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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (1/2) — 1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.44126#0163
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Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung der Amtsbezirke Heidelberg, Wiesloch, Stnsheu«, Gpptngen, Eberbach, Mosbach, Buchen, Adelsheim, Boxberg
Tauberbischofsheim und Wertheim.


Äezugsprei-: Monatlich einschl. Trägerlohn 2.soMk. Anzeigenpreise:
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Heidelberg, Dienstag, 10 Februar 1020
7lr. Ä4 » 2. Jahrgang

Derantwortl.: Für innere u. äußere Politik, Volkswirtschaft u .Feuilleton: Or.
LKrausj für Kommunales u. soziale Rundschau: I-Kahn; für Lokales!
O.Geibelr für die Anzeigen: H.Hoffmonn, sämtlich in Heidelberg,
Druck und Verlag der llnterbadischen Verlagsonstalt G. m. b. H., Heidelberg.
Geschäftsstelle: Schrtzderstraße ZS.
Fernsprecher: Anzeigen-Annahme 2673, Redaktion 2648.

Die Landesschulkonferenz.
Kr. Heidelberg, 10. Februar.
Die k u l t u r p o l i 1 i s chen Fragen sind durch die Revo-
lution mächtig in den Vordergrund gerückt worden. Auch hier muh
festgestellt werden, dah es nicht neue Ideen und Forderungen sind,
die etwa die Revolution als solche geschaffen hat; die Revolution
hat mit dem alten System, der Monarchie und dem Obrigkeitsstaat,
lediglich die Hemmungen und Widerstände aus dem Wege ge-
räumt, die einer wahren Volksbildung bisher im Wege
gestanden haben. Man hört heute so viel klagen über die politische
Unreife und Zuchtlosigkeit des deutschen Volkes, über seine Unfähig-
keit. sich selbst zu regieren. Und die rechtsstehenden Kreise ziehen
ja in oberflächlicher Demagogie daraus den Schluß, dah das deut-
sche Volk eben überhaupt nicht für die Demokratie geschaffen sei,
dah für Deutschland nur Monarchie und obrigkeitlicher Beamten-
staat passe.
Nein, im bisherigen Erziehungs- und Bildungssystem liegt der
Fehler. Unser ganzes Schulwesen, von der Volksschule bis zur
Hochschule war gemeinsam mit der Disziplin des Kasernenhofes
darauf eingestellt, gehorsame und brave Untertanen
zu schaffen, die man dann leicht zu regieren hatte. Was wunder,
dah, nachdem der Odrigkeitsstaat weggefegt ist, jetzt das Volk ohne
Halt — denn in sich hat es ja keinen — würde- und ziellos sich
gebärdet?
Darum ist es allen Einsichtigen klar, dah wir neben der staat-
lichen Demokratie und der sozialen Wirtschaftsdemokratie und Hand
in Hand mit diesen beiden jetzt eines brauchen: eine ganz neue Volks-
bildung, eine neue Schule und eine neue Lehrer-
schäft. Die Reichsverfassung hat in den Grundrechten und
Grundpflichten der Deutschen in dem Abschnitt „Bildung und
Schule" bereits die allgemeinen Grundsätze und Richtlinien hierfür
ausgestellt, im einzelnen aber — Fragen des Aufbaus der verschie-
denen Schulsysteme, der Lehrerbildung usw. — bleibt alles den
kommenden Reichsschulgesetzen Vorbehalten. Es ist erfreulich, dah
das Reich in Zukunft für die ganzen Schul- und Volksbildungs-
fragen eine einheitliche Grundsatzgesetzgebung schaffen wird. Denn
wenn wir ein wirklich einheitliches Volk werden wollen, dann brau-
chen wr einen Staat, eine Wirtschaft und eine Bildung.
Den Ländern bleibt aber trotzdem gerade hier noch eine große Be-
wegungsfreiheit; im regen und edlen Wetteifer werden sie ver-
suchen, auf dem Boden der Reichskulturgesetzgebung die beste Volks-
bildung zu schaffen.
Heute morgen tritt in Karlsruhe in den Räumen des Landtags
die Badische Landesschulkonferenz zusammen. Alle Schul-, Lehrer-,
Lehrerbildungs-, Kirchen- und Parteiorganisationen sind vertreten,
um zu den Prohlemen Stellung zu nehmen, die durch die kommende
Reichsschulgesetzgebung geregelt werden sollen. Wenn auch Be-
schlüsse im eigentlichen Sinne durch dieses „Kulturparks-
ment" — ein erster Ansatz dazu ist es ja praktisch — nicht gefaßt
werden sollen und damit die ganze Konferenz mehr informatorischen
Charakter trägt, so darf man deswegen doch ihre Bedeutung nicht
unterschätzen. Auch die anderen Länder werden in den nächsten
Wochen solche Schulkonferenzen veranstalten und die Stellung-
nahmen und Aussprachen aller dieser einzelnen Schulkvnferenzen
werden natürlich das Material für die an Ostern stattfindende
Reichsschulkonferenz abgeben. In diesem Sinne kommt also auch un-
serer bad. LandesschuUonferenz eine wichtige Bedeutung zu.
Vier Hauptpunkte stehen auf der Tagesordnung: die Einheits-
schule, di« Lehrerbildungsfrage, die Fragen der Schulverwaltung,
Schulleitung und Schulaufsicht und schließlich die körperliche Er-
tüchtigung und Jugendpflege. Don allen in Frage kommenden Or-
ganisationen sind Leitsätze zu den einzelnen Tagesordnungspunkten
eingereicht worden, die den Besprechungen zugrundegelegt werden
sollen. Genannt seien hier neben den vielen anderen als haupt-
sächlich in Betracht kommend: die Leitsätze des Badischen Lehrer-
vereins, der badischen Gewerbeschulmänner und des badischen Phi-
lolvgenvereins. Auch die Arbeitsgemeinschaft sozialistischer Geistes-
arbeiter hat Grundsätze aufgestellt, die das Fundament ihrer Stel-
lungnahme aus der Konferenz sein werden, leider sind sie nicht mehr
rechtzeitig dem Kultus Ministerium vorgelegt worden.
Ls überrascht auf den ersten Blick, dah das Verhältnis von
Schule und Kirche bzw. Religionsunterricht, d. h. die Frage, ob
konfessionelle oder Simulanschule nicht auf die Tagesordnung ge-
setzt worden ist. Es ist anzunehmen, dah man von der wohlberech-
tigten Auffassung ausging, dah wir in Baden sowohl im Schul-
gesetz als auch in -er Verfassung die Simultanschule haben und
dah wir chre Anerkennung auch im Reichsschulgesetz für selbstver-
ständlich halten. Und doch ist gerade das Letztere gar nicht selbst-
verständlich und darum hätten wir gewünscht, dah die Landes-
schulkonserenz sich auch darüber ausgesprochen hätte. Wer die
Dinge etwas näher kennt, wer weih, welcher Kamps gerade jetzt in
Preußen und bei der Reichsregierung zwischen den Anhängern der
konfessionellen, simultanen und weltlichen Schule ausgefochten wird,
der weih, daß es von nicht zu unterschätzender Bedeutung sein
würde, wenn Baden jedenfalls die Beibehaltung der simultanen
Schule deutlich hörbar fordern würde. Es wird Sache der Poli-
tiker der Landesschulkonserenz sein, bei Gelegenheit der Einheits-
schule dies einzuführen.
Wir Sozialdemokraten werden als solch« einen schweren Stan-
des dieser Konferenz haben, da wir nur «inen bescheidenen Teil der
anwesenden Vertreter darstellen. Aber wir haben starke Bundes-
genossen; mit den Leitsätzen des bad. Lehrervereins und der Ge-
werbeschulmänner z. B. können wir in allen wesentlichen Punkten
einrg gehen. Das ist ja das Erfreuliche, was gerade bei dieser
Gelegenheit wieder betont werden muh: bah die Sozialdemokratie
seit Jahrzehnten in ihrem Schulprogramm Forderungen vertritt,
denen sich die Fachorganisatione« der Lehrrrkreise kn den letzten Jäh-
ren aus rein sozialpädagogtschen Gründen heraus immer mehr ge-
nähert haben, rin Beweis, dah auch in ihrem Kulturprogramm die
Sozialdemokratie durchaus einen objektiven, wissenschaftlich begrün-
deten und daher richtigen Weg geht.
Nun noch einige Andeutungen über die Richtung, in der sich
unsere Arbeit auf der Schulkonferenz zu bewegen hat. Wir müssen
uns darüber klar sein, dah Einheitsschule, Lehrerbildung, Schul-
verwaltung mit allen ihren Einzelfragen nur Teilprobleme eines
großen zentralen Kernproblems sind: der systematischen Bildung

Die Stellung der sozialdemokratischen
Fraktion zur Auslieferung.
Berlin, 10. Febr. (W.B.) Die sozialdemvkrattsche Fraktion
der Nationalversammlung beriet gestern über die Auslieferungs-
frage. Beschlüße wurden nicht gefaßt. Als Ergebnis der Bespre-
chungen kann laut „Vorwärts" festgestellt werden, dah die Fraktion
mit der grundsätzlichen Haltung der Regierung vollkommen einver-
standen ist. Es wurde der Wunsch ausgesprochen, die Regierung
möge mit nüchterner Sachlichkeit an dem Standpunkt festhalten, dah
die Entente Unmögliches ovn uns fordere, und dah zugleich alles
vermieden werden, was zur Auspeitschung der nationalen Leiden-
schaften auf beiden Seilen geeignet sei.
Die Auslieserungsfrage.
Eine englische Note an Deutschland.
Paris, 7. Febr. (Wolff.) Der „Evening Standard" ver-
breitet eine Nachricht seines diplomatischen Korrespondenten, daß
die englische Regierung ihrem Berliner Geschäftsträger eine Note
übermittelte, die er dem Reichsminister für auswärtig' Angelegen-
heiten Müller überreichen solle, und die dem Reichsministerium
seinen Entschluß erleichtern solle. Das Blatt fügt hinzu, man dürfe
nicht erstaunt sein, wenn einige Abänderungen an dem Ausliefe-
rungsverlangen vvrgenommen würden. Die Alliierten seien nicht
vollständig einig über den einzuschlagenden Weg. Der amerikanische
und der japanische Delegierte, ehensv Lloyd George und Lord
Curzon hätten sich vollkommen überzeugt von den Schwie-
rigkeiten, die für die deutsche Regierung bestehen. Aber
Frankreich sei vollkommen anderer Meinung, während Ita-
lien einen zwischen beiden gelegenen Standpunkt einnehme.
Prag, 7. Febr. (W.B.) Das Organ der Regierung der
tschechischen Republik nimmt folgenden Standpunkt zu der von der
Entente geforderten Auslieferung deutscher Persönlichkeiten ein:
Die deutschen Gerichte gewähren keine hinreichende Garantie, daß
die Schuldigen wirklich bestraft werden. Auf der anderen Seite
jedoch dürfe der Widerstand des deutschen Volkes nicht unterschätzt
werden. Vielleicht gibt es aber doch einen Ausweg, der darin zu
suchen sei, daß ein neutraler Gerichtshof die Schuld der Angeklag-
ten prüft und diese aburteilt.
Eine Wendung in der Auslieferungsfrage
Entscheidung durch den Völkerbund?
Kopenhagen, 9. Febr. (Priv.-Tel.) Reuter teilt einer
Kopenhagener Nachricht zufolge mit, daß das Hauptthema des
V ö lk er bu nd rate s in London am 11. Februar die Er-
richtung eines internationale« Gerichtes sein werde.. Der Rat wird
sich ferner mit der Ernennung eines Beikommissars für Danzig und
das Saargebiet sowie mit dem Anschluß der Schweiz an den
Völkerbund beschäftigen. Bourgeois wird die Konferenz leiten,
Balfour wird England, Ferrari Italien vertreten, während Japan,
China und Belgien Huysmans als Vertreter entsenden werden.
Berlin, 8. Febr. (Priv.-Tel.) Dem B. T. wird aus Mai-
land gemeldet, dah nach einem Telegramm -es „Corriere della
Sera" zwar, was ja bereits inzwischen erfolgt ist, die Auslieferungs-
liste in Berlin überreicht werden würde, doch sei angesichts der
plötzlich entstandenen englisch-französischen Meinungsverschiedenhei-
ten über die Auslieferungsfrage die Friedenskonferenz
überein gekommen, die Aburteilung der „schuldigen" Deutschen dem
Völkerbund zu übertragen. Dieser Ausweg sei aufgrund des Ar-
tikels 19 des Friedensvertrages von Versailles möglich, der unter
gewißen Umständen eine Nachprüfung von Vertragsbestimmungen
vorsieht. Frankreich hat diesen Ausweg auf das Drängen Eng-
lands angenommen.
Steigerung in der Kohlenförderung.
Berlin, 10. Febr. (W.B.) Aus Essen wird dem „B erl.
Tag bl. berichtet, auf den Thvßen-Zechen des Hamborner Bezirks
werden seit kurzem in großem Umfange lieber,cunden gemacht, di«
seit Samstag zu einer Steigerung in der durchschnittlichen Förde-
rung von 30 Prozent führten.
Die Hochwasserschäden.
Neuwied, 10. Febr. (W.B.) Die amtliche Schätzung der Hoch-
wasserschäden Neuwieds ergeben 7—8 Millionen Mark. Der
Schaden des gesamten linksrheinischen Ueberschwemmungsgebietes
beläuft sich auf 120 Millionen Mark.
Richard Dehmel -j-.
Berlin, 9. Febr. In Blankenese bei Hamburg, wo er schon
seit etwa 15 Jahren wohnte, ist gestern mittag der Dichter Richard
Dehmel nach längerem Krankenlager gestorben.
Berlin, 10. Febr. (W.B.) Der Reichskanzler sandte
heute der Witwe Dehmel ein Telegramm, in dem er ihr feine Teil-
nahme versichert, der zum Ausdruck bringt, daß das ganze deutsche
Volk um Dehmel, der wie kaum ein zwetter mit warmem deutschen
Wesen und Gefühl für di« große soziale Bewegung unserer Zeit
verbunden und davon in höchster geistiger Vollendung der Welt
kundgetan habe, trauere.

des Volkes als volitischer, sozialer und kultureller Gemeinschaft.
Gerade wir sozialdemokratische Politiker müßen auf der Konferenz
dieses Kernproblem immer wieder mit radikaler Schärfe
betonen, denn die Gefahr ist groß, dah die Vertreter der einzelnen
Organisationen (Volksschule, höhere Schule, Hochschule) alle Fragen
immer wieder nur unter ihrem begrenzten Gesichtswinkel beurteilen
und über dem Streit unter ihnen die psychologische und soziologische
Volksgesamtheit zu kurz kommt. Aus der bisherigen unorganischen
Zersplitterung unserer Schulsysteme und Lehrerkategorien gllt es
eine organische Volksbildung zu schaffen aus der Grundlage des
freien Volksstaates. Damit ist zugleich das Erziehungsziel des
ganzen Volksbildungswesens gegeben: nicht mehr guvernable, geistig
unselbständige Untertanen dürfen erzogen werdetz, sondern freie

Menschenpersönlichkeiten mit eigener Urteilskraft, sozialem Verant-
wortungsgefühl und gesundem Gemeinschaftsbewuhlsein.
Wir fordern die Einheitsschule mit einer für alle gemeinsamen
Grundschaule von mindestens 6 Jahren. Das Kompromiß
einer Grundschule von 4 bzw. gar nur 3 Jahren, wie es der Philo-
logenverein fordert, ist von uns unter allen Umständen abzulehnen.
Nur so können wir die Volkszersplitterung und Volkszersetzung des
zusammengebrvchenen Klaßenstaates überwinden. Die Allgemeine
Volksschule darf nicht wie bisher nur die Schule der Arbeiterklasse
oder des unvermögenden Mittelstandes sein, sondern sie muß die
geistige Grundschule des ganzen Volkes sein. Je länger diese ge-
meinsame Grundschule dauert, umso besser für das soziale Gemein-
schaftsbewuhtsein. Die höheren Schulen, zu denen wir insbeson-
dere die deutsche Aufbauschule, Realschule, Gymnasium und Ge-
werbeschule rechnen, müßen sich dann organisch auf die Grundschule
aufbauen. Auch hier müssen Staatsbürgerkunde, Volkswirtschaft
und Kulturgeschichte in der Form der praktischen Arbeitsgemein-
schaften im Mittelpunkt stehen. Wir müßen abkommen von der
maßlosen Ueberschätzung der rein intellektuellen Gedächtnisbildung
und der Bildung des ganzen Menschen die Hauptarbeit widmen.
Den Abschluß bildet die Hochschule, die z. B. als Technische und
Handelshochschule dem begabten Gewerbeschüler ebenso zugänglich
sein muß wie die Universität dem Realschüler und Gymnasiasten;
die Volkshochschule schließlich soll das ganze Volk, alle Stände und
Berufe umfaßen. Wir dürfen nicht mehr trennen in Akademiker
und Nichtakademiker, sondern jeder, der fähig und tüchtig ist, soll
uns zu jeder Leistung willkommen sein.
Wir brauchen in der neuen Zeit einen einheitlichen Lehrerstand.
Die lokale, moralische und geistige Abseilserziehung des Volksschul-
lehrers im Seminar muß aufhören. Alle Lehrer einschließlich
Volksschullehrer müßen ihre allgemeine Vorbildung auf der höhe-
ren Schule holen. Die Fachbildung der Vvlksschullehrer muß sich,
wenn nicht direkt auf der Hochschule, so doch mindestens auf einem
der Hochschule gleichwertigen Pädagogium vollziehen. Nur so
haben wir die Garantie, dah die allgemeine Grundschule wirklich
Grundstufe für die oberen Stufen sein kann. Zugleich machen wir
damit den Vvlksschullehrer auch der kleinsten Gemeinde zu einem
Kulturfaktor, der ganz anders wie bisher eine Bedeutung für das
geistige Leben des Volkes erlangen kann.
Schließlich muß an Stelle der obrigkeitlichen Schulverwaltung
die demokratische Kollegialverwaltung treten, wie sie Gen. Prof.
Rohbach in den beiden Januarheften der „Schmiede" so klar und
eingehend behandelt hat. Nur so fühlt sich jeder Lehrer als gleich-
wertiger, verantwortungsfreudiger Kollege neben den anderen; un-
nur wirklich freie Lehrerpersönlichkeiten können freie Menschen er-
ziehen. Dah freilich der körperlichen Ertüchtigung der Jugend in
allen Stadien der Schulbildung weitester Spielraum eingeräumt
werden muß, ist klar, nachdem die Kasernenhofdisziplin des alten
Militarismus als Erziehungsfaktvr nicht mehr in Frage kommen
kann.
Sv ist eine Unmenge wichtigster Arbeit von der Landesschül-
konferenz zu leisten; wir werden alles daransetzen, unsere Leitgedan-
ken zur Geltung zu bringen.

Politische Uebersicht
Die Schulreform.
Berlin, 9. Febr. (Wolff.) Der amtliche Entwurf des Ge-
setzes über die Grundschule äst, nachdem er die Zustimmung
des Reichskabinetts gefunden hat, dem R «ichsra 1 zur Beratung
zugegangen. Im allgemeinen bestehl, wie bekannt, die Absicht, die
einzelnen Fragen der Schulgesetzgedung von der Reichsschul-
konferenz, die Ostern in Berlin zusammentreten wird, begut-
achten zu lassen. Im vorliegenden Falle muhte hiervon abgesehen
werden, weil die Länder wie Gemeinden auf eine sofortige Rege-
lung der Schulfrage drängten. Der Gesetzentwurf bestimmt, dah
die Grundschule vier Unterrichtsjahre umfaßen soll. Alle öffent-
lichen und privaten Volksschulen werden aufgehoben. Es wird
indessen den Vorschulen eine gewiße Abwickelungszeit zugestanden,
doch soll der erste Jahrgang schon im kommenden Jahre nicht mehr
neu mit Schülern besetzt werden. Die Tätigkeit der öffentlichen
Vorschulen hat nach dem Entwurf mit Beginn -es Schuljahres
1924—25, die der privaten Vorschulen mit Beginn des-Schuljahres
192K-30 beendet zu sein. Der Gesetzentwurf bestimmt weiter, daß
die Kräfte an anderen öffentlichen Schulen bei gleichbleibender Be-
soldung weiter zu beschäftigen sind. Die Privatunterweisung ein-
zelner Kinder oder geschloßener Gruppen soll nur ausnahmslose
zugelaßen, im allgemeinen aber verboten sein. Es besteht di« Ab-
sicht, das Gesetz, falls die Verabschiedung im Reichsrctt und in der
Nationalversammlung rechtzeitig erfolgt, noch vor Beginn des
Schuljahres am 1. April in Kraft zu setzen.
Sitzung des Reichswirtschaftsrates.
Berlin, 9. Febr. (Priv.-Tel.), Der Wirt sch a ftsr a 1
beim Reich sw irtschaftsml nist er ium beschäftigte sich
am Samstag mit den von der Ernähhrungsabteilung des Reichs-
ministeriums aufgestellten P l ä n e n f ü r d a s I a h r 1920. Eine
Uebereinsttmnmng wurde dahin erzielt, dah tue Aufrechterhaltung
der Zwangswirtschaft für Brotgetreide unbedingt notwendig se,.
Auch der Hafer soll wieder in die Zwangsbewirtschaftung einbezogen
werden. Ebenso konnte man sich, einer offiziellen Verlautbarung
zufolge, der Ansicht nicht verschtiehen, dah an eine Freigabe der
Kartoffeln vorläufig nicht zu denken sei. Ferner wurde die
Festlegung von höheren Mindestpreisen als notwendig
anerkannt.

Ausland.
Eine britische Denkschrift.
Die englische Presse gibt ausführliche Auszüge aus dem Gut-
achten Sir William G o ödes über die Notlage d er öst-
lichen Staaten. Obwohl in dem Bericht die Verhältnisse
Deutschlands nur kurz berührt werden, ist er uns deshalb inter-
essant, weil er viel dazu beitragen wird, die englischen Staats-
männer zu überzeugen, wie sehr eine Rückkehr der Vernunft in
den politischen Beziehungen der Völker Europas notwendig ist.
 
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