Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (1/2) — 1920

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44126#0379
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung der Amtsbezirke Heidelberg, Wiesloch, Sinsheim, Epping m, Eberbach, Mosbach, Buchen, Adelsheim, Boxberg,
Tauberbischofsheim und Wertheim.


Bezugspreis: Monatlich einschl. Trägerlohn 2.S0 Mk. Anzeigenpreise:
Oie einspaltige Petitzeile (Zt> mm breit) 70 pfg., Reklame-Anzeigen
sSZ mm breit) r.20 Mk. Lei Wiederholungen Nachlaß nach Tarif.
Geheimmittel-Anzeigen werden nicht ausgenommen.
Geschäftsstunden: 8-H26 Uhr. Sprechstunden der Redaktion: 11-12 llhr.
Postscheckkonto Karlsruhe Nr. 22577. Tel.-Adr.: Volkszeitung Heidelberg.

Heidelberg, Mittwoch, 31. März 1920
Nr. 26 » 2. Jahrgang

Derantwortl.: Fürinnereu. äußere politik,Dolkswirtschaftu. Feuilleton: Or.
E. Kraus; für Kommunales u. soziale Rundschau: F.Kahn: für Lokales:
O. Geibel: für die Anzeigen: H. Hoffmann, sämtlich in Heidelberg
Druck und Verlag der llnterbadischen Verlagsanstalt G. m. b. H., Heidelberg
Geschäftsstelle: Schröderstraße ZS.
_ Fernsprecher: Anzeigen-Annahme 2673, Redaktion 2648.

Königlicher Staatsstreich in Dänemark.

Der Bürgerkrieg an der Ruhr.
Die militärischen Leistungen der Roten Armee.
Lieber dieses Thema verdrecket sich m ihrer Sams-
tagsnummer unser Darmstädter Part-eibl-att. Wir dringen
die Ausführungen ohne jede Streichung, weil sie für alle
Genossen von größtem Interesse sind. Besonders die
letzten Hinweise auf die außenpolitischen Gefahren emp-
fehlen wir besonderer Beachtung. Die Redaktion.
Im Ruhrrevicr, wo vor dem Krieg der Werksfeudalismiw
der Kohlenmagnoten jede Organisation der Arbeiter verhinderte
wo sich während des Krieges die militärische Kontrolle des Berg-
baues mit der Riesenmacht des konzentriertesten Kapitals zu furcht-
barstem Despotismus steigerte, herrscht Bürgerkrieg. Eine Rvtc
Armee ist erstanden, die 50 000—60 000, nach anderen Angaben
sogar 100 000 Mann zählen soll. Was die Revolution selbst
nicht zustan-debringen konnte, nämlich die Bildung einer Armee
mit proletarischen Führern, hat die Gegenrevolution
hervorgebracht. Selbst die Bourgeoisie muß zugeben, daß di?
proletarischen Führer der Roten Armee sich ihrer Aufgabe voll
kommen gewachsen zeigen. Organisation und Führung, so schreiben
die Berichterstatter der bürgerlichen Presse, „sind überraschend
gut" . Vor Wefel, einer Stadt mittlerer Größe an der Münduiw
der Lippe in den Rhein, hatte sich ein regelrechter Grabenkrieg
entwickelt, der von den Proletarier-Offizieren Vorbild
lich nach allen Regeln moderner Taktik geführt wurde. Selbst die
feudal gesinnten Eamaschenknöpfe der Reichswehr, die mit dumm
dreister Ueberhebung auf jeden herabblicken, der aus dem prole
tauschen Milieu zu einer militärischen oder politischen FührcrroVc
emporstrebte, müssen dem aus Proletariern bestehenden Großer
Generalstab der Roten Armee und ihrem Proletarier-Offizier
korps zugestehen, daß sie ausgezeichnete militärische Leistungen aus-
zuweisen haben. Insbesondere zollen die Reichswehroffiziere der
präzisen Feuerleitung des roten Offizierkvrps unumwundene An-
erkennung. Ihre Artillerie ist geschickt postiert und schießt mit
erstaunlicher Sicherheit. Und was die Erfolge anbetrifft, so
zeigen die Tagesberichte der Roten Armee, daß sich der Sieg ar
ihre Fahnen heftet. Aus dem Gebiet der Ruhr und Lippe ist die
Armee der Gegenrevolution schimpflich vertrieben. Bei Wes:'
steht die Rote Armee am Rhein, Münster fühlt sich von ihr
bedroht.
Rein militärisch betrachtet, kann das deutsche Proletariat aus
seine Rote Armee stolz sein. Sie hat unter proletarischer Führung
glänzende Waffentaten gegen die Konterrevolution zu verzeichnen.
Auch daß in ihren Reihen die Jugend vorherrscht, ist durchaus in
der Ordnung. Es wäre ja traurig gewesen, wenn die proletari-
sche Jugend, als der Ruf zum bewaffneten Widerstand gegen die
Gegenrevolution erschallte, feige in der Stube hocken geblieben
wäre. Die proletarische Jugend, die in Massen zur Roten Armee
strömte, hat sich, was Tapferkeit und Heldenmut anbetrifft, der
revolutionären Jugend des Jahres 1848 würdig gezeigt, ja sie
noch übertroffen, weil sie, wie selbst die Bourgeoisie im Industrie-
gebiet zugeben muß, mit einem Mut und einer Hartnäckigkeit die
konterrevolutionäre Reichswehr bekämpfte, die bewunderswert war.
Eine wichtige Frage, die sich jedem bei Betrachtung der Er-
folge der Roten Armee aufdrängt, ist die, wo dieselbe ihre vorzüg-
liche Ausrüstung her hat. Noch weniger als auf wirtschaftlichem
Gebiet geschehen auf militärischem Gebiet Wunder. Die Bewaff-
nung einer Armee kann nicht improvisiert werden. Die Wahr-
scheinlichkeit spricht nun dafür, daß der Roten Armee die Waffen-
und Munitionslager in die Hände gefallen sind, die die hochver-
räterischen Generale der Reichswehr heimlich zum Revanchekrieg
gegen Frankreich im Industriegebiet angehäuft haben. Daß diese
Bande in der Tat den Revanchekrieg vorbereitete, wißen wir aus
der Stuttgarter Rede des gestern zurückgetretenen Reichskanzlers
Bauer. Die Militaristen sind also mit den Waffen geschlagen wor-
den, die sie selbst heimlich, in verbrecherischer Absicht, angehauft
hatten.
So zufrieden nun auch jeder ehrliche Sozialdemokrat mit der
militärischen Leitung der Roten Armee fein kann, so sehr wird er
deren politische Leitung verurteilen müssen. Es ist
ein schweres Unglück für das ganze deutsche Proletariat, daß feine
Rote Armee, die so erfolgreich und heldenhaft gegen die Konter-
revolution gekämpft hat, politisch von Kommunisten geführt wird.
Man weiß, daß die auswärtige Politik des Kommunismus sich
in allen Punkten mit der des besiegten deutschen Imperialismus
deckt. Wie der Imperialismus, so strebt auch der Kommunismus
ein außenpolitisches Bündnis mit Sowjetrußland an. Das Ziel
beider Geistesströmungen ist der Krieg am Rhein gegen die En-
tente. Von neuem wollen Imperialisten und Kommunisten Europa
in den Krieg treiben. Der Sieg des Kommunismus im. Industrie-
gebiet wäre gleichbedeutend mit dem Wiederbeginn des Weltkriegs.
Gewaltige außenpolitische Gefahren steigen also für
das deutsche Proletariat drohend am Horizont der Zeiten auf.
Der Generalstreik im Dortmunder Kohlenbecken, der gestern von
Neuem ausgebrochen ist, betrifft aufs härteste auch Frankreich,
dessen Kohlenbergwerke im Norden durch den Krieg zerstört wor-
den sind und dem der Friedensvertrag Anspruch auf einen Teil
der Kohlenausbeute des Ruhrreviers gibt. Frankreich kann also
den Bürgerkrieg an der Ruhr leicht zum Vorwand nehmen, das
deutsche Kohlenrevier zu besetzen. Damit geriete aber die ganze
Avhienversorgung Deutschlands in die Hände der Entente. Ein
Zustand würde dadurch entstehen, der -wegen seiner ungeheuren
wirtschaftlichen Folgen auch außenpolitisch überreich an Gefahren
s^äre. Europa würde wieder einem von Brandfackeln umkreisten
Pulverfaß gleichen. Der Sieg des Kommunismus im Ruhrrcvier
würde über lang oder kurz den Krieg Deutschlands mit der Entente

Der konservative Staatsstreich.
Kopenhagen, 29. März. (Priv.-Meld.)
Hier ist die Spannung außerordentlich. Der König hat
mit Unterstützung der konservativen Partei heute mittag einen
Staatsstreich ausgeführt, nachdem der Reichstag in die Osterferien
geschickt worden war. Der König forderte heute den Staatsminister
fahle auf, seine Demission einzureichen. Da der Minister sich
oeigerte, der Aufforderung Folge zu leisten, wurde das ganze
abinelt durch ein Dekret des Königs entlassen. Wie
erlautet, ist der frühere Ministerpräsident Neergard mit der Bil-
ung eines Geschäftsministsriums betraut worden.
Die Handlung des Königs steht im Widerspruch zu feinen kon-
stitutionellen Rechten und muß als Staatsstreich bezeichnet werden.
Man erwartet folgenschwere Maßnahmen von radikaler und so-
ialistischer Seite. Wahrscheinlich wird der Generalstreik verkün-
et., und man spricht von der Ausrufung derRepublik.
Heute abend wurde der Zentrumsplatz durch Militär und Polizei
chgefperrt. Man vermutet, daß es in der heutigen Nacht zu Stra-
:n kämpfen kommen wird.
Eine ernste Regierungskrise in Dänemark.
Kopenhagen, 30. März. Lieber -die Demission des Ka-
binetts wirb noch gemeldet, daß der König nach einer längeren
Besprechung mit Ministerpräsident Zahle über die nordfchleswiW-e
Politik die Regierung auffvrderte, ihr Abschiedsgesuch einzureichen.
kahle lehnte dies ab. Darauf erteilte der König Zahle den
Abschied und beauftragte den Führer der Linkspartei Neer-
- aerb mit -der Regierungsbildung. Neergaerd erklärte sich jedoch
außerstande, -den Auftrag auszuführen. Daräuf bat der König die
ehemalige Regierung, die Geschäfte provisorisch weiterzuführen,
vas aber Zahle ablehnte. Die Regierungsparteien find telegra-
phisch nach Kopenhagen für morgen zu einer Sitzung einberüfen
worden. Das Blatt „Sozialdemorrakn" nimmt in einer Sonder-
ausgabe gegen den Staatsstreich des Königs Stellung. In sozial-,
-emokratische-n und radikalen Kreisen sieht man die Lage als sehr
: r n st an.
Kopenhagen, 30. März, mittags 4 Uhr. (Eigene Meldung.)
Der König hat das Ultimatum abgelehnt. Die sozialdemokratische
Partei hat daraufhin für morgen früh den Generalstreik prokla-
miert. Sie gedenkt ein eigenes Kabinett zu bilden und denKönig
sowie das Kabinett, das in seinem Auftrage gebildet wird, zum
Rücktritt aufzufordern.
Der Generalstreik des Proletariats.
Kopenhagen, 30. März. (W.-B.) Die Gewerkschafts-
ausschüsse der vereinigten Gewerkschaften, des soziäldemokraÄfchen
Verbandes und der Gemeinschaftsorganisationen der Arbeiter-.von
Kopenhagen, sowie der Repräsentanten der Reichstagsgruppe und
der Gruppe innerhalb der Stadtverordnetenversammlung hielten
am Montag abend eine Versammlung ab, in welcher eine Ent-
schließung angenommen wurde, die aus Anlaß der Verabschie-
dung dss Ministeriums durch de» König verlangt, daß die Verfas-
sung des Landes respektiert, das vom König verabschiedete Mini-
sterium wieder eingesetzt und -der Reichstag einberufen wird, um
das Wahlgesetz fertig zu behandeln. Wenn diesen Forderungen
bis heute Dienstag, 91- Uhr, nicht nachgekvinmen wird, soll in
einer Versammlung der vereinigten Gewerkschaften
der Vorschlag auf sofortigen Eintritt in den Generalstreik in allen
Zweigen des Wirtschaftslebens gestellt werden. Erne Deputation
batte gestern abend Zutritt beim König, um -die Entschließung zu
überbringen. Der König versprach, innerhalb der genannten Zeit
Antwort zu geben. Es wurde ein Aktionsausschuß eingesetzt, um
die evtl, nötigen- Schritte zu beraten.
Kopenhagen, 30. März. „Berli-nske Tidende" meldet:
Der König beauftragte den Rechtsanwalt beim Reichsge-
richt Liebe ein G es ch ä fts m in i st er i u m zu bilden, das
Auftrag haben soll, N e u w a h l -e n z u m Landtage auszu-
schreiben. Zum Minister des Aeußern wurde der dänische
Gesandte in London Kammerherr Grevenko p-E aste n s-
kionli ausersehen.
Die ZwangsbervirtschafLung des Zeitungs-
papiers.
Berlin, 30. März. Durch eine Bekanntmachung des
ReichsWirtschaftsminlfteriums vom 27. März wird die Fort-
setzung der Bewirtschaftung des für die Tages-
presse und den Buch- und Zeitschriftenverlag
bestimmten Druckpapiers angeordnet. Die Bestim-
mungen halten sich im wesentlichen im Rahmen der bis-
herigen Regelung, jedoch tritt bei denjenigen Zeitungen,
deren Auflage gegen früher zurückgegangen ist,
eine schärfere Kürzung des Bezugsrechtes als
bisher ein. Das auf diese Weise ersparte Papier soll be-
sonders bedürftigen Zeitungen zugeführt werden.
Die Fortsetzung der Kontingentierung entspricht einem
Wunsche der Verlegerschaft, insbesondere sprach sich
auch der Buch- und Zeitschriftenverlag m seiner Mehrheit
dafür aus.

zur Notwendigkeit machen. Diesen Zusammenhang zwischen inne-
rer und auswärtiger Politik darf das deutsche Proletariat nicht aus
dem Auge verlieren. So stcft es auch auf die militärischen Lei-
stungen seiner Roten Armee sein kann, so wenig darf es vor den
schweren Gefahren die Augen verschließen, die die Fortdauer des

Bürgerkrieges an der Ruhr für die europäische Menschheit he»
aufbeschwören.

Die Finanzschwierigkeiten der Roten Armee
Duisburg, 29. März. Unter den Arbeitern im Indu-
striegebiet -drohen große Unruhen- -auszubrechen, da die Werk«
nicht mehr auslvhnen können. Wegen Mangels an Zahlungsmitteln
mußte schon am vergangenen Samstag die Löhnung auf der
Hütte Phönix ausfallen. Die anderen Werke haben ihre
verfügbaren Barmittel vorschußweise an die Arbeiter ver-
teilt, um den Requirierungen für -die Rote Armee zu entgehen.
Die kommunistischen Machthaber versuchen, Notenpressen
einzurichten. Die städtischen Beamten sind in den Streik
getreten, da -der Oberbürgermeister Dr. Jarres und der erste
Beigeordnete gefangengehaften werden.
Kleine Bilder der Heldentaten des weißen Schreckens
in Deutschland.
Verschwunden!
Die „Breslauer Volksmacht" meldet: Samstag nacht wurde
das Vorstandsmitglied der U.S.P. und Redakteur -der
„Schlesischen Arbeiterzeitung", der Student
Bernhard Schottländer, im Generalkommando verhaftet,
als er dort mit Vertretern anderer Parteien über -die Stellung-
nabme des Generalkommandos zu den Putschisten Aufklärung
haben wollte. In -der Nacht vom Montag zum Dienstag ist Schott-
länder auf einen schriftlichen Befehl des Generalkommandos durch
drei Offiziere der übel berüchtigten dritten Marinebriga-de aus
dem Gefängnis in der Kletfchkaustraße zum angeblichen Transport
nach Matz abgeh-vft worden. In Matz ist aber Schottländer nicht
eingetroffen und über seinen Verbleib ist nicht die mindeste
Spur vorhanden. Das Generalkommando soll auf wiederholte
Nachfragen nach -dem Verbleib des Vermißten immer -erklärt
haben, es wisse nichts.
Nun sind von der Familie des Vermißten, dem Oberprästden-
Len und der Parteileitung der U.S.P. 15 000 Mk. Belohnung aus-
gesetzt für Nachrichten über den Betbleib Schottländers und An-
gaben über hie genauen Personalien der Transporteure. Einer
der letzteren soll ein lahmgehendsr Marineoffizier fein. —- Gleich
spurlos verschwunden sind ein unpolitischer Arbeiter
und dreider K.P.D. angehörende Arbeiter.
Aus der „Fränk. Tagespost":
EinNeffeRichard Fische rszumTodever urteilt.
Nach einer Drahtmeldung wurde von einem unbekannten
Truppenteil, wahrscheinlich einer mordenden Bande von Balti-
kumern, Genosse Franz Fischer in Wusterhausen, ein Neffe
des Abgeordneten Richard Fischer, der selbst von den Lütt-
witzern einige Zeit in Hast -genommen war, zusammen mit ande-
ren Sozialdemokraten als Anhänger oder Führer während der
Unruhen in der Umgebung Berlins bei dem Versuch der Arbeiter-
schaft, die verfassungsmäßige Regierung zu stützen, verhaftet und
vor ein Standgericht geschleppt. Bon diesem wurde er
mit den Worten empfangen: „Ihre Genossen haben bereits ge-
standen, daß Sie der Rädelsführer gewesen sind. Was haben Sie
dazu zu sagen?" Als Genosse Franz Fischer wahrheitsgemäß ant-
wortete, daß er.an den ganzen Vorgängen völlig unbeteiligt war,
erfolgte der lakonische Befehl: 25! Die Prügel st rafe wurde
darauf vollzogen und nach einiger Fest -die Frage wiederholt, bis
etwa 200 Schläge voll waren. Fischer verlor das Bewußtsein
und wurde dannzum T o d e v e r u r te i l t. Richard Fischer,
von der Frau seines Neffen über die Sache unterrichtet, machte
sich sofort auf die Beine, um, die Ausführung des Todesurteils zu
verhindern. Von General v. Seeckt -wurde das Urteil aufgehoben,
aber der verurteilte Genosse Franz Fischer war n i r g ends au-f-
zufinden. Nachdem Richard Fischer alle Gefängnisse abgesucht
hatte, fand er seinen Neffen unter einem Transport Gefangener,
der gerade eingeliefert wurde. Genosse Franz Fischer hat unter
den Mißhandlungen furchtbar gelitten, teilweise schwere Verletzun-
gen erhalten. Die Staatsanwalsschaft besaß jedoch noch keinerlei
Akten und konnte deshalb die Freilassung noch nicht verfügen. Es
ist ihr nun eine Mitteilung zugegangen-, daß sich der verhaftete
Franz Fischer selbst schwer beschuldigt habe. Wie
diese Anschuldigungen zustande gekommen sein mögen, ist aus den
vorstehenden Schilderungen- leicht zu erkennen. Der Truppenteil,
der das Standrecht aufgestellt hatte, ist bis jetzt noch nicht festzv-
stellen gewesen.
Die Berliner „Freiheit" berichtet:
In der Nacht vom Freitag zum Samstag kam ein Trupp
Uniformierter in Ruhla an und nahm 16 Arbeiter fest, mit der
Erklärung, daß die Leute nach Gotha zu bringen seien. Diese
16 Arbeiter wurden aus einen Leiterwagen verladen, -der Wagen
kam nie in Gotha an, denn die 16 Leute wurden währendder
Fahrt bei M echter ft edt erschossen. Die 16 Leichen
liegen in der Leichenhalle zu Mechterstedt. Unter den Toten be-
finden sich drei Mitglieder der S.P.D., 12 Mitglieder der LüS.P.
und ein Demokrat. Drei Brüder, deren Vater bereits zwei Sohne
im Felde verloren hatte, befinden sich unter den Erschossenen. Die
Verhandlungskommission fordert von der Reichswehrbnga-de 11
schleunige und einwandfreie Untersuchung, die auch von dem
Reichsmilitärkommissar Greszinski zugesagt wurde. Es
wird angegeben, daß die Leute bewaffnet angetroffen wurden und
einen Fluchtversuch machten. Daß Liese Angaben recht
stark nach ausgetretenem Schema ausfehen, braucht
wohl nicht erst gesagt zu werden. Die Einwohnerschaft behauptet,
daß die Tat -von Z eitfreiwilligen ausgeführt wurde.
 
Annotationen