Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung -er Amtsbezirke Heidelberg, Wiesloch, Sinsheim, Eppmgen, Eerbach, Mosbach, Buchen, Adelsheim, Boxberg,
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Bezugspreis: Monatlich einschl. Trägerlohn 3.50 Mk. Anzeigenpreise:
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Heidelberg, Dienstag, 27. April HS20
Nr. 97 » 2. Jahrgang
Derantwortl.: Für innereu. äußerepolitik.Volkswirtschaftu.Feuilleton: Or.
G.Kraus- für Kommunales u. soziale Rundschau: sZ.Kahn) für Lokale-:
O. Geibel; für die Anzeigen: H. Hoffmann, sämtlich in Heidelberg
Druck und Verlag der llnterbadischen Verlagsanstalt G.m.b.H., Heidelberg
Geschäftsstelle: Gchröderstraße 39.
Fernsprecher: Anzeigen-Annahme 2673, Redaktion 2648.
Ententekonferenz mit dem Reichskanzler.
An die Arbeiter der Welt!
Aus zur Maidemonstration!
Das Exekutivkomitee des Internationalen Gewerkschaftsbundes
hat in seiner Sitzung vorn 9. April d. I. beschlossen, die Arbeiter
der ganzen Welt zu einer mächtigen Maidemonstration aufzurufen.
Bereits auf dem letzten Internationalen Gewerkschaftskongreß,
der im Juli 1919 in Amsterdam abgehalten wurde, wurde unter
großer Begeisterung beschlossen, eine Aktion zugunsten der
Sozialisierung der Produktionsmittel
einzuleiten.
Die Vertreter der Arbeiterorganisationen aus verschiedenen
Ländern haben dort u. a. erklärt:
In Anerkennung der großen Arbeit, die -durch die Aktion der
Gewerkschaften für die Arbeiter im allgemeinen und für die organl-
fferlen im besonderen geleistet wurde, erklärt der Kongreß es für
novwendig, die Bestrebungen und die Aktion der Arbeiter aller Län-
der auf die Sozialisierung der Produktionsmittel zu richten, wobei
rr von der Erwägung ausgcht, daß die Gewerkschaften die Vorbe-
dingung und Grundlage für die Verwirklichung der Sozialisierung
dllden.
Die Bewegung, die sich derzeit unter den Arbeitern aller Län-
der zeigt, ist ein Beweis dafür, daß dieser Wunsch tief in den Herzen
der Maste lebt. Und unser Exekutivkomitee ist der Unsicht, daß diese
Bewegung in der kräftigsten Weise unterstützt werden muß.
Wir rufen Euch darum auß für diese Forderung am 1. Mai
mit aller Kraft einzutreten und für diese Propaganda jene Form
zu wählen, die in dem betreffenden Lande gebräuchlich ist oder von
der Landeszentrale dafür gewählt wird. In dem einen Land wird
durch Versammlungen oder Aufzuge, in dem anderen Land durch
Arbeitsruhe für diese Forderung demonstrier! werden. Welches
Mittel aber auch gewählt werden möge:
Die Sozialisierung der Produktionsmittel muß am 1. Mai
als unsere vornehmste Forderung im Vordergrund stehen!.
Daneben soll, einem Beschluß des Exekutivkomitees entsprechend,
als nächstwichtigste Forderung für den Maitag die rasche Durch-
führung der Beschlüsse der Arbeitskonferenz von Washington auf-
gestellt werben.
Auf dieser Konferenz wurden eine Neihe von Beschlüssen zum
Schuhe des Arbeiterlebens, im Intereste der Kranken, der Arbeits-
losen, der Invaliden und zugunsten der Einführung des Achtstunden-
tages gefaßt.
Wir sind der Meinung, daß verschiedene Regierungen mit der
Durchführung dieser Beschlüste allzu lange zögern. Sollten sie
gegenüber unseren berechtigten Forderungen kein Entgegenkommen
zeigen, so Müßten sie durch die organisierte Macht der Arbeiter dazu
gezwungen werden.
Wir wollen die ganze organisierte Macht unserer
20 Millionen Arbeiter,
vereinigt im Internationalen Gswerkschaftsbund, aufbieten, um oer
Not und den Entbehrungen, unter denen das Proletariat immer
noch leidet, so rasch als möglich ein Ende zu machen.
Wir werden nicht dulden, daß mit unseren Interesten ein -Spiel
getrieben wird!
Wir verlangen, daß unsere Forderungen schleunigst bewilligt
werden!
Wir fordern Euch daher auf, nunmehr alle trennenden Gegen-
sätze beiseite zu lasten und am 1. Mai gemeinsam den Kampf zu
führen gegen alle die Mächte, die die Rechte der Arbeiter antasten
und die die materielle Notlage bestehen lassen wollen.
Wir rufen Euch auf zum Kampf für den Frieden, für das Recht
und das Wohl der Arbeiterschaft!
Dieses Ziel wird erreicht werden, wenn alle Arbeiter sich im
Kampf vereinigen für diese beiden Forderungen, die die internatio-
nale Gewerkschaftsbewegung stellt:
Sozialisierung der Produktionsmittel!
Durchführung der Beschlüsse von Washington!
Unsere Losung muß sein:
Kampf und Disziplin!
Kampf für unsere Rechte!
Gegen die Reaktion!
Es lebe die Internationale der Arbeit!
W. A. Appleton, England, Vorsitzender.
L. Iouhaux, Frankreich, 1. Bizevorsitzender.
C. Mertens, Belgien, 2. Vizevorsitzender.
C. Legten, Deutschland.
G. Dumvulin, Frankreich.
K. Dürr, Schweiz.
O. Lian, Norwegen.
R. Tayerle, Tschecho-Slowakei.
- I. B. Will i a m s, England.
Edo Fimmen, I. O u d e g e e st, Holland,
Sekretäre.
Sireikbeendigung im Elsaß.
Straßburg. 27. April. Die Arbeit ist im allgemeinen am
Memag morgen wieder ausgenommen worden, da die Streikenden
die Belangung des aus Paris gekommenen telephonischen Befehles
zum Abbruch des Streikes abwarten wollen. Die Streikleitung hat
daraufmn die Wiederaufnahme der Arbeit auf Montag nachmittag
2 Uhr festgesetzt. Die Zeitungen werden am Abend erscheinen.
Einigung zwischen England und Frankreich.
San Remo, 26. April. In der Sitzung am Montag vormittag
genehmigte die Friedenskonferenz den Wortlaut der gemeinsamen
Erklärung Frankreichs und Englands. Der Text wir- heute abend
veröffentlicht. Ueber die Annahme entspann sich eine wichtige Dis-
kussion. Nitti erklärte sich gegen militärische Maßnahmen. Lloyd
George und Millerand erläuterten ihm aber die Notwendigkeit, diese
Möglichkeit ins Auge zu fasten. Der japanische Botschafter und
der belgische Delegierte schlossen sich dem französisch-englischen
Standpunkte an, welcher schließlich durchdrang. Das in Frage
kommende Dokument enthält eine Stelle, in der die Alliierten er-
klären, daß sie entschloßen seien, alle notwendigen Maßnahmen zu
ergreifen, gegebenenfalls weitere Teile deutschen Gebietes zu besehen,
um die Ausführung des Friedensvertrages zu sichern. Die Alliierten
werden am 25. Mai in Spaa mit dem dem deutschen Reichskanzler
Müller Zusammentreffen. In französischen Kreise» ist man über die
Verhandlungen einmütig zufrieden.
Nitti für eine Politik der Arbeit.
Rom, 25. April. Nitti empfing Berichterstatter von englischen
und amerikanischen Zeitungen und erklärte ihnen gegenüber, die
Wiederaufnahme der Handelsbeziehungen mit Rußland sei unum-
gänglich notwendig. Man dürfe nicht vergessen, sagte er, daß
Rußland niemals eine der Entente feindliche Nation gewesen sei,
sondern eine verbündete, die nach langem Kampfe an ihrer Seite
abfiel. Für den Augenblick wird man wenig Äustauschartikel in
Rußland finden; aber die Wiederaufnähme der wirtschaftlichen Be-
ziehungen zur Wiederherstellung des Wirtschaftslebens, die man dem
russischen Volke schuldet, wird dazu beitragen, die schreckliche Kri-
sis, unter der Europa leidet, zu beseitigen. Die Wiederaufnahme
der Beziehungen zu Rußland sind auch notwendig, um eine Reche
falscher Gerüchte zu zerstreuen und den Volkern vor Augen zu füh-
ren, daß sich Rußland tatsächlich feit der Revolution in unendlichem
Elend befindet und daß hier eine Politik der Arbeit betrieben wer-
den müsse. Nitti versicherte sodann, er habe nicht den Vorschlag
einer Revision des Versailler Vertrages gemacht. Er glaube viel-
mehr, es sei die Pflicht Deutschlands, das in dem Kriege besiegt wor-
den sei, und das doch die Verantwortung für den ungehueren Kon-
flikt trage, den Friedensvertrag zu achten. Aber, so erklärte er, die
Alliierten müßten es mit dem Geiste der Gerechtigkeit und Güte be-
handeln und von Deutschland nur Opfer verlangen, die cs auszu-
führen imstande sei und nichts fordern, was die arbeitende, wirt-
schaftliche und moralische Erneuerung untergrabe und der revolutio-
nären Gewalt ausliefere.
Beschlüsse von San Remo.
Die Austeilung des Orients.
Berlin, 26. April. (Priv.-Tel.) Nachdem bislang nur
Kombinationen über die Ergebnisse der Konferenz inSanRemo
vvrliegen, werden der „Voss. Ztg." heute die ersten Beschlüße des
Obersten Rates Rates übermittelt. ^Danach gab der Oberste Rat
das Mandat über S y r i e n a -n F r a n k r ei ch, das über Palä -
stina und Mesopotamien an England. Er defi-
nierte „Mandat" juristisch als ,-volle Souverä-
nitä t". In der russischen Frage wurde beschlossen, wirtschaft-
liche Beziehungen zu S owj e t r u ß la n d aufzunehmen. Die
deutschen Noten wurden noch nicht geprüft. Der Oberste Rat er-
klärt sich gegen eine Revision des Versailler Vertrages. Nur die
Art seiner Durchführung ist nach Auffassung des Obersten Rates
diskutabel. Mit der Beratung der Adriafrage wurde begon-
nen. Der Türkei wurde eine Heeresstärke von 25 000 Mann auf
Antrag Lloyd! Geovge bewilligt. Das Ergebnis wurde der türkischen
Delegation übermittelt. Daraufhin soll der türkische Delegierte er-
klärt Haben, daß seine Regierung ihn beauftragt habe, den Friedens-
vertrag in seiner jetzigen Form nicht zu unterzeichnen.
Entwaffnung Deutschlands. — Vorschüsse an Geld u. Rohstoffen. —
Gemeinsame Verhandlungen.
Base l, 26. April. (Priv.-Tel.) Aus San Remo wird be-
richtet, daß in einer Samstag vormittag abgehaltenen privaten
Unterredung zwischen Lloyd George und Millerand nach dreistündi-
ger Beratung folgende Richtlinien vereinbart worden sind:
1. Die Verbündeten werden mit -en ihnen zur Verfügung
stehenden Mitteln auf die Entwaffnung-Deutschlands entsprechen-
den Bestimmungen des Vertrages von Versailles dringen.
2. Das Ersuchen Deutfchlands um Erhöhung feines Heeres-
bestandes auf 200 000 Mann wird ebenso wie die von Deutsch-
land geforderte schwere Artillerie und der Flugpark abgelehnt.
3. Deutschland erhält die Ermächtigung zu einer Verstärkung
der Polizeitruppe. Die Entente behält sich noch das Recht einer
ständigen Kontrolle über die Tätigkeit und die Besiandszisfer der
deutschen Polizeitruppen vor.
4. Deutschland erhält Vorschüsse in Gestalt von Geld und
Rohstoffen, um seine Industrie in Gang zu setzen und so seine
pekuniären Verpflichtungen einlösen zu können.
Die Konferenz von San Remo wird, wie endgültig festgestellt
wurde, bis 28. ds. Mts. dauern. Die Besprechungen sollen vor
dem 10. Mai i n P a r i s w i e d e r a uf g e n o mm e n werden.
Auch auf belgischem Boden, wahrscheinlich in Brüssel, soll im
Mai eine Sitzung des Obersten Rates stattfinden. Frankreich
werde diese privaten Vereinbarungen Millerands mit dem englischen
Premierminister g e n e h m i g e n und auch dem Wunsche Englands
und Italiens zustimmen, zu der nächsten Konferenz den deutschen
Reichskanzler hinzuziehen. Millerand soll Lloyd George kategorisch
erklärt haben, daß FrankreichanAnnexionengarnicht
denke. Es wolle weder Frankfurt noch das Ruhrgebiet noch das
linkrheinische Gebiet Deutschlands annektieren. Millerand soll auch
vorgeschlagen haben, daß diese Versicherung ausdrücklich in die ge-
meinsame Note der Alliierten anDeutschland ausgenom-
men werde.
Wie Reuter aus San Remo meldet, gab Lloyd George bekannt,
daß das Ergebnis seiner Besprechung mit Millerand in einer ge-
meinsamen Erklärung niedergelegt wird.
Die beiden Forderungen Nittis find also durchgedrungen: Man
wird die Höhe der deutsche »Kriegsschuld festsetzen rin-
der Reichskanzler wird im Mai in Brüste! sich mit den Minister-
präsidenten der ehemals feindlichen Staaten als Gleichberechtiger an
den Verhandlungstisch fetzen.
Französische Bergarbeiter gegen Caillaux
Verurteilung.
Paris, 27. April. Nach einer Havasmeldung aus St. Etiennes
sprachen^ die Bergarbeiter der Loire nochmals ihre Soli-
darität mit den Arbeitern der Schief erbergwerke aus
protestierten gegen die Verurteilung Caillaux durch den obersten
Gerichtshof.
Der Wiederaufbau Nordfraulreichs.
Berlin, 26. April. In der ersten Sitzung des deutschen Bei-
rates für die Wiedttgutmachungsfragen erklärte Dr. Rappel:
Frankreich sei bisher nicht wieder auf die Anerbietung zur unmittel-
baren Beteiligung Deutschlands am Wiederaufbau der zerstörten
Gebiete durch die Stellung von Arbeitern zurückaekommen, sodaß
eine solche Beteiligung Deutschlands vorerst nicht in Frage kommen
dürfte. Eine Einigung mit Frankreich in den Verhandlungen mit
Frankreich über die zum Wiederaufbau notwendigen Lieferungen sei
deshalb nicht erzielt worden, weil Frankreich stets die von Deutsch-
land angebvtenen oder von Frankreich angeforderten Lieferungen
nicht abgerufen habe. Die Verhandlungen über die zukünftigen
deutschen Lieferungen sollen durch Vermittelung der Zentralfachver-
bände der Industrie und der Auftragsämter der Länder nach Ver-
teilung durch die Ausgleichsstellen erfolgen, wobei darauf hingewie-
sen wurde, daß die durch Vermittlung französischer Büros in den be-
setzten Gebieten erfolgten Privatlieferungen der Firmen an franzö-
sische Kaufleute keinen Einfluß auf die deutsche Wiedergutmachungs-
summe haben.
Polnisch-ungarischer Imperialismus.
Wien, 27. April. Die Parlamentsnachrichten bestätigen die in
letzter Zeit öfter auftauchenden Gerüchte, daß durch englische Hilfe
große Mengen Munition von der Waffenfabrik Steyer und der
Munitionsfabrik Wolnersdorf nach Ungarn- geschafft worden
find, um von dvrt durch Vermittlung des Großindustriellen- Weiß
an Polen abgegeben werden. Es ist dies das Vorspiel der Ver-
einigung von Ungarn und Polen um die geplante Absicht, die Slo-
wakei, Deutfch-Westungarn und Obers-chlefien an Polen zu bringen,
durchführen zu können. Man glaubt für spätere Zeit eine Personal-
union durchführen uz können und denkt dabei an die Dynastie Habs-
burg.
Politische Ueberficht.
Die Wahl des Reichspräsidenten.
Das von der Nationalbersammlung verabschiedete Gesetz über
die Wahl des Reichspräsidenten -hat folgende Fassung erhalten:
ZI. Wahlberechtigt, wer das Wählrecht zum- Reichs-
tag hat und sich am Wahltag im Reichsgebiet auifhält. Die Wahl
ist unmittelbar und geheim. Jeder Wähler hat eine Stimme.
8 2. Den Wahlta -g- bestimmt der Reichstag. Es muß ein
Sonntag oder öffentlichen Ruhetag sein. Die Wahl kann mit einer
Re-chstagswahl oder einer allgemeinen Volksabstimmung verbunden
werden.
8 3. Der Stimmzettel- muß den, dein der Wähler seine Stimme
geben will, bezeichnen und darf keine weiteren Angaben enthalten.
8 4. Gewählt ist, wer mehr als die Hälfte aller
gültigen Stimmen erhält. Ergibt sich keine solche Mehrheit, so findet
ein zweiter Wahl gang- statt, bei dem gewählt ist, wer die
m ei st e n -gul ti g e n Stimmen- erhalten hat. Bei Stimmengleich-
heit entscheidet das Los, das der Reichswahlleiter zieht.
ß 5. Die Stimmen werden zunächst in den R -e i ch s 1 a g s -
Wahlkreis gezählt, und das Ergebnis wird dem Neichswahl-
leiter mstgeteilt. Die Zählung besorgt der Wahlausschuß. Er be-
steht aus dem WahUeiter als Vorsitzenden und vier Beisitzern, die
dieser aus den Wählern beruft. Der Wahlausschuß bestimmt mit
Stimmenmehrheit.
8 6. Der Reichswahlausfchutz stellt das Wahlergebnis im
Reiche fest. Er besteht aus dem Reichswahlleiter als Vorsitzenden
und sechs Beisitzern, die dieser aus den Wählern beruft. Der Reichs-
wahlausschuß beschließt mit Stimmenmehrheit.
8 7. Das für den Reichstag gebildete Wahlprüfungs-gericht
prüft das Wahlergebnis. Wird die Wahl für ungültig erklärt, so
findet eine Neuwahl statt.
8 8. Die Vorschriften- des 8 2, Absatz 2, 3, und 88 o, 8 bis 13,
8 14, Absatz 1, 88 23 bis 25, 88 39 bis 40 des Reichswahl-gefetzes
gelten sinngemäß. Wird die Wahl mit einer Reichstagswahl oder
einer allgemeinen Volksabstimmung verbunden, so werden die im
8 39 des Reichswahlgesetzes vorgesehenen Reichszuschüsse zu den
Kosten der Gemeinden nur einmal geleistet.
Das Gesetz tritt mit dem Tage in Kraft, an -em die erste Wahl
des Reichspräsidenten ausgeschrieben wird.
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Nr. 97 » 2. Jahrgang
Derantwortl.: Für innereu. äußerepolitik.Volkswirtschaftu.Feuilleton: Or.
G.Kraus- für Kommunales u. soziale Rundschau: sZ.Kahn) für Lokale-:
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Ententekonferenz mit dem Reichskanzler.
An die Arbeiter der Welt!
Aus zur Maidemonstration!
Das Exekutivkomitee des Internationalen Gewerkschaftsbundes
hat in seiner Sitzung vorn 9. April d. I. beschlossen, die Arbeiter
der ganzen Welt zu einer mächtigen Maidemonstration aufzurufen.
Bereits auf dem letzten Internationalen Gewerkschaftskongreß,
der im Juli 1919 in Amsterdam abgehalten wurde, wurde unter
großer Begeisterung beschlossen, eine Aktion zugunsten der
Sozialisierung der Produktionsmittel
einzuleiten.
Die Vertreter der Arbeiterorganisationen aus verschiedenen
Ländern haben dort u. a. erklärt:
In Anerkennung der großen Arbeit, die -durch die Aktion der
Gewerkschaften für die Arbeiter im allgemeinen und für die organl-
fferlen im besonderen geleistet wurde, erklärt der Kongreß es für
novwendig, die Bestrebungen und die Aktion der Arbeiter aller Län-
der auf die Sozialisierung der Produktionsmittel zu richten, wobei
rr von der Erwägung ausgcht, daß die Gewerkschaften die Vorbe-
dingung und Grundlage für die Verwirklichung der Sozialisierung
dllden.
Die Bewegung, die sich derzeit unter den Arbeitern aller Län-
der zeigt, ist ein Beweis dafür, daß dieser Wunsch tief in den Herzen
der Maste lebt. Und unser Exekutivkomitee ist der Unsicht, daß diese
Bewegung in der kräftigsten Weise unterstützt werden muß.
Wir rufen Euch darum auß für diese Forderung am 1. Mai
mit aller Kraft einzutreten und für diese Propaganda jene Form
zu wählen, die in dem betreffenden Lande gebräuchlich ist oder von
der Landeszentrale dafür gewählt wird. In dem einen Land wird
durch Versammlungen oder Aufzuge, in dem anderen Land durch
Arbeitsruhe für diese Forderung demonstrier! werden. Welches
Mittel aber auch gewählt werden möge:
Die Sozialisierung der Produktionsmittel muß am 1. Mai
als unsere vornehmste Forderung im Vordergrund stehen!.
Daneben soll, einem Beschluß des Exekutivkomitees entsprechend,
als nächstwichtigste Forderung für den Maitag die rasche Durch-
führung der Beschlüsse der Arbeitskonferenz von Washington auf-
gestellt werben.
Auf dieser Konferenz wurden eine Neihe von Beschlüssen zum
Schuhe des Arbeiterlebens, im Intereste der Kranken, der Arbeits-
losen, der Invaliden und zugunsten der Einführung des Achtstunden-
tages gefaßt.
Wir sind der Meinung, daß verschiedene Regierungen mit der
Durchführung dieser Beschlüste allzu lange zögern. Sollten sie
gegenüber unseren berechtigten Forderungen kein Entgegenkommen
zeigen, so Müßten sie durch die organisierte Macht der Arbeiter dazu
gezwungen werden.
Wir wollen die ganze organisierte Macht unserer
20 Millionen Arbeiter,
vereinigt im Internationalen Gswerkschaftsbund, aufbieten, um oer
Not und den Entbehrungen, unter denen das Proletariat immer
noch leidet, so rasch als möglich ein Ende zu machen.
Wir werden nicht dulden, daß mit unseren Interesten ein -Spiel
getrieben wird!
Wir verlangen, daß unsere Forderungen schleunigst bewilligt
werden!
Wir fordern Euch daher auf, nunmehr alle trennenden Gegen-
sätze beiseite zu lasten und am 1. Mai gemeinsam den Kampf zu
führen gegen alle die Mächte, die die Rechte der Arbeiter antasten
und die die materielle Notlage bestehen lassen wollen.
Wir rufen Euch auf zum Kampf für den Frieden, für das Recht
und das Wohl der Arbeiterschaft!
Dieses Ziel wird erreicht werden, wenn alle Arbeiter sich im
Kampf vereinigen für diese beiden Forderungen, die die internatio-
nale Gewerkschaftsbewegung stellt:
Sozialisierung der Produktionsmittel!
Durchführung der Beschlüsse von Washington!
Unsere Losung muß sein:
Kampf und Disziplin!
Kampf für unsere Rechte!
Gegen die Reaktion!
Es lebe die Internationale der Arbeit!
W. A. Appleton, England, Vorsitzender.
L. Iouhaux, Frankreich, 1. Bizevorsitzender.
C. Mertens, Belgien, 2. Vizevorsitzender.
C. Legten, Deutschland.
G. Dumvulin, Frankreich.
K. Dürr, Schweiz.
O. Lian, Norwegen.
R. Tayerle, Tschecho-Slowakei.
- I. B. Will i a m s, England.
Edo Fimmen, I. O u d e g e e st, Holland,
Sekretäre.
Sireikbeendigung im Elsaß.
Straßburg. 27. April. Die Arbeit ist im allgemeinen am
Memag morgen wieder ausgenommen worden, da die Streikenden
die Belangung des aus Paris gekommenen telephonischen Befehles
zum Abbruch des Streikes abwarten wollen. Die Streikleitung hat
daraufmn die Wiederaufnahme der Arbeit auf Montag nachmittag
2 Uhr festgesetzt. Die Zeitungen werden am Abend erscheinen.
Einigung zwischen England und Frankreich.
San Remo, 26. April. In der Sitzung am Montag vormittag
genehmigte die Friedenskonferenz den Wortlaut der gemeinsamen
Erklärung Frankreichs und Englands. Der Text wir- heute abend
veröffentlicht. Ueber die Annahme entspann sich eine wichtige Dis-
kussion. Nitti erklärte sich gegen militärische Maßnahmen. Lloyd
George und Millerand erläuterten ihm aber die Notwendigkeit, diese
Möglichkeit ins Auge zu fasten. Der japanische Botschafter und
der belgische Delegierte schlossen sich dem französisch-englischen
Standpunkte an, welcher schließlich durchdrang. Das in Frage
kommende Dokument enthält eine Stelle, in der die Alliierten er-
klären, daß sie entschloßen seien, alle notwendigen Maßnahmen zu
ergreifen, gegebenenfalls weitere Teile deutschen Gebietes zu besehen,
um die Ausführung des Friedensvertrages zu sichern. Die Alliierten
werden am 25. Mai in Spaa mit dem dem deutschen Reichskanzler
Müller Zusammentreffen. In französischen Kreise» ist man über die
Verhandlungen einmütig zufrieden.
Nitti für eine Politik der Arbeit.
Rom, 25. April. Nitti empfing Berichterstatter von englischen
und amerikanischen Zeitungen und erklärte ihnen gegenüber, die
Wiederaufnahme der Handelsbeziehungen mit Rußland sei unum-
gänglich notwendig. Man dürfe nicht vergessen, sagte er, daß
Rußland niemals eine der Entente feindliche Nation gewesen sei,
sondern eine verbündete, die nach langem Kampfe an ihrer Seite
abfiel. Für den Augenblick wird man wenig Äustauschartikel in
Rußland finden; aber die Wiederaufnähme der wirtschaftlichen Be-
ziehungen zur Wiederherstellung des Wirtschaftslebens, die man dem
russischen Volke schuldet, wird dazu beitragen, die schreckliche Kri-
sis, unter der Europa leidet, zu beseitigen. Die Wiederaufnahme
der Beziehungen zu Rußland sind auch notwendig, um eine Reche
falscher Gerüchte zu zerstreuen und den Volkern vor Augen zu füh-
ren, daß sich Rußland tatsächlich feit der Revolution in unendlichem
Elend befindet und daß hier eine Politik der Arbeit betrieben wer-
den müsse. Nitti versicherte sodann, er habe nicht den Vorschlag
einer Revision des Versailler Vertrages gemacht. Er glaube viel-
mehr, es sei die Pflicht Deutschlands, das in dem Kriege besiegt wor-
den sei, und das doch die Verantwortung für den ungehueren Kon-
flikt trage, den Friedensvertrag zu achten. Aber, so erklärte er, die
Alliierten müßten es mit dem Geiste der Gerechtigkeit und Güte be-
handeln und von Deutschland nur Opfer verlangen, die cs auszu-
führen imstande sei und nichts fordern, was die arbeitende, wirt-
schaftliche und moralische Erneuerung untergrabe und der revolutio-
nären Gewalt ausliefere.
Beschlüsse von San Remo.
Die Austeilung des Orients.
Berlin, 26. April. (Priv.-Tel.) Nachdem bislang nur
Kombinationen über die Ergebnisse der Konferenz inSanRemo
vvrliegen, werden der „Voss. Ztg." heute die ersten Beschlüße des
Obersten Rates Rates übermittelt. ^Danach gab der Oberste Rat
das Mandat über S y r i e n a -n F r a n k r ei ch, das über Palä -
stina und Mesopotamien an England. Er defi-
nierte „Mandat" juristisch als ,-volle Souverä-
nitä t". In der russischen Frage wurde beschlossen, wirtschaft-
liche Beziehungen zu S owj e t r u ß la n d aufzunehmen. Die
deutschen Noten wurden noch nicht geprüft. Der Oberste Rat er-
klärt sich gegen eine Revision des Versailler Vertrages. Nur die
Art seiner Durchführung ist nach Auffassung des Obersten Rates
diskutabel. Mit der Beratung der Adriafrage wurde begon-
nen. Der Türkei wurde eine Heeresstärke von 25 000 Mann auf
Antrag Lloyd! Geovge bewilligt. Das Ergebnis wurde der türkischen
Delegation übermittelt. Daraufhin soll der türkische Delegierte er-
klärt Haben, daß seine Regierung ihn beauftragt habe, den Friedens-
vertrag in seiner jetzigen Form nicht zu unterzeichnen.
Entwaffnung Deutschlands. — Vorschüsse an Geld u. Rohstoffen. —
Gemeinsame Verhandlungen.
Base l, 26. April. (Priv.-Tel.) Aus San Remo wird be-
richtet, daß in einer Samstag vormittag abgehaltenen privaten
Unterredung zwischen Lloyd George und Millerand nach dreistündi-
ger Beratung folgende Richtlinien vereinbart worden sind:
1. Die Verbündeten werden mit -en ihnen zur Verfügung
stehenden Mitteln auf die Entwaffnung-Deutschlands entsprechen-
den Bestimmungen des Vertrages von Versailles dringen.
2. Das Ersuchen Deutfchlands um Erhöhung feines Heeres-
bestandes auf 200 000 Mann wird ebenso wie die von Deutsch-
land geforderte schwere Artillerie und der Flugpark abgelehnt.
3. Deutschland erhält die Ermächtigung zu einer Verstärkung
der Polizeitruppe. Die Entente behält sich noch das Recht einer
ständigen Kontrolle über die Tätigkeit und die Besiandszisfer der
deutschen Polizeitruppen vor.
4. Deutschland erhält Vorschüsse in Gestalt von Geld und
Rohstoffen, um seine Industrie in Gang zu setzen und so seine
pekuniären Verpflichtungen einlösen zu können.
Die Konferenz von San Remo wird, wie endgültig festgestellt
wurde, bis 28. ds. Mts. dauern. Die Besprechungen sollen vor
dem 10. Mai i n P a r i s w i e d e r a uf g e n o mm e n werden.
Auch auf belgischem Boden, wahrscheinlich in Brüssel, soll im
Mai eine Sitzung des Obersten Rates stattfinden. Frankreich
werde diese privaten Vereinbarungen Millerands mit dem englischen
Premierminister g e n e h m i g e n und auch dem Wunsche Englands
und Italiens zustimmen, zu der nächsten Konferenz den deutschen
Reichskanzler hinzuziehen. Millerand soll Lloyd George kategorisch
erklärt haben, daß FrankreichanAnnexionengarnicht
denke. Es wolle weder Frankfurt noch das Ruhrgebiet noch das
linkrheinische Gebiet Deutschlands annektieren. Millerand soll auch
vorgeschlagen haben, daß diese Versicherung ausdrücklich in die ge-
meinsame Note der Alliierten anDeutschland ausgenom-
men werde.
Wie Reuter aus San Remo meldet, gab Lloyd George bekannt,
daß das Ergebnis seiner Besprechung mit Millerand in einer ge-
meinsamen Erklärung niedergelegt wird.
Die beiden Forderungen Nittis find also durchgedrungen: Man
wird die Höhe der deutsche »Kriegsschuld festsetzen rin-
der Reichskanzler wird im Mai in Brüste! sich mit den Minister-
präsidenten der ehemals feindlichen Staaten als Gleichberechtiger an
den Verhandlungstisch fetzen.
Französische Bergarbeiter gegen Caillaux
Verurteilung.
Paris, 27. April. Nach einer Havasmeldung aus St. Etiennes
sprachen^ die Bergarbeiter der Loire nochmals ihre Soli-
darität mit den Arbeitern der Schief erbergwerke aus
protestierten gegen die Verurteilung Caillaux durch den obersten
Gerichtshof.
Der Wiederaufbau Nordfraulreichs.
Berlin, 26. April. In der ersten Sitzung des deutschen Bei-
rates für die Wiedttgutmachungsfragen erklärte Dr. Rappel:
Frankreich sei bisher nicht wieder auf die Anerbietung zur unmittel-
baren Beteiligung Deutschlands am Wiederaufbau der zerstörten
Gebiete durch die Stellung von Arbeitern zurückaekommen, sodaß
eine solche Beteiligung Deutschlands vorerst nicht in Frage kommen
dürfte. Eine Einigung mit Frankreich in den Verhandlungen mit
Frankreich über die zum Wiederaufbau notwendigen Lieferungen sei
deshalb nicht erzielt worden, weil Frankreich stets die von Deutsch-
land angebvtenen oder von Frankreich angeforderten Lieferungen
nicht abgerufen habe. Die Verhandlungen über die zukünftigen
deutschen Lieferungen sollen durch Vermittelung der Zentralfachver-
bände der Industrie und der Auftragsämter der Länder nach Ver-
teilung durch die Ausgleichsstellen erfolgen, wobei darauf hingewie-
sen wurde, daß die durch Vermittlung französischer Büros in den be-
setzten Gebieten erfolgten Privatlieferungen der Firmen an franzö-
sische Kaufleute keinen Einfluß auf die deutsche Wiedergutmachungs-
summe haben.
Polnisch-ungarischer Imperialismus.
Wien, 27. April. Die Parlamentsnachrichten bestätigen die in
letzter Zeit öfter auftauchenden Gerüchte, daß durch englische Hilfe
große Mengen Munition von der Waffenfabrik Steyer und der
Munitionsfabrik Wolnersdorf nach Ungarn- geschafft worden
find, um von dvrt durch Vermittlung des Großindustriellen- Weiß
an Polen abgegeben werden. Es ist dies das Vorspiel der Ver-
einigung von Ungarn und Polen um die geplante Absicht, die Slo-
wakei, Deutfch-Westungarn und Obers-chlefien an Polen zu bringen,
durchführen zu können. Man glaubt für spätere Zeit eine Personal-
union durchführen uz können und denkt dabei an die Dynastie Habs-
burg.
Politische Ueberficht.
Die Wahl des Reichspräsidenten.
Das von der Nationalbersammlung verabschiedete Gesetz über
die Wahl des Reichspräsidenten -hat folgende Fassung erhalten:
ZI. Wahlberechtigt, wer das Wählrecht zum- Reichs-
tag hat und sich am Wahltag im Reichsgebiet auifhält. Die Wahl
ist unmittelbar und geheim. Jeder Wähler hat eine Stimme.
8 2. Den Wahlta -g- bestimmt der Reichstag. Es muß ein
Sonntag oder öffentlichen Ruhetag sein. Die Wahl kann mit einer
Re-chstagswahl oder einer allgemeinen Volksabstimmung verbunden
werden.
8 3. Der Stimmzettel- muß den, dein der Wähler seine Stimme
geben will, bezeichnen und darf keine weiteren Angaben enthalten.
8 4. Gewählt ist, wer mehr als die Hälfte aller
gültigen Stimmen erhält. Ergibt sich keine solche Mehrheit, so findet
ein zweiter Wahl gang- statt, bei dem gewählt ist, wer die
m ei st e n -gul ti g e n Stimmen- erhalten hat. Bei Stimmengleich-
heit entscheidet das Los, das der Reichswahlleiter zieht.
ß 5. Die Stimmen werden zunächst in den R -e i ch s 1 a g s -
Wahlkreis gezählt, und das Ergebnis wird dem Neichswahl-
leiter mstgeteilt. Die Zählung besorgt der Wahlausschuß. Er be-
steht aus dem WahUeiter als Vorsitzenden und vier Beisitzern, die
dieser aus den Wählern beruft. Der Wahlausschuß bestimmt mit
Stimmenmehrheit.
8 6. Der Reichswahlausfchutz stellt das Wahlergebnis im
Reiche fest. Er besteht aus dem Reichswahlleiter als Vorsitzenden
und sechs Beisitzern, die dieser aus den Wählern beruft. Der Reichs-
wahlausschuß beschließt mit Stimmenmehrheit.
8 7. Das für den Reichstag gebildete Wahlprüfungs-gericht
prüft das Wahlergebnis. Wird die Wahl für ungültig erklärt, so
findet eine Neuwahl statt.
8 8. Die Vorschriften- des 8 2, Absatz 2, 3, und 88 o, 8 bis 13,
8 14, Absatz 1, 88 23 bis 25, 88 39 bis 40 des Reichswahl-gefetzes
gelten sinngemäß. Wird die Wahl mit einer Reichstagswahl oder
einer allgemeinen Volksabstimmung verbunden, so werden die im
8 39 des Reichswahlgesetzes vorgesehenen Reichszuschüsse zu den
Kosten der Gemeinden nur einmal geleistet.
Das Gesetz tritt mit dem Tage in Kraft, an -em die erste Wahl
des Reichspräsidenten ausgeschrieben wird.