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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (1/2) — 1920

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Extra-Ausgabe

-er

Hauptschnftleiter- Or. (L Kra u s. // Heidelberg, Dienstag, den 16. März 1920 // Druck der üntervadischen Vcrlagsansialt G. m. b. H.


Deutschland über Alles!
Lied, welch Mißbrauch, welch Hohn und Spott hat man mit
dir getrieben! Lied, was hast du uns angetan —! Stolz klangst
du im Munde aller derer, die andächtig und überzeugt mit deinen
Worten den Ruhm eines friedliebenden, gesitteten, hochstehenden
Deutschlands verherrlichen wollten. Erhebend und rein erklang
deine Melodie aus der Kehle der deutschen Jugend, die mit dir ihre
warme Liebe und Treue zum Vaterlande bekundete, ohne in deinen
Worten eine Selbstverherrlichung zu erblicken. Anmaßend und
herausfordernd dagegen mußtest du klingen, wenn schon vor dem
Kriege eine vom Alkohol überhitzte chauvinistische Gesellschaft Hei-
ken Text in die Kneiplokale von Paris und Brüssel von Ostende
und Blankenberghe hineinbrüllte, wie sich dies zum Entsetzen der
Franzosen und Belgier und nicht zuletzt zu meiner Schande mit-
«rieben mußte. Der Fall der Rauf- und Saufprinzengesellschast
vn Hotel Adlon erinnert mich an ein Vorkommnis, das sich vor dem
Kriege im Weinlokal Lefebvre in Blairkenberghe abspielte, wo eia
überwiegendes deutsches Publikum von Badegästen in Smokings
Und tiefdekoltierten Gesellschaftskleidern das belgische Orchester nie-
derbrüllte, als es nach der deutschen — auch die französische und
englische Nationalhymne spielte. Die Herrschaften fühlten sich ja
schon damals dort zu Hause und sie brachten es fertig, daß das
destbesuchteste Lokal von den nichtdeutschen Gästen vermieden
Kurde, um zum Tummelplatz deutscher Zecherei bei „Wein, Weib -
knd Gesang" zu werden. „Deutschland über alles", „Die Wacht
am Rhein" brüllte man bis in den Hellen Morgen hinein. Nicht
»m Ufer des Rheins, sondern am belgischen Meeresstrande und
lwar im Sommer 1914. '
„Deutschland über alles" klang es aus allen Kehlen, als die
Truppen, in den Krieg zogen, in dem Glauben das bedrohte Vater-
iand zu schützen, und wer war in jener Stunde nicht aufs tiefste
gerührt von den Worten „wenn es tönt zum Schutz und
Truhe, brüderlich z u s a m m e n h ä l t" —?
„Deutschland über alles" schmetterten blutdürstige Krieger in
die Ohren der vergewaltigten belgischen Bevölkerung, die um Hab,
Gut und Leben zitternd, in die äußersten Kellerwinkel sich ver-
kroch, während draußen der Kampf tobte und hie Dächer über ihren
Häusern brannten.
„Deutschland über alles" brüllten die heimatlichen Biertisch-
hekden als die Nachricht eintraf, daß der größte Ozeandampfer
Kit Tausenden von unschuldigen Passagieren — worunter größten-
teils Frauen und Kinder, durch ein Torpedo in den Meeresgrung
gebohrt wurde —.
„Deutschland über alles" stimmten die daheimgebliebenen
Helden an, nachdem bereits die ganze Welt uns den Krieg erklärt
hatte: „Je mehr Feinde, desto mehr Ehre" brüsteten sich die
"Alleseroberer". „D eutschland viel dumm", sagte einmal
ein russischer Kriegsgefangener, „deutsches singt: Deutsch-
land über alles, nein falsch, alles über Deutsch-
land, Deutschland kaputt." Dieser unkultivierte russische
Äauer hatte mehr Weitblick und Logik als die meisten Kriegs-
mnatiker und gescheiten Generalstäbler.
Sv ist es gekommen, von außen geschlagen, von innen ent-
larvt, hrach der preußische Militarismus zusammen. Da half kein
»Deutschland über alles" mehr. Das irregeführte Volk sprengte die
fesseln, um zum eisernen Besen zu greifen und die Säbelrasselge-
Mschaft, die Urheber seines Elends hinwegzufegen. Deutschlands
Halbgötter rissen schon vorher aus, um ihr wertvolles „Ich" im
^eutralen Ausland in Sicherheit zu bringen. Sie desertierten die
^eilige Fahne, der Millionen Männer Treue geschworen und das
Lehen geopfert, sie, für die das deutsche Volk das beste hergab, sie
ließen es im Stiche und suchten das Weite. Das Volk wählte sich
!>«ue Führer, baute sich mit unsäglicher Mühe ein neues Haus auf
Mr als Erbe hinterlassenen Trümmerhaufen des alten Systems.
Tie Demokratie sicherte einem jeden das freie Wort zu, ein jeder
Mr willkommen an dem Wiederaufbau des Vaterlandes mitzu-
^beiten. Doch anstatt dem Gebote der Stunde zu folgen, waren
"Nstere Mächte unaufhörlich am Werke um das Vaterland zu unter-
minieren, um das hungernde Volk noch tiefer ins Elend zu reißen.
„Deutschland über alles" sangen die alten Hplden und wie die
>patzen schimpften sie, als der Friede unterzeichnet werden mußte,
ühr Schreien und Brüllen wiederholte sich jedes Mal, wenn es
^lt, die übernommenen Verpflichtungen des Friedensvertrages
?Uszuführen. Was, Friedensvertrag? Ein Fetzen Papier, was
faucht ein „Deutschland über alles" Pflichten zu erfüllen, meinten
Me alten Hurra-Helden. ,
Das „Deutschland über alles" war schon lange nicht mehr das
Md der deutschen Vvlkstreue, der Vaterlandsliebe; herabgewürdigt
? der Kehle der Vaterlandsschänder und der in den Orgien ver-
Mpsten Volksausbeuter, Wucherer und Schieber wurde es zum
^.hngeheul gegen das pflichtbewußte Volk, zur Herausforderung
Merer Feinde von gestern, unserer Gläubiger von heute.
„Deutschland über alles" brüllen dieselben Gewalttäter und
Msksverbreicher heute in Berlin, denn ihnen genügt es nicht, das
Volk ins schwarze Elend gestürzt zu haben, sie wollen ihm den
Mtcn Lebensatem abschnüren. Sie scheinen durch den Krieg nicht
Mitten zu haben und auch heute noch im Fettopf zu schwimmen,
Mse edlen Herren. , ,,,
e- Wie lange will das deutsche Volk vor der ganzen Welt diese
Kinach der frechsten Vergewaltigung dulden? Die Regierung
O* die Probe nicht bestanden, der starke Mann hat versagt. Gibt
Z Noch ein brüderliches Zusammenhalten aller derer, denen es ernst
? Kit dem Wohle und der Ehre der Republik, unseres Vaterlan-
um endlich diesen weltgefährlichen Diktaturdünkel der Iunker-
^ckchaft ein für alle mal auszurotten? Wenn nicht, dann weg
dem Liede „Deutschland über alles", denn es ist em falsches
ein zerronnener Traum.
Eine Schweizer Beurteilung.
Die „Neue Züricher Zeitun g" bringt in ihrer Sonn-
^gsnuinnier eine Darstellung des Berliner Militärputsches, Ob-
die militärischen, anfänglichen Erfolge, die auf die Unzuver-
<-Meit der Sicherheitswehr zurückzuführen ist, ihnen alle mitt-
h.Men Machtmittel, wenigstens Preußens in die Hände gespielt
U°en, glaubt das Blatt nicht, daß sie deshalb schon über bie oberste
verfügen. Weiter schreibt das Blatt:
Selbst wenn man die oppositionelle Gesinnung weiter Volks-
we, zumal in Süddeutschland, als militärisch bedeutungslos nicht

in Rechnung stellt, so bleibt doch immer noch die Tatsache bestehen,
daß die Sozialdemokratie über die mächtige Waffe des General-
streiks verfügt, die militaristischen Putschversuchen ein rasches
Ende zu bereiten vermag. Dazu kommt aber noch, daß auch
außerhalb der sozialdenwkratffchen Kreise vielfach nur geringe Nei-
gung zur Beteiligung an dem militärischen Putsch besteht. Wenn
sogar in Preußen das Attentat auf die Hauptstadt in der Provinz
kaum Gefolgschaft findet, so kann man sich denken, wie man in
Süddeutschland diesen feudalistischen Staatsstreich aufnimmt. An
der Reichsregierung wirb es nun aber liegen, dann, wenn der
Sturm einmal angeschlagen ist, eine zuverlässige und für die Ver-
fassung eintrelende Schutzwehr zu schaffen und die militärische Ne-
benregierung, die man bisher aus Furcht vor der bolschewistischen
Agitation gewähren ließ, gänzlich zu beseitige«.
Staatspräsident Geiß gegen den Berliner
Staatsstreich.
Karlsruhe, 16. März, In der gestrigen Kundgebung
des Landtags gab Staatspräsident Geiß folgende Erklärung ab:
Nach dem furchtbaren Zusammenbruch, den wir im Oktober
und November 1918 erlebt haben, nach den s^weren Wochen und
Monaten der Revolution, die in weiten Teilen Deutschlands in
anarchische Zustände ausgeartet haben, ist es uns gelungen, wieder
verfassungsmäßige Zustände herzustellen und, so unzu-
frieden wir auch noch in manchen Beziehungen sein mögen, ein
erhebliches Maß äußerer Ordnung und Sicherheit aufzurkchten.
Gerade in den letzten Wochen stellte man mit Freuden fest, daß
auch wirtschaftlich
die Gesundung langsam von neuem
einsetzte. Der Arbeitswille kehrte in allen Schichten der Bevölke-
rung zurück: unsere Feinde waren im Begriff, die Erkenntnis zu
gewinnen, daß der wirtschaftliche Tod Deutschlands der Tod Euro-
pas ist. Starke und bedeutende Stimmen im feindlichen Ausland
verlangten eine Revision desfurchtbaren Versailler
Vertrages. Wir durften, auch wenn wir uns von jedem un-
nötigen Optimismus freihielten, hoffen, daß die deutsche Arbeit
sich trotz allem wieder eine neue Zukunft erkämpfen werbe. Diese
Entwicklung ist durch eine
verbrecherische Tat
einer konservativen und durchaus reaktionären Gruppe freventlich
gestört worden. Ich glaube nicht zu übertreiben, wenn ich sage,
daß nie am deutschen Volke.ein größeres Verbrechen begangen
worden ist. (Sehr richtig!) Die Regierung, die-sich hochverräterisch
mit Hilfe pflichtvergessener Truppen in Berlin gebildet hat, wirb
zwar in kurzer Zeit zusammenbrechen, aber die schweren Folgen
der verbrecherischen Tat wird die deutsche Volkswirtschaft noch
lange zu spüren haben. (Sehr richtig!) Das Vertrauen des Aus-
landes, bas langsam wiederkehrte, ist zerstört. Unsere Va-
luta, die gerade letzt wieder langsam gesunden wollte, hat von
neuem eine schwere Erschütterung erlitten. Die badische Regie-
rung steht in Treue zur Verfassung und zu der verfassungs-
mäßigen Reichsregierung, die außerhalb von Berlin
ihres Amtes waltet. Sie befindet sich dabei in Uebereinstimmung
mit allen Regierungen der Länder. (Beifall.)
Die deutsche Nationalversammlung,
die durch ihren Präsidenten, unseren Landsmann Fahrenbach,
auf nächsten Mittwoch na chStuttgart zusammenberufen ist, wirb
von uns als oberstes Organ des Willens des souveränen deutschen
Volkes anerkannt. (Bravo.) Die badische Regierung weiß sich in
ihrer Stellungnahme einig mit der überwältigenden
Mehrheit des badischen Volkes. Das badische Volk erträgt
keine Diktatur; es erträgt am wenigsten eine Diktatur ultra-
reaktionärer dem süddeutschen Volksempfinden fremder
norddeutscher Konservativer. . (Beifall.) Das Ver-
brechen jener norddeutschen Hochverräter war nicht nur eine Sünde
gegen das deutsche Volk, es war die Tat politischen Irr-
sinns. Wir weisen aber auch darauf hm, daß die große
Mehrheit der Reichswehr in Treue zur alten Regierung
hält: es haben insbesondere die württem bergische und die
badische Reichswehr das Gelöbnis der Treue zur verfassungs-
mäßigen Reichsregierung zu den Regierungen der Länder wieder-
holt. Auch in diesen Kreisen begreift man, daß nicht durch
Gewalt und Hochverrat die deutsche Zukunft gesickert wer-
den kann. Den treuen Truppen, den Offizieren, Unteroffizieren und
Mannschaften sprechen wir auch an dieser Stelle denDankdes
Vaterlandes aus. (Beifall.) Unsere Mitbürger und vor
allem die Presse bitten wir, den Fehler einzelner norddeutscher
Wehrverbände nicht der Reichswehr in ihrer Gesamtheit zur Last
zu legen. Die Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften, die treu
zur Verfassung stehen, sind und bleiben unsere Volksgenossen.
(Bravo.)
Es ist aber am heutigen Tage auch Pflickt, es deutlich auszu-
sprechen, daß weite Teile unseres Volkes, die heute die
verbrecherische Tat mißbilligen, an ihr gewissermaßen mitsch ul-
k' i g sind. Obwohl die Reichsregierung, die Regierungen der Län-
der in schwerer und unermüdlicher Arbeit uns aus der Anarchie
herausgeführt haben und eine Tat vollbrachten, wie sie in der
Geschichte einzig dasteht, nämlich die. nach dem schwersten Zusam-
menbruch aller Zeiten in wenigen Monaten wieder verfassungs-
mäßige Zustände wieder herzustellen, hatten viele Volksgenossen
nichts anderes zu tun, als die Regierungen zu schmähen und
zu lästern, die Regierungen anzuklagen für die wirtschaftlichen
Nöte, die die Folgen des Krieges und nicht die Schuld
der jetzigen Regierung sind, tagaus, tagein wurde systematisch durch
frevelhaft törichtes Gerede dir Autorität der Regierungen
untergraben. Dadurch entstand bei den Reaktionären das Gefühl,
daß ihre Zeit gekommen sei; mögen unsere Volksgenossen"
aus den Folgen der schweren Tat, die wir alle zu büßen haben,
heilsame Lehren ziehen. (Sehr richtig!) Jetzt erkennen die Bür-
ger, bak eine ruhigeEntwicklung uns nur durch die Regie-
rungen verbürgt werden kann, in denen die Arbeiterschaft und alle
politischen Schichten des Bürgertums, die sich in Treue auf den
Boden der demokratischen Verfassung stellen, ihrer Bedeutung ent-
sprechend vertreten sind. Wenn die verbrecherische Tat der nord-
deutschen Reaktionäre eine geistige Wandlung in diesem Sinne
hervorruft, dann wird das Uebel auch gute Folgen zeitigen. Wir
werden aus dem Verbrechen der letzten Tage auch die Lehren
zu ziehen haben, daß der demokratische Staat rücksichtslos all
die Personen
aus leitenden Stellen zu entfernen
hat, die nicht gewillt sind, der Verfassung die Treue zu halten und
freimütig sich zu ihr zu bekennen. (Sehr richtig!) Sie aber, meme
Herben, als verfassungsmäßige Vertreten des badischen Volks-
willens, bitte ich, die Regierung in ihrem Kampfe für Verfassung
und Recht zu unterstützen. Treu halten wir zum Reich. Sern Be-
stand war nach dem Kriege schwer gefährdet und es war

ein ungeheurer Gewinn, daß das Reich erhalten wurde. Heute
sind die Folgen des Berliner Hochverrats in ihren Wirkungen auf
die Abstimmungsgebiete, überhaupt auf unsere gesamte Außen-
politik, noch unübersehbar. Es gibt nur eine Rettung: Wir müssen
mit aller Kraft und in voller Treue uns
hinter die verfassungsmäßige Reichsregierung stellen.
Die Erklärung der badischen
Sozialdemokratie.
Abg. Marum erklärt namens der sozialdemokratischen Frak-
tion: Wir billigen die von dem Herrn Staatspräsidenten ab-
gegebene Erklärung in vollem Umfange. Das Verbrechen der Re-
aktion und Soldateska in Berlin ist nur möglich geworden durch
die übergroße Vertrauensseligkeit der Reichsregierung gegenüber
den aus dem alten Staate übernommenen Militaristen, durch die
falsch angebrachte Toleranz gegenüber den im Amt gelassenen Re-
aktionären im Reich und in Preußen, durch die politische Trägheit
und Blindheit des Bürgertums, das zu einem großen Teil au»
Angst um seinen Profit, vor Steuern, und vor wirtschaftlicher De-
mokratie, teils mit Willen, teils ohne Willen der Reaktion behilf-
lich gewesen ist, durch die Gewissenlosigkeit und den Un-
verstand eines großen Teils der bürgerlichen Presse, die
sich bedenkenlos zum Werkzeug der Reaktion hergab, und schließ-
lich durch die
bedauerliche Zerrissenheit des Proletariats,
welche einen großen Teil der Kraft im Bruderkampfe aufzehrte
und den Bankerotteuren erst die freie Bahn zu ihren Taten ver-
schaffte. Wir verlangen deshalb von der Reichs- und Lan-
desregierung
1. Schutz der Republik
durch mitleidslose Schärfe wider alle gegenrevolutionären und
monarchistischen Bestrebungen, wo sie sich zeigen mögen (Beifall),
2. Demokratisierung der Verwaltung,
insbesondere Säuberung des Reichsheeres und aller politischer Be-
amtungen von den Elementen, die nicht offen und ehrlich aus dem
Boden der Republik und der Verfassung stehen (Beifall ),
3. Erziehung der Jugend
in allen Schulen und llniversitäten i m G e iste d e r R ep u b l i k,
der Demokratie und der Verfassung (Beifall),
4. Vergesellschaftung
derjenigen Zweige der Produktion, die heute schon nach dem Stande
ihrer Wirtschaft dazu reif sind, zugunsten der Volksgesamtheit.
Wir sind bereit, gemeinsam mit all den Volksgenossen und
Parteien an dem Wiederaufbau Deutschlands zu arbeiten, welche
für den Schutz der Republik und Demokratie eintreten. Wir hoffen
auch, daß die links von uns sichenden Volksteile in gemeinsamer
Front mit uns den Anstur mder Reaktion abwehren. Wenn das
Proletariat einig ist, kann die Gegenrevolution niemals Herr wer-
den. (Sehr richtig!)

Aus der Umgebung.
r. Mosbach, 15. März. (Eigene Meldung.) Im Saale des
Bahnhofshotels tagte am heutigen Tage eine von der sozialdemo-
kratischen Partei und der unabhängigen sozialdemokratischen Partei
Mosbachs gemeinsam einberufene große Demonstrationsvcrsamm-
lung, um Stellung zu nehmen gegen die gegenrevolutionäre Re-
gierung in Berlin. Die Versammlung war überfüllt von den
Angehörigen nicht nur der sozialdemokratischen, sondern auch von
allen anderen politischen Parteien. Referenten in der Versamm-
lung waren Gen. Landtagsabgeordneter Regierungsrat Rausch-
Karlsruhe und Stadtrat Appel-Mannheim. In einem wir-
kungsvollen, mit gespannter Aufmerksamkeit entgegengenommenen
Referat behandelte Gen. Rausch den Ernst der Situation, die
momentane Stellungnahme der Parteien hierzu, im Reich sowohl
als auch in Baden, um dann im kausalen Zusammenhang die kon-
servativ-mititaristische Politik vor, während und nach dem Kriege
eingehend zu schildern. Uebergehend zur Revolution vom 9. Nov.
1918 und ihrer Errungenschaften betonte Redner unter dem Bei-
fall der großen Versammlung, daß sich Arbeiter, Angestellte, Be-
amte und das freiheitlich gesinnte Bürgertum unter keinen Um-
ständen diese Errungenschaften wieder streitig machen lassen. Bei
der Besprechung der Abwehrmaßnahmen erörterte Referent die
Parole zum Generalstreik auf der ganzen Linie unter eingehender
Würdigung der Wirkung eines solchen. Nachdem noch die Mög-
lichkeit der Auswirkung des militaristischen Putsches hinsichtlich
der außenpolitischen Beziehungen besprochen war, schloß Redner
mit einem eingehenden Appell an die Anwesenden, den noch zu
ergehenden Anweisungen ungesäumt dann Folge zu leisten. Der
Schluß seines Referates: „Es lebe die Republik, es lebe der freie
Volksstaat!" fand begeisterte Zustimmung..
Gen. Stadtrat Appel (U.S.P.) präzisierte in längeren Aus-
führungen den programmatischen Standpunkt seiner Partei zu den
politischen Tagesfragen vom Beginn der Revolution his zum Tage
des militaristischen Putsechs. Trotz mancher Kritik an der Tätigkeit
der Koalitionsregierung bekannte sich Redner zu einer gemeinsamen
Kampffront der sozialistischen Parteien gegen rechts, ohne sich da-
bei bedingungslos auf den Boden der bisherigen Regierungspar-
teien zu stellen. Eine Entschließung, die sich mit aller Schärfe
gegen den militaristischen Putsch in Berlin wendet und ein Bekennt-
nis zur republikanischen Staatsfvrm ausdrückt mit dem Zusatz, alle
Maßnahmen zur Erhaltung dieser Staatsform durch die Tat zu
unterstützen, fand einstimmige Annahme.
Karlsruhe, 16. März. Im großen Festhallesaal fand
gestern nachmittag eine große Protestkundgebung der Beamten- und
Arbeiterorganisationen statt, zu her sich die Angehörigen des Ver-
bandes des deutschen Verkehrspersonals, des badischen Eisenbahner-
verbändes und des badischen Beamtenbundes eingefunden hatten.
Die Kundgebung richtete sich gegen die Berliner Vorgänge. Von
jeder der Organisationen sprach ein Redner, worauf eine Ent-
schließung einstimmig angenommen wurde, in der zum Ausdruck
kommt, daß die Beamten- und Arbeiterschaft hinter der Verfassung
steht und der badischen Regierung die Treue hält.
 
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