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Heidelberg, Donnerstag, 2S. März ^920
Nr. 71 » 2. Jahrgang
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Die Angst vor dem Bolschewismus.
Kaum ist her Staatsstreich der Kappleute erledigt, da blickt auch
schon alles wieder wie hpynotisiert auf dieGefahr von links.
Besonders der rechtsstehenden Presse tut es ordentlich wohl, sich
jetzt wieder aus Rache gegen den mißglückten Kapp-Putsch gegen
die rote Bewegung ausloben zu können. In dieser Situation tut
es not, vor einer lleberschätzung des Bolschewismus
zu warnen und die wirkliche Lage nüchtern und mit psychologischem
Verständnis zu betrachten. Das tut u. a. die „Frankfurter
Zeitung" in ihrem Mvntag-Abenblatt mit prachtvollen Worten.
Nur einige Hauptgedanken feien hier zitiert. Schon sehen wir, wie
das Ausland den Sieg der Demokratie über die Reaktion in
Deutschland noch gar nicht recht zu erkennen vermag, weil dort der
Eindruck erweckt worden ist, als seien wir, der Scylla der Gegen-
revolution entronnen, nun der Charybdis des bolschewistischen Um-
fturzes anheimgefallen. Und die Gefahr solcher Uebertreibung im
eigenen Volke ist noch viel größer. Sie könnte zum Mittel werden,
die Massen des Bürgertums, -er kleinstädtischen und der ländlichen
Bevölkerung, die jetzt durch die Wahnsinnstat der Kapp-Leute auf-
gerüttelt worden sind, schnell wieder der Reaktion in die Arme zu
treiben. Sie konnte vor allem schon jetzt die demokratische Regie-
rung der Republik zu einer Politik verführen, die eine ersprießliche
Entwicklung auf lange hinaus wieder verschütten müßte. Und es ist
gar kein Zweifel, daß Kräfte, die noch immer sehr einflußreich sind,
dies planmäßig betreiben. Wir wißen, daß unter der Angabe „Be-
kämpfung des Bolschewismus" hohe ehemalige Militärs bei der
Industrie, dar Großbanken und dem Handel Summen gesammelt
haben, die rin Mehrfaches von zehn Millionen Mark erreichten;
allein für die Bearbeitung der akademischen Jugend sind daraus
rund 1 Million Mark zur Verfügung gestellt worden. Das war
vor dem Staatsstreich. Jetzt aber haben diese und ähnliche Kreise
natürlich erst recht wieder das Bedürfnis, sich als Retter des Vater-
landes zu -eigen. Ms Noske in der Nacht vom 12. zum 13. März
die um ihn versammelten Offiziere des Reichswehrministeriums
aufforderte, mit ihm zusammen dir Berliner Truppen den anmar-
schierenden Baltikumtruppen entgogenzuführen, um die Neichshaupt-
stadt vor dem Putsch zu bewahren, da waren von den sämtlichen
Herren nur zwei bereit, das tun, was Eid und Pflicht ihnen gebo-
ten. Es war ein ungeheuerlicher Treubruch. Nunmehr, nachdem
die Kapp und Lüttwitz ohne Waffengewalt, allein durch die morali-
sche Auflehnung des ganzen Volkes, durch die Charakterfestigkeit der
Beamten, durch den Streik der Arbeiter beseitigt sind, wären die
Offiziere viel eher bereit, an der Spitze der Reichswehr gegen die
roten Armeen zu marschieren. Aber nicht darauf kommt cs an.
Nicht das ist jetzt die Hauptsache, daß nun am Ende des sechsten
Kriegsjahres die Generäle glänzende Siege über den inneren Feind
erringen. Sondern die Ausgabe ist, so rasch wie möglich, jo unblu-
tig wie möglich, so versöhnend wie möglich zu dem Ziele zu kom-
men, die eben gegen rechts gerettete Demokratie auch nach links hin
wiederherzustelien und sicherzustellen. Und diese Aufgabe ist wohl
bester von einer guten Politik als von Generälen zu
sten.
Denn jetzt mutz die Entscheidung darüber fallen, welche Politik
in Deutschland weiter gemacht werden sott. Der Versuch, als Mitte
zwischen den beiden rasch anwachsenden extremen Lagern
von rechts und links stehen zu beliben, ist so, wie er
bisher unternommen wurde, gescheitert. Er war schon seit Monaten
nicht mehr rein durchzuführen: durch die Besorgnis vor dem An-
wachsen der Reaktion ließen Regierung und Mehrheit sich immer
mehr zu Konzessionen nach rechts verleiten; dies und die psycholo-
gische Verfassung mancher mehrheitssozialistischen Führer brachten
eine Politik hervor, die ihre Schärfe immer einseitiger gegen die
Linksradikalen kehrte und den Kampf, ja selbst die Wachsamkeit
gegen rechts immer mehr darüber vergaß. Erfolge hat das nicht
gehabt. Die Reaktion ist nur immer frecher geworden, der Versuch
zum gewaltsamen Umsturz der Verfassung war zu Ende. Die
schärfste Kampfstellung gegen rechts ist damit unbedingt gegeben.
Zugleich aber eröffnet sich eine Hoffnung auf Versöhnung mit der
Linken, zwar nicht mit ihrer Gesamtheit, aber doch mit großen,
wichtigen Teilen. Denn >der gemeinsame Kampf gegen die Reaktion
hat doch Annäherungen ermöglicht, und der Verzicht auf Utopien,
her jetzt bei vielen durchgedrungen ist, ermöglicht dies auch weiter-
hin. Bei den Masten — nicht nur der Arbeiter, sondern ebenso
auch der Bauern, der kleinen Leute überhaupt in Stadt und Land
— Vertrauen wieder zu wecken, durch eine starke, entschlossene
Politik, die von dem neuen Staat des sozialen Rechts und von der
neuen, gleichberechtigten Volksgemeinschaft alles das verwirklicht,
was die furchtbare Weitezerstörung des Krieges uns noch zu schaf-
*-n überhaupt ermöglicht, das muß das Ziel sein.
* *
Als Ergänzung zu diesen zweifellos richtigen Darlegungen sei
hier ein Situationsbericht wiedergegeben, der uns aus Essen, dem
Zenrtalpunkt der Arbeiterkämpfe, des Ruhrgebiets zugeht. Wir
haben bereits gestern in einem Telegramm unseres Berliner Korre-
spondenten mitgeteilt, daß die kommunistische Bewegung von der
reaktionären bürgerlichen Presse maßlos aufgebauscht wird. Für
die Vorgänge im rheinischen Industriegebiet trifft das ganz beson-
ders zu.
Anlaß zu der Erbitterung der Arbeiterschaft im Ruhrgebiet, di«
schließlich zu blutigen Zusammenstößen geführt hat, war die ttnzuver-
fässj gleit der Reichswehr. Gerade in diesen Gegenden des
Reichs waren die Führer der Wehr meistens Offiziere, die an und für
uch dem Typus der ungarischen Brachialgewa-ltträger oder den Führern
As weißen Schreckens sehr ähneln, und dazu durch dieses Treiben im
^vrjahr schon den grenzenlosen Haß der Arbeiter hervorgerufen haben,
^der damals war es unauffällig, da die Schlagwörter von Diktatur
^nd Bolschewismus sehr zugkräftig waren. Nachdem Licht-
lwlag schon von vornherein im Übeln Ansehen bei der republikanisch
gesinnten Arbeiterschaft war, nun noch zu den Kapp-Leuten überging war
vas der Anlaß zur Entschließung, dies« Offiziere mit ihren Truppen aus
Am Industriegebiet zu vertreiben. Daß der Entschluß so schnell mit den
Waffen ausgeführt wurde, dazu haben die ungeheuren Provoka-
"onender Reichswehr sehr viel beigetragen. Gab es doch Trup-
Die Lage im Reich.
Erfurt, 24. März. Die „Thür. Allg. Ztg." meldet: Heute
morgen 8 Ahr hat dieRot« Armee in Gotha bedingungs-
losdie Waffen gestreckt.
Die Regierung verlangte um 10 llhr die Abgabe der
Waffen. Gegen 1 Uhr mittags werden sich Abgesandte der Stadt
Gotha nach Eisenach begeben, um dem dortigen Truppenkommando
die Abgabe der Waffen mitzuteilen.
Danach rücken die Regierungstruppen in Gotha
ein. Die Führung der Roten Armee ist aus Eocha geflüchtet.
Heute nachmittag 3 Uhr findet die Beerdigung von 173 Toten
statt.
Ohrdruf, 24. März. Der Generalstreik ist auf-
gehoben worden. Die Arbeiterschaft befindet sich noch im Be-
sitze von Waffen. Der Platz selbst ist heute nacht freiwillig
von der RvtenArmee geräumt worden. Kleine Trupps
von Bewaffneten sollen sich noch in den umliegenden Wäldern auf-
halten.
Königsberg i. Pr., 24. März. Der Minister des Innern
hat dem Oberbürgermeister Dr. Haas, früher in Thorn, die Ver-
tretung des Oberpräsidenten von Ostpreußen übertragen. Ferner
wurden für den Oberpräsident von Hamel und den Regierungs-
präsidenten von Braun in Gumbinnen Vertretungen bestellt.
Allenstein, 24. März. Laut „Menst. Ztg." hat die In-
teralliierte Kommission eine Verfügung erlaßen, wonach auf Grund
des Ausnahmezustandes Streiks und Aufreizung hierzu verboten
sind.
Bielefeld, 24. März. Nach eingehenden Verhand-
lungen, die gestern im Anschluß an die Konferenz der
Arbeiter vertret er und den Stadtverwaltungen
des rheinisch-westfälischen Industriebezirks über die Kämpfe zwischen
Arbeiterschaft und Regierungstruppen stattfanden,
legte heute der Redakttonsausschuß dieser Konferenz eine Erklärung
fest, in der ausgeführt wird, daß die Vertreter aller beteiligten Par-
teien und Erwerbsgruppen erklären, daß sie ihre Forderungen zur
Entwirrung der durch den Kapp-Putfch entstandenen
Lage mit der Verfastung auf Grund derjenigen Vereinbarungen
in Einklang bringen wollen, auf Grund deren die Vorstände der
deutschen Gewerkschaften, der S.P.D. und der ll.S.P.D. gestern
in Berlin die Beendigung des Generalstreiks beschlossen haben.
Weiterhin wird insbesondere bestimmt, daß die Korps Liitzvw, Licht-
schlag und Schulz aufgelöst und die bestehenden Vollzugsausschüsse
in Gemeinschaft mit den zuständigen Gemeindeorganen die Orts-
wehr aufstellen und die Waffenabgabe zu regeln haben. Dies muß
spätestens innerhalb zehn Tagen geschehen. Darnach tritt an die
Stelle jener Ausschüsse ein aus den organisierten Arbeitern, Ange-
stellten- und Beamtenschaft und den Mehrheitsparteien gebildeter
Ordnungsausschuß, der im Einvernehmen mit der Gemeindebehörde
bei der Durchführung des Sicherheitsdienstes mitwirkt. Zur Un-
terstützung der örtlichen Sicherheitsorgane wird, soweit erforder-
lich, eine Ortswehr in Stärke bis zu drei auf tausend Einwohner
aus den Kreisen der republikanischen Bevölkerung, insbesondere der
organisierten Arbeiter, Angestellten und Beamten, gebildet. Die
sämtlichen Beteiligten verpflichten sich, ihren ganzen Einfluß dahin
auszuüben, daß die Arbeiterschaft so schnell wie möglich zur Arbeit
zurückkehrt. Es erfolgt die sofortige Abgabe der Waffen und Mu-
nition. Alle Gefangenen sind sofort freizulasten. Bei loyaler Ein-
haltung dieser Vereinbarungen wird ein Einmarsch der Reichswehr
in das rheinisch-westfälische Gebiet nicht erfolgen. Der Reichskom-
missar erklärt, daß er einen Vertrauensmann der Arbeiterschaft be-
rufen werde, der bei den militärisch-politischen Handlungen, über
die der Reichskvmmissar zu befinden hat, gehört werden solle. Der
verschärfte Ausnahmezustand soll sofort aufgehoben werden. Reichs-
kommissar Eiesberts wird die Frage der Versorgung der Hinter-
bliebenen und Verletzten im Reichskabinett vortragen mit dem Be-
streben, daß die Kosten vom Reich übernommen werden. Weder
den Arbeitern, die an de» Kämpfen teilgenvmmen haben, noch den
Mitgliedern der Polizei und der Einwohnerwehren und den Mit-
gliedern der Reichswehr dürfen Nachteile und Belästigungen wegen
ihrer Teilnahme erwachsen.
Mutmaßungen über die Kabinettsumbildung.
Berlin, 25. März. Nach den Berl. Morgenblättern ist
im Laufe des gestrigen Tages bei den Verhandlungen des Reichs-
kabinetts mit den Mehrheitsparteien sowohl über die Durchführung
der zwischen den Gewerkschaften und den Mehrheitsparteien ver-
einbarten neun Punkte, als auch über die Umbildung der Regie-
rung nahezu eine Einigung erzielt worden. Die Morgenpost glaubt,
folgende Ministerliste melden zu können: Reichskanzler Bauer, Vize-
kanzler und Justiz Schiffer, Aeußeres Hermann Müller, Finanzen
Cuno, Schatzminister Boltz, Verkehr Bell, Arbeit Schlicke, Wirt-
schaft Schmidt, Wiederaufbau -Silberfchmidt, Post Eiesberts, ohne
Portefeuille David. — Ebenso verzeichnen die Morgenblätter die
Nachricht, daß der preußische Ministerpräsident Hirsch dem Präsi-
denten der preußischen Landesversammlung, Leinert, den Rücktritt
des preußischen Kabinetts angezeigt habe. — In parlamentarischen
Kreisen wird angenommen, daß Noske einen Sitz im preußischen
Kabinett angebvten bekommen soll. Das preußische Verkehrsmini-
sterium solle der frühere Chef bes preußischen Feldeisenbahnwesens,
General Groener, erhalten.
Die Kappleute vor ordentlichen bürgerlichen
Gerichten.
Berlin, 24. März. Dem Reichsrat ist ein Gesetzent-
wurf betr. die Aburteilung der mit dem hochverräterischen
Unternehmen vom März 1920 zusammenhängenden Straftaten durch
die ordentlichen bürgerlichen Gerichte zugegangcn. Danach steht
die Aburteilung auch, soweit es sich um die der Militärgerichtsbar-
keit unterstellten Personen handelt, ausschließlich den ordentlichen
bürgerlichen Gerichten zu. Der Entwurf wurde zunächst in ein-
gehender Ausschußberatung vom Reichsrat berale.-
peirteile, die mit schwarz-weitz-rvten Fahnen in di» Ardeiterstädte ein-
zogen.
So ist klar geworden, wie die Industriearbeiter zu ihrer Stellung
kommen, di« sich in der Hagener Entschließung wiederspiegelt.
Und solange die äußerst« Linke «bei der Wahrung des Punktes 6 dieses
Programms verharrt, kann sich unsere Partei reg« an einer Arbeitsge-
meinschaft der Linken beteiligen. Di« Entschließung hat folgenden Wort-
laut:
Richtlinien:
1. Vorläufige Waffenabgabe sämtlicher Reichswehrtruppe«
und die Entfernung sämtlicher Offiziere aus der Reichswehr, Aufhebung
und Entwaffnung der grünen Polizei und der Bürger-
wehr in allen Städten des Bezirks.
2. An Stelle der aufgelösten Truppenkörper soll ein aus den Ange-
hörigen der eingangs erwähnten Parteien zusammengesetztes Volksheer
gebildet werden unter Führung republikanisch gesinnter Führer.
3. Bis zur Ausstellung des Vviksheeres nach einem noch zu entwer-
fenden Plan, der mit dem Friedensvertrag in Einklang gebracht und mit
der Entente vereinbart werden muß, übernimmt die bewaffnete Ar-
beiterschaft die Sicherung der Ruhe und Ordnung.
4. Es ist in allen Städten und Ortschaften Sorge zu tragen, daß
vorläufig nach diesen Grundsätzen verfahren wird und daß, um
Ueberraschungen zu vermeiden, ein genügend starkesAufgebotvon
bewaffneten Arbeitern zur lederzeitigen Verfügung der zen-
tralen Kampsleitung steht.
5. Wir verlangen die Bestrafung der Berliner Hochverräter sowie
aller Reichswehrossiziere, die sich geweigert haben, gegen die Hochver-
räter zu kämpfen.
6. An der Einheit des Reiches halten wir fest. Die Parteien stehen
grundsätzlich auf dem Boden der Verfassung, in welcher
die revolutionären Errungenschaften sestgelegt sind.
Wir erklären gegenüber den durch die Reaktion in die Welt ge-
setzten Lügen, daß an eine Aufrichtung der Diktatur des Pro-
letariats nicht gedacht wird. Anderslautend« Meldungen sind
von der Reaktion in die Welt gefetzt, um Beunruhigung und Spaltung
unter den Mehrheitsparteien hervorzurufen. Die Reaktion hofft aus den
allgemeinen Ausbruch bes allgemeinen Bürgerkrieges. Deshalb giaube
man keinen Meldungen, die von Rätediktatur und Bolschewis-
mus reden.
Politische Ueberficht.
Der Sonderfrieden mit Amerika.
Washington, 24. März. Dem Repräsentantenhaus« ist
ein Gesetzentwurf zugegangen, der zu einem Sonderfrieden
zwischen den Vereinigten Staaten und Deutschland
ermächtigt. Der Entwurf sieht ferner die Schaffung eines Han-
desrates vor, welcher so rasch wie möglich dem Kongreß einen
allgemeinen Entwurf für die Leistung von Krediten an Eu-
ro p a unterbreiten soll. Diese Kredite sollen ausgedehnt werden,
bis der Wechselkurs wieder den Vorkriegsstand erreicht hat.
Warum die Berliner Sicherheitspolizei während des reaktionären
Putsches versagte.
Daß bei einem reaktionären Putschversuch Teile der Reichs-
wehr von der Regierung abfallen würden, daran haben wohl in
letzter Zeit auch führende Männer bei der Regierung gedacht, desto
fester glaubte man sich auf die Sicherheitspolizei, die in
Berlin aus mehreren tausend, meist ehemaligen Frontunteroffizieren
bestand, verlassen zu können; die Ereignisse der letzten Tage haben
nun gezeigt, daß man auch hierin in Regierungskreisen längst voll-
kommen falsch unterrichtet war.
Als im Juni und Juli v._I. allenthalben für die neue Polizei
geworben wurde, haben viele'Unteroffiziere ihre Stellung bei der
Reichswehr, manche auch ihre Zivilstellung aufgegeben, um bei
der Sicherheitspolizei eine feste Beamtenstelle zu finden, doch nach
kurzer Zeit schon mußten die Leute einsehen, daß sie nicht als
Beamte, sondern als Rekruten behandelt wurden, mit un-
nötigem Exerzieren, Grüßen usw. wurde die meiste Zeit vergeudet,
Polizeiunterricht herzlich wenig, dafür kräftiges Anschnauzen
und Schikanieren der alten Soldaten durch die Herren Of-
fiziere, welchen nm daran gelegen war, eine gutdisziplinierte, tadel-
los bewaffnete Truppe zur Erreichung ihrer monarchistischen Ziele
zu schaffen. Wie oft hat der Schreiber dieses in der Hauptwerbe-
stelle im Kriminalgericht in Moabit gesehen, wie armeunda r-
beitslose Offiziere weggeschickt wurden, mit der Be-
merkung, die Offizierstellen seien bei der Polizei alle besetzt; warum
aber? weil ihr Name nicht mit alldeutschem Adel gekrönt — und
man ihrer reaktionären Gesinnung nicht sicher war.
Auf diese Art und Weise beherrschte die Reaktion völlig das
Feld, republikanisch gesinnte Offiziere wurden, soweit noch welch«
vorhanden waren, sozusagen herausgebissen, der^^rkr au « ns-
rat derPolizisten durch einen Machtspruch Noskes in eine
Küchenkommiffion verwandelt. Jetzt zeigte man den entrechteten
Beamten das wahre Gesicht, unmenschliche Behandlung und Be-
schimpfung wurde all den Leuten zu Teil, die gegen die schän d«
liche n Angriffe des alldeutschen Offizierskorps, gegen di« Regie-
rung protestierten; niemand hätte wagen dürfen zu sagen, daß er
Beamter für eine sozialistische Republik und nicht Landsknechi
für eine alldeutsche reaktionäre Horde ist; einige Kameraden wur-
den widerrechtlich entlassen, wir mußten ruhig zusehen, wir waren
ja selbst vollständig entrechtet und durch einen sozialistischen Mini-
ster der alldeutschen Offizierskamarilla preisgegeben wurden. Wie
oft hörte ich Kameraden sagen: „Lieber im Chausseegraben über-
nachten als bei dieser alldeutschen Sippe bkeiben"; sehr viele wurden
so lange unterdrückt, bis sie freiweillig das Fesd räumten, um nun
arbeitslos zu werden. Sv belohnte man diese alten Frontuntervffi-
ziere für ihr« langjährigen Kriegsdienste, das war der Dank des
Vaterlandes, die Not trieb viele dieser Armen dem Kommunismus
in die Hände. , , ,
Andere gleichgesinnte Kameraden, besonders verheiratete, muß-
len bl'eib-en, weil sie nicht wußten wo -ein noch aus; aber von da an
hegten sie in ihrem Herzen einer unerbittlichen Groll gegen die Re-
gierung, weil einer ihrer Minister (Noske) es war, der die Leute
um die Erfolge, um die Errungenschaften der Revolution gebracht