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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (1/2) — 1920

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E'


Heidetberg, Oienstas, 23. März 1920
Nr. 69 * 2. Jahrgang

Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung der Amtsbezirke Heidelberg, Wiesloch, Ginsheim, Sppingen, Eberbach, Mosbach, Buche«, Adelsheim, Boxberg,
Tauberbifchofsheim und Wertheim.


Bezugspreis: Monatlich einschl. Trägerlohn 2.S0 Mk. Anzeigenpreise:
Vie einspaltige Petitzeile (36 mm breit) 70 pfg., Reklame-Anzeigen
sbz MM breit) 2.20 Mk. Lei Wiederholungen Nachlaß nach Tarif.
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Geschäftskunden: » - ft,6 Uhr. Sprechstunden der Redaktion: -12 Uhr.
Postscheckkonto Karlsruhe Nr. 22577. Tel.-Adr.: Volkszeitung Heidelberg.

I
Proletariat kämpfen! Von dieser Tatsache aus mutz sich unsere
Partei orientieren. Schon sucht heute die ganze bürgerliche Presse
wieder alle Augen gegen die Gefahr von links zu dirigieren. Das
machen wir nicht mehr länger mit! Der wahre Feind steht rechts.
Aber nicht nur in den Reihen der Alldeutschen und Militaristen/
sondern besonders beim Großkapital. Wir wollen nicht mehr län-
ger den Feind von links bekämpfen, weil wir wissen, daß er seine
Nahrung nur aus der frechen Ausdeutung des Kapitals schöpft. Die
Arbeiterschaft will nicht länger mehr Lohnsklave des Kapitals sein:
das ist der tiefere sozialpsychische Untergrund d. gegenwärtigen Radi-
kalisierung. Und in diesem Kampf wissen wir uns einig mit dem
um soziale Freiheit ringenden Proletariat aller Richtungen. Mag
der eine oder der andere Weg ungangbar sein: der Kampf selbst
mutz durchgekämpft werden! Und dies nicht nur mit den Mitteln
des Parlamentarismus, sondern mit all den Klassenkampfinstitutio-
nen, welche sich die sozialistische Bewegung im Laufe der Jahrzehnte
geschaffen hat. Im Einzelnen lassen sich die Wege und Methoden
dieses ökonomischen Riesenkampfes nicht Vorhersagen; sie richten sich
darnach, inwieweit Reaktion und Bürgertrum die Zeichen.der Zeit
erkennen!
* *
*
Berichtigung. In unserem gestrigen Artiekl sollte Spalte 3
Zeile 5 von oben folgendermaßen heißen: Die Trennungsfrage ist
hier nicht die Frage der Diktatur des Proletaritts, sondern die des
von dem Proletariat provozierten blutigen Klassenkampfes.
Innerhalb der Arbeiterschaft aller Richtungen wird daher über das
letzte, gemeinsame Ziel: die Errichtung des sozialistischen Staates
keine Unklarheit und Uneinigkeit sein usw.

Reaktion und proletarischer
Klassenkamps.
Kr. Heidelberg, den 23. März.
„l.es üxtrdwes se toucbent" (Die Extreme decken sich). Wie
noch nie scheint sich dieses Sprichwort in diesen Tagen zu bewahr-
heiten. Eben noch war die ganze Oeffentlichkeit beherrscht von dem
Kampf gegen rechts, gegen den wahnsinnigen Staatsstreich der Her-
ren Kapp, Ludendorff und Konsorten. Kaum ist die Gefahr über-
wunden, da ist auch schon anstelle des Kampfes gegen rechts der
Schlachtruf Kampf gegen links! getreten. Und dieselben
Leute, die eben noch erklärt haben, mit der Arbeiterschaft gemeinsam
gegen Reaktion für Demokratie und Republik zu kämpfen, verbinden
sich heute schon wieder mit Vielen aus den Kreisen, die einen Erfolg
der Kappschen Reaktion nicht ungern gesehen hätten, zu einer ge-
meinsamen Abwehrfront gegen den „Bolschewismus". Darüber
darf eine reine Obersiächenbetrachtung der politischen Parteikon-
stellation und der einzelnen Parteiprogramme nicht Hinwegtäuschen.
Wohl stehen Zentrum und Demokratie gemeinsam mit der Sozial-
demokratie in der Koalitionsregierung, wohl 'haben sie gemeinsam
als Parteien gegen den reaktionären Staatsstreich aufgerufen; und
es war in der Abwehr ein nicht zu unterschätzendes Moment. Aber
darüber dürfen wir doch gerade in einem solch entscheidenden Mo-
mente wie in der Gegenwart nicht übersehen, welch tiefe Kluft zwi-
schen den bürgerlichen Parteien und der Sozialdemokratie klafft und
daß dieser Gegensatz nicht auf politischem, sondern vor allem auf
sozialem und wirtschaftlichem Gebiet ausgefvchten wird. Die bürger-
lichen Parteien sehen — soweit sie wirklich ehrlich auf dem Boden
von Demokratie und Republik stehen, was auch nur von einem Teil
ihrer Anhänger und Wähler gesagt werden kann — in der Demo-
kratie ihr letztes politisches Ideal, in der Verteidigung des liberal-
demokratischen Parlamentarismus ihr letztes Endziel: Freiheit
und gleiches Recht für Alle! so wie es die bürgerlichen
Revolutionen des Westens proklamiert haben. Gleichheitvor
dem Gesetz! wie man es auch mit anderen Worten formuliert.
Aber diese rechtlich-politische Gleichberechtigung, die ja eine so große
Rolle in den Demokratien Frankreich, England und Amerika spielt,
bedeutet ihnen zugleich ungehemmte Bewegungsfreiheit auf wirt-
schaftlichem Gebiet. Jeder soll ungehemmt und unkrolliert das ma-
chen können, wozu ihn Einkommen und Besitz befähigt. Diese De-
mokratie der Bürgerlichen, die sie verteidigen im Interesse ihres
Eigentums und ihrer sozialen Stellung, ist das uralte Ideal des
politischen und wirtschaftlichen Liberalismus, der England und
Amerika auf die Höhe ihrer heutigen kapitalistischen Weltgeltung
gebracht hat. Daher kommt auch die deutlich zu konstatierende
Rechtsschwenkung des ganzen Bürgertums, über die uns auch die
Vorgänge der letzten Tage nicht Hinwegtäuschen können. Nicht als
ob das Bürgertum sich der Reaktion verschrieben hätte und die seli-
gen Zeiten Wilhelms des Letzten und der unglückseligen Geudaldy-
nastien zurücksehnen würde! — Es gibt allerdings auch solche bür-
gerliche Schichten, wer in der letzten Stresemaniwersammlung in
Heidelberg war, konnte sie kennen lernen. Da saßen die llniver-
sitätrgblehrten und höheren Beamten und stimmten jedesmal ein
Zreudengeheul an, wenn der große Demagoge auf die Glanzzeiten
der Monarchie und unser prachtvolles Militär zu sprechen kam! —
Nein, in diesem Sinne reaktionär sind sie nicht geworden, die bei
Zentrum und Demokratie stehen. Aber was ihnen nicht gefällt, ist
die scharfe Wendung nach links, zur sozialen und wirt-
schaftlichen Demokratie, zum Arbeiterstaat, die der neue Staat
eingeschlagen hat. Man weiß, wie stark in den eigenen Kreisen des
Zentrums Erzbergers antikapitalistische Steuerpolitik bekämpft
worden ist, wie gerade deswegen Teile des Zentrums zu den
Rechtsparteien abgeschwenkt sind. Man weiß nur zu gut, wie scharf
aus den grvßindustriell kapitalistischen Reihen der Deutsch-Demo-
kraten heraus das Betriebsrätegesetz angefeindet worden ist und die
Aufgaben der Betriebsräte eingeengt worden sind. Und welche
Schwierigkeiten werden in denselben Kressen der Demokratisierung
der Beamtungen und Verwaltungen, der Vergesellschaftung von
Großgrundbesitz und Großkapital bereitet! Zentrum und Demokra-
tie forderten in ihren Revolutionsprogrammen „Sozialisierung der
reifen Großbetriebe". Aber bei dieser papiernen Forderung ist es
geblieben; jedesmal, wenn es sich in der Praxis der Gesetzgebung
darum handelte, mit der Vergesellschaftung ernst zu machen, haben
diese Parteien zum größten Teil versagt. Und hiermit stoßen wir
auf den i nte r essenh a ften K lass e n h i n t e r g r un d
aller politischen Ideologie. Solange Großindustrielle
der Schwerindustrie und feudaladltgc Barone im Zentrum einen
führenden Einfluß haben, solange reiche Handels- und Bankkapi-
talisten in der dem. Partei Einfluß haben, so lange klafft zwischen
diesen bürgerlichen Parteien und der Sozialdemokratie ein unüber-
brückbarer Gegensatz.
Für die SozialS emokrarie ist die Demokratie, das all-
gemeine Wahrecht kein Endziel um seiner selbst willen. Sie weiß,
baß die letzte Wurzel aller politischen, rechtlichen und kulturellen
Verhältnisse die Strukturverhältnisse von Produktion und Konsum
ssmd. Sie weiß weiter, daß echte Freiheit und Gleichheit nicht durch
Gesetze und Verfassungen, sondern nur durch Umgestaltung der
Eigentumsverhältnisse an produktivem Kapital möglich sind. Gemäß
der immer fortschreitenden Vergesellschaftung der volkswirtschaftlich
produktiven Arbeit erstrebt die Soz.-Dem. die Vergesellschaftung des
Kapitals der auf Profit gestellten Handelswirsschaft die auf den
Konsum eingestellte Bedarfswirsschaft, anstelle des ökonomisch ohn-
mächtigen Steuerstaates den kapitalstarken selbstwirsschaftenden So-
zialstaat. Sie will die Lage des Proletariats nicht „h e b e n , wie
die bürgerliche Mittelstandspolitik, sondern das Proletariat als sol-
ches überhaupt aufhebon. Nicht Reform mit Beibehaltung der Klas-
senstruktur, sondern Sozialisierung.
Trotz aller Koalition, für die sie keine prinzipielle sondern eine
taktische Frage ist, steht die Sozialdemokratie auf dem Boden
des Klassenkampfes. Karl Marx sah im Klassenkampf
bas ökonomische Bewegungsgesetz der Geschichte., Die Sozialdemo-

Politische Ueberficht.
Die Lage im Reich.
Berlin, 22. März. Stadt-, Ring- und Vorortsverkehr
sind wieder ausgenommen. Die Post arbeitet. Die Warenhäuser
und Geschäfte sind geöffnet. Die mittleren und kleinen Fabriken
arbeiten ebenfalls, soweit sie Strom haben. Die Hoch- und
Straßenbahnen fahren noch nicht. Die gestrigen Ver-
handlungen zwischen den Funktionären der drei Linksparteien haben
zu keiner Einigung geführt, obgleich die Gewerkschastskommisfio-
nen beschlossen haben, daß di eArbeitam Montag (gestern^
wieder ausgenommen werden soll, hat die Zentralstreik-
leitung heute morgen durch Flugblätter zum weiteren Verharren
im Generalstreik aufgefvrdert. Heute nachmittag finden etwa zwölf
Versammlungen der Fabrik- und Handwerksbetriebe statt, wo die
gestern gewählten revolutionären Betriebsräte darüber entscheiden
sollen, öb gearbeitet werden soll oder nicht.
Berlin, 22. März. Zu der Meldung, daß die Zentral-
streikleitung heute morgen durch Flugblätter zum, Weiterverharren
im Generalstreik aufgefordert habe, wird mitgeleilt: Die Zentral-
streikleitung ist die Gewerkschaftskvmmiffion. Wenn heute morgen
Flugblätter mit der Unterschrift der Zentralstreikleitung in Berlin
verbreitet worden sind, so ist das lediglich, wie von maßgebender
Seite versichert wird, ein S chwi n d e l m a n ö v er, das die Ge-
werkschastskommission in Mißkredit bringen, die Arbeiter in neue
Zweifel stürzen und neue Bnwirrung anrichten soll.
Berlin, 22. März. Die fünf gewerkschaftlichen Eisenbah-
nerverbändo fordern den Rücktritt des Eisendahnpräsidenten H alk «!
und des Regierungsrates Melchers als Vorbedingung für den
Abbruch des Generalstreiks. Hafte übertrug die Amtsgeschäfte dem
Geh. Rat Wagner und Regierungsrat Melchers wurde be-
urlaubt.
Hamburg, 22. März. Die Streiklage ist noch ungeklärt.
Die Großbetriebe ruhen. Der Straßenbahnverkehr wird
durch Streikende gestört. Der Eisenbahnverkehr ist noch sehr
beschränkt.
Dresden, 22. März. BahnanMch wird mitgeteilt: Der
Zugver 1 ehrin Sachsen ist nunmehr im vollen Umfang wieder
ausgenommen worden. Seit Montag verkehren auch die
Züge nach und von Leipzig fahrplanmäßig. Seit heute mittag ver-
kehren auch die Züge zwischen Dresden und Berlin. EinzMe
Störungen sind noch bei den von Berlin abgehenden Zügen zu be-
obachten. Die im Zugverkehr mit Breslau eingetretrnen Störungen
sind gleichfalls behoben. Die Züge werden auch bis nach und von
Breslau durchgeführt. Ebenso ist auch der Zugverkehr über
Großenhain und Camenz in Richtung Senftenberg-Kottbus wieder
frei. Auch in Thüringen ist der Zugverkehr wieder ausgenommen.
Störungen bestehen jedoch noch bei Halle, so daß der Zugverkehr
über Leipzig nach Halle z. 3- noch nicht möglich sst. Der Schnell-
zugoerkehr von und nach Hannover wird voraussichtlich über Bit-
terfeld-Dessau umgeleitet. Nach wie vor mutz jedoch damit gerech-
net werden, daß die z. 3- vorhandenen Verbindungen durch ört-
liche Störungen zeitweise unterbrochen werden.
Halle, 22. März. Die Lage hat sich hier bedeutend ver-
schlechtert. Während des gestrigen Tages und nachts kam es zu
lebhaften Feuergefechten zwischen Truppen und bewaffneten
Arbeitern. Die Stadthalle soll ziemlich von den Arbeitern einge-
schossen sein.
Magdeburg, 23. März. Die Arbeit ist heute früh wieder
ausgenommen worden, Straßenbahn und Eisenbahnzüge ver-
kehren wieder regelmäßig.
Erfurt, 22. März. Nach Mitteilung der Streiklage haben
nunmehr auch die freien Eisenbahnergewersschaften die Beile-
gung desStreiks beschossen. . <
Koburg, 22. März. Zu den Kämpfen m Gotha, das von
jeder Verbindung abgeschnitten ist, macht Has hiesige Reichswehr-
bcttaillonskvmmando die Mitteilung, daß die Reichswehrtruppen in
Gotha bei den Kämpfen bis jetzt zehn Tote, al Verwundete und
neun Vermißte halten. Die Verluste der ausständigen Arbeiter be-
laufen sich auf über eintausend.

krasse kämpft ihn gegen das Kapital in allen seinen Formen als
Industriekapital, Leihkapital, Handelskapital und Grundkapital.
„Der Massenkampf erstreckt sich so über ein unabsehbares Kampf-
feld und auf unzählige Einzelkämpfer, deren Kampftüchssgkeit und
institutionell gerüstete Kampfbereitschaft für die Lage der ganzen
Klaffe im Lande entscheidend ist." (Renne r.) Nicht nur ökono-
misch, sondern auch politisch wirkt sich dieser Klassenkampf aus:
Oekonomismus und Politizisnms gehören zusammen, sind zweck
Setten einer und derselben Sache.
Sei der Revolution hat sich der ökonomisch-soziale Klassen-
kainpf des deutschen Proletariats außerordentlich verschärft. Die
politischen Errungenschaften und Aufgaben sind hinter dem ökono-
mischen Kampf (wirtschaftliches Rätesystem, Sozialisierung uftv.)
zurückgetreten. Kein Wunder! Während der Krieg auf der einen
Seite das Kapital in den Händen weniger Kriegsgesellschaften,
Kriegsgewinnler und Schieber konzentriert hat und diese Herrschaf-
ten sich heute ein nie dagewesenes Luxus- und Schlemmerleben er-
lauben können, bedeutete derselbe Krieg auf der anderen Seite für
alle, die nur von ihrer Tagesarbeit leben müssen, eine furchtbare
Proletarisierung und Verelendung. Darüber kann auch kein noch
so hoher Lohn, den einmal da und dort eine qualifizierte Arbeiter-
kategorie erhält, Hinwegtäuschen. Denn was ist dieser Lohn im
Verhältnis zu den heutigen wahnsinnigen Preisen, zu der Kaufkraft
uisseres Geldes! Die Arbeiterschaft weiß, daß an diesen traurigen
sozialen Verhältnissen die Profitgier des Großkapitals eine große
Schuld trägt. Sie will nicht mehr länger in Not und Elend darben,
in zerfetzten Lumpen zur Arbeit gehen und mit seiner Familie am
Hungertuch nagen müssen und daher zusehen müssen, wie allabend-
lich die Villen der Reichen festlich erleuchtet sind und Klänge der
Lust und Freude ihm sagen, Hatz dort glückliche Menschen ihr Leben
genießen. Die Geduld der Arbeiterschaft ist auf den Siedepunkt
gestiegen, die Vorgänge der letzten Woche haben ihre Wut bereits
da und dort überkochen lassen. Mehr als je muß sich die klassen-
bewutzte Arbeiterschaft heute vor planlosem Wüten und Zerstören
hüten. Rur der organisierte zielbewußte Klaffenkampf kanns
schaffen!
Hier müssen Parteien und freie sozialistische Gewerkschaften
die Führung übernehmen. Unsere Partei hat sich auf dem Boden
der Demokratie in Koalition mit den 'bürgerlichen Parteien verbun-
den, als es galt, die Plattform der Demokratie zu schaffen und einen
freien Volksstaat aufzubauen. Aber keineswegs wird unsere Par-
tei sich durch bourgeoise Ideologie ihr ökonomisches Klassenkampf-
prinzip verwässern lassen, die letzten Tage haben es gezeigt, daß es
schließlich nur der Generalstreik der organisierten Arbeiterschaft
war, welcher allen reaktionären Gelüsten den Boden abgegraben
hat. Die Republik ist gerettet, für diesmal wenigstens. Aber ein
viel schärferer Kampf steht bevor: Der große Entscheidungskampf
zwischen Großkapital und Arbeiter. Und in diesem großen wirt-
schaftlichen Ringen werden Viele, die in den Tagen des Mmschen
Kampfes gegen die Reaküon aus Setten der sozialistischen Arbeiter-
schaft gekämpft haben, auf der Sette des Kapitalismus gegen Vas

Roske zurückgetreten!
Berlitt, 22. März. (W.B.) Das Rücktrittsgesuch des
Reichswehrministers Roske ist vom Reichspräsidenten genehmigt
worden.
* * *
Von der ersten Minute des Kapp-Putsches an war es für uns
eine Selbstverständlichkeit, daß Nvske als Reichswehrminister er-
ledigt ist. Von dieser Ansicht konnten uns auch die Meldungen der
letzten Tage nicht abbringen, in denen es hieß, daß Reichspräsident
Ebert sich mit Nvske solidarisch erkläre, daß unsere Reichstagsfrak-
tion Noske vorläufig noch hatten wolle. Noskes Meiden wäre ein
großer politischer Fehler gewesen. Denn seine allzugroße Ver-
trauensseligkeit nach rechts und sein hypnotssches Starren aus bi«
Gefahr von links hat die Reichswehr immer stärker zu einem In-
strument der Reaktion und Revanche werden lassen. In einem
paftamMarischen Staat hängt die Demission eines Ministers nicht
von seinem guten oder schlechten Wollen ab, sondern lediglich davon,
vv er noch bas Vertrauen des Volkes hat oder ob er kompromittiert
ist. Und Roske ist furchtbar kompromittiert. Eineinhalb Jahre
war seine Reichswehr intakt, wenn es galt, revolutionäre Bewe-
gungen des Proletariat» mederzukämpfen. In dem Moment aber,
wo diese selbe Wehr sich für die Regierung einsetzen soll, versagt sie.
Nun müssen wir uns darüber klar sein: Mit dem Rücktritt
Noskes ist das Noskesystein als solches noch lange nicht er-
ledigt. Dazu genügt es auch nicht, wenn die reaktionären Offiziere
beseitigt werben, sondern dazu ist ein völlig organisatorischer Um-
bau der ganzen Reichswehr notwendig; nicht die Gesinnung macht
das System, sondern das System erzeugt die Gesinnung. Nur der
Druck der Arbeiterschaft wird imstande sein, dieses Problem einer
baldigen Lösung entgegenzusühren.
Der drohende Bauernstreik in der Pfalz.
Die Pfalz-Regierung verhandelt mit der Landwirtschaft.
Speyer, 22. März. Heute Montag findet inNeustadt
eine von der Regierung der Pfalz veranlaßte Aussprache mit den
maßgebenden Vertretern der landwirtschaftichen Or-
ganisationen der Pfalz statt über die durch die Androhung
des Streiks der pfälzischen Landwirte geschaffene Lage. Man hegt
die Hoffnung, daß die Verhandlungen eine Grundlage schaffen
werden, auf der sich eine stetige ununterbrochene Versorgung
der Bevölkerung mit einheimischen Lebensmitteln sichern und an-
derseits eine dauernde Beruhigung der pfälzischen Landwirte her-
beiführen läßt. Der Vorsitzende des Gesamtvorstandes der Freien
Bauernschaft Pfalz, Pflug- Ballersbach bei Neukirchen, hat sich
telegraphisch au den stellvertretenden Regierungspräsidenten der
Pfalz mit dem Ersuchen gewendet, an den Verhandlungen Wischen
der Regierung und den Landwirten zur Vermeidung des Streiks
teilnehmen zu dürfen.

DeranNvortt.: Für innereu. äußere Politik, Volkswirtschaft u. Feuilleton: Dr.
(L.Krausr für Kommunales u. soziale Rundschau: I.Kahn; für Lokale«:
O. Seibel, für die Anzeigen: H. Hoffmann, sämtlich in Heidelberg
Druck und Verlag der llnterbadijtzen Derlagsanstalt G.m.b.H., Heidelberg
Geschäftsstelle: Schröderstraße 39.
Fernsprecher: Anzeigen-Annahme 2673, Redaktion 2648. !
 
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