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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (1/2) — 1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.44126#0323
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Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung der Amtsbezirke Heidelberg, Wiesloch, Sinsheim, Eppingen, Eberbach, Mosbach, Buchen, Adelsheim, Boxberg,
Tauberbischofsheim und Wertheim.

Bezugspreis: Monatlich einschl. Trägerlohn 2.50 Mk. Anzeigenpreise:
Die einspaltige Petitzelle (36 rnin breit) 70 psg„ Reklame-Anzeigen
fSZ mrn breit) 2.20 Mk. Sel' Wiederholungen Nachlaß nach Tarif.
Geheimmittel-Anzeigen werden nicht ausgenommen.
Geschästsstunden: 8-'/,6 Uhr. Sprechstunden der Redaktion: 11-12 Uhr.
Postscheckkonto Karlsruhe Nr. 22Z77. Tel>Adr.: Volkszeitung Heidelberg.

Heidelberg, Oonne stag, 4S. Marz 1S2O
Nr. HA » 2. Jahrgang

Derantwortl.: Für innereu. äußere Politik, Volkswirtschaft u. Feuilleton: Dr.
E. Kraus: für Kommunales u. soziale Rundschau: Z.Kahn: für Lokales:
O.Geibel: für die Anzeigen: H. Hoffmann, sämtlich in Heidelberg
Druck und Verlag der ilnterbadlschen Verlagsanstalt G. m. b. H„ Heidelberg
Geschäftsstelle: Schröderstraße 39.
Fernsprecher: Anzeigen-Annahme 2673, Redaktion 2648.


Dis Zensur bet r. Es sind uns gestern durch die Zensur
«ix Reihe von kleineren Meldungen über die Lage im Reich ge-
strichen worden, die andere Blätter wie „Franks. Ztg.", Mann-
heimer „Volkssttmme" usw. anstandslos gebracht haben. Wir möch-
ten das Bezirksamt bitten, nicht so ängstlich zu sein und nur das zu
streiche», was eine Unterstützung des Berliner Hochverrats bedeuten
würde. Die Redaktton.

Weg mit dem Militarismus!


Kr. Heidelberg, 18. März.
Der putschistische Staatsstreich der altdeutschen Junker und
Monvkelhelden ist mißlungen; der famose Herr Kapp hat seinen
Rücktritt erklärt, nachdem ihm die revolutionäre Arbeiterschaft und
Has verfassungstreue Beamtentum sein Werk sabotiert haben. Wir
hoffen, daß diese famosen Hochverräter und Verbrecher ihren ge-
rechten Richter finden werden. Nun aber gilt es, daß das deutsche
Polt, insbesondere die deutsche Arbeiterschaft ihre Lehren aus den
Ereignissen der letzten vier Tag« zieht. Trotz der revolutio-
nären Gärung, die — psychologisch für jeden objektiv Den-
lenden nur zu verständlich — jetzt wieder in ganz Deutschland weite
Schichten der Arbeiterschaft ersaht hat, gilt es zu erkennen, daß
Ger wahre Feind wirklich rechts steht. Aber wo?
Nicht in den Parlamenten, wo die konservativen Politiker ihre
Roden halten, sondern in den Beamtungen und Verwal-
tungen, wo die Reaktionäre immer wieder das Wachsen und
Gedeihen des sozialen und republikanischen Geistes zu hemmen
suchen. Bor allem aber ist der Militarismus wieder unsere grösste
Gefahr geworden. Er war es, der den preuhisch-deutschen Staat
in seiner inneren und äußeren Politik beherrschte, der Europa jahr-
hundertelang nicht zur Ruhe kommen ließ, der mit eine Hauptschuld
am Ausbruch dieses furchtbaren Weltkrieges trägt. Und dieser Mi-
litarismus ist mit der deutschen Revolution 1918 nicht verschwun-
den, Ereignisse außen- und innerpolilischer Art haben ihn in Ver-
bindung mit Großgrundbesitz und Großkapital wieder erstarken
lasten. Und jetzt hat er der deutschen Republik beinahe den Todes-
stoß versetzt. Wenn wir auch vieles wußten und noch mehr ahnten,
daß der Militarismus noch so stark sei, haben wir doch nicht ge-
gkarcht. Denken wir an die Rolle des Generals v. Lüttwitz, des
Generals v. Maerker. Und dazu jetzt die Telegramme des Generals
Von Groener an Hindenburg und Ebert, sowie die Telegramme, die
Hindenburg an Kapp und nach einigen Meldungen auch an Ebert
geschickt Hal. Groener erkennt Hindenburg als seinen obersten Herrn
«N, dem er gehorsamst meldet, daß eine Regierung Kapp-Lüttwitz
für Deutschland unmöglich ist. Er fährt dann fort: „Herr Feld-
marschall find die Hoffnung weitester Kreise des deutschen Volkes
in diesem Augenblick, ein Wort von ihnen genügt, um die Reichs-
wehr aus den verfassungsmäßigen Boden zurückzuführen." Also:
so stark ist Demokratie, Republik und friedliche Gesinnung im neuen
Deutschland zur Wirklichkeit geworden, daß nur rin Generalfeld-
marschall des preußischen Großen Generalstabes es in der Hand
haben soll, den Bestand der Verfassung zu sichern. Als vor einigen
Wochen die Rechtsparteien Hindenburg für das Amt des Reichs-
präsidenten auserkoren hatten, wurde diese Kandidatur von der
überwiegenden Mehrheit der auf dem Boden der Weimarer Ver-
fassung stehenden Parteien abgelehnt. Und heute sucht man den-
selben Hindenburg als „Treuhänder" für den Bestand der Republik
in Anspruch zu nehmen! Doch den Höhepunkt erreicht die milita-
ristische Anmaßung in dem nächsten Telegramm Groeners an Ebert.
Groener stellt dem Reichspräsidenten Bedingungen für seine Ver-
mittlertätigkeit! Es heißt da: „Halte jedoch Aenderung des Cha-
rakters der Regierung ... nach Ihren Vorschlägen unter Feld-
marschalls und meiner Billigung für erforderlich." Ja, leben wir
eigentlich in einem freien Volksstaat oder im alten Militärftaat, wo
die Politik vom General- und Admiralstab gemacht wurde? Wir
sind überzeugt, daß die Reichsregierung sich weder -von Groener
noch von Hindenburg für ihre Politik wird Bedingungen stellen
kästen. Aber die Dinge öffnen uns die Augen dafür, daß die Haupt-
aufgabe der Regierung nach Erledigung des Berliner Hochverrats
die restlose Vernichtung und Zertrümmerung des Militarismus sein
muß. Es darf für ihn kein Platz in der Reichswehr sein; personell
und organisatorisch muß diese ein Verteidigungsinstrument des
Dölksstaates sein, kein Staat im Staate, der seine eigene Politik
treibt. Vor allem aber darf diese Wehr nicht nur Schutzinftrumrnt
von Besitz und Ordnung des Spießbürgertums gegen das klassen-
bewußte Proletariat sein. Sie muß ebenso die sozial-sozialistischen
Tendenzen und Rechte der Verfassung verteidigen gegen alle Ver-
suche, sie lediglich dem Klasseninteresse einer besitzenden Bourgeoisie
dienstbar zu machen. Das muß die erste Umorientierung nach den
Tagen der Kappregierung sein und unsere Partei muß sich mit allen
parlamentarischen und außerparlamentarischen Mitteln dafür ein-
setzen.

Die Verfassungstreue der Bergarbeiter.
Essen, 16. März. (W.B.) Im Einverständnis mit dem
Reichskommissar Severing bestimmte die Arbeitsgemeinschaft für
den Ruhrkohlenbezirk wie folgt: , < . <
Die Arbeitsgemeinschaft verurteilt entschieden ir-
den Versuch einer gewaltsamen Regierungs- und Verfassungs-
änderung. so auch die jetzigen Vorgänge in Berlin. Durch diese
Vorgänge ist der Ruhrkohlenbezirk mit seinen industriellen Nachbar-
gebieten in eine äußerst gefährliche Lage gekommen, da er bei dem
ausgebrochenen Generalstreik von den Lebensmittelprvdukttonsge-
bieten jeden Augenblick abgeschnitten werden kann. In dieser Not-
lage, zur Rettung der Bevölkerung vor der unmittelbar bevorstehen-
den Hungersnot und zur Sicherung eines in Zukunft aufnahme- und
produktionsfähigen Inlandsmarktes faßt die Arbeitsgemeinschaft im
rheinisch-westfälischen Bergbau folgenden Beschluß:
Das rheinisch-westfälische Kohlensyndikat hat von Herrn Kapp
keinerlei Anweisungen über die Kohlenverteilung «ntgegenzunchmen.
Der verfassungsmäßigen Regierung ist die Verwaltungsmöglichkeil
im Augenblick genommen. Bis zur Aufnahme der Verwaltung durch
Gis verfassungsmäßige Regierung ist die Kohlenzuweisung nach fol-
-snde» Grundsätzen entgegenzunchmen: 1. Die Industrie de» en-

Aufrrrs der Reichsregierung.
Stuttgart, 18. März. (W.T.B.) Die Reichsregierung er-
läßt einen Aufruf au das deutsche Volk, worin sie mitteilt, daß Kapp
und Lüttwitz bedingungslos zurückgetreten sind. Vor der ganzen
Welt sei damit bewiesen, daß die Demokratie in der deutschen Repu-
blik keine Täuschung sei. Jetzt müsse der verbrecherisch unterbro-
chene Wiederaufbau von Volk und Wirtschaft wieder ausgenommen
werden. Dazu sei nötig, daß die Arbeiterschaft ihre starke Waffe,
den Generalstreik, niederlege. Jedermann solle an die Arbeit gehen.
Die Regierung wird die Aufgabe des Wiederaufbaues fördern und
die Hochverräter der strengsten Bestrafung zuführen.
Kapp und Lüttwitz zurückgetreten.
Berlin, 17. März, 4 Uhr nachm. Die Kappsche Putschisten-
diktatur ist erledigt. Sie erläßt selbst eine Meldung, nach der Kapp
seinen Rücktritt erklärt.
General von Seeckt Oberbefehlshaber in
Berlin.
Berlin, 17. März. (W.B. Amtlich.) Generallandschafts-
direktor Kapp ist, „um den inneren Frieden herbeizuführen", z u -
rückgetreten. Aus dem gleichen Grunde hat General von
Lüttwitz seinen Abschied eingereicht.
Der Stellvertreter des Reichskanzlers hat im Namen Kes
Reichspräsidenten den Abschied bewilligt und mit der einstwei-
ligen Wahrnehmung der Geschäfte des militärischen Oberbefehls-
habers den Generalmajor von Seeckt beauftragt.
Stuttgart, 18. März. (W.T.B.) Die von Berlin ver-
breitete Nachricht, daß Kapp im Interesse des inneren Friedens zu-
rückgetreten und Lüttwitz auf seinen Antrag vom Reichspräsidenten
seines Amtes enthoben worden sei, ist unrichtig. Von einer Eini-
gung irgendwelcher Art mit den Staatsstreichlern kann keine Rede
sein. Es sind dies Lügen zu dem Zweck, den Zusammenbruch des
verbrecherischen Berliner Unternehmens zu verschleiern.
Das neue Kabinett in München.
München, 16. März. (Wolff.) Hier herrscht Ruhe. Das
neue Kabinett ist in der Bildung begriffen. Der
Eintritt von Dr. Heims, der die ganze Ernährung unter sich
Hal, istsehr wahrscheinlich. Das Militär! st zurzeit
H err d er La ge.
München, 16. März. (W.B.) In der Abendsitzung des
Landtages wurde nach langwierigen Besprechungen mit den Frak-
tionen des Landtages das Gesamtmini st erium gebildet. Der
Ministerpräsident schlug nach den Vereinbarungen mit den mit den
Fraktionen folgende Liste vor: Inneres: Ministerpräsident v. Kahr,
Kultus: Ministerialdirektor Matt, Justiz: Dr. Müller (Demokrat),
Handel: Hamm, Finanzen: Dr. Kvfler, Soziales: Staatsrat Os-
wald (Bayerische Volkspariei), Landwirtschaft: Direktor Wuhel-
hoscr. Bezüglich des Verkehrswesens wird mit dem bisherigen
Verkehrsminisier von Frauendorsfer ins Benehmen getre-
ten. Vor der Bekanntgabe verlas der Landtagspräsident Schmitt
eine Erklärung, aus der u.a. hervorgeht, daß die Vollzugsgewaft
zur Ernennung eines Staatskommissars der Zivilverwal-
tung zurückgegeben werde. An der Reichs- und Landes-
verfassung werbe unverbrüchlich festgehalten. Jedem Versuch, im
Widerspruch mit den Verfassungsbostimmungen gewaltsam in die
Tätigkeit der Regierung oder des Landtages, sei es von rechts oder
von links, «inzugreifen, müsse mit allen Mitteln eittgegongetreten
werden. Die v o l l e K o a I i t i o n sfr eih eit sei den Beamten,
Arbeitern und Angestellten nach wie vor uneingeschränkt zugefichert
und werde von der Regierung geschützt.

geren und weiteren Industriegebietes ist ausreichend mit Köhlen zu
versorgen, damit sie in der Lage ist, durch Ausfuhrware dir Lebens-
mittoldeschasfung im Ausland« zu ermöglichen. 2. Die Ausfuhr von
Kohlen ist sofort zu verstärken, damit Holland und den sonstigen
lieferfähigen Nachbarländern die erforderlichen Lebensmitte l ge-
sichert werden können, um eine Hungersnot zu vermeiden. 3. Die
von der Arbeitsgemeinschaft und dem Reichskohlenverband am 28.
Februar gebilligten Grundsätze für den Kohlenvertrieb finden sinn-
gemäße Anwendung. Es wird eine paritätisch zusammengesetzte
Ausführungskvmmissivn gewählt, die ermächtigt ist, in Verbindung
mit dem Reichskommistar Severing eilige Entscheidungen zu treffen,
1. wegen der Lobensmittelversorgung, 2. wegen Sperrung oder Kür-
zung der Kohlenlieserung an solche Gebiete, die sich nicht auf den
Boden der Reichsverfassung stellen, 3. wegen der Belieferung der
Entente. Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Bergbau werden in der
Arbeitsgemeinschaft zusammenwirken, um die Arbeit und Ordnung
im Bezirk aufrechtzuerhalten und die ganze Kohlenmacht dafür ein-
zusetzen, daß in Deutschland schleunigst verfassungsmäßige Zustände
unter Vermeidung von Blutvergießen wiederhergestellt werden. In
Erkenntnis der Notwendigkeit, die in der Arbeitsgemeinschaft er-
folgte Zusammenfassung aller wirtschaftlichen und geistigen Kräfte
des Ruhrköhlenbergbaues auch für die Zukunft zu sichern, wurde es
von Arbeitgeber- wie Arbeitnehmerseite für geboten erachtet, an dem
Wesen und den Zielen der Arbeitsgemeinschaft und an den bisheri-
gen Vereinbarungen fcstzuhalten.
An die gesamren Belegschaften ergeht der dringende Ruf,
Ruhe und Besonnenheit zu wahren und Ausschreitun-
gen zu vermeiden. Die Streiktage bis einschließlich Mittwoch, den
17. März sollen auf den Urlaub nicht angerechnet werden. Es wird
aber die Erwartung ausgesprochen, daß bereits am Mittwoch mög-
lichst die Arbeit wieder ausgenommen wird. Wegen des Fernblei-
bens von der Arbeit anläßlich des Generalstreiks werden keine
Maßregelungen vorgenvmmen.
Verband der Bergarbeiter Deutschlands:
Husemann, Schmidt. Gewerkverein christlicher Bergarbeiter
Deutschlands: Imbusch. Polnische Berufsvereinigung, Abteilung
für Bergbau: Wozniak. Gewerkverein der Fabrik- und, Handarbei-
ter (Hirsch-Duncker), Abteilung der Bergarbeiter: F. Schmidt. Ar-
beitsgemeinschaft für Angestelltenverbände: Gramm. Gesamtver-
band deutscher Angestelltengewerkschaften: Michels. Gewerkschafts-
bund der Angestellten: Lilienthal. Aechenverband: Wiskvpp.

Die Lage im Reich.
Stuttgart, 17. März. (W.B.) Nach einer hier eilige»
troffenen Meldung hat der Oberst Bauer namens der Kapp»
regierung den unabhängigen Sozialisten Julian Borchardt
und Däumig je ein Mi nist e rpo rtef e u il le angeboten.
Diese Nachricht wirft ein Schlaglicht auf die politischen uNd wirt-
schaftlichen Grundsätze, nach denen die Regierung Kapp sich nun-
mehr zu orientieren gedenkt. Däumig soll übrigens das Ange-
bot a n g e n o m m e n haben.
Hagen, 15. Nov. Auf Anruf gewisser industriel-
l e r Kreise in Wette r an der Ruhr entsandte der Wehrkreiskom-
mandeur 6 eine Kompagnie Reichswehrtruppen unter Führung des
Hauptmanns Hasenclever zur Besetzung der Stadt Wetter.
Auf Nachrichten aus Wetter begab sich Oberbürgermeister Lune
ovn Hagen mit den Führern der Regierungsparteien im Stadtpar-
lament zu Verhandlungen nach Wetter. Alle gütlichen Vorschläge
wurden abgelehnt. Darauf entwickelte sich ein Gefecht zwischen
bewaffneten Arbeitertruppen aus Wetter und Ha-
gen und der Reichswehrkompagnie, in dessen Verlauf
auf Seiten der Arbeiter fünfLeute getötet und mehrere
schwer verwundet wurden. Auf Seiten der Reichswehr-
truppen sind 18 Mann gefallen und viele verwundet worden.
Unter den Toten befinden sich Hauptmann Hasenclever und
seine beidenKompagnieoffiziere. Nach Aussage eines
gefangenen Sanitäters der Reichswehrtruppen soll die Zahl der
getöteten Soldaten erheblich höher sein. Die Zahl der von ihm
allein verbundenen Verwundeten soll sich auf über 30 belaufen.
Z wer 7,5 Zentimetergeschütze und 1 Minen Werfer
wurden von den Arbeitern erbeutet. Von der übrigen Beute
sind in Hagen 6 Maschinengewehre und 12 Pferde ein-
getroffen. Die erbeutete Bagage befindet sich in Ha ge n.
Essen, 16. März. (Wolff.) Gestern nachmittag 4 Uhr fand
die erste Sitzung des im Laufe des Tages gebildeten revvlutio -
nären Arbeiterrates statt. Im Verlaus der Verhandlungen
wurde ein 33gliedriger Ausschuß gebildet, der die Füh-
rung der Geschäfte innehüben soll. Wie von unterrichteter Seite
mitgeteilt wird, sind Besprechungen im Gange zu einem gemein-
samen Vorgehen aller drei sozialistischen Parteien
für die Bezirke Niederrhein und Westfalen auf der Grundlage der
Diktatur des Proletariats.
Leipzig, 15. März. (Wolff.) Chemnitz und die u m-
liegenden Industriestädte befinden sich inderMacht
der Abeiter. In Chemnitz wurde das Zeitfreiwilligen-Regi-
ment entwaffnet. Die Post-, die Eisenbahn und das
Rathaus sind von der Arbeiterwehr beseht. Die bür-
gerlichen Zeitungen sind verboten. Am Sonntag fand einebe-
waffn eteDemon st ration statt. Im Bergwerksbezirk von
Lugau-Oelsnitz wird der Generalstreik geschlossen durchge-
führt. Am heutigen Montag soll in Chemnitz ein 21glicdriger Voll-
zugsrat gewählt werden, dem die politische u. wirtschaft-
licheMacht im Industriebezirk übertragen werden soll.
Chemnitz, 16. März. (Wolff.) Hier ist alles ruhig. Ernst-
hafte Widerstände gegen diebestehende Arbeiter-
schaft sind nicht vorgekommen. Die gesamte Arbeiterschaft ist
Koch im Ausstand mit Ausnahme der lebenswichtigen Betriebe.
Der provisorische Aktionsausschuß legte gestern seine Aem-
ter nieder, nachdem am Vormittag in den Bettieben Delegierte zu
der Vollversammlung des Arbeiterrates gewählt wurden und am
Nachmittag dieser große Arbeiterrat einen 21gliedrigen Akttonsaus-
schuß bildete. Die Zusammensetzung des Aktionsausschusses ist fol-
gende: 10 Kommunisten, 6 Mehrheitssozialisten, 1 Unabhängiger,
1 Demokrat. Im Industriegebiet des Erzgebirges und des Vogt-
landes haben sich Arbeiterräte auf der gleichen Grundlage gebildet,
die ebenfalls die gesamte politische und wirtschaftliche Macht über-
nommen haben.
Hamburg, 16. März. (Wolff.) In einer heute vormittag
stattgefundenen Konferenz zwischen Pressevertretern und einem Ver-,
treter des Senats teilte Senator Dr. Nöldecke mit, daß der
Generalstreik seiner Beendigung entgegengehe, weil er seinen
Zweck erfüllt habe, denn in Hamburg sei die verfassungs-
mäßige Regierung hinreichend gesichert. Auch; die Altonaer
Truppen hätten über die Köpfe ihrer Offiziere hinweg erklärt, daß
sie sich nicht gegen Hamburg führen ließen. Es sei nicht
richtig, daß mit Oberst v. Wangenheim, der nunmehr geflüch-
tet ist, irgendwelche Vereinbarungen getroffen worden seien. Se-
nat und Bürgerschaft hätten es ab gel eh nt, mit diesen Hochver-
rätern zu verhandeln. Es sei lediglich mit dem Major v. Sydow
ein Abkommen getroffen worden, daß von niemanden über Ham-
burg hinaus etwas unternommen werde. Die Schulen und die
Universitäten hätten die Weisung erhalten, diejenigen aus-
zuschalten, die sich am Hochverrat beteiligt hätten. Straf-
rechtlich haftbar gemacht werden ohne weiteres die Truppenführer.
Die „Hamburger Warte" sei verboten, ihr Herausgeber
Holtz wegen Hochverrats verhaftet. Das Mitglied der
Rechten, Rechtsanwalt Jacobsen sei geflüchtet und hätte noch
nicht verhaftet werden können.
Hamburg, 16. März. (Wolff.) In Hamburg und Mona
herrscht vollkommen Ruhe. Die Ueberga-be der Truppen
in Altona ist ohne besondere Zwischenfälle verlaufen. Die
Truppen find, soweit sie sich nicht der Hamburger Eicherheitswehr
unterstellt haben, von Altona abgezogen.
Londo n, 17. März. (W.B.) Der Berliner Korre-
spondent des „Daily Heralb" meldet seinem Blatte: Der G e-
neralstreikinBerlin ist vollkommen. Die ganze Stadt ist
von der Außenwelt abgeschnitten. Es ist klar, daß die neue Re-
gierung nicht nur die sozialistischen und demokratischen Parteien,
sondern auch weite Kreise der Mittelklassen und Beamten gegen
sich hat, zumindest in passiver Resistenz. Charakteristisch ist die
Haltung des Finanzwagnaten Helfferich, der sich in Opposition zur
neuen Regierung befindet. Auch ist eine großzügigePropa-
g a n d a, u m I ub e n p ro gr o m e hervorzurufen, von der neuen
Regierung hervorgerusen. Bei schweren verlustreichen
Kämpfen gab es Tote und Verwundete. _
PMkM. W Ml Mil!
 
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