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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (1/2) — 1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.44126#0181
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Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung -er Amtsbezirke Heidelberg, Wiesloch, Ginsheim, Eppingen, Eberbach, Mosbach, Buchen, Adelsheim, Boxderg
Tauberbischofsheim und Wertheim

Sezugspreis: Monatlich elnschl. TrLgerlohn 2.50 Ml. Anzeigenpreise:
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Heidelberg, Gamstag, 14 Februar 192V
Nr. 38 » 2. Jahrgang

Verantwort!.: Für innere u. äußere Politik, Volkswirtschaft u.Feuilleton: Or.
E. Kraus, für Kommunales u. soziale Rundschau: I. Kahn, für Lokale«.
O.Geibel, für die Anzeigen: H.Hoffmann, sämtlich in Heidelberg
Druck und Verlag der llnterbodischen Verlagsanstalt G. m. b. H., Heidelberg
Geschäftsstelle: Schröderstraße 39.
Fernsprecher: Anzeigenannahme 2073, Redaktion 2048.

Badische Landesschulkonferenz.
Unterrichtsminister Hummel eröffnet die Sitzung um 9.30 Uhr.
Schulverwaltung.
Stadtrat Ife ma n n-Bruchsal bringt namens des Handwerks
Wünsche für die Gewerbeschule vor und wünscht Verbesserung der Vor-
bildung der Gewerbelehrer, deren Leitsätze er unterstützt.
Prof. D a u r - Baden-Baden: Im Freistaat hat jeder wirkendes
Glied an der Schulverwaltung zu sein, wie es der Philologenverein durch
die Philologenkammer vorsieht. Diese Philologenkammer hätte bei Be-
rufungen von Räten und Sachverständigen mitzuwirten und ist bei Be-
setzung von Direktoren zu hören. Außerdem sind Llternversammlungen
onzuberaumen und ist di« Bildung von Schulgemeinden mit den Schülern
zu gestatten. Man soll den Schülern nicht vorwerfen, daß sie unreif sind;
denn sie können noch nicht geklärt sein. Durch verantwortliche Mitarbeit
erlernen die Schüler praktische Staatsbürgerkunde. Die Schülerver-
fammlungen müssen dazu dienen, die Schüler zu erkennen.
Hptl. Fränkel-Mannheim: Die bisherigen Schulkommissionen sind
di« brauchbarste Zusammenfassung derer, die auch in Zukunft Anteil an
der Schule haben müssen, und denen Eltern, Lehrer und Gemeinden an-
gehören. Wir sehen darin ein Stück Parlamentarismus. Durch gemein-
same Aussprache von Eltern und Lehrer kann viel erreicht, geklärt und
-besprochen werden. Die Schüler warten nur daraus, zur Mitarbeit
herangezogen zu werden. Die Ministerialräte für Volksschulwesen sind
unter Mitwirkung des Landeslehrerrats zu berufen. Die Schulleitung
mutz Sache des Lehrerkollegiums sein, abgesehen von der sonstigen Schul-
aufsicht. Durch Selbstverantwortung mutz die Jugend zur Freiheit er-
zogen werden.
Die Redezeit wird auf 10 Minuten beschränkt.
Stadtpfarrer Stumpf-Karlsruhe: Die Autorität des Lehrers mutz
-geschützt werden. Wir wollen in Baden einen Schulkampf vermeiden.
Ueber die Anstaltserziehung geht die Eiternerziehung. Wir begrüßen die
Schülerräte, wenn in ihnen der rechte Geist herrscht.
Bürgermeister Dr. Weiß- Eberbach weist auf die Entwicklung der
Schule von der Gemeindcanstalt zur Staatsanstalt hin. Zwischen Ge-
meinde und Schule besteht heute nur noch ein finanzielles Band; das
Landessteuergesetz reißt nun auch dieses. Die Gemeinde fordern in Zu-
kunft eine Mitwirkung in der Schule. Ich warne davor, die Eltern von der
Einsicht in die Erzichungs- und llnterrichtsfragen sernzuhalten.
Prof. R o ß b a ch - Karlsruhe: Der Redestrom ist begreiflich, da
die Freiheit, die hier erstmalig in Erscheinung tritt, zu ungewohnt ist. Als
die Führer des alten Obrigkeitsstaates versagten, verloren dessen Substi-
tute ihre Gültigkeit, ohne daß sofort die Selbstverantwortlichkeit die neue
Freiheit reguliert hätte. Es ist nun Pflicht, den Geist der neuen Zeil
zu wecken, freie, pflichttreue Menschen zu schaffen, daß der Staat nicht
zugrunde geht. Die heutige Schule kann diese Aufgabe nicht erfüllen.
Deshalb müssen gerade jetzt Reformen erfolgen, denn bisher hat sich in
der Schule wenig geändert. Soll di« Schule freie Menschen heranziehen,
dann muß der Lehrer selbst im Genüsse der Freiheit stehen. Er muß
Freiheit, Mitbestimmungsrecht haben. Ein Weg dazu ist für uns die
kollegiale Schulverwaltung. Nicht nur bei Herrn Haebler
machten sich revolutionäre Gedanken bemerkbar; auch in den Ausführun-
gen des Herrn Ott und Herrn Hellpach klangen diese durch. Durch die
Mitbestimmung wird die Freude an der Schule erhöht. Ich habe ein
System der kollegialen Schulverwaltung ausgerabeitet; in Anbetracht der
vorgerückten Zeit werde ich es jedoch hier nicht im Einzelnen auseinander-
sehen. beicht nur der Lehrer allein ist als Träger der Selbstverwaltung
anzusehen. Es kommen dazu der Schüler durch die Schülergemeinde,
die Eltern durch die Elterngemeinde, die Gemeinden durch den Orts-
oder Gemeindeschulrcst, der Staat durch das Ministerium, di« Kirche
durch ihre Vertretung im Landesschulrat; die Lehrer durch die Schul-
konferenz. Die Schulkonferenz muß Träger der Schüler sein; die Lehrer
sind der Schulkonferenz veranwortlich. Geheimbericht an die vorgesetzten
Behörden sind nicht statthaft. Das kollegiale Schulkollegium muß sich
zum Ortsfchulrat erweitern. Längst fällig ist eine Reform der Lehrbücher,
vor allem der Geschichtsbücher. Durch die französische Revolu-
Aon wurde der 3. Stand gehoben; die jetzige Revolution muß dem 4.
Stand die Gleichberechtigung geben. Geben Sie dem Volke sein Recht
auf die Schule, das ihm bisher durch Recht und Sitte verweigert war.
(Beifall.) .
Abg. Frau S i e b e r t - Karlsruhe bespricht das Mitbestimmungs-
recht der Eltern beim Religionsunterricht. Die Mutter ist dabei ausge-
schlossen; die christlichen Mütter sehen hierin einen Eingriff in ihre
Freiheit.
Abg. Pfarrer Karl- Tauberbischofsheim wünjcht Uebereinstimmung
der Schule mit dem Elternhaus, von einem einheitlichen nationalen Wil-
len kann man nicht mehr reden.
Abg. Oberlehrer I h r i g-Mannheim: Die Wahl des Schulleiters
durch die Lehrer würde eine Ausnahmebestimmung Zugunsten der Lehrer
darstellen, was bei hen anderen Beamten nicht der Fall ist. Die Ernen-
nung des Schulleiters muß durch die V-.-örden erfolgen, und zwar auf
Lebenszeit, um die Autorität zu schaffen.
Abg. Hptl. Wiedemann-Bruchsal schließt sich den Ausführun-
gen seines Vorredners voll und ganz an. , <
Eisenbahnsekretär Beetz- Karlsruhe weist daraus hin, daß es dem
Volke nicht gleichgültig ist, ob in der Schule das Obrigkeitssystem oder
freie Verwaltung herrschst. Das Mitbestimmungsreast mutz aucy o-er
herrschen wie es sicb schon aus dem Betriebsrategefey ergibt. Vom Be-
triebsrätrgesetz aus muß auch hier in der Selbstverwaltung weiter geaan-
gen werden. Die Regierung darf sich nicht über die Forderungen unseres
Volles Hinwegsetzen. Wir vertrauen auf die jungen Lehrer.
Bürgermeister Dr. Gugelmeier- Lörrach betont, daß jeder unter
^Selbstverwaltung etwas anderes versteht. Die Städte können in der
Schule nicht damit einverstanden sein, daß man den Gemeinden alles
llnterrichtsminister Hummel stellt fest, daß bi« einzelstaatlichea
Anterrichtsminister in Baden gehört wurden. Es wurden »roe, Bera-
tungen veranstaltet; nur eine beabsichtigte dritte Beratung fand mcht statt.
Doch wird noch eine weitere Besprechung folgen. Es wird n'cht »der
die Köpf« der einzelstaatlichen llnterrichtsminister hinweg beschlossen. Der
Minister stellt fest, daß gemäß erfolgter Abstimmung die Aussprache über
dir Schulverwaltung hiermit abgeschlossen wird und erklärt gleichzeitig,
daß vor der lleberführung der vorgetragenen Plane in die Praxis wieder
«ine Landeskonferenz berufen werden soll.
llm 1 Uhr vertagt sich die Konferenz auf nachmittag.
(Die Mittagssitzung mit der bedeutsamen Schlußrede des Ministers
Hummel müssen wir wegen Raummangel aus Montag zuruckstellen.
Die Red.)

Politische Übersicht.
Dir Abstimmung der 2. Zone.
Flensburg, 11- Febr. Die Dänen scheinen nun doch mit
ihrem Wunsch durchdringen zu sollen, daß die Abstimmung
in der zweiten Zone auf einen späteren Zeitpunkt
verschoben werde. Wie seinerzeit mitgeteilt, war die Wah
der Kommission gegen heftigen dänischen Widerstand aus den

Neue Kundgebungen.
Berlin, 14. Febr. (W.T.B.) Beim Reichsmini-
ter laufen wieder regelmäßig aus allen Volkskreisen zahl-
reiche Kundgebungen gegen das Auslieferungsbegehren
der Entente ein. In allen Entschließungen wird ausgedrückt,
daß die Regierung, wenn sie dem Auslieferungsbegehren
der Entente folgen sollte, den Bürgerkrieg in Deutschland
entfesseln würde. Ein Verhandeln über die Auslieferungsfrage
ei nur möglich im Sinne unserer Note vom 25. Januar.
Verhandlungen möglich?
Paris, 14. Februar. (W.T.B.) Der Londoner Be-
richterstatter des Matin glaubt zu wissen, daß die Ant-
wort auf die Note der deutschen Regierung vom 25.
Januar zwar im Tone fest sei, jedoch Raum lasse zu
Verhandlungen.
H
Branting wieder Vorstand der
sozialdemokratischen Partei.
Stockholm, 14. Februar. (W.T.B.) Branting ist
wieder zum Präsidenten der sozialdemokratischen
Partei gewählt worden.
kDie Bestätigung von Koltschaks Er-
schießung.
London, 14. Februar. (W.T.B.) Der Kriegsminister
erhielt die Bestätigung der Nachricht, daß Admiral Ko li-
sch ak und sein Premierminister Pspolajew auf Befehl
des Irkutsker Revolutionär-Militärausschusses erschossen
worden sei.
Aus dem englischen Unterhaus. _
^Rotterdam, 14. Februar (W.T.B.). Wie" der
Nieuwe Courant aus London meldet, sagte Lord
Robert Cecil in seiner Rede im Unterhaus, der Zu-
stand in Mitteleuropa sei furchtbar ernst. Die
englische Regierung habe aber, obwohl sie schon vor einem
Jahre über die Lage unterrichtet war, noch sehr wenig ge-
tan, um den Zustand zu verbessern. Die Blockade sei viel
länger aufrechterhalten worden, als möglich war. Die
Bestimmungen im Friedensvertrag mit Deutschland
über die Wiedergutmachung ertöteten die Hoffnungen
und vernichtete die Arbeitslust. Während die Forder-
ungen an Deutschland unmöglich seien, seien die Oesterreich
auferlegten Bedingungen eine Phrase. Ueber die
Forderungen der Auslieferung der Kriegsverbrecher sagte
Cicil, sie werde im Falle des Befolgens eine Re-
volution in Deutschland zustande bringen und im
Falle einer Nichtbefolgung das Ansehen der deutschen
Militärpartei erhöhen.


7. März gefallen. Nun hat die Internationale Kommission gestern
die Frage nochmals erörtert. Sie ist zwar noch nicht zu einem Be-
schluß gekommen, doch scheint es, daß man sich in der für heute nach-
mittag anberaumten Sitzung auf den 14. März einigen wird.

Dänische Aeußerungen über das neue Gebiet.
Kopenhagen, 12. Febr. Im gestrigen Staatsrat erklärte
Ministerpräsident Zahle zur Abstimmung in der ersten
Zone, gemäß 8 9 des Friedensvertrages sollte das Ergebnis der
gesamten Abstimmung von der internationalen Kommission unver-
züglich veröffentlicht werden. Diese Veröffentlichung habe noch
nicht stattfinden können, aber die vorliegenden Nachrichten ver-
kündeten der ganzen Welt das Ergebnis. Wenn die dort nicht
Heimatberechligten wieder weggezogen sein würden und mit ihnen
viele, die bloß dort wohnten, aber mit Nordschleswig keine Ver-
bindungspunkte hätten, werbe eine Bevölkerung zurückbleiben, die
sich ihre Nationalität nicht rauben ließe. Die Bestimmungen des
Friedensvertrages sicherten die Erfüllung der nationalen Forde-
rungen der Mehrheit zu. So begrüße es der Staatsrat, daß Däne-
mark bald erwarten könne, durch ein schönes, teures Land mit
Landsleuten vereinigt zu werden, dessen unvergängliche tapfere
Treue gegen das Vaterland und die Muttersprache sie zu unermüd-
lichen Mitarbeitern mache an der Arbeit für Dänemarks Zukunft.
Hierauf führte der K ö n i g in einer Ansprache aus, daß sein
Großvater vor 56 Jahren den Schmerz seines Volkes über die
Zerreißung des Landes zum Ausdruck gebracht habe, aber in seinem
Heizen die Hoffnung bewahrt habe, daß einst der Tag der Wieder-
aufrichtung kommen werde. Sein Vater habe nicht erlebt, was
seine Gedanken allezeit mit hoffnungsvollem Vertrauen umfaßten.
Ihm sei das Los zugefallen, den großen Tag zu sehen. In tiefer
Dankbarkeit und in Hoffnung auf die Zukunft richte er den ersten
Willkommengruh an die zurückkehrenden Landsleute.

Marcurs Curtius Schäserleben.
Der Exkronprinz hat sich der Entente zur Verfügung gestellt,
falls sie ihn für die 900 Auszuliefernden annehmen wolle; aber da
es sein Herr Papa nicht erlaubte, ist er von diesem heldenmütigen
Schritt wieder zurückgetreten. Trotzdem streut die alldeutsche Presse
Weihrauch und der fromme „Reichsbvte" feiert ihn als eine
moderne Neuauflage des heldenmütigen römischen Jünglings Mar-
curs Curtius, der sich in den Abgrund stürzte, um jein Volk zu
retten. Der neue Marcurs Curtius hat es indes nicht st». Eg, m
den Abgrund zu springen. Und da ihm inzwischen die Zeit
lang wird, beschäftigt er sich in Wierinqen ä h n l i ch , wie er s ich
seinerzeit in Charleville beschäftigt hat, wo ihm die

Zeit auch lang wurde. Zu den Ohren seiner Anhänger in Deutsch-
land muß etwas von der Wieringer Idylle gedrungen sein;
denn der Vorsitzende eines der vielen Schutzbünde, die sich in
Deutschland für die Rettung der Hohenzollern aufgetan haben,
schrieb neulich einen geharnischten Brief an den neuen Marcurs
Curtius, in dem es u. a. wörtlich heißt:
Wenn Eure Königliche Höhest jetzt noch nicht das Schäfer-
leben lasten, dann können wir nichts mehr für Sie tun.
Edler Marcurs Curtius! Statt in den Abgrund zu springen,
hat er geschäfert! Geschäfert, -daß es seine eigenen Anhänger ent-
setzte! Und vermutlich wird er dar noch weiter tun, denn es be-
kommt ihm viel bester, als wenn er sich Sorgen um das deutsche
Volk macht, das ohnehin auf seinen Beistand gern verzichtet.
Erzberger-Helfferich-Prozeß.
In der Zeugenaussage der Donnerstags-Sitzung charakteri-
sierte der vom Rechtsbeistand Helfferichs zitierte Zeuge Regie-
rungsrat Morgenstern die engen Beziehungen zwischen
Erzberger und Berger schon zur Zeit des Schiedsrichteramts als
„über das erlaubte Maß hinausgegangen". Bei der Vernehmung
des Ministers a. D. Spahn stellt es sich heraus, daß Erzberger
schon früher sich dafür eingesetzt hat, daß ein Schiedsgerichtsurteil
revidiert werden soll, wenn eine Petition der Baufirma vorläge.
Deshalb hielt er es für ungerecht, wenn Erzberger daraufhin zum
Schiedsrichteramt berufen wurde, da er sich vorher auf eine für
den Unternehmerstandpunkt sehr günstige Meinung festgelegt hatte.
Die «vettere Verhandlung wurde aus Freitag früh 9^ Uhr
vcrwgt.
Ausland.
Friebensdebatte im englischen Unterhaus.
Eine Abänderung des Friedensvertrages wird abgelehnt.
Amsterdam, 13. Febr. (W.B.) Laut Telegraaf erklärt«
bei der Debatte über bas liberale Amendement betr. die Abän d e-
rung des Friedensvertrages Lord Roberat Cecil,
seiner Ansicht nach sei die Abänderung des Vertrages augenblicklich
undurchführbar, wahrscheinlich müßten aber früher oder später
ewige Bestimmungen des Vertrages abgeändert werden. Cecil for-
dert, daß eine Zusammenkunft des Völkerbundes zur Bespre-
chung der russischen Frage stattfindet, wobei zugleich an die
Parteien, die noch jetzt Krieg führen, den energische Mahnung ge-
richtet werben solle, daß jetzt mit dem K r ieg f ü h r e n S chl u ß
gemacht werden müßte, da es Sache des Völkerbundes sei, interna-
tionale Streitigkeiten aus dem Wege zu räumen.
Balfour schloß die Debatte, indem er erklärte, daß der
Friedensvertrag Deutschland in die Lage setzte, selbst die ge-
samte Entschädigungssumme, die es zahlen solle, zu nen-
nen und daß die Alliierten einen solchen Vorschlag gegebenenfalls
erwägen würden. Niemand könne jedoch sagen, was Deutschland
bezahlen könne. Ueber die Auslieferungsfrage sprechend,
sagte Balfour, die englische Regierung stelle eine sehr beschränkte
Liste auf und sah die Liste der anderen Länder nicht. Er habe die
Auslieferungsfrage mit Clemenceau besprochen. Dieser habe e,
für wünschenswert gehalten, die Liste so sehr wie möglich emzu-
schränken, jedoch hinzugesügt, dies sei wegen der zahlreichen von
ranzösischen Zivilpersonen beschuldigten Deutschen unmöglich.
Das Amendement wurde schließlich mit 254 gegen 60 Stimmen
verworfen.
Für die Revision des Friedensvertrages.
Amsterdam, 12. Febr. Laut „Allgemeen Han-
delsblad" hat der Führer der Liberalen Mac Lean
angekündigt, daß er einen Abänderungsantrag betreffend die R e -
visiondesFriedensvertrages einbringen werde. Mac
Lean sagte, auch der französisch-englisch-amerikanische Vertrag müsse
abgeändert werden.
Oesterrrichische Vorschläge.
Wien, 11- Febr. (W.B.) Das Kvrr.-Bur. erfährt aus
Paris: Vor der Botschasterkonferenz unterbreitete Staatssekretär
Reis chu. a. folgende Anregungen: 1. möge man Oesterreich einen
langfristigen Kredit für die Wiederausrichtung seiner
Wirtschaft entweder durch die alliierten Regierungen unmittelbar
oder durch die Ermächtigung und Ermunterung von Banken und
Bankiers zu solchen Transaktionen mit Oesterreich, 2. soll zur Siche-
rung der Verzinsung und Tilgung dieses Kredits die Gesamtheit der
nach Artikel 197 des Friedensvertrages zur Verfügung der Entente
stehenden Einnahmequellen Oesterreichs herange-
zogen werden, 3. soll zur Ueberwachung des Dienstes dieses Kre-
dits schon jetzt die Section autriehienne de la Com-
mission des Reparations eingesetzt werden.
Raoul Peret — Kammerpräsident.
Paris, 12. Febr. Raoul Peret wurde mit 372 von
405 abgegebenen Stimmen zum Kammerpräsidenten ge-
wählt. —_
Eine irisch« Kundgebung.
Lvnbvn, 12. Febr. Eine große irischeKundgebung
fand gestern abend in der Albertshall statt. Es herrschte ungeheure
Begeisterung. Beschlüsse für die Anerkennung der Iri-
schen Republik wurden gefaßt. Außerdem wurde die Frei-
lassung des Lords von Dublin, sowie die anderer irischer Persön-
lichkeiten gefordert.
Ein englischer Aufruf.
Wien, 11. Febr. Der österreichischen Friedensgesellschaft
wurde einAufruf überreicht, der von dem BundfürW e l 1-
freundschaft in London erlassen wurde, und der die Un-
terschrift bedeutender Persönlichkeiten, namhafter Autoren. Politiker,
Universitätsrektoren und Arbeiterführer trägt. Der Uebervnnger,
Homs, sprach bei der Überreichung die besten Wunsche aus, daß
die Qualen des deutschen und des österreichischen Volles bald be-
endet sein möchten. In dem Aufruf heißt es u. a.: Wir wünschen
mit ihnen in eine bessere Welt einzutreten. Deshalb bedauern
 
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