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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (1/2) — 1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.44126#0407
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Tazeszritung für Vie werktätige Bevölkerung der Amtsbezirke Heidelberg, Wiesloch, Sinsheim, Eppingen, Eberbach, Mosbach, Buchen, Adelsheim, Boxberg,
Tauberbischofsheim und Wertheim.


Heidelberg, Donnerstag, S. April 2920
Nr. 82 * 2. Jahrgang

Verantwort!.: Für innere u. äußerepoliühVolkswirtschaftu. Feuilleton: L)r.
E.Kraus: für Kommunales u. soziale Rundschau: Z.Kahnr für Lokales:
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BIM MmMe Mil i>kk smMWlI BAm in WMl.

Gegenrevolution und
Reichswehrreform.
Ein der Partei nahestehender militärischer Sachver-
ständiger stellt uns nachstehende Ausführungen zur Ver-
fügung. Die von ihm erhobenen Forderungen enthalten
das Mindeste, was von unserer Seite an sofort zu ver-
wirklichenden Reformen verlangt werden mutz. D. Red.
Die Vorgänge am 13. März haben blitzartig die wahre Lage
der innerpolitischen Zustände unseres Vaterlandes beleuchtet, wenig-
stens für den, der Augen hat zu sehen. Die Reichsregierung macht
geltend, daß der reaktionäre Gewaltakt gescheitert ist an der Festig-
keit der Regierung, an der verfassungsmäßigen Treue des Volkes,
an der Eidesfestigkeit der Beamten, an der Entschlossenheit der
Arbeiter. Gut; aber dem ist ganz energisch hinzuzufügen: und
an der Mangelhaft igkeitderVorbe re itungder
Gegenrevolution. Das muß klar erkannt werden, will
man richtige Lehren aus den Vorgängen ziehen.
Die Taten der Reichswehr sprechen von selbst. Von keiner
geschlossenen Truppe ist ein Kampf nach rechts geführt worden, ein-
zig gegen links hat sie sich bewährt!
Glaubt tatsächlich jemand in Deutschland, daß sich im ganzen
Reiche eine Reichswehrformation gefunden hätte, die bereit gewesen
wäre, so wie sie war, d. h. mit allen ihren Offizieren, zum Kampf
gegen die Lüttwitz-Leute anzutreten? Wer einigermaßen die Stim-
mung dieser Truppe kennt, weiß, daß zum mindesten bei einem
großen Teil ihrer Führer dazu keinerlei Neigung vorhanden war,
daß im Gegenteil die Hoffnung auf Monarchie — ob ohne oder
mit Gewalt — als stille Sehnsucht ihre Herzen füllt und füllen
wird.
„Das kam zu früh!" war das spontane erste Wort, das am
besten die wahre Stimmung dieser Kreise wiedergab und nicht nur
dieser Kreise. Man hört, der Plan wäre verraten worden und
hätte deshalb zu MH entfesselt rverben müssen, der 22. März soll
das eigentliche Datum gewesen sein. Bis dahin hätte man eine
bessere Verständigung mit den Wehren im Land erreichen können.
Ob sie erreicht worden wäre? Nach den verschiedenen Mustern
:n und um Berlin, im Osten wie im Norden- und Südosten Deutsch-
lands inuß man es in vollem oder wenigstens großem Umfange als
wahrscheinlich annehmen. Wohl wäre einer ober der andere der
verantwortlichen Oberen zurückgetreten, der größte Teil der Offi-
ziere wäre aber wohl unbedenklich zur ersehnten neuen oder viel-
mehr im schlimmsten Sinne alte» Regierung übergegangen und
die Mannschaften, vor vollendete Tatsachen gestellt, hätten nur sel-
ten aus eigener Kraft widerstanden.
Wie konnte es auch anders sein? Der republikanische Führer-
»uttd verweist auf Material, wonach systematisch alle Offiziere ent-
fernt werden, die sich irgendwelcher republikanischer oder gar sozia-
ttstischer Neigung verdächtig gemacht hatten. Dieser Bund, der
noch beste schüchterne Versuch, eine Sammlung wirklich repubiika-
nftch und demokratisch Gesinnter zu bewerkstelligen, wurde mit allen
Mitteln bekämpft, teils ohne weiteres von den militärischen Macht-
habern verboten, jedenfalls von allen maßgebenden Kommaitdo-
fiellen als eine Art Eiterbeule betrachtet. Selbst der soi-disant
demokratische General Groener — er wurde von den alten
Machthabern als zu arbeiterfreundlich und daher zu schlapp vom
Posten des Wirtschaftsdikta-tvrs im Kriege beseitigt — hält es für
notwendig, durch Schreiben an sämtliche Truppenteile dem Gerücht
entgegenzutreten, daß er Mitglied des republikanischen Führer-
bundes wäre. Dieses Rundschreiben war übrigens vom General
v. Seeckt unterschrieben.
Nein, der Geist dieses Offizierkorps bietet keinerlei Gewähr
für die Erhaltung der Republik. Es wäre auch sonderbar, wenn
es anders möglich wäre und es ist tragisch, zu sehen, wie aus dem
edlen Gefühl der Anhänglichkeit die besten wie die schlechtesten An-
triebe stammen. Geburt, Herkommen, Denkungsart dieses Offizier-
korps wurzeln durchgängig im Alten, der Zugang zu neuem Denken
ist verrammelt. Davor steht als Streikposten ein Nationalgefühl
merkwürdig krankhafter Wucherung, die dem wahrhaft Hellsichtigen
den hohlen Kern kraßer Eigenliebe umso klarer offenbart. Mir den
Offizier im allgemeinen aber gibt es keinen Weg zu dieser Offen-
barung; er kann auch Nicht erkennan, daß gerade dieser Streikposten
zugleich der Kuppler ist, der ihn dem Großkapital als den getreue-
sten Kriegsknecht gegen Gemeinwirkschaft verkauft. Die wenigen
Offiziere, die aus Erlebnissen und Erkonntnissen des Krieges heraus
sich rückhaltlos zur Republik oder gar zur Gemeinwiitschaft — ich
weiß kein besseres Wort für Sozialismus — bekennen, werden als
Verräter der Verachtung preisgegeben.
Diese geistige Verfassung der Offiziere wurde von feiten der
entscheidenden Stellen, also Wehrkreiskommandos und Offizieren
des Reichswekrministcriums, energisch unterstützt; jegliche Arbeit
und Aufklärung im demokratischen Sinne wurde von ihnen ver-
hmoerl. Bis in 'die kleinen Äußerlichkeiten wurde die alte Zeit
berbedairen oder wieder ausgegraben. Sckon war die Rückkehr
den „offen bewährten" Vorgcsetztenabzeichen beschlossen und die
Lanze das ..Symbol hohler Unbrauchbarkeit", wurde mit Mehr-
hensbelchluß endgültig am Loben erhalten. So war auch die „alte
Dihpolin", em cs der unheil vollsten Schlagwörter der alten Zeit,
neuer, schöner Mute gebracht und das Sprichwort „Wie der
lßerr, so'» Gescherr" konnte daher mit Recht aus den Geist -der
Truove an^wondt werden. Der Reichswehrmann von heute ist
«lle, ai» eure selbständige Persönlichkeit, die sich den Luxus
ein^ ee«ene»r Meinung leisten kann. Unreife fugend, Arbeitslose,
>'ch wo hi Arbeiisicheue. Abenteurer sind der Kern dieses -wie jedes
Slstbnerbeeres. Vie! Achtung genieß: die Reichswehr nicht im
Volk. Marioh und München sind ibr unvergessen. Kapp-Lüttwitz
wird das Vertrauen zu ihr nicht stärken. Die Mannschaft ist ohne

Frankfurt a. M., 7. April: Am Vormittag verbreitete
sich in -der ganzen Stadt das -Gerücht, daß die Franzosen noch heute
abend sich wieder aus Frankfurt zuvückziehen würden. Daraufhin
sammelten sich ziemlich viele Menschen auf den Straßen an. An
der Hauptwache, wo Marokkaner mit Maschinengewehren auf-
gestellt waren, bildeten sich größere Menschengruppen. Plötzlich
gaben die Marokkaner ohne vorhergehende Warnung aus einem
Maschinengewehr eine Anzahl Schüsse ab. Die Zahl derToten
beträgt s e ch s, dazu kommt noch eine Anzahl Verwundeter.
Die Aufregung in der Bevölkerung infolge dieses Vorganges
ist sehr groß, lieber all ficht man französische Truppen mit Ma-
schinengewehren postiert. Panzerauws durchfahren die Stadt.
Einige französische Soldaten wurden von der erregten Menge e r -
schlagen. Die Franzosen wollten deshalb die Polizei selbst
übernehmen. Die Trambahn mußte heute nachmittag auf Befehl
der französischen Militärbehörde ihren Verkehr einstellen, um den
Zuzug nach dem Innern der Stadt zu verhindern. Regierungs-
präsident Coßmann erließ einen Aufruf an die Bevölkerung,
in der sie zur Ruhe auffordert.
Rückzug der FraiMsen aus Darmstadt?
Groß-Gerau, 7. April. Wie die „N. B. L.-Ztg." aus
zuverlässiger Quelle erfahren hat, befinden sich die französi-
schen Be s a h u n g s t r u p p e n der Stadt Darmstadt auf dem
Rückzug und durchziehen Groß-Gerau. Die öffentlichen Ge-
bäude, Postämter und Bahnhof, sind zwar noch besetzt, doch rech-
net man mit der v v l l st ä n -d i g e n Räumung Darmstadts. Ei«
telephonische Verbindung mit Darmstadt war heute abend >-9 Uhr
deshalb noch nicht zu erreichen.
Das Urteil der Neutralen zu dem frcmzvfischen Gewaltakt.
Basel, 7. April. Bei den Neutralen findet das Vorgehen
Frankreichs gegen Deutschland nur Mißbilligung. So sagt die
Basler Nativnalzeitung: Es läßt sich denken, daß Deutschland nicht
mit gebundenen Händen wartet, bis alle Banken und Fabriken
geplündert und zerstört und di« Bergwerke verwüstet sind und da-
mit die Kohlenproduktivn vollständig unmöglich gemacht wird und
auch nicht mehr daran zu Henken ist, Frankreich etwas zu liefern.
Kann man sich vorstellen, daß irgend ein Volk in solcher Lage, da
tatsächlich Not kein -Gebot zu kennen scheint, nach formalem Recht
fragt? Es wundert uns, meinen die Basier Nachrichten, daß die
französische Presse sich gar nicht für die Frage interessiert, -weiche
Folgen es für die Zahlungsfähigkeit Deutschlands
haben wird, daß ihm das wesmche Wirffchaftszentrum von Fram-
reich ausgebrochen wird.
Amsterdam, 7. April. „Telegraaf" meldet aus Paris,
daß die Haltung der Bundesgenossen Frankreichs gegen-
über dem Vorräten der französischen Truppen noch nicht ge-
ll ä r t ist. Die Berichte aus Italien sind nicht sehr günstig. Die
italienische Regierung soll die französische Regierung bereits haben
wissen lassen, daß sie einen Versöhnungsversuch lieber gesehen hätte
als militärische Maßnahmen. Die Berichte aus Washington sind
ebenfalls wenig befriedigend. Aus eine direkte Unterstützung Ame-
rikas hat Frankreich auf keinen Fall zu rechnen. Sogar von der
belgischen Regierung erwartet man reicht, daß sie vorbehaltlos den
Beschlüssen Frankreichs zustimmen werde. Der diplomatische Be-
richterstatter der Londoner Zeitung „Evening-Standard" schreibt,
daß die Besetzung Frankfurts und Darmstadts durch die Franzosen
eine ernste Lage geschaffen habe, die in höheren diplomatischen
Kreisen viele Sorgen erweckt habe.
Italien und England sind mit dem französischen Gewaltakt
nicht einverstanden.
Berlin,?. April. Der zurzeit in London wellende italieni-
sche Minister des Aeuheren Scialoja ist, wie einer römischen
Nachricht der B. Z. zufolge aus gut unterrichteter Quelle verlautet,
drahtlich aufgefordert worden, dem französischen Botschafter Pa-
leologue, der jetzt politischer Direktor im Ministerium des Auswär-
tigen in Paris ist, mitzuteilen, Italien billige das Vorgehen
gegen Deutschland n i ch t, da die Ordnung der Unruhen im Ruhr-
gebiet eine innere Angelegenheit Deutschlands sei. Gleichzeitig wird
versichert, daß ein gemeinsamer offizieller Schritt Ita-
liens und Englands in gleichem Sinne erfolgen soll.
Protest Deutschlands bei den Signatarmächtrn.
Berlin, 7. April. Aus Paris wird dem „L.-A." ge-
meldet, daß die deutsche Protestnote gegen die Besetzung
von Frankfurt, Darmstadt und Hanau heute nacht in Paris einge-
trofsen ist. Gleichzeitig ist ein Protest der deutschen Regierung an
die Signatarmächte deöVersailler Vertrags ab-
gegangen.
Warnung vor Einreise in das neue besetzte Gebiet.
Das neue besetzte Gebiet von Frankfurt-Darmstadt ist nun-
mehr vollkommen vom übrigen Deutschland abgeschlossen, es ver-
kehren allerdings die Eisenbahnzüge. Vor Einreise in
das besetzte Gebiet wird jedoch gewarnt. Die Polizeibehörden
stellen Pässe aus, -die die Einreise in das besetzte Gebiet erlauben,
doch wird nach einer Bekanntmachung der Behörde keinerlei
G a rantie übernommen, daß «ine Rückkehr unbedingt gewähr-
leistet ist. Die MMärpersonen (Reichswehrsoldaten) -werden in
besonderen Bekanntmachungen von der Einresse zurückzuhalten ver-
sucht.
Der bisherige Handelskammersyndikus Dr. Brandt-Düsseldorf
Wiederoiufbauminister.
Der bisherige Handelskammersyndikus Dr. Brandt ist nach
Berlin gereist, um das Amt des W i e d e r a -u s b a u m i ni st e r s
zu übernehmen. Dr. Brandt war einer der Führer der -deutsch-
demokratischen Partei Düsseldorf.

eigenen Halt und fast ohne die Möglichkeit, -dem Einfluß der Offi-
ziere etwas wesentliches entgegenzusetzen. Eher noch, baß im lln-
teroffizierkorps eine gewisse demokratische Neigung vorhanden fein
könnte. Aber über ihm schwebt bas Damoklesschwert der Auswahl
fürs 100 000 Mann-Heer; es gehört nicht viel -dazu und man sitzt
wegen Verringerung des Heeres auf dem Trocknen. Trotzdem
werben wohl an den Orten, wo dem reaktionären Geist der Offiziere
energisch entgegengetrete-n würbe, im Unteroffizierkorps nicht die
Urheber ber Energien zu suchen sein.
Aber das sind doch Ausnahmen; im allgemeinen kann man
auch -die Massen der Reichswehr in ihrer jetzigen geistigen Ver-
fassung nicht als Hüter der freien republikanischen EntwicKung un-
seres Volkes ansehen. Und doch ist es unbedingt notwendig, ein
Instrument zu besitzen, -das nicht stumpf sich zeigt, wenn es gegen
die Gefahr von rechts gebraucht weöden soll.
Der Fall ist schwierig. Wer die Waffen hat, hat die Gewalt.
Was ist erforderlich, damit der Träger ber Waffen — die Reichs-
wehr — von einem Geist beherrscht wird, der den richtigen Ge-
brauch ber Gewalt gsrvährieistet?
Am Geist des Offizierkvrps ist auch dann nicht viel geändert,
wenn diejenigen entlassen werben, die sich im Uebereifer bloßstellten,
-der Röst bleibt, wie er war. Es gibt auch keine Möglichkeit, durch
irgendwelche Eides- oder sonstige Formeln -Sicherheit zu erlangen.
Ader dieser konservativ-reaktionäre Geist der Offiziere ist
machtlos, wenn ber innere Aufbau der Truppe wirklich auf völlig
demokratischer Gruirdlage erfolgt. Es haben sich bereits -verschie-
dentlich Offiziere mit diesem Thema schriftstellerisch befaßt, vor
allem Major Endres „Reichswehr und Demokratie". Es glaubt
doch nicht etwa jemand, die Verfassung der Reichswehr wäre demo-
kratisch? Die Errungenschaften der Revolution, Solbatenrat usw.
sind lä-nyst verschwunden. Nur ein bläßlich schemenhafter Ver-
trauensmann blieb übrig. Offiziere und Unteroffiziere, die sich be-
reits durch Wort und Schrift als überzeugte Demokraten erwiesen
haben, müssen vor allem in ihrer so wie so nicht leichten Stellung
untersöützt werden und haben als Sauerteig einer neuen Anschauung
zu dienen. Der Harrptwert ist aber auf eine sachgemäße und gründ-
liche Aufklärung ber Unteroffiziere und Mannschaften zu legen, de-
ren geistige Ausbildung nicht dem politisch einseitig gerichteten Offi-
zier allein überlassen weiden darf.
Aus ber Revokutonszeik entstand eine Zeitung „Die Reichs-
wehr", die in einer sowohl vom künstlerischen wie politischen Stand-
punkt ans einwandfreien Form geleitet wurde. Sie wurde aus
Reichsmitteln unterstützt, sie biente keiner Partei, war unabhängig
gegen rechts uich links. Unter der Begründung, mit Staatsmitteln
dürfe keine Zeitung unterstützt -werben, gelang -es reaktionären Ein-
flüssen den Zuschuß zu streichen und die Zeitung damit zu töten. An
ihrer Stelle entstanden gleich 4—5 neue, stramm beutschna-
tionale SoSdatenzeitungen. Wer sie -bezahlt? „Du ahnst es
nicht!" Mer die „Aufsiärungs"arbei-t dieser Zeitungen war gewiß
der Entwicklung eines demokratischen Geistes so abträglich wie
mögkich.
Ein auf hoher künstlerischer und geistiHsr Stufe stehendes Sol-
baleM-att, von keiner Partei abhängig, aber in einem völlig Vorur-
teils lösen freien politischen Sinn -geleitet, ist eins Lebensnotwendig-
keit für die EntwMmg wahrhaft demokratischer -Gesinnung. Vor-
träge und wissenschaftliche Kurse über alle Fragen der Zeit Müssen
die Arbeit der Zeitung ergänzen.
Mit Hilfe einer neuen militärischen Verfassung, b. h. einer
festen Verankerung moderner demokratischer Eeistesrichtung in den
Dienstvorschriften der Truppe, unterstützt von der Aufklärungs-
arbeit wird endlich die alts Form der Disz-ipkin zerbrechen, die
als rein äußerlicher Drill stets noch oberstes Ziel und -Ergebnis
gerade unserer Fri-edensausbllbUng war. Das ttn-terge den en-Ver-
hältnis außerhalb 'des Dienstes muh völlig aushören, an Stellung
der Gleichmacherei muß die Erziehung einer selb ständigen und
selbstbewußten Persönlichkeit angestrebk worden.
In einer von solchem Geist erfüllten Truppe bleibt die reaktio-
näre Richtung des Offiziers ungefährlich, im Gegenteil: die vielen
guten -Tigechchaften, die mit dieser -Sinnesart verknüpft sind, werden
als ausreichendes Moment nützlich in die Erscheinung treten.
Man fürchte nicht, daß -dadurch der innere Zusammenhang der
Truppe leide. Die sogenannte Kameradschaft früherer Zelten Mi-
schen Offizier und Mann zeigte sich im Frieden doch nur beim Kai-
forgeburtstagstan!, — im Kriege nur, wenn es höllisch breckig sta-nb,
wenigstens von Seilen des Offiziers, sonst wurde es für besser ge-
halten, eine recht „reinliche" Scheidllng — wegen ber Disziplin —
aufrecht zu erhalten.
Wie -der demokratische Geist der Mannschaft eine einseitige
Stellungnahme zugunsten reaktionärer Elemente verhindern wirb,
so sorgt der dom alten anhängende -Geist des Offiziers, daß nicht
extrem links gerichtete Tendenzen neue -Gefahr bringen.
-Sv wird die Reichswehr der wirkliche Schützer des Volkes
gegen die Gewalt werden, von welcher Seite sie auch droht. Nur
wenn es gelingt, den -Geist der Truppe mit dem Bewußtsein dieser
hohen Aufgabe zu erfüllen, wird sie ein lebendiges u-nb nützliches
Glied der deutschen Volksgemeinschaft, ihr Arm geachtet und wenn
es not tut gefürchtet werden.

Politische Ueberficht
Reichsfinanzminrster Dr. Wirth über die künftigen Steucraufgaben.
Karlsruhe,?. April. (Eigene Drahtmeldung.) Der neu«
RcichssinanzmiNister Dr. Wirth empfing letzter Tage den Mit-
arbeiter des „Bad. Beobachters" Redakteur H. L. Mayer von
der Presseabteilungber bad. Regierung unb führte
in dieser Unterredung u. a. aus, daß die Reichsregierung in der
 
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