen Uederzeugung,
daß nur so eine wirklich innere und reichsfreudige Einheit und Einigkeit
geschaffen wird.
Und Finanzminister Erzberger, der im Mittelpunkt des
Kampfes stand, sagte u. a.:
Das Wort „Einheitsstaat" sollte verschwinden, es hat viele Miß-
verständnisse angerichtct.
Das Reich braucht eine starke Zentralgewalt;
sie ist durch die Reichsverfassung garantiert. Die auswärtig« Politik, das
Finanzwesen, das Heereswefen und das Verkehrswesen sind die vier
starken Pfeiler der Reichsgewalt. Das Ziel mug die Einheit des deut-
Vo»>es, die Festigung aller deutschen Stämme sein. Wenn Sie
das „Einheitsstaat" nennen, so stehe und falle ich mit diesem Einheits-
staat. Der Beschluß der preußischen eandesverfammlung war eine
große Tat, dem alten Staate Preußen ebenbürtig. Leider Hot man
nicht überall Verständnis dafür gehabt. Herold sagte richtig: Bayern
tut alles, damit Preußen recht groß bleibe. (Heiterkeit und Zustim-
mung.) Der preußische Antrag will Deutschland seine natürliche Glie-
derung in möglichst gleich große Länder geben, die auf dem Boden der
Gleichberechtigung ein neues Reich bilden sollen. Die Boyern, Bade-
ner und Württemberger sollen Bundesgenossen finden in den Rhein-
ländern, Hannoveranern und Thüringern. Absplitterungsversuchcn im
Reiche kann nur dadurch entgcgengetreten und auch nur dadurch das
Ziel jedes Deutschen erreicht werden, daß sich alles zusammenfindet,
was deutsch spricht, in einem Reiche, was uns leider bis -etzt der Frie-
dcnsvertrag noch verbietet. Wir sprechen nicht darüber, ober denken
stets daran!
Reichsparteitag des Zentrums.
Berlin, 20. Ian. Der zweite Verhandlungstag nahm die
drei auf die Tagesordnung gestellten Referate nacheinander ent-
gegen. Als erster Referent sprach der Adg. Herold übenW i r t-
schaftsfragen: Von der Neuordnung der Finanzen hänge die
Zukunft Deutschlands ab. Das Steuerwesen müsse unbedingt ver-
einheitlicht und auf das Reich übertragen werden. Der Redner
verteidigte die Erzbergerfche Steuerpolitik und setzte sich besonders
für das Notopfer und die Warensteuergefetzentwürfe ein.
Der Mette Referent, der preußische Wohlfahrtsminister Sle-
ge r w a l d , sprach über Sozialpolitik u. Wohlfahrts-
fragen. Deutschland sei in der sozialen Gesetzgebung Bahnbrecher
gewesen, nicht aber Schrittmacher in der sdzialen Gesinnung. Der
Kastengeist von oben, der Klassengeist von unten seien beständig
gewachsen. Wir stehen vor zwei großen Aufgaben: dem Neuaufbau
unserer Valuta, Entwicklung und Volkserziehung und der Versitt-
lichung unserer Wirtschaft. Das früher von der Frauengruppe ge-
forderte Frauendienstjahr müsse jetzt praktisch erörtert werden. Die
guten Seiten des militärischen Systems müssen für beide Geschlechter
gepflegt werden.
Das dritte Referat hielt der Abg. Erhard über die Be -
triebsräte. Er bestreitet zunächst, daß das Betriebsrätegesetz
eine Kopie nach dem Vorbild des russischen Sowjetsystems sei. Wenn
das Gesetz auch unter einem gewissen Zwang revolutionärer Ver-
hältnisse eingebracht sei, so habe man doch auch ohnehin die Absicht
gehabt, das Gute des Äätegedar/ens in Deutschland zu verwirk-
lichen. Die Betriebsräte sollten eine wesentliche Ergänzung der
Gewerkschaften darstellen.
Hilfe für Hochwasserschäden.
Koblenz, 19, Ian. (W.B.) Die vom Reichsministeium
für die Hochwassergeschädigten im besetzten Gebiet bewilligten 10
Millionen Mark werden folgendermaßen verteilt: Stadt Köln 1
Million, Regierungsbezirk Köln H Million, Regierungsbezirk Kob-
lenz Million, Regierungsbezirk Trier ^ Million, Regierungs-
bezirk Wiesbaden -4 Million, Regierungsbezirk Düsseldorf Mil-
lion, Prvvinzialdireftion Mainz Million, Regierungsbezirk Pfalz
Million, Brückenkopf Kehl 130 000 Mk. Der Rest wird später
verteilt.