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Heidelberg, Freitag, 21 Februar 4920
Nr. 49 » 2. Jahrgang
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Badischer Landtag.
Der 8. Nachtrag. — Erhöhte Kinderzulagen.
Heidelberg. 27. Februar.
Wieder ein politisches Wetterleuchten im Landtag. Die kleine
deutschnattvnale Partei konnte es sich anläßlich der Beratungen des
8. Nachtrages nicht versagen, wieder einmal — auch diesmal nur
mit großen Worten ohne jeden Tatsachenbeweis — den Vorwurf
ungesunder Mißwirtschaft gegen den Finanzminister zu erheben.
Kinanzminister Dr. Wirth wies den Vorwurf mit wuchtiger
Klarheit zurück. Er wies darauf hin, daß die badischen Finanzen
die gesündesten aller deutschen Länder sind; abgesehen von der vor-
handenen Eisenbahnschuld gibt es in Baden keineallgemeine
Staatsschuld. Von einer Mißwirtschaft, vor einem Stehen
vor dem Bankerott kann bei uns keine Rede fein. Es ist ein großes
Wort, wenn ein Finanzminister gerade jetzt hinstehen und erklären
kann, daß bis zum 1. April das ganze Staatsbudget einschließlich
sämtlicher Nachträge ausbilanziert sein wird. Das ganze Volk
ersieht daraus, daß alle Arbeiten seiner Volksvertretung gerade auf
finanzpolitischem Gebiete von der größten Gewissenhaftigkeit und
Verantwortlichkeit getragen sind. Umso schwerer trifft darum die
Anschuldigung der Rechten die Mehrheitsparteien des Landtags.
Einstimmig wiesen ihre Vertreter (Weißmann für unsere Par-
tei, Dr. Glöckner für die Demokraten und Dr. Schofer für
das Zentrum) die Vorwürfe zurück. Mit Recht betonten sie, daß
eine Partei, die in den Tagen der revolutionären Umwälzung über-
haupt nicht an positive Arbeit gedacht hat, die überhaupt erst den
Mehrheitsparteien ihre politische Existenz verdankt, gar kein Recht
hat, diese Regierung zu schmähen und ihre „Rettungsarbeit
am Vaterland" zu sabotieren.
Man wird auf die politischen Debatten der nächsten Woche
gespannt sein, die anläßlich der Haushaltsberatung zur bisherigen
Arbeit der jetzigen Regierung Stellung zu nehmen haben.
* *
*
15. öffentliche Sitzung.
Eine erneute Abfuhr der Deutschnationaien.
gr. Karlsruhe, 26. Februar.
Präsident Kopf eröffnet die Sitzung um 3.20 Uhr, nachdem zuvor
tm Vorhofe des Landtags ein Zug der neuen Sicherheitspolizei vorgeführt
wurde, für die im 7. Nachtrag Mittel angesordert werden.
Kurze Anfragen.
Auf eine kurze Anfrage des Abg. Königsberger (Soz.) über
die Auszahlung von Ablieferungsprämicn durch die Kommu-
nalverbände teilt Minister Remmele mit, daß dem Ministerium nichts
bekannt ist, daß diese Prämien rückständig sind und bittet deshalb um
Material. Man muß allerdings unterscheiden zwischen der vorjährigen
uno der letzten Ernte, bei denen über die Prämienauszahlung noch Ver-
handlungen schweben.
Auf Anfrage des Abg. Hässig (Soz.) wegen Ueberschreitung der
Weinhöchst preife bittet Minister Remmele Material über
Ueberschreitung der Höchstpreise bei badischen Weinen zu über-
reichen, damit Verfolgung cingeleitet werden kann. — Auf Anfrage des
Abg. Richter (Soz.) bezüglich der Ausrottung der nützlichen Maul-
würfe wegen der hohen Fellpreife teilt Minister Remmele mit, daß
Maßnahmen hiergegen bereits im Gange sind.
Der Gesetzentwurf über die Abänderung des Gehaltstarifs
Wird in 2. Lesung einstmmig angenommen.
8. Nachtragsetat.
Abg. Seubert (Ztr.) berichtet namens des Haushaltausschusses
über den 8. Nachtrag und beantragt seine Annahme gemäß den Beschlüs-
sen und Abänderungen der Kommission über die wir bereits berichteten.
Die eingegangenen Petitionen werden durch die Regierungsmaßnahmen
erledigt erklärt. In verschiedenen Fällen ging der Ausschuß in der Ge-
nehmigung der Teuerungszulage über die Regierungsvorlage hinaus. Der
Gesamtauswand an Zulagen beträgt in der allgemeinen Staatsverwal-
tung 21 154 000 Mk., in der Eisenbahnverwaltung 58 502 000 Mk. Der
Mehraufwand bei dem neuen Tarif der Efenbahnarbeiter, wobei der Ar-
beiter mit 24 Sahren den Höchstlohn erhält, beträgt für die Monate
Januar, Februar, März Mk. W 320 000 Mk.
Abg. M a y e r - Karlsruhe (D.-N.) will die Abstimmung seiner
Fraktion begründen und hält fein Urteil aufrecht, daß im Reich und in den
Landen eine ungesunde Finanzwirtschaft getrieben wird. Dem 8. Nachtrag
will er weder durch ein Nein noch durch Stimmenthaltung entgegentreten.
Abg. Weißmann (Soz.))
Nach dieser Erklärugn möchte ich fast eine Besserung der Deutsch-
nationalen konstatieren (Zwischeruf: Unmöglich!) Man freut sich im Him-
mel mehr über einen Sünder als über 99 Gerechte (Große Heiterkeit.)
Die svzialdem. Fraktion stimmt dem Nachtrag zu und sreut sich, daß er
in gemeinsamer Beratung von Regierung und Organisation zustande
kam. Wir freuen uns, daß diesmal ein wesentlich größeres Verständnis
für die Notlage der Beamten und Arbeiter bestand, als im letzten Oktober.
Diese Vorlage ist ein Barometer unserer wirtschaftlichen Notlage. Trotz
der neuen Bezüge sind die Beamten und Arbeiter nicht reicher geworden,
sondern ärmer. (Sehr richtig.) Die Zuschläge werden durch die Preis-
steigerung längst wettgemacht. Dabei sehen wir immer noch nicht, wohin
die Reise geht. Vor allem war es uns werwoll, daß die Arbeiterpen-
sionäre mehr erhalten als die Vorlage vorsah. Gleich erfreut sind wir
für die Erhöhung der Kindervorlage, denn gerade für die Kinder, die an
der Hungerblockade und Tuberkulose unsäglich litten und leiden, kann
nicht genug geschehen. Die Preisverhältnisse gegenüber der Zeit von 1914
begründet die Vorlage mehr als hinreichend. Ein Arbeitsanzug kostete
früher 5—8 Mk., heute 130—150 Mk., Butter kostete 1.40 Mk., jetzt
9 Mk. (Zwischenruf: Hamsterpreije), bei Hamsterpreisen muß man das
4sache bezahlen; ein Ei kostete 7—10 Pfg., heute 1.50—2.00 Mk. Muß
man da nicht mit Recht sagen, daß die kapitalistische Wirtschaftsordnung
versagt hat! Steht da nicht fest, daß eine sozialistische, eine planmäßige
Ordnung der Wirtschaft kommen muß. Für 9000 Millionen Mark führ-
ten wir Zigaretten und Luxus artikel ein; ist da die Einfuhr von Lebens-
bedürfnisfen nicht zweckmäßiger. Wenn wir heute so schlechte Verhältnisse
haben, so verdanken wird dies der Mißwirtschaft während des Krieges.
Von dieser Kriegsmißwirtschatt, vom Hindenburgprogramm, das uns das
Elend brachte, reden die Deutschnattonalen nicht. Ohne den Krieg hät-
ten wir dieses Elend nicht. Trotzdem glaube ich an unseren Aus-
schwung. Mr sehen bei der Kohlenproduktion die Zunahme der Ar-
beitslust. Wir dürfen daher der Zukunft hoffnungsvoll entgegen-
leben. (Beifall.)
Finanzminister Wirch:
Der Vorwurf des Abg. Mayer- Karlsruhe über ungesunde Miß-
Wirtschcrst wir» durch die Wiederholung nicht wichtiger. Ich werde nächste
Woche ausführlich darüber antworten. Wir haben die Regierung in
den Stürmen der Revolution übernommen. (Sehr richtig.) Danach ha-
ben Sie (zur Rechten) sich in die Mauslöcher verkrochen. (Beifall.)
Da sah man nichts mehr von den Annexionisten. Gerade die Ausgaben
für die armen Leute, geben unserer Finanzlage ads düster« Bild. Wol-
len Sie uns dafür verantwortlich machen. Es ist dies eine interna-
tionale Erscheinung. Die Finanzlage kann nur geändert werden
durch ein weitgehendes Gemeinschaftsgefühl. Die Regierung legt in allen
Finanzlagen offene Rechenschaft vor. Wenn die Rechte will, kann sie da
ihr Finanzgenie leuchten lassen. Zeigen Sie mir in Deutschland einen
Staat, der in so gesunder finanzieller Lage ist wie Baden. Und das nen-
nen die Leute Mißwirtschaft. Und was würden die Leute erst sagen,
wenn wir große Staatsschulden hätten. Wenn man andernorts so gut
schlafen könnte als im Lande Baden, dann wäre es gut bestellt im Reiche.
An dem Tage, an dem ich das Vertrauen der Deutschnationalen habe,
werde ich diesen Platz verlaßen. Die den Deutschnationalen nahestehen-
den Kreise verunglimpfen uns. Die Ruhe im Lande ist bereits wieder
so sehr hergeftellt, daß die Rechte völlige Schimpffreiheit hat. Zur fi-
nanziellen Deckungsfrage ist zu sagen, daß bis zum 1. April das
Hauptbudget und die Nachträge wir wohl balanzieren können.
Aus den Nachtragsforderungen vom letzten Jahr stehen noch aus: 30—40
Milliarden Steuerneinnahmen und 5 Milliarden Einnahmen aus For-
estn. Mit diesen Ergebnissen können wir die zwei Nachträge der allge-
meinen Staatsverwaltung ohne Fehlbeträge balanzieren. Für
das kommende Budget bleiben allerdings die Sorgen. Ts wird der Ar-
beit von mehr als einem Jahrzehnt bedürfen, um wieder Zustände wie
vor dem Krieg zu schaffen. Die Regierung hat die Pflicht, das Volk den
Zeiten des Aufstiegs entgegenzuführen, wenn wir uns auch bescheidener
halten müssen als in der Vergannenheit. Ich kann ihnen daher die An-
nahme der Nachträge empfehlen.
Abg. Dr. Schoser (Zentr.) freut sich des einmütigen Votums über
die Annahme des Nachtrags. Es wäre glücklicher gewesen, wenn der
deutschnationale Vertreter den Vorwurf der Mißwirtschaft unterlassen
hätte. Anscheinend suchen die Deutschnationalen nicht, einen modus
vivendi mit dem Teil der Bevölkerung zu finden, der nicht deutschnational
ist. Die Deutschnationalen sollten sich die Lehren des konservativen Herrn
Adam Röder zur Lehre dienen lasten,, der über die Deutschnationalen das
gleiche Urlteil abgibt als der Finanzminister., indem er auf die ver-
hängnisvolle Rolle der Ostelbier und Alldeutschen hinweist. Der ord-
nungsstiftenden Arbeit der Demokratie und des Zentrums verdanken Sie
(zur Rechten) ihre Existenz. Von einer Mißwirtschaft kann nicht geredet
werden. Bei der allgemeinen Finanzdebatte wird auf diese Fragen zu-
rückzukommen sein. Der Redner geht aus verschiedene Einzelheiten der
Vorlage ein.
Abg. Dr. Glöckner (Dem.) stellt in Abrede, daß sich seine Frak-
tion an einer ungesunden Mißwirtschaft beteiligt. Denn in der Tat ist
die Deckung vorhanden. Wir müssen deshalb die Ausführungen des Abg.
Mayer als unbegründet zurückweisen. Der Redner geht hierauf auf ver-
schieden« Beamtenwünsche ein.
Abg. Karl (D.-N.) stellt fest, daß seine Fraktion nicht immer die
Forderungen ablehnte, sondern sich auch manchmal der Stimme enthielt.
Auch Mitglieder der Demokratie, wie Muser and des Zentrums, wie
der Präsident des Hauses, wandten sich damals gegen die Eisenbahner-
sorderungen. Wir sind eine Sammelpartei (Heiterkeit.) Sie haben Angst
vor uns, sonst würden Sie uns nicht bekämpfen. Wir konstituierten uns
sofort nach der Revolution. Wir hofften von der Revolution eine Bes-
serung des Friedens und eine Verbrüderung mit dem Ausland durch aus-
ländische Revolution. Die Revolutionsregierung hat uns damit Lügen
vorgemacht. Wir sind gegenüber der früheren Opposition der Sozial-
demokraten außerordentlich brav und bescheiden. (Heiterkeit.)
Abg. Rausch (Soz.) freut sich der einstimmigen Annahme des 8.
Nachtrags und tritt für die ll nt e rst ü tz u n gs g eh a l 1 s e m p f ä n g e r
ein, deren Notlage er an Hand eines Heidelberger Falles nachweist. Hier
sind Beihilfen nötig. — Abg. Müller- Karlsruhe (Ztr.) äußert ver-
schiedene Spezialwünsche zur Vorlage.
Abg. Dr. Dietrich (Dem.) stellt fest, daß z. Zt. einige Mitglieder
deshalb nicht für die Vorlagen eintraten, weil dann als die politische
Situation ungeklärt war und noch ein Abbau der Preise möglich schien,
worin sie sich getäuscht haben. Unsere Partei hat im Gegensatz zu den
Deutschnattonalen an der Revoluttonsregierung mitgearbeitet, weil es
hieß: alle Mann an Bord um das Schiff zu retten. Wenn die Deutsch-
nattonalen auch Zufuhr aus allen Parteien erhalten, so ist sie doch eine
Rechtspartei und wird viele Leute wieder verlieren. Man muß fragen,
wie waren die Zustände bei Bildung der Koalitionsregierung und wie
sind sie heute? Durch den Krieg wurde Volk und Land zermürbt und
der Staat brach zusammen. Wenn es der Regierung gelingt, über die
Schwierigkeiten Hinwegzukommen, hat sie ihre Pflicht getan.
Finanzminister Wirth verspricht in dem vom Abg. Rausch vor-
getragenen Fall zu helfen und geht auf die vorgetragenen Wünsche ein.
Auf Schönheitsfehler, die der Abg. Müller beseitigt wissen möchte, kann ich
nicht eingehen, wo jeden Tag Arbeiten zu einem neuen Nachtrag eingehen
und ich vielleicht noch einen 9. Nachtrag einreichen muß. Die badische
vorläufige Regierung, die eine Revolutionsregierung, hat nicht mit Lü-
vorläufige Regierung, die eine Revoluttonserigerung ist, hat nicht mit Lü-
tungswerk bezeichnete. Wir taten alles, um zu verhüten, daß unser
Land in Scherben geschlagen würde. (Ich habe damals von solchen Aus-
landsrevolutionen gelesen.) Was Sie lesen, ist nicht immer richtig, denn
wenn alles wahr wäre, was Ihre (zur Rechten) Presse schreibt, wäre die
Welt längst zugrunde gegangen.
Abg. Dr. Schvfer (Ztr.) weist darauf hin, daß diese Vorwürfe der
Rechten zum Fenster hinaus gehalten wurden. Welche Regierung mein-
ten Sie damit, die damals behauptete, im Ausland sei auch Revolution.
(Abq. Karl: Die in Wilhelmshaven.) Das geht doch den badischen
Landtag nichts an. In ganz Deutschland sragt man, was habt ihr in
Baden gemacht, um so gute Zustände zu haben und Ordnung aufrecht
zu erhalten?
Ich weiß nicht wer radikaler ist, wir oder gewiße Bauernführer. Wie
kann man den Geistlichen vorwerfen, daß sie auf fetten Pfründen sitzen?
Das Wort „hasten" fiel hier seit dem Kulturkampf nicht mehr in diesem
Saale. Bei uns ist auch nur von einer Regung von Haß nicht die Rede.
Es entspricht nicht der Wahrheit, wenn der Kollege Karl uns den Vor-
wurs des Haßes macht. Hier liegt eine Bergaloppierung vor. In den
ersten Wochen der Revolution konnte ich eine Konstituierung der Deutsch-
nationalen nicht wahrnehmen. Ich muß mich dagegen verwahren, daß
man meiner Partei in Versammlungen den nationalen Charakter ab-
spricht. Dieser Vorwurs, der ehrenrührig ist, muß verschwinden. Ich
will annehmcn, daß dieser Borwurf nie wiedertehrt, sonst müßten wir
schärfere Methoden anwenden. (Beifall.)
Abg. Rösch (Soz.) fragt wegen der Unterstützung der Basler
Pensionäre an.
Finanzminrster Dr. Wirth: Das Staatsministerium'hat die Frage
an das Finanzministerium zurückverwlescn. Es hält außeroroemucy
schwer, den Schweizer Beamten das Geld auszuzahlen bei dem heutigen
Kurs. Die Frage der Pensionäre wird geprüft. Außerdem wird m eini-
gen Tagen das Reich für diese Frage zuständig sein.
Die Hauptberatung des 8. Nachtrags wird geschloßen.
Der 8. Nachtragsetat wird einstimmig genehmigt.
Deutsche Nationalversammlung.
Berlin, 26. Febr. (W.B.) Der Verfassungsaus-
schutz der Nat.-Ders. ist heute zu einer Sitzung zusammengetreten u.
hat den Bericht des Reichsministers Koch über die Vvrentwürfe zum
Reichstagswahlrecht entgegengenommen. Die endgültige Vorlage
liegt nach Mitteilung des Ministers dem Kabinett bereits vor. Der
Ausschutz nahm infolgedessen von der materiellen Beratung der
Entwürfe Abstand. Der Minister Koch teilte ferner noch mit, datz
die Entwürfe über die Wahl des Reichspräsidenten und den Volks-
entscheid gleichfalls dem Kabinett vorliegen und datz der Entwurf
über den Staatsgerichtshof ausgearbeitet worden ist.
Eine kurze Sitzung. — Kleine Gesetzentwürfe.
Berlin, 26. Februar.
Die Sitzung beginnt mit einer Polemik des deutschnattonalen
Abg. Mumm gegen die Existenzberechtigung der Nationalver-
sammlung. Die kleinen Gesetzentwürfe über den Per-
sonenstand, über den Artikel 13, Absatz 2 der Verfassung und über
die Konsulatsgebühren werden p l a nm ä ß ig e r l e d i g t, die Be-
richte der Ausschüsse für Petitionen und für Volkswirtschaft zur
Kenntnis genommen. Die erste Beratung des Entwurfes eines
Körperschafts st euer gesetzes steht im Mittelpunkt der
Tagesordnung. Nach einer kurzen Bemerkung des Unterstaats-
sekretärs Mösle, der bekanntlich bei den Steuerdebatten den sus-
pendierten Reichsfinanzminister vertritt, wird der Entwurf dem
Zehnten Ausschuß überwiesen. Nach kaum 1 16 stündiger Sitzung
vertagt sich das Haus auf morgen nachmittag mit der Absicht
vor Beginn der eigentlichen Steuerdebatte die stark ange-
häuften kleinenAnfragen zu erledigen.
Politische Ueberficht
Regelung der Entschädigungsansprüche.
Berlin, 25. Febr. Eine Baseler D. A.-Meldung zufolge
berichtet die „Pretzinfvrmatton" aus London: Die Verbands-
kommisfion beschloß, zur Festsetzung der von Deutschland zu
fordernden Entschädigungssumme die Sachverständigen
der Alliierten in der nächsten Woche nach Paris einzu-
berufen, damit die Entschädigungsansprüche innerhalb der
nächsten drei Monate an Deutschland überreicht wer-
den könnten. Außer den Zahlungen in Gold, die auf längere Zeit
verteilt find, wollen die Verbündeten eine Listevon deutschen
Waren aufstellen, die ausschließlich an die Alliierten geliefert
werden müßen.
Die amtliche deutsche Finanzkommissivn in London.
Nach einer Meldung der „Morning-Post" vom 21. Februar
ist in London eine amtliche deutsche Finanzkommis-
sion angekommen, die beauftragt ist, alle zwischen Deutschland
und England schwebenden finanziellen Fragen, die sich aus dem
Friedensschluß ergeben, klarzuftellen. Die Kommission seht sich aus
dem ehemaligen Gouverneur von Deutsch-Neu-Guinea, Dr. Ha-
ber, Geheimrat Lentze und den Herren Schulz und Schu-
bert zusammen.
Zum Ablieferungskommissar der Handels-
flotte wurde Direktor Decker in Hamburg und zu dessen stän-
digem Stellvertreter Direktor G r o s s e - Hamburg bestellt.
Der französische Finanzminister eiligst nach London berufen.
Paris , 24. Febr. Da Ende dieser Woche in London Fragen
wirtschaftlicher Art besprochen werben sollen, hat Ministerpräsident
Millerand den französischen Finanzminister Marsal eiligst nach Lon-
don berufen. 8m Lause dieser Beratungen soll auch die Frage des
Wechselkurses besprochen werden.
Noskes Erklärung zu den Taten der Balükumer.
Berlin, 25. Febr. Die „Vvssische Zeitung" veröffentlicht
eine Erklärung des Reichswehrministers, nach der
die festgenommenen Offiziere und Mannschaften der Baltikum-
leute an der Versammlungssprengung in Charlottenburg un-
schuldig sind. Die bereits entlaßenen Baltikumsoldaten seien
ohne Dienstwaffen ausgeschieden. Bis zum 15. März würden alle
Entlaßungen durchgeführt sein. Es beständen nur noch Auflösungs-
stäbe. Die Gesamtzahl der noch nicht entlaßenen Baltikumleute
betrage rund 8000.
- - 'M .. «K, M 11 i
Das württembergische Schulgesetz.
Der württembergifchen Volkskammer liegt zurzeit der Entwurf
eines neuen Schulgesetzes (des sog. kleinen) vor, das im März
verabschiedet werden soll. Es sieht eine fast r e st lose Trennung
vonKirche und Schule vor. Die geistliche Ortsschulaufficht
ist danach aufgehoben. Für die Volks- und Fachschulen wird eine
gemeinsame Oberschulbehörde geschaffen, bei der die Trennung nach
Konfessionen wegfällt. Der Religionsunterricht bleibt
ordentlich es Lehrfach der Schulen mit Ausnahme der
w e l t l i ch e n S ch u l e n. Er wird nur vom Staat beaufsichtigt.
Das Auffichtsrecht über den Religionsunterricht der Geistlichen wird
den Religionsgemeinschaften übertragen. Auswahl des Unterrichts-
stoffes und der Religionsbücher trifft der Staat im Einvernehmen
mit den Religionsgemeinschaften. Die Schulpflicht wird allgemein
auf 8 Jahre ausgedehnt, die Lernmittelfreiheit für die
Volks- und Fortbildungsschulen durchweg eingeführt.
Die sozialistische Bewegung im
Ausland.
Lenin über die sowjetrussische Friedenspolitik.
Wie „Politiken" aus London erfährt, hat der nach Rußland
entsandte Korrespondent der Newyorker „World", Lincoln Eyre,
eine Unterredung mit Lenin gehabt. Ueber die Aufhebung
der Blockade sagte Lenin u. a.: „Es fällt schwer, an die Auf-
richtigkeit dieses Schrittes zu glauben, da die Alliierten einen neuen
Angriff auf Rußland durch Polen vorbereiten. Im ersten Augen-