Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (1/2) — 1920

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44126#0385
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung der Amtsbezirke Heidelberg, Wiesloch, Sinsheim, Lppingen, Eberbach, Mosbach, Buchen, Adelsheim, Doxberg,

Bezugspreis: Monatlich einschl. Trägerlohn Z.SO Mk. Anzeigenpreise:
Oie einspaltige Petitzeile (36 mw breit) 70 pfg., Reklame-Anzeigen
(SZ min breit) 2.20 Mk. Bei Wiederholungen Nachlaß nach Tarif.
Geheimmittel-Anzeigen werden nicht ausgenommen.
Geschästsstunden: 8-'/,b ilhr. Sprechstunden der Redaktion: 11-12 tthr.
psstsche«»uL» Karlsruhe Nr. 22Z77. Tel.-Adr.: Volkszeitung Heidelberg.

Tauberbischofsheim und Wertheim.
Heidelberg, Oonneriag, -t. April -LS20
Nr. 77 » 2. Jahrgang

Derantwortl.: Für innereu. 2ußerepolitik,Dolksw!rtschaftu. Feuilleton: Dr.
C. Kraus; für Kommunales u. soziale Rundschau: I.Kahn; für lokales:
O.Geibel, für die Anzeigen: H. Hoffmann, sämtlich In Heidelberg
Druck und Verlag der ilnterbadifchen Verlagsanstalt G. m. b. H., Heidelberg
Geschäftsstelle: Echröderstraße ZS.
Fernsprecher: Anzeigen-Annahme 267Z, Redaktion 2S4S.
SSSSSSSSSSSSSSSMSWSMSSiSiSSWMSSSWSSSSSMSWrWSSS,

Kem Einmarsch ins Rhurgebiet?

Die Pläne der Reaktionäre.
Die monarchistische Gefahr.
In der „Welt <nn Montag" macht H. von Gerl ach auf-
sehenerregende Mitteilungen öder die Vorgänge, die zum Kapp-
Putsch geführt Haden, und insbesondere über die Absichten der
Hochverräter. Er schreibt u. a.:
Am 9. März "kam ich von einer Versammlung der Friedensgesell-
schafl in Osnabrück nach Berlin zurück. Dort waren etwa 100 be-
waffnete Angehörig« des Freikorps Lichtschlag („Freikorps Tot-
schiag" hört« ich es nennen) in meine Versammlung eingedrungen und
hatten den Sohn des Vorsitzenden durch einen Revolverfchuß niederge-
streckt. Es waren dieselben wilden Gesellen, die im November eine Ver-
sammlung des Professors Nicolai gewaltsam gesprengt hatten. Wo-
rauf «ine Arbeiterdeputativn die Abberufung des Freikorps bei Noske
beantragt hatte, von ihm jedoch mit dem Bescheid entlasten worden war,
es seien sein« „besten Leute".
Am 10. März erschien bei mir «in mir bis dahin unbekannter Herr
aus dem Zentrum der reaktionären Verschwörung. Ich werde seinen
Namen natürlich niemals irgend jemand verraten, um ihn nicht der
Rache seiner früheren Freunde preiszugeben. Er sagte:
„Ich komme, um Sie zu warnen.
Ich selbst bin Monarchist, habe die ileberzeugung, bah nur die
Monarchie die für Deutschland geeignete Staatssorm ist. Deshalb habe
A Sie bekämpft und werde Ihre Politik auch in Zukunft bekämpfen.
Aber ich bin für die Wiederherstellung der Monarchie auf versastungs-
mähigem Wege. Das, was meine Gesinnungsgenosten jetzt vorhaben,
kann ich nicht mitmachen.
Sie kennen vielleicht das Buch des Franzosen Got. Das, was
dort über das Vorhandensein einer „M ö r d e r l i st e" gesagt ist, trifft
zu. Sie stehen auf ihr an erster Stelle. Sie werden am
meisten gehaßt. Einmal wegen Ihres Namens, und dann, weil Ihre
Artikel für die wirkungsvollsten gehalten werden.
Um die Wende des 1. April herum soll eine mo-
narchistische Erhebung stattsinden. Für die Wahl dieses
Datums sind zwei Erwägungen maßgebend. Zum IS. April ist die Auf-
lösung der Marinebrigade Ehrhardt angekiiudigt. Diese Brigade
ist die Kerntxuppe der Verschworenen. Man will losschlagen, ehe sie
in alle Winde zerstreut ist . Sodann lasten die letzten Nachrichten das
Zustandekommen einer Riesenanleihe der Entente für
Deutschland immer wahrscheinlicher erscheinen. Diese Anleihe würde
bedeuten: mehr Lebensmittel, Rohstoffe, mehr Arbeitsgelegenheit, wach-
sende Beruhigung de» Volkes, Konsolidierung der Republik, Schwinden
der Nur sichten auf eine monarchische Restauration. Deshalb muß das
ZnstandelHkmtn der Anleihe verhindert werden.
Bei oen Beratungen der letzten Tage wurde eingewandt, daß die
' »anarchistische Erhebung Verwicklungen mit der Entente, Erneuerung
> er Blockade, Hungersnot in den großen Städten zur Folge haben könne,
darauf erklärte einer der allerersten Führer:
„Je mehr Proletarierkinder verrecken, umso
Hesse r."
Dann wurde ekngewandt, daß der Süden und Westdeutschland sich
w >hl einer Berliner Militärdiktatur nicht unterstellen würden. Daraus
rr lärte derselbe Führer:
„Besser ein kleines monarchisches Preußen, als
ei, großes revublikanisches Deutschland."
Schon im vorigen Herbst, nach der Rückkehr der Baltikumtrnppen,
sollt; die Erhebung stattsinden. Damals scheiterte sie jedoch an der Ri-
valnät der Generale von Lüttwitz und Maercker, von d«nen jeder
die aste Rolle spielen wollte. Diesmal liegt ein Bries von Lütt-
witz an Ludendorff vor, in dem Lüttwih versichert, es solle nickt
wieder wie im Herbst gehen. Sobald Ludendorfs das Zeichen gebe,
ßhlage er los.
Zwischen Ludendorff und Helfferich haben Besprechungen
stattgefunden.
Man ist sich natürlich darüber klar, daß die monarchistische Erhebung
die gesamte Berliner Arbeiterschaft gegen sich haben wird. Sie zu ge-
winnen, wird nicht möglich sein, deshalb soll sie durch Terror eingeschüch-
tert werden. Das Beispiel des weißen Terrors in Un-
garn hat die Verschorenen bezaubert. Man steht mit den
ungarischen Monarchisten nicht nur in Fühlung, man will ihr Beispiel
auch nachahmen. Nach der Besitzergreifung Berlins werden eine An-
zahl von „Rotabeln" der Gegenseite, darunter Sie, aus dem Potsdamer
Platz erschossen werden. Man nimmt an, das werde auf die Arbeiter-
schaft so abschreckend wirken, daß sie sich ruhig verhalten werde.
Ich bin kein Spitzel und habe mich deshalb nicht an die Behörden
gewandt. Ich komme nur zu Ihnen, um Sie persönlich zu warnen.
Ich konnte cs nicht über mich gewinnen, einen solchen Mvrdplan ruhig
aussühren zu lasten."
Soweit die Auslastungen des anständigen Monarchisten. Einer
Erläuterung bedürfen sie nicht.
Am 10. März wurden mir diese Mitteilungen, wonach mir also
etwa 14 Tage Zett zur Verfügung standen, um die nötigen Äbwehrmatz-
regeln zu treffen. In den Abendblättern des 12. März las ich die Mit-
teilung der Regierung, wonach sie einem Komplott auf der Spur sei und
bereits Haftbefehle gegen Kapp und Padst, allerdings leider bisher
vergeblich, erlaßen habe. Sofort mußte mir klar sein: in der Nacht
geht es los! Die Verschworenen werden sich, hüten, das Kvnrplvtt
nacheinander aufrollen und ihre Häupter Verhaften zu lasten. Jetzt
oder nie!
Tatsächlich rückten denn auch die Döberitzer in der Nacht in Berlin
«in, darunter meine Baltikumfreunde vom 20. Februar, die man damals,
nach dem Attentat auf mich, so zartfühlend nach ihrer Vernehmung auf
der Wache schleunigst wieder in Freiheit gesetzt hatte.
Was folgte, ist bekannt. Es ist schlimm genug gewesen, aber lange
nicht so schlimm, wie es geplant war. Das lag daran, daß man ge-
zwangen gewesen war, vorzeitig, mindestens vierzehn Tage zu früh,
loszuschlagen. Darum klappte cs so wenig, darum machte so vieles den
Eindruck des Kopflosen. Man mußte improvisieren,chatte ja noch nicht
einmal die Mimstertisten fix und fertig. Die militärische Vorbereitung
war glänzend, die politische ganz unzureichend. Darum blieb mancher
aus Vorsicht hinter den Kulissen, der sic» sonst zu einer ersten Rolle he-
rufen gefühlt hätte.
Der Spuk ist aus — vorläufig wenigstens. Das Bürgertum
bat nichts, oder fast nichts, die -Arbeiterschaft überwältigend Großes
zum Schutz der Republik geleistet. Wer mit Dank und Lohn an sie
mausert, der ist, ohne es zu wollen vielleicht, in Wahrheit ein Feind der
Republik.

Die Lage i«r Ruhrgebiet.
Die Reichswehr zu Hilfe gerufen.
Berlin, 31. März. Die Reichsregierung hat ans Duis-
burg nachstehendes Telegramm erhalten:
Die Lage in Duisburg hat sich so zugespitzt, daß die Ord-
nung nur durch unverzügliches Eingreifen der
Reichswehr wiederhergestellt werden kann. Zurückflutende
bewaffnete Masten besetzten die Stadtausgänge und zwingen mit
Gewalt die Werke zum Stillstand. In der Stadt selbst herrscht
nach wie vor die Willkür einiger wil-kommunistischer Elemente.
Die Hoffnung, in der Stadt nach dem Zusammenbruch der Roten
Armee mit Polizei und Ortswehr selbst die Ordnung wiederher-
zustellen »mußte aufgegeben werden.
Der Oberbürgermeister, die Zentrmnspartei, die S. P.D.,
die D.D.P.
Militärischer SituatkonsberW^
Münster i. W., 31. März. Einer VerlauGarung aus mili-
tärischer Quelle ist folgendes zu entnehmen. Bei Wefel geringe
Gefechtstätigkeit. In Dahlen und Dorsten werden die Brücken ge-
halten. Die Linie Haltern, Lüdringhausen-Herbom wurde kampf-
los erreicht. Widerstand ist von den Bolschewisten erst inHerne
beabsichtigt. Auf dringenden Hilferuf des Bürgermeisters und des
Landrates von Hamm wurde die Stadt von unseren Truppen be-
setzt. Ueberall, wo unsere Truppen durchmarfchierten, war ihr
Verhältnis zu allen Bevölkerungskreisen vorzüglich. In Werl
wurde das Gefängnis gestern nachmittag von Spartakisten ge-
stürmt und 50 Gefangene befreit. Heute ist die Stadt wieder frei
vom Gegner. Im Kreise Iserlohn beschlagnahmte der Aktions-
ausschuß Sprengmumtivn und Sprenggeräte. In Osnabrück wur-
den mehrere Reserveoffiziere als Geiseln verhaftet. Die bolsche-
wistische Armee soll neuerdings auch einen funkentelegraphischen
Verkehr eingerichtet haben. Ihre Truppenverschiebungen werden
durch das große elektrische Bahnnetz des Industriegebiets besonders
erleichtert. In vielen Städten des Industriegebietes wurden nach
der gestrigen Aufforderung des Essener Zentralrates Arbeitswillige
mit der Waffe von der Arbeitsstelle vertrieben und verschiedentlich
zu Schanzarbeiten oder zum Eintritt in die bolschewistische Armee
gezwungen. Die Plünderungen und Brandschatzungen nehmen zu.
Aus allen Teilen der Bevölkerung wird dauernd die Beschleuni-
gung des Einmarsches gefordert, vor allem in den Kreisen Reck-
linghausen, Lüdringhaufen und in den Städten Gelsenkirchen, Horst
und Emscher.
Einstellung des militärischen Vormarsches.
Aus Dortmund erfahren die „P. P. N.": General Matter
hat den Befehl bekommen, den Vormarsch einzu-
stellen. Am Mittwoch wird der Zivilkommiffar Severing
in Hagen erwartet.
Nach einer Meldung aus Essen untersagte der Zentralrat in
einem Aufruf alle Zeitungen Westfalen und des Rheinlandes den
Abdruck des von den christlichen Gewerkschaften veröffentlichten
Protestes gegen den Generalstreik.
Der Generalstreik im Ruhrrevier.
Die Stillegung der Gewerkschaften.
Elberfeld, 31. März. Hier herrschat der General-
streik. Bisher wurden ungefähr tausend Gewehre ab-
geliefert. Der Aktionsausschuß ist noch in Tätigkeit. Der
Verkehr innerhalb der Stadt wird aufrecht erhalten. Auch in
Remscheid herrscht der Generalstreik, wo nicht einmal die Stra-
ßenbahn verkehrt. Die Bürgermeister von Oberhausen, Remscheid
und Mühlheim a. d. Ruhr wurden ihres Amtes entsetzt
und verließen die Stadt. In Duisburg hat sich der Oberbürger-
meister aus den Stadtteil zurückgezogen, den die Belgier besetzt
haben.
Berlin, 31. März. (D.Z.B.) In Berlin erklärte der
Vorstand der Gewerkschaften in Ueberemsttmmung
mit den mehrheitsfoziälistischen und den unabhängigen Mitgliedern,
daß der Generalstrei noch nicht erwogen, geschweige denn
angedroyt ist. An der Generalstreiksdrohung halten nur die
revolutionären Obleute, wilde Vertreter, der von den Arbeitern
nur teilweise anerkannten syndikalistischen Richtung,
rvelcye von den Rechtsfozialisten und Unabhängigen in den Gewerk-
schaften zu den Verhandlungen nicht zugelassen werden.
Berlin, 31. März. Die Vollversammlung der revolli-
tis när en Betriebsräte in der Bötzow Brauerei nahm
nach längeren Verhandlungen einstimmig eine Resolution an, in
welcher der Generalstreik abgelehnt wird. Die Arbei-
terschaft solle sich jedoch in Alarmbereitschaft halten, um
nötigenfalls den bedrohten Brüdern im Ruhrgebiet
durch den Generalstreik zu Hilfe zu kommen. Aus den Verhand-
lungen ist noch das Referat des Vertreters der Unabhängi-
gen Däumig hervorzuheben, der dringend vom Genera l-
st r e i k a b r i e t, da nach den s. Zt. von der Regierung getroffenen
Maßnahmen eine akute Gefahr für die Arbeiterschaft des Nubrae-
bietes nicht bestehe. Auch der Vertreter der Kommuni-
st e n, Walcher, sprach sich gegen den Generalstreik aus,
zumal man durch eine derartige Aktton z. Zt. keinen Erfolg zu er-
hoffen habe.
Der monarchistische Angriff ist abgeschlagen. Die monarchistische
Gefahr ist noch längst nicht beschworen. Erst wenn alle entscheidenden
Posten in der bewaffneten Macht von überzeugten Republikanern besetzt
sind, wird die Republik stehen „wie Fels im Meer".

Politische Ueberficht.
Die Kämpfe im Ruhrgebiet. — Der provozierende Militarismus.
Die schon in der Dienstagssitzung der Nationalversammlung
durch Reichskanzler Müller erwähnten Zusatzbesttmmungen des
Generals von Walter zu dem Ultimatum der Reichsregierung
liegen uns jetzt im Wortlaut vor. Diese Zusätze, die nach -er
Meinung des Reichskanzlers von -en Arbeitern des Ruhrgebiets
als unerfüllbar bezeichnet werden, bestimmen die Waffenabliefe-
rung bis ins einzelne; so heißt es in Artikel 1: Sind bis 31. März
vormittags 12 Uhr nicht schon vier schwere Geschütze, 200 Ma-
schinengewehre, 16 Minenwerfer, 20 000 Gewehre, 400 Schuß
Arttlleriemumtton, 100 000 Infanteriemunitton abgeliefert, so tzift
die Bedingung der Waffenabgabe als nicht erfüllt. 2. Ebenso gilt
die Anerkennung Ker Skaatsautorität nicht als erfüllt, wenn bis
3V. März, 11 Uhr vorm., Vollzugsräte noch bestehen. 3. Stehen
am 30. März, 11 Uhr vormittags noch Teile der Roten Armee
oder sonstige Wehren unter den Waffen, gilt die Bedin-
gung der Auflösung der Roten Armee nicht als erfüllt. Zu-
letzt heißt es noch: Gefangene und Geiseln müssen bis 3. März,
12 Uhr vormittags, bei dem Wehrkreiskommando Mün-
ster eingeliefert sein. Wird Gefangenen und Geiseln nur ein
Haar gekrümmt, so gilt die Bedingung nicht als erfüllt.
Die „Freie Presse", unser Bruderorgan in Düsseldorf,
schreibt unter anderem folgendes dazu:
Wir fragen: Wer hat Herrn v. Watter das Recht gegeben,
Zusätze zu einer Erklärung der Reichsregierung herauszubrin-
gen? Und wie kommt er dazu, den von der Regierung bestimmten
Termin bis zum Ablauf des Ultimatums zu verkürzen? Mit
dieser Maßnahme kann nur Oel ins Feuer gegossen werden-. Der
größte Teil der örtlichen Vollzugsräte ist im Augenblick ernstlich
bemüht, die Roten Fronttruppen über das Bielefelder Abkommen
aufzuklären, und wenn v. Watter jetzt mit dem Kommißstiefel da-
zwischentritt, macht er die ganze Arbeit zuschanden. Der Essener
Zentralrat der Vollzugsausschüsse, bei dem bisher noch immer die
größten Schwierigkeiten bezüglich des Bielefelder Abkommens vvr-
baneden waren, hatte sich endlich bereit erklärt, daß er -die in Biele-
feld am 24. März getroffenen Vereinbarungen als für sich ver-
bindlich erklärt. Die Kampfleitung der Roten Armee gibt eben-
falls kund, daß sie sich dem Beschluß des Zentralrates unterwirft.
Soweit war die Angelegenheit zur Zufriedenheit gediehen, als
plötzlich die Nachricht eintraf von den eigenmächtigen Zusatzbedin-
gungen des Herrn v. Watter. Darauf gibt nun der Zentralrat
folgende Antwort:
Der Zenkralverband erblickt in den Ausführung «ckestimmungen
den Versuch, unter allen Umständen einen Vorwand zu finden, um
in das Rlchrrevier eingiehen zu können. Jeder Mensch muß er-
kennen, daß die Erfüllung der hier gestellten Bedingungen technisch
unmöglich ist. Hinzu kommt, daß dem Zentralrat diese Ausfüh-,
rmrgMestimmungrn nickt einmal bekannt geworden sind, er sie
vielmehr durch einen Zufall zur Kenntnis nehmen konnte. In der
Abwehr der ungeheuerlichen Forderungen ruft Ker Zentralrat zuM
sofortigen Generalstreik auf.
Wenn ietzt nicht noch Zeichen und Wunder geschehen, haben
wir durch die Schuld des Herrn v. Watter eine neue Katastrophe.
Unser Genosse Eck-Troll aus Frankfurt übersendet uns
eine interessante Skizze über diesen General von Watter, die uni,
einigermaßen die Haltung Ker Arbeiterschaft diesem Herrn gegen-
über verständlch macht:
Ich sehe ihn. noch heute vor mir. den Herrn General Freiherr von
Watter, weiland Kommandierender General des 13. würdtembergifchen
Korps.
1915 wars. Bis zur Offensive in Nordpolen. Vor Präsiwlz. Das
Korpshaupt guartier lag in Krzvnal-vga Mosa, zu Deutsch Klein Mühlen.
Vor dem Hause, in dem die Exzellenz wohnte, war ein schmäler
Kiesweg angelegt, der um die Kirche herunHübrte. Dieter Weg war
der einzige, den man gehen konnte, ohne knietief in den Schmutz emru-
sinken. Auf diesem Weg erging sich allabendlich Seine Exzellenz. In
der leganten GeneratsftteUcka und den langen, stets elegant gebügelten
schwarzen Holen mit den weithin leuchtenden Generalsstr»ifen. Und
elegantem, feinem Schubwerk.
Bei dem herrschenden Schmutz konnte sich das mir der Herr Gene-
ral erlauben. , „ „ „ . . ...
In dieser Kurfürstendamm- und Hofballaufmachlmg stolzierte «
herum wie ein iStorch im Salät. , ,
Paradegeneral nannten ibn daher die Württemberger.
Und die Gedanken, die sich die Feldgrauen machten, wenn sie bis
rum Hals mit Dreck bespritzt aus den versumvften Schützengraben-
stellimaen zurück ins Korpsbai,ptguartier kamen und den Mann in den
eleganten Paradehofen da aus und ab stolzieren sahen, kann man sich
derben.
Wenn- sie aber erst um die Essenszeit an der Stabskücke vorbei-
»amen und die leckeren Saucen riechen durften. Kann war die Revolution
im Innern fertig. Und wenn die wcchlgesülltcn und fern servierten Plat-
ten spazieren getragen wurden.
Die Ordonnanzen und tlnteroffi-iere der Stadswacke aber durften
ans der Goulaschkanone speisen. Auch hier bekamen sie nickt mal die
ihnen zustebende Portion. Die auf ihren. Anteil eMtzllenden Delikatessen
frisches Fleisch, das es im Sommer nicht reaelmä'ßig gab — .wander-
en zum arvfüen Teil in die Küche der Offiziere. ilntervtfPere iiich
Maivns-chasten konnten das Fleisch dann mit der Lupe rm „Nauen Hein-
rich" suchen. .
Der Prozentsatz der flei-schbrmgriqeir Offiziere im Verhältnis zn
t-en Unteroffizieren und Manntzbästen war bei xedem Stab eben be-
deutend giäßer als in iedem anderen Verband.
Wer aber einen Mick in den angelegten, wv h l a sfo rti« r t en
Weinkeller werfen konnte, der mußte gleich Spartakist werden.
Mehrere Tausende Rüdesheimer und Hvchheiiner Bocksbeutel, Rot-
und Weißweine, Sekt fast aller deutschen Mark: lagen da wohl auf-
gespeichert.
 
Annotationen