Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (1/2) — 1920

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44126#0129
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Logeszerrung für dre werktätige Bevölkerung Der Amtsbezirke Heidelberg, WieSlsch, Sinsheim, Sppingen, Eberbach, Mosbach, Buchen, Adelsheim, Boxberg,
Tauberbischofsheim und Wertheim.


Bezugspreis: Monatlich einschl. Trägerlohn 2.sa Mk. Anzeigenpreise:
Die einspaltige Petitzeile (36 mm breit) 40 pfg., Reklame-Anzeigen
(SZ mm breit) 2.— Mk. Lei Wiederholungen Nachlaß nach Tarif.
Gehelmmittel-Anzeigen werden nicht ausgenommen.
Geschäftsstunden: 8 - '/,6 ilhr. Sprechstunden der Redaktton: 14-12 Uhr.
Postscheckkonto Karlsruhe Nr. 22Z77. Tel.-Abr.: Volkszeitung Heidelberg.

Heidelberg, Montag, 2. Februar 1920
Nr. 22 » 2. Jahrgang

Verantwort!.: Für innere u. äußere Politik, Volkswirtschaft u.Feuilleton: Lr.
E. Kraus,- für Kommunales u. soziale Rundschau: Z. Kahn; für Lokale«:
O. Gelbe!; für die Anzeigen: H. Hoffmann, sämtlich in Heidelberg.
Druck und Verlag der Unterbabischen Verlagsanstalt G. m. b. H., Heidelberg.
Geschäftsstelle: Schröderstraße ZS.
Fernsprecher: Anzeigenannahme 2673, Redaktton 264«.

Politische Überficht.
Völkerbund und Weltwirtschaft.
Am Mittwoch abend fand in der Berliner Handelshochschule
eine gewaltig besuchte Versammlung statt, in der Reichspvstminister
Eiesberts, Staatssekretär a. D. Dr. August Müller, Di-
rektor Hans Kraemer und Prof. Dr. Alfred Manes über
«Weltwirtschaft und Weltarbeitsrecht" sprachen. Zu der Veran-
staltung eingeladen hatten fünf Organisationen, nämlich Deutsche
Liga für Völkerbund, Gesellschaft für soziale Reform,
Volkswirtschaftliche Gesellschaft, Internationale Vereinigung für
vergleichende Rechtswissenschaft und Volkswirtschaftslehre und
Deutsches Komitee für internationale Sozialversicherung.
Reichsminister Giesberts führte u. a. aus:
Die Ratifikation des Friedens hat das beutfche Volt mit
großer Resignation entgegengenommen. Friedensbedin-
gungen von unerhörter Härte sind uns auferlegt. Wir werden
verfuchen, ehrlich und loyal die Bedingungen zu erfüllen. Aber
schon bald wird sich zeigen, daß die restlose Erfüllung über die
Kraft Deutschlands hinausgeht. Das furchtbare Problem, das
bei uns zu lösen ist, gipfelt darin, den 15 Millionen Menschen,
die in der Vorkriegszeit vom Handel und von der Exportindustrie
gelebt haben, auch weiter in Deutschland eine Beschäftigungs-
möglichkeit zu geben, oder sie langsam und sicher verhungern zu
lasten. Aus diesen Umständen erwachsen nicht nur Gefahren
für den Bestand des Deutschen Reiches, sondern ebenso schlimme
Gefahren für Gesamteuropa. Wir müssen deshalb versuchen,
unsere Gegner für den Gedanken zu gewinnen, einen wirk-
lichen Völkerfrieden zu errichten, der nur möglich ist,
wenn die grausamen Bedingungen des Friedensvertrags ge-
ändert werden. Und in dieser Richtung gibt uns der Frie-
densvertrag zwei Möglichkeiten. Es ist einerseits der Völ-
kerbund und anderseits die internationale Orga-
nisation der Arbeit. Theoretische Erörterungen über
die Möglichkeit und Standfestigkeit des Völkerbundes sind heute
gegenstandslos. Deutschland muß in den Völkerbund hinein,
schon um von dieser Stelle aus neue Verhandlungsmöglichkeiten
über die Friedensbedingungen zu gewinnen. Dann die inter-
nationale Organisation der Arbeit. Wenn die sozialen Ideen
in der Welt herrschend sein sollen, dann darf man die deutsche
Arbeiterklasse, die intelligenteste und sozial-fortschrittlichste, nicht
zu Kulis und Lvhnsklaven des internationalen Kapitals herab-
würdigen. Die Konferenz von Washington hat bereits den guten
Willen der internationalen Arbeiterschaft gezeigt, mit Deutsch-
land zusammen die sozialen Probleme zu lösen. Die deutsche
Industrie und der deutsche Handel können aus der Weltwirtschaft
nicht ausgeschaltet werden, und die deutsche Arbeiterschaft wird
sich eine solche Ausschaltung nicht widerstandslos bieten^ lasten.
Sie hofft und rechnet auf die internationale Solidarität, und
wir wollen heute unsere Stimme erheben, um dieser internatio-
nalen Solidarität einen lauten Wioerhall in der Welt zu geben.
Direktor Hans Kraemer vom Präsidium des Reichs-
verbandes der Deutschen Industrie stellte in den Mittelpunkt
seiner Ausführungen die Frage: „Hat die Welt im Augenblick
einen wirtsckastlichen Völkerbund nickt viel nötiger als einen
politischen Völkerbund?" Der Vortragende wies nach, daß die
von Deutschlands Feinden offen oder heimlich betriebene Hem-
mung der deutschen Produktion bei gleichzeitiger Förderung des
deutschen Luxuskonsums durch das „Loch im Westen" notwendig
zu einer Zerstörung der Grundlagen der gesamten Weltwirtschaft
führen müsse. Weder die Rohstoff- noch die Industrieproduktion
der Welt könnten das von 60 Millionen bevölkerte Absatzgebiet
Deutschlands dauernd entbehren; ebensowenig sei aber auch die
Deckung des Weltbedarfs an Industrieprodukten möglich ,wenn
dauernd viele Hunderitausende deutscher Industriearbeiter durch
wtangel an Lebensmitteln und Rohstoffen in ihrer Arbeits-
leistung behindert würden. Die Entwertung der deutschen Mark
habe längst aufgehört, ein deutsches Problem zu sein. Nur ein
wird oaftucher Völkerbund könne das einer Weltkatastropbe ent-
gegentreibende Rohstoff- und Valutaproblem lösen, nur die
Währungsreform eines wirtschaftlichen Völkerbundes die alte
Welt vor dem Zusammenbruch der heutige Währungssysteme
retten.
Der frühere Staatssekretär D r. A u g u st M ü l l e r führte
- aus: Die Logik der Tatsachen werde wieder ein vernünftiges
Miteinanderarbeiten der Völker erzwingen und damit kämen
die internationalen Bestrebungen wieder zu der ihnen gebühren-
den Anerkennung. In vorderster Linie stehe hier die inter-
nationale Sozialpolitik. Dr. Müller besprach dann
die Beschlüste des internationalen Kongrestes für Sozialpolitik.
Die Konferenz habe auch für Deutschland eine grundsätzliche
Bedeutung: Sie stelle eine Konzession an die durch den Welt-
krieg gewaltig gesteigerte Machtposition der Arbeiterklasse dar
und sei für uns auch deshalb von Wert, weil die sozialpolitischen
Errungenschaften der Revolution in Deutschland sich nur dauernd
aufrechterhalten ließen, wenn ihre internationale Geltung er-
reicht werde. Korrelat der deutschen Sozialpolitik sei intensivste
Arbeitsleistung der Arbeiter, die nur auf diese Weise ihren An-
teil zum Wiederaufbau einer zertrümmerten Welt leisteten, den
Gedanken der Sozialpolitik vor Schaden bewahrten und Frauen
und Kinder vom Hungertode erretten könnten.
* *
Wir freuen uns, daß immer weitere Kreise von der politischen
und wirtschaftlichen Notwendigkeit des Völkerbundes überzeugt
werden, daß vor allem führende Regierungspersönlichkeiten diesem
Problem nähertreten. Wir vermissen aber noch immer eine klare
eindeutige Stellungnahme von Regierung und Volksvertretung.
Man ist doch z. B. sonst immer gleich bei der Hand mit Er-
klärungen und Aufrufen an das Volk, wenn es gilt, politischen
Streiks entgegenzutreten oder gegen widerrechtliche Uebergrifse der
Entente zu protestieren. Warum setzt nun nicht die Regierung mit
einer energischen Agitation für den Beitritt Deutschlands zum
Völkerbund ein? Das würde uns ein großes Stück des. ver-
lvrengegangenen Vertrauens der Welt wiedergewinnen, - würde
die wahrhaft demokratischen Kreise aller Mächte mobilmachen für
ein Zusammenarbeiten mit Deutschland; es würde aber vor allem

Schutz der Landarbeiter. — Ein Erlaß
Noskes.
Als Inhaber der vollziehenden Gewalt hat der Reichswehr-
minister Noske dem Militärbevollmächtigten für Pommern fol-
gende Anweisung erteilt:
Die Massenkündigung von Landarbeitern in der Pro-
vinz Pommern wächst sich zu einer sehr ernsten wirtschaftlichen
und politischen Gefahr aus. Die Entlastung Tausender von Ar-
beitern, die bestenfalls durch unerfahrene Kräfte erseht werden
könnten, stellt eine Gefährdung lebenswichtiger Betriebe dar und
mutz dazu führen, die unzulängliche Ernährung der Bevölkerung
im nächsten Jahre Wetter zu verschlechtern.
Aber auch die Ruhe und Ordnung im Lande wird ernstlich
gefährdet. Abziehende Arbeiterfamilien würden in die Stadt strö-
men müssen, wo die Wohnungsnot schon erschreckenden Umfang
angenommen hat. Familien, die keine andere Arbeitsstelle finden,
werden sich weigern, abzuziehen. Daraus müßten gefährliche Kon-
flikte entstehen, die sich bis zu blusigen Ausschreitungen steigern
können. Die erfolgten Massenkündigungen sind daher von Ihnen
als unwirksam zu erklären. Entlassungen von Landarbeitern sind
nur zulässig bei Nachweis zwingender Gründe vor einem Schlich-
tungsausschuß. Wegen der Beilegung der Differenzen zwischen
dem Landbund und der Arbeiterorganisation sind mit größter Be-
schleunigung von Ihnen Verhandlungen einzuletten. Ueber den
Verlauf der Dinge ist mir fortlaufend Bericht zu erstatten.
gez. Noske, Reichswehrminister.
Herabsetzung der Entschädigungen?
Paris, 1. Febr. Wie die Blätter aus Amerika melden,
hat der amerikanische Schatzsekretär Glaß dem Präsidenten der
amerikanischen Handelskammer geschrieben, daß zur Lösung des
Problems der Wiederaufrichtung die alliierten Regierungen die
von Deutschland geforderte Entschädigungssumme auf eine Ziffer
herabsetzen sollten, die es ihm gestatte, zu bezahlen. Deutschland
solle Obligationen in Höhe dieser Summe emittieren. Man müsse
ihm Zeit lasten zu arbeiten, um seine Schulden bezahlen zu können.
Diese Art vvrzugehen würbe die Zahlungsfähigkeit Deutschlands
erhöhen und das Vertrauen wiederherstellen und würde auch dem
lung von Summen, die unmöglich bezahlt werden konnten, zu
verlangen, würde zu keinem praktischen Ergebnis führen und rufe
Besorgnis hervor.
Die Forderungen der Post- und
Telegraphenbeamten.
Berlin, 2. Febr. (WTB). Der Zentralverband der
deutschen Post- und Telegra^henbeamten hat heute einen
Verbandstag einberufen. In einer einstimmig angenommenen
Entschließung fordern die Versammelten, daß die vom Zentral-
verband ursprünglich gestellten Bedingungen unverzüglich
aufgebessert und der Teuerung entsprechend geregelt werden.
Die Versammelten erwarten von der Regierung soviel Ver-
ständnis für ihre Angestellten, daß der eingeschlagene Ver-
handlungsweg zum Ziele führen wird.
Nadolny in Schweden.
Stockholm, 2. Febr. (WTB). Der deutsche Ge-
sandte Nadolny ist heute hier angekommen und hat die
Geschäfte übernommen.
Die italienische Ratifikation.
Rom, 2. Febr. (WTB). Das Amtsblatt veröffentlicht
das königliche Dekret, wonach der Friedensvertrag von
Versailles ratifiziert wird.
England und die Bolschewisten.
Laut „Telegraaf" wird drahtlos aus Moskau gemeldet,
daß zwischen Litwino und O'Grady die Grundlage für
ein Abkommen zwischen Großbritannien und der Sowjet-
regierung feftgelegt wurde, wobei hauptsächlich die sofortige
Wiederaufnahme der Handelsbeziehungen vorgesehen ist.
England und Japan.
Aus Tokio wird gemeldet: Der Minister des Aus-
wärtigen erklärte, die Regierung habe Schritte eingeleitet,
um das Bündnis zwischen England und Japan zu erneuern.
Der Friedensoertrag im Senat.
Puris, 2. Febr. (WTB). Senator Hitschok teilte
dem Büro des Senats mit, er werde am 6. Februar eine
Tagesordnung einbringen, die eine neue Besprechung des
Friedensvertrages von Versailles herbeiführen soll.
Amerikas Kriegsflotte.
Washington, 2. Febr. (WTB). Admiral Tayler,
der Chef der Abteilung für Schiffbauten des amerikanischen
Marinedepartements teilt der Marinekommisfion des Reprä-
sendantenhauses mit, daß die amerikanischen Seestreitkräfte
am 1. Juli 1920 940 Einheiten umfassen werde. Vor dem
Eintritt in den Krieg war der Bestand 1V? mal kleiner.
unseren neuen Gesandten in London und Paris den Rücken stärken.
Oder fürchtet man etwa den Widerspruch der Konservativen und
alldeutschen Nasionasisten? Hoffentlich nicht!

Die angesorderten Heeresfiihrer.
Paris, 31. Ian. Nach dem „Echo de Paris" umfaßt die
Liste der Schuldigen 800 Namen, von denen folgende
bekannteren Namen hervorgehoben seien: Prinz Ruprecht von
Bayern wegen Deportationen aus Nordfrankreich, Herzog
von Württemberg, Kommandant der 4. Armee, wegen
Massakres in Namur und Generaloberst von Kluck, Führer der
1. Armee, wegen Ermordung von Geiseln in Senlis und Massakres
von Flüchtlingen in Aerschot, von Bülow wegen Brandstiftung
in den Argonnen und Erschießung von Flüchtlingen, v. Macken-
s e n wegen Diebstahls, Brandstiftung und Hinrichtungen in Ru-
mänien, von der Lancken wegen Ermordung von Miß Cavell
sowie von Kapitän Fryatt, Admiral vonEapelle wegen Atten-
taten, verübt durch den U-Bvotkrieg, General Stengers wegen
des Befehls, keine Gefangenen zu machen, General v. Straffs -
k y wegen. Plünderung und Niederschießung von 105 Zivilisten,
General von Torfey wegen Hinrichtung von 102 Einwohnern
von Arlon, die Gebrüder Niemeyer wegen Mißhandlung von
englischen Gefangenen im Lager von Holzminden, Major v. Eörz
wegen Grausamkeiten im Gefangenenlager von Magdeburg, Leut-
nant Rudoger wegen Grausamkeiten im Lager von Ruhleben,
General von Kessel wegen Grausamkeiten im Lager von Döbe-
ritz, Major von Bülow wegen Zerstörung von Aerschot und
Erschießung von 150 Zivilisten, General v. Manteuffel wegen
Brandstiftung in Löwen. Bekannlich sind der Exkaiser und
der Exkronprinz Gegenstand eines besonderen Verfahrens.
Eine neue Auslieferungsnote an Holland.
Das Reuter-Bureau meldet aus Paris: Die zweite Note der
Alliierten an Holland lehnt jedes Eingehen auf die Gegengründe
der holländischen Regierung ab und verlangt, daß der Ex-
kaiser von Holland bis Mitte Februar der Entente
unter Wahrung aller Rechtsformen zur Verurteilung ausge-
liefert werden muß. Der Aufenthalt des Kaisers in Amerongen
bedrohe den Frieden Europas und die Sicherheit der Völker. —
Nach einer Mitteilung der „Daily Mail" soll der Kaiser auf An-
trag Englands für den Fall, daß er schuldig befunden wird, nur zu
lebenslänglicher Deportation oder Verban-
nung verurteilt werden.

"Vie „Kons^nzer ^§c^rE^je^ Äf^sWÄW^emeir ocic, oes
Prinzen Max an den amerikanischen Journalisten Brown, in
dem er sich aufs schärfste gegen die Heuchelei der Entente wendet,
die jetzt, nachdem sie durch den Friedensvertrag planmäßig das
europäische Chaos herbeigeführt habe, sich vermeße, als Träger
der göttlichen Gesetze über die Angehörigen der Völker, die ihnen
zum Opfer gefallen sind, wegen Verstößen gegen die internationale
Moral zu Gericht zu sitzen. Zum Schluß heißt es:
Ich trete jetzt durchaus dafür ein, daß eine internatio-
nale Konferenz die internationalen Verbre-
chen feststellt, sie der Weltverachtung preisgibt und sie sühnt.
Aber hinter ihr muß das Gewißen der Völker und das Verant-
wortungsgefühl'der Menschheit stehen. Sie darf nicht ein
Richt erausschußverbü n d eter Raubstaaten sein.
Die internationale Konferenz, die das moralische Recht zum
Richten hätte, existiert noch nicht, und sie kann nicht
geschaffen werden, bis der Friedensvertrag von Ver -
sailles revidiert und seine Gesinnung von den siegreichen
Völkern a b g es ch w o r e n ist.

Reichstagswahlen im September?
Köln, 30. Jan. In einer sozialdemokratischen Versamm-
lung im Saale des Gürzenich teilte der Abgeordnete Sollmann
gestern mit, daß nach seinen Informationen die Reichstagswahlen
im September stattfinden werden. (Unseres Wissens ist noch kein
bestimmter Termin in Aussicht genommen. Doch scheint
das Bestreben obzuwalten, die Neuwahlen nicht ohne Not hinaus-
zuschieben. D. Red.)
Unabhängige Volks- und Landesverräter.
Berlin, 30. Ian. Der Minister Heine wies in seiner
heutigen aufsehenerregenden Rede auf die Zusammenhänge zwischen
den unabhängigen und separatistischen Bestrebungen
im Rheinlande hin, wobei besonders der Fall der Zeitung
„Rheinische Republik" erwähnt wurde. Bon unterrichteter Seite
wird hierzu noch mitgeteilt:
Am 22. September erschien unaufgefordert in der preußischen
Zentral-Rheinlandsstelle Baumann, auf deßen Visitenkarte
groß gedruckt das Wort: Rheinlandsbund prangte und die Bezeich-
nung Chefredakteur der „Rheinischen Republik" stand. Baumann
erzählte zunächst, daß er die literarische Stütze der rheinischen
separatistischen Politik sei, und daß er als Hauptorgan der
unabhängigen sozialdemokratischen Partei an-
zusprechen wäre. Er bezöge dort em Iahresgehalt von 36 000 Mk.
Nach dieser Einleitung machte Baumann schlankweg das Angebot,
seine Person künftighin der preußischen Sache zur Verfü-
gung zu stellen. Baumann setzte sodann in einer Weise, die seiner
Ge chäftstüchtigkeit alle Ehre machte, die Bedingungen aus-
einander, unter denen er mit fliegenden Fahnen ins preußische Lager
hinüber wechseln wolle. Er faßte seine gesamten Vorschläge auf
Aufforderung der mit ihm sich besprechenden Herren eigenhändig
schriftlich zusammen und forderte: 1. Ernennung zum Geheimen
Regierungsrat, 2. feste Anstellung auf 10 Jahre als Pro-
pagandachef mit 50000 Mk. Jahreseinkommen und 100000
Mk. jährlichen Repräsentationsgeldern, 3. einen jährlichen Fonds
von 2—3 Millionen Mark zur Herstellung von Plakaten, Druck-
schriften, Inseraten und sonstigen Ausgaben, 4. Amtswohnung rn
Düsseldorf, Koblenz oder Köln mit zwei Mann preußischer Schutz-
mannschaft als Schuh für seine persönliche Sicherheit. Baumann
wies seine persönliche Eignung für den großen Posten,
für den er so bescheiden war, sich selbst vorzuschlagen, dadurch nach,
daß er mitteilte, über diegeheim st e n A b s i ch len de r Geg -
ner auf französischer Seite und auf der deutschen Rhembundersette
orientiert zu sein, da er mit allen Herren der Rheinischen Republik
monatelang tagaus tagein nicht nur offiziell, sondern auch in den
 
Annotationen