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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (1/2) — 1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.44126#0433
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Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung der Amtsbezirke Heidelberg, Wiesloch, Sinsheim, Eppingen, Eberbach, Mosbach, Buchen, Adelsheim, Boxberg,
Tauberbischofshelm und Wertheim.


Bezugspreis: Monatlich ei'nschl. Trägerlohn 3.50 Mk. Anzeigenpreise:
Oie einspaltige Petitzeile (36 mm breit) 70 pfg., Reklame-Anzeigen
(93 mm breit) 2.20 Mk. Bei Wiederholungen Nachlaß nach Tarif.
Geheimmittel-Anzeigen werden nicht ausgenommen.
Geschäftsstunden: s-'/-6llhr. Sprechstunden der Redaktion: 7U-ck2tthr.
Postscheckkonto Karlsruhes. 22577. Tel.-Adr.: Volkszeitung Heidelberg.

Heidelberg, 2April ^920
Nr. 8^ * 2. Jahrgang

Derantwortl.: Fürinnereu. äußerepolittk,Dolkswirtschastu. Feuilleton: Or.
E.Kraus; für Kommunales u. soziale Rundschau: IKahn; für Lokale-:
O.Geibel; für die Anzeigen: H.Hoffmann, sämtlich in Heidelberg
Druck und Verlag der llnterbadischen Verlagsanstalt G. m. b. H., Heidelberg
Geschäftsstelle: Schröderstraße 39.
Fernsprecher: Anzeigen-Annahme 2673, Redaktion 2648.

Genosse Hue über die Vorgänge im Ruhrgebiet.

Die Verlogene „Tribüne". — Recht-
fertigung des Genossen Remmele.
In Nr. 80 der „Volkszeitung" Haden wir uns mit der „Tri-
büne" auseinandergesetzt, weil sie uns im Zusammenhang einer
Polemik gegen Minister Remmele apostrophiert hatte. Wir
schrieben dort, daß Een. Remmele sicher seine Handlungen verant-
worten wird. Die „Tribüne" veröffentlicht jetzt eine Zuschrift, die
ihr von der Presseabteilung des Ministeriums des Innern mit Be-
zug auf § 11 des Pressegesetzes als Berichtigung zugegangen
ist. Dieselbe hat folgenden Wortlaut:
In der Nr. 83 der „Tribüne" vom 9. April beschäftigt sich ein Ar-
tikel mit der llebeischrift „Adam Remmele sicht Gespenster" mit dem
Herrn Minister des Innern. Wir (Presseabteilung des Ministeriums)
ersuchen die Verehrt. Redaktion hierzu folgende Berichtigung unter Be-
achtung des 8,11 des Preßgesetzes aufzunchmen:
„Ünwabr ist, daß der Minister des Innern Anweisung gab, die von
Herrn Adolf Geck in Offenburg geführten Telephongespräche zu über-
wachen.
Unwahr ist, daß ein angeblicher „Telephon-Spitzel" dem Innern-
minkster Mitteilung von einem von Mannheim aus mit einem Familien-
mitglied des Herrn Wolf Geck geführten Telephongcspräch gemacht hat.
Unwahr ist auch die Behauptung, es sei dem Innenminister Mitteilung
von der Absendung zweier Briefe an ein Familienmitglied des Herrn
Adolf Geck gemacht worden.
Ts ist somit auch die Annahme der „Tribüne"-Redaktion falsch, frag-
iches Telephongespräch resp. fragliche Briefe an die Familie des Herrn
Adolf Geck seien vom Minister Remmele als untrüglicher Beweis für
gestehende Umsturzpläne" angesehen worden.
Unwahr ist ebenso, der Minister oder das Ministerium des Innern
iätte die „Tribüne"°Redaftion als „kommunistisch" erklärt oder diele als
„solidarisch mit den Kommunisten handelnd" angesehen, weshalb die
Parole zum „allgemeinen Losschlagen gegen den ewigen Stänker in Offen-
burg" Herrn Adolf Geck ausgegeben worden sei.
Gleichso ist die lügenhafte Behauptung unwahr, der Minister habe
der Staatsanwaltschaft in Offenburg Weisung erteilt, den „verdächtigen
Brief" anzuhalten, um wünschenswertes Material für einen Hochverrats-
prozeß zu erhalten.
Unwahr ist ferner, daß der Minister besonders die Redaktion der
„Tribüne" auf Schritt und Tritt von Spitzeln verfolgen, deren Privat-
briefe auffangen und öffnen läßt.
Unwahr ist auch, daß dem des Landes verwiesenen Herrn Neumann
Schmuggelei unterstellt worben sei. . „ .
Und außerdem ist unwahr die Behauptung, reaktionäre Kreise unse-
res Landes würden nicht beobachtet, wie auch die allgemein vertretene
Auffassung, cs sei anläßlich des Kapp-Pulsches nicht entsprechend der be-
standenen Gefahr gehandelt worden, durchaus falsch ist.
Wahr ist, daß gerade in Baden-Baden wiederholt Recherchen ge-
pflogen und am 15. März zur Verhaftung eines vermeintlichen Kapp-
Agenten geschritten wurde. Für einen evtl. Beweis, daß Lüttwitz sich
in Baden aufhält, wäre das Ministerium dankbar.
Wahr ist, daß der Minister seinerzeit erklärte, Herr Neumann habe
seine Ausweisung auf Grund einer Verordnung über die Aufenthalts-
beschränkung in Baden, die zwecks Einschränkung des Fremdenverkehrs
und zur Bekämpfung des Schleichhandels erlassen wurde, zugestellt er-
halten. Wenn daraus die „Tribüne" den Schluß zog, Herrn Neumann
sei Schmuggel unterstellt worden, so ist das eine von ihr begangene Un-
geschicklichkeit.
Wahr ist vor allem die Tatsache völliger Uninteressiertheit des Mi-
nisters gegenüber Herrn Adolf Geck. Herr Adolf Geck wurde von dem
Herrn Minister immer als ein durchaus loyaler Bürger der Republik
angesehen.
Wahr ist weiterhin: Von der Tatsache der gerichtlich angevrdnet ge-
wesenen Kontrolle eines Herrn Adolf Geck gehörenden Briefes hat der
Minister des Innern erst am 7. April, nach feiner Rückkehr aus einem
achttägigen Urlaub, Kenntnis erlangt.
Wahr ist des ferneren: Für den vom Spartakusbund (Bezirk Süd-
deutschland) auf 30. März angekündigt gewesenen Generalstreik war sei-
tens der badischen Regierung die U.S.P. nicht verantwortlich gemacht
worden, obwohl bei den in Karlsruhe in diesem Zusammenhang während
dreier Tage arrangierten Tumultszenen ein lokaler Führer letztgenannter
Partei gleich „aufmunternde" Reden hielt, wie der Führer des Spar-
takusbundes. Infolgedessen lag auch hier kein Grund vor, zu veranlassen,
daß der Redaktion der „Tribüne" besondere Aufmerksamkeit geschenkt
werde.
Wahr ist auch, daß der Redaktion der „Tribüne" bereits vor Er-
scheinen ihres gegen den Minister gerichteten Artikels aus Anfrage der-
selben durch ein Ministerialratsmitglied des Inneren Ministeriums mit-
geteilt wurde, dem Ministerium sei von den Offenburger Vorgängen
durchaus nichts bekannt gewesen.
Wahr ist schließlich: Auch anläßlich der Vorgänge in Baden vom
27. bis 30. März (Zusammenhang mit dem Betriebsräte-Konflikt in
Mannheim und Vorgängen im Ruhrgebiet) wurde seitens des Ministe-
riums des Innern nichts unternommen, was die Behauptung rechtfertigt,
es sei gegen Mitglieder der U.S.P. ein Hochverratsversahren einzuleiten
beabsichtigt. Ein Untersuchungsverfahren schwebt lediglich gegen einen
Mannheimer Kommunisten, der im Verdacht des Hochverrates steht. Ein
zweites Verfahren schwebt gegen einen Karlsruher Drucker, der ein Kom-
Munisten-Flugblal! zu drucken begonnen hatte, bas eine schwere Belcidi-
vng enthält.
Angesichts der fortwährenden Drohungen auf Einleitung eines ge-
Waltsamen Umsturzes der bestehenden Staatsordnung, in welchen sich
Spartakisten und die ihnen nahestehenden Personen ergehen, ist cs selbst-
verständlich Pflicht der Verwaltungs- und Eerichtsorgane des Staates,
solchen Bestrebungen ihre Aufmcrksanrkeit zu schenken Bon dieser allge-
meinen Bcrusspflichl sind die Staatsbehörden auch nicht entbunden, wenn
klwa die Reaktion sich anschick! dem Staate Schwierigkeiten zu bereiten."
Soweit hie Berichtigung. Was sagen nun die anständigen Mit-
glieder der U.S.P. zu ihrem Parteiblatt, das Tag für Tag auf die
Hetzjagd geht mit derart gemeinen Lügenmeldungen, nur weil es
heule billiger ist, das Maui aufzureißen, zu nörgeln und zu kritteln,
Anstalt positive Arbeit zu leisten! Wann wird endlich die Aübeiter-
lebast voll Abscheu von einem derartigen Treiben sich abwenden,
und sich denen zuwenden, die im vollen Bewußtsein ihrer Verant-
wortung möglichst viel Positives für den Sozialismus zu erarbeiten
luchen?

Deutsche Nationalversammlung.
Die Stellung der Parteien. — Hues Anklage gegen die Unorganisierten.
Berlin, 13. April.
Präsident Fehrenbach eröffnete die Sitzung um 1,05 Uhr. Auf
der Tagesordnung stehen zunächst Anfragen.
Es folgt die Besprechung -er Regierungserklärung,
verbunden mit -er ersten Beratung des Notetats.
Abg. v. Payer (Dem.): Meine Partei ist im allgemeinen mit der
Regierungserklärung einverstanden und billigt die Zurückweisung
jeder Art von Nebenregierung.
Abg. Hue (Svz.):
Die Bergwerksarbeiter und Eisenbahner waren gewillt,
Ueberstunden zu machen. Die Blutschuld der gehei-
men Kappiften muh immer wieder betont werden.
Der Kapp-Putsch hätte ohne Waffengewalt erstickt werden
können, wenn die Führer der Reichswehr der Mentalität der Bevöl-
kerung besser Rechnung getragen hätten. In weiten Gebieten würde
das Bielefelder Abkommen von der Arbeiterschaft aner-
kannt, aber irreführende Nachrichten auch vom W.TB. erregten die
Massen immer von neuem. Im sogenannten Wild-West, wo keine
genossenschaftliche Disziplin herrscht, im Gebiet der Gelben, der
Streikbrecher, der sognannten Kommunisten entglitten die Massen
zuerst den Händen dm: Führer. Es ist das Verhängnis der
Unabhängigen, daß sie die Zusammensetzung jener Arbeiter-
schaft nicht beachtet haben. Die Nachrichten über die Neubil-
dungeinerrotenArmee find nrit größter Vorsicht auf-
zunehmen. Die westdeutschen Arbeiter sind reichstreu. Nebenregie-
Wng haben wir vor dem Kriege gehabt, sie standen der Schwerin-
dustrie nahe. Die Reichsregierung muß einschreiten gegen die Ver-
schleuderung unserer Bodenschätze an ausländische Kapitalisten.
WannkommtdasReichsbergwerksgesetz?DieRe-
publikanisierung der Reichswehr muh durchgeführt werden.
Abg. Trimborn (Ztr.): Der Äefft b'er Versailler Verträge war
durch unseren Einmarsch in das neutale Gebiet nicht verletzt. Deuffckland
sollte nicht zur Ruhe kommen. Sein Verbrechen besteht darin, daß es
noch existiert, das beweisen die heute veröffentlichten Richtlinien. Die
Rheinländer lehnen den rheinischen Pufferstaat ab.
Reichskanzler Müller.
Wir arbeiten dauernd daran, das Programm, wie ich vor 14
Tagen ausführte, in die Tat umzusetzen. Binnen kurzem hoffe ich.
Ihnen die Vorlage vorlögen zu können, die ich angeküNdigt habe,
aber in 14 Tagen kann sie von der Reichsleitung und dem Hause
nicht erledigt werden. Wir haben mit der Eesamhteit der Alliier-
ten verhandelt, dann aber auch direkt mit der französischen Regierung
und ebenso mit London und Rom. Ich habe keinen Zweifel, daß
die Kommunisten sch-vn lange im Ruhrgebiet etwa vorgehabt haben.
Wenn der Kapp-Putsch nicht gekommen wäre, wäre es ein Kinder-
spiel gewesen, mit ihnen fertig zu werden. Die bolschewistische Be-
wegung verfolge ich aufmerksam.. Den Räuberhauptmann Hölz kann
man keiner Partei anhängen. Die Reichsregierung hat eingegriffen,
sobald die sächsische Regierung militärische Hilfe forderte (Unruhe).
Wir verfolgen die Vorgänge in Pommern und in Schlesien sehr
aufmerksam. Im Ruhrgebiet konnten wir nach dem Wortlaut des
Versailler Vertrages erst dann vorgehen, als wir die Ueberzeugung
hatten, daß hie gesamte BevöKerung es verlangte. Bis dahin muß-
ten wir eine friedliche Entspannung versuchen. Die Fristverlängerung
erfolgte, weil die Frist von dem kommandierenden General zu kurz
bemessen war. Die Polizeiaktion muhte im Einvernehmen mit der
Zivilbevölkerung beurteilt werden. Severins ist mit den neuen Ver-
hältnissen durchaus vertraut und ist dort sehr lange tätig. Die wich-
tigste vollziehende Gewalt ist jetzt überhaupt an die Oberpräsidrntsn
usw. übergogangen. Das Ruhrgebiet ist für uns und für ganz
Europa so ungeheuer wichtig, daß Minister Severing seine ersprieß-
liche Tätigkeit dort noch lange svrtsetzen muß. Bei einem neuen
reaktionären Putsch wird genau, wie zuletzt, der Generalstreik ein-
setzen. Eine Militärdiktatur ist in Deutschland unmöglich. Eine
Nebenregierung, komme sie woher sie will, ist ebenso unmöglich. Die
Forderungen der Gewerkschaften wurden uns in einer Deputation
vorgetragen, die unter Hinzuziehung der Ressortminister genau so
empfangen wurde, wie andere Deputationen. Einigen ihrer Forde-
rungen gegenüber mußten wir uns ablehnend verhalten. Die Ge-
werkschaften waren damit auch nicht zufrieden. Ein Ultimatum ist
uns nicht gestellt worden. Alle wichtigen Entscheidungen des Ka-
binettes sind ohne Parteirücksichten' gefällt worden. Aus dem Ge-
biete südlich der Ruhr haben wir dringende Bitten erhalten, auch
von Kommunen und führenden Industriellen, nicht einzumarschieren.
Der Einmarsch ohne zureichenden Grund würde uns außerdem
internattonale Schwierigkeiten bereiten. Wo keine Kampfhandlun-
gen mehr stattfinden, muß es doch auch ohne Standgerichte gehen.
Die außerordentliche Kriegsgerichte werden vermehrt werden. Von
einem wahllosen Begnadigungsrecht ist keine Rede.
Abg. Lattermann wirst dem Reichskanzler vor, eine Wahlrede
gehalten zu haben. Es wäre schön gewesen, wenn der Reichskanzler zu-
gegeben hätte, daß es für uns besser wäre, dem französischen den dculschen
Militarismus noch gegenüb erstellen zu können. Seine Rede ist vielfach
durch lärmende Zwischenrufe unterbrochen. Ihm erwidert Reichswehr-
minister Geßl e r, daß es nicht richtig sei, daß eine Abordnung bayeri-
scher Reichswehr nicht empfangen worden sei. Iustizminister Blunck
kritisiert scharf die Haltung der Deutschen Vvlkspartei während des Kapp-
Putsches. Die Kappiften würden zur Rechenschaft gezogen werden. Bei
einem Redakteur Schnitzler sei ein vollständiger Organisationsplan auf-
gefunden worden. Seine Worte gehen bei der Erregung des Hauses
vielfach verloren. Abg. Dr. M o st (B.V.P.) weist des Vorredners Ver-
würfe zurück, die ein Zusammenarbeiten unmöglich machten. Es sei eine
außerordentliche Uebertteibung zu behaupten, daß die Kappbewegung am
Aufruhr'im Ruhrrevier schuld seien. Iusttzm-inister Blunck greift noch
einmal in die Debatte ein. Die kritiklose Aufnahme gewisser Notizen in
hie Blätter untergrabe die Disziplin in der Reichswehr.
Um 7 Uhr wird di« Sitzung auf heute nachmittag 1 Uhr vertagt.

Politische Ueberficht
Ein Reichswirtschafts-Parlament.
Ein Antrag des Handwerks.
Der Vorstand des R e i ch s v e r b a nde sde s d e u ts ch e n
Handwerks hat dem Reichskabinett den Antrag unterbreitet,
1. mit möglichster Beschleunigung im Zusammenwirken der gesetz-
gebenden Körperschaften des Reiches den 8 165 der Reichsverfaffrmg
dahin zu erweitern, dah der hierin vorgesehene Reichswir-tschaftsrak
zu einem Reichswirtschaftsparlament ausgedaut wird,
und 2. die alsbaldige Einberufung dieses R ei ch SW i rtschvstsp arla-
m-ents zu veranlassen.
Mit dieser Eingabe sucht auch das Handwerk, wie die „Mit-
teilungen" des Reichsverbandes des deutschen Handwerks aus-
führen, einen Weg, wie der Rätegedanke für die ge-
samteVolkswirtschaft nutzbar gemacht werden kann. Der
Reichsverband des deutschen Handwerks hat im 8 165 der Reichs-
verfassung von vornherein das Mittel gesehen, die vielerlei beruf-
lichen GH'chtspunkten organisierten Berufszweige in einem Wirt-
schaftsparlament zu fruchtbringender Arbeit zu vereinigen, denn so
würden alleschaffen den Kräfte zu einer Mitwirkung
bei der Gesetzgebung und der Verwaltung kommen können. Selbst-
verständlich müßte die Zusammensetzung dieses Parlaments den
tatsächlichen Verhältnissen im Wirtschaftsleben entsprechen. Soll
der Reichswirtschaftsrat seine Aufgaben erfüllen, so darf er nicht
nur Wirkschaftsbeirat, also eine Art Gutachtetkammer, sein- wie er
geplant ist, sondern eine „Kammer der Arbeit".
Bei den VerlMndlungen der Reichsregierung mit den Ver-
tretern der Gewerkschaften sei den Gewerkschaften das Recht der
Mitbestimmung in wirtschaftlichen und sozialpolitischen Fragen zu-
gesichert worden. Dieses Versprechen muß gehalten werden, es
muß aber darüber hinaus auch den anderen Wirtschafts-
gruppen das gleiche Recht zugMlligt werden. Die Ein-
gabe legt ferner enWeidendes Gewicht aus ein von parteipolitischen
Gesichtspunkten unbeeinflußtes, lediglich unter dem Gesichtspunkte
der schaffenden Arbeit erfolgendes Zusammenarbeitender
Arbeitnehmer undder Arbeitgeber der verschieden-
sten Berufsschichten. Die Schaffung der Kammer der Arbeit würde
die Bildung auch der übrigen im 8 165 der Belastung vorgesehenen
Wirtschaftsräte als sinngemäßen Aufbau bedingen. Es darf mit
der Schaffung des zentralen Wirtschaftsparlaments jedoch nicht ge-
wartet werden. Die Stunde der Not fordert sofortiges Handeln.
Protest gegau die Mandatsaufkebung in Obrrschlesien.
Berlin, 12. April. Unter der Begründung, daß der Frie-
densvertrag für die Dauer der interalliierten Regierung diepvli-
tischeZügehörigkeitOberschlesienszu irgend einem
Staate aufgehoben habe, hätte, wie bereits bekannt, die inter-
alliierte Kommission mitteilen lassen, daß alle Abgevrdnetenmandate
der in Oberschiesien domizilierten Personen suspendiert seien
und daß .eventl. die Wiedereinreise der oberschlesischen Ab-
geordneten, die künftighin trotzdem an den Tagungen der National-
versammlung des preußischen oder der Provinzlandtage teilnehmen,
v er h i n d er t w e r d e. Gleichzeitig patte die interalliierte Kom-
mission in einer offiziösen! Pressemeldung erklärt, daß die ober-
schlesische Bevölkerung an der Wahl des Reichs-
präsidenten und an den R e i ch s t a g s w a hl e n nicht teil-
nehmrn könnte. Der deutsche Bevollmächtigte für Oberschlesien,
Fürst Hatzfeld, hat gestern gegen diese Maßnahme der inter-
alliierten Kommission beim General Lerond sogleich e ne r >
gisch Einspruch erhoben- unter dem Hinweis, daß Ober-
schlössen, solange nicht aufgrund einer Bestimmung seine rechtliche
Ablösung vom deutschen Reiche erfolgt sei, ein Teil des deutschen
Reiches bleibe und kein selbständiges völkerrechtliches Gebiet
bilde. Ebenso bestehe die Souveränität des deutschen Reiches fort,
wenn auch die sich aus ihr ergebenden Befugnisse innerhalb der
Grenzen des Friedensvertrages vorübergehend von der interalliier-
ten Kommission ausgeübk würden. Daraus ergebe sich auch, daß
die Oberschlesier im vollen Besitz der staatsbürgerlichen Rechte blei-
ben und die Vertreter der oberschlesischen Bevölkerung nach wie vor
das Recht haben, in deutschen, preußischen oder Provinzialkammer»
zu sitzen. .. _
Ausland.
Ein schwedischer Sozialist über Deutschland.
Stockholm, 7. April. (Priv.-Meld. d. Frkf. Ztg.) Der
schwedische Rechtssozialist und Reichstogsabgeordnete Artur E n g-
berg, Mitglied der internattvnal-en sozialistischen Kommission,
welche die E i n i g u n g der d e u t s ch e n s o z i a l i st i s ch e n
Parteien herbeisühren sollte und die gerade in den Tagen des
Kappschen Abenteuers in Berlin weilte, erzählt in „Sozial-
demokraten" vom 7. April über seine damaligen Erlebnisse. Ver-
schiedenes davon verdient auch in Deutschland festgehalten zu wer-
den. So berichtet Engberg, daß sowohl der englische wie der fran-
zösische Geschäftsträger in Berlin die Auffassung der internattonalen
Kommission teilten, daß es ein Mißgriff der Entente war Deutsch-
land im Versailler Vertrag ein Söldnerheer vorzuschrerben,
der Kappsche Putsch sei ein Schulbeispiel für die Gefahr, die ein sol-
ches Heer bilde. Zu den Bestrebungen, die beiden sozialistischen
Parteien zu einigen, berichtet Engberg, daß die Unabhängigen
durch ihr Liebäugeln mit den Kommunisten und ihre Phrasen von
der Diktatur des Proletariats dem- größten Teil der Berliner Ar-
beiter Wahnvorstellungen beigebracht hätten, die einer Versöhnung
unüberwindliche Hindernisse in den Weg legten. Bei den Führern
der Unabhängigen habe es nicht an Einsicht und gutem
 
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