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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (1/2) — 1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.44126#0159
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kftrD?«- -»»»rftatifle Dey5kkc!«ng der R'mtsbenrke-Hei-eiSekg, Wiesloch/ Smsbeiw, Eypttisten, ESerSach, Mosbach, Buchen, Adelsheim, Noxberg.
TiwSerbffchvfSheirri Md W'ertheim.


Äe^u!..Dr«is: Monatlich'.einschl.' Äägerlöhn 2.so Mk.. Anzeizenpreise:
O,. einspaltige petitzrile .(ZS min breit) 40 Pfg., Aeklame-Anzelgen
-4Z -.>m breit)" r.-'Mk. ' Net Wiederholungen Nachlaß nach Tarif.
Gehetmmlttel- tluzejscn iperden nicht ausgenommen.
Gcschäftsstunden. 8—P',.6 llhrl Eprechffünden der Redaktion: 11 -12 tlhr.
'voMmscrkonloKattsncheNr.rrsTT. Tel.-Adr.: VoileizeiiungHeidelberg.



§)eiSLlb§rH, Moniag, 9. Februar 1920
7lr. Z3 » 2. IahsHSNA

Derontwvrtl.: Für innere u. äußere Politik, Volkswirtschaft «.Feuilleton: Or.
E. Kraus; für Kommunales u. soziale Rundschau: .Z. K a h n - für Lokalesr
O. Geibel; für die Anzeigen::H. Ho.ffmann, sämtlich in Heidelberg.
Druck und Verlag der Unterbadlschen 2- erlagsanstalt Ä. m. v. H., Heidelberg.
Geschäftsstelle: Schröderffraße 3V.
Fernsprecher: Anzeigen-Annahme 2S7Z, Redaktion 2548.

„Weg mit deM Goldel"
In der „Berliner Volkszeitung" veröffentlicht der bekannte
Sozialpolitiker Dr. Heinz Potthvff unter dieser Überschrift
nachstehende Ausführungen:
„Nun ist auch der Handel mit Goldmünzen wieder erlaubt.
Wieder einmal (zum wievielten Male?!) hat der „soziale" Staat
kapituliert vor der unsozialen Gesinnung seiner Bürger; vor bei
gesinnungslosen Niedertracht einer Minderheit und vor der
schwächlichen Willenlosigkeit der Mehrheit, die es den Behörden
nicht'ermöglichte eine als notwendig mnd heilsam erkannte Maß-
nahme durchzuführen. Das Schiebertum siegt, die Staatsmoral
stehl blamiert da.
Alle die Lumpen, die wahrhaft vaterlandslvscn Gesellen, die
fünf Kriegs- und Notjahre hindurch, trotz Gesetzen, Bitten und
Beschwörungen des um sein Dasejn ringenden Reiches ihr Geld
zurückgehaiten haben, können es jetzt offen zur Bank oder zum
Juwelier tragen, und schmunzelnd den zehnfachen Geldbetrag in
Papier dafür einstreichen (wer ilug ist, behält es weiter, bis er den
zwanzigfachen Betrag erhält!). Aber alle die anständigen
Bürger, die während, des Krieges ihr Gold umgewechselt, Schmuck
und Geräte hingegeben haben (die deutschen Fürsten waren leider/
aber bezeichnenderweise, nicht darunter!), stehen jetzt etwas beküm-
mert da und finden, das; die gute Gesinnung mit stO Prozent des
Wertes der Ware reichlich hoch bezahlt ist. Manch, einer wird sich
denken, daß dieses das letzte mal war, daß er auf eine „soziale
Dummheit" hereingefasten. Mann man sich wundern, kann man
es den „Geschädigten" verdenken, wenn sie den Hohn der anderen
nicht ertragen und die Zahl der sozial handelnden Bürger immer
kleiner wird? Und warum das? Nur weil auch hier, wie überall,
mir halben Maßnahmen vorgegangen wird und diese.an der
Teilnahmslosigkeit der Bürger scheitern. Uns fehlt zur Demokratie,
d. h. zur Selbstregierung des Boltes noch geradezu alles — außer
den Verfassungsregeln.
Die Folge des freien Handels in Münzen dürfte, sein, daß die
Geschäfte in teurem Schmuck noch mehr blühen als bisher. Nicht
nur in der Hauptstadt, auch in den Mittelstädten sind die Schau-
fenster der Juweliere voller als je, die Preise phantastisch, der
Umsatz höchst befriedigend. Zahllose Lumpen hoffen, sich von dem
ihnen gebührenden Anteil an den Kriegslasten des Vaterlandes,
dadurch drücken zu können, daß, sie einen recht, großen Teil ihres,
ergaunerten Vermögens in Geldsachen, Edelsteinen und dergleichen
anlegen. Der Preis spielt keine Rolle; denn das Papiergeld sinkt
dauernd im Werte, und die Wertsachen steigen entsprechend. Statt
daß Deutschland den überflüssi g.e n Tand aus den Welt-
markt würfe, um dagegen Brvt, Fett und andere unentbehr-
liche Lebensmittel einzutauschen, kaufen wir noch vom Auslande
Kostbarkeiten herein, verteuern damit unsere Nahrung und erhöhen
unsere Kriegsschulden (beides ist die automatische Folge des Sinkens
der Markvaluta im Ausland).
Die Auslagen der Juweliere in den Hauptstraßen der Groß-
städte find 'eine Gefährdung des wirtschaftlichen Neubaues und der
öffentlichen Sicherheit. Denn sie müssen aufreizend auf diejenigen
Schichten wirken, die nicht in der angenehmen Lage sind, sie zu kau-
fen. Sie verderben die Lust zur Arbeit, verschleiern den Ernst un-
serer Lage und sind damit ein Hindernis der inneren Gesundung,
ebne die eine Rettung Deutschlands vor dem wirtschaftlichen Ban-
kerott ausgeschlossen ist. Wir müssen endlich einmal merken, daß
wir als Volk im ganzen durch Krieg und Niederlage furchtbar
verarmt sind. Wir sind arm, bettelarm geworden, verschuldet bis
über den letzten Ziegel unseres Reichshauses, hinaus. Wir sind viel
zu arm, als daß wir uns den Luxus von Gold, Perlen und Edel-
steinen erlauben dürften.
Also müssen diese Dinge zweckmäßig und sozial verwendet wer-
den. Sie dürfen nicht einzelnen Bürgern dienen, sondern nur der
Gesamtheit. Sie dürfen nicht unsere wirtschaftlichen Mittel schwä-
chen, sondern müßen sie stärken. Sie dürfen nicht die Volksmassen
verbittern, Klassenunterschiede verschärfen, sondern müssen versöh-
nen. Das geschieht am besten dadurch, daß sie aus dem deutschen
Leben verschwinden und sich auf dem Weltmarkt in Mehl, Speck,
Fett, Milch verwandeln. Dazu bedars.es aber eines kräftigen, rück-
sichtslosen Eingreifens der Staatsgewalt und einer Unterstützung
durch die Gesamtheit aller anständigen Bürger. Schädigungen
einzelner, die nicht zu den erhofften Spekulationsgewinnen kommen
oder an der Vermögensanlagc verlieren, dürfen keine Rolle spielen.
Wenn das Geld der Reichen auf den fünften oder zehnten Teil des
Friedenswertes sinkt und zahllose wenig bemittelte Bürger verarmen
läßt, .dann darf auch Edelmetall und Edelgestein auf die Hälfte des
gegenwärtigen Epetulationspreises sinken. Der Zustand, daß die
Geschäfte um so glänzender gehen, je höher die Not des Vaterlan-
des steigt, muh einmal sein Ende erreichen. Es, ist höchste Zeit
dazu!.. / - . - - . , .
Ich schlage daher folgendes Rotgesetz vor:
8 1. Am 1. April 1920 wird das private Eigentum an Gold,
echten Perlen. Diamanten, roh, zu Münzen, Schmuck, Zierraten
oder Gebrauchsgegenständcn verarbeitet, aufgehoben.
Alle diese Gegenstände fallen mit dem Beginn des 1. April
1920 in das Eigentum des Deutschen Reiches.
Ausgenommen sind Diamanten und Perlen unter einer
vom Reichswirtschaftäminister sestzusetzeirden Größe; Einbautcn in
Grundstücken, die vor dem 1. Januar 1920 bestanden. Trau-
ringe, die von The- oder Brautleuten vor dem 1. Januar 1920
angeschafst waren: Gold und Diamanten zu ärztlichen, ge-
werblichen und ähnlichen Zwecken. Die näheren Bestimmun-
gen erläßt der Reichswirtschaftsminister.
Z 2. Bis zum 31. März 1920 kauft das Reich Gold, Diaman-
ten und echte Perlen in jeder Fo r. m u n d, M e n g e. Als
Preis gift nach Wahl des Verkäufers entweder der Erwerbs-
preis vor dem 1. August 1914 oder die Hälftendes Prei-
se s am 1. Januar 1920. Der Verkäufer kann statt dessen, auch
50 v. H. des Erlöses beanspruchen, den das Reich (ohne„Abzug.der
Unkosten) erzielt.
8 3. Vom 1. April 1920 ab ist jeder invBesitze der bürger-
lichen Ehrenrechte befindliche Reichsangehörige ermächtigt, Gold
Diamanten und echte Perlen der in 8 1 genannten Art aus priva-
tem Besitze wegzunehmen und einer vom Reichswirsschaftsminister
zu bestimmenden Rcichsstelle zu übergeben. Er erhält dafür den
in 8 2 bezeichneten Preis.

Die Auslieferungsnote.
Berlin, 8. Febr. (W.B.) Am Samstag, den 7. Februar
1920 überreichte in später Abendstände der f r a n z ö s > f ch e Ge-
schäftsträger dem Reichskanzler die Ausliefe-
rung s l i st e mit der unveränderten Begleitnote. Der Note
war ein Brief an den Reichskanzler beigefügl. Der Wortlaute
der beiden Schreiben ist folgender:
An Freiherr» v. Lersner, Vorsitzenden der deutschen
Friedensdelegation.
I.
Der Vorsitzende der F r i e d e n s k o n f e r e n z.
Paris, 3. Februar 1920.
Herr Präsident!
-In Ausführung des 8 3 des am-28. Juni 1919 unterzeichneten Pro-
tokolls beehre ich mich. Ihnen anbei im Namen der alliierten Mächte ein
Exemplar der von der britischen, französischen, italienischen, belgischen,
polnischen, rumänischen, serbisch-kroatisch, slowenischen Regierung ge-
mäß Artikel 228, Absatz 2 des.Versailler Vertrages ausgestellten
L i st c n z uü b e rr e i ch e n. In der Aufstellung dieser Listen sind alle
die n i cht einbegriffen, welche sich im Laufe des Krieges der von deutschen
Rcichsangehörigen begangenen zahllosen Verbrechen schuldig gemacht
haben. Die oben bezeichneten Regierungen haben geglaubt, schicklicher
Weife darin nur Personen aufführen zu sollen, welche anscheinend die
sch w e r st c Verantwortung trifft. Die so ausgekllhrte Zahl der
Schuldigen bleibt weit zurück Hurter derjenigen, der von deutschen
Staatsangehörigen in Verletzung der Gesetze und Gebräuche des Krieges
begangenen Rechtswidrigkeiten.
Es liegt nicht in der Absicht der genannten Negierungen, Verbre-
chen derjenigen zu amnestieren, die in den beigefügten Listen- nicht
mit einbegriffen sind. Die vorliegende Mitteilung berührt in keiner Weise
das Recht der Staaten, sie innerhalb ihres Gebietes zu verfol-
gen.
Gemäß Artikel 228 des Friedensvsrtrages sind die auf den besagten
Liften aufgeführten Schuldigen, sei cs dem Namen nach, sei cs nach dem
Grabe der Amtsausübung oder Amtsverwcndung, von der sie von den
deutschen Behörden h'crangezogen waren, bezeichnet.
Die oben bezeichneten Regierungen behalten sich vor, von der
deutschen Regierung, so, wie dies in Artikel 230 des Vertrages vorgesehen
ist, „Urkunden und Auskünfte jeder Art zu verlangen, deren Beschaffung
zur vollständigen Aufklärung die-strafbaren Handlungen, zur Ermittelung
der Schuldigen und zur genauen Abschätzung der Verantwortlichkeit für
erforderlich erachtet werden sollte."
Line weitere Mitteilung wird-Sie in Beantwortung Ihres Schrei-
bens Nr. 88 (gemeint ist die Note des Herrn v. Lersner in der Auslie-
ferungssrage vom 25. Januar 1920) die U m st ä n d c wissen lassen, unter
denen die alliierten Mächte die Bestimmungen des Friebensvcrtrages über
diesen Punkt ausgcführt zu sehen wünschen.
'Genehmigen Sie, Herr Präsident, die Versicherung meiner Hoch-
achtung.
(gez.) A. Millcrand. -
II.
Friedenskonferenz. Der Präsident.
7. Februar 1920.
Her Reichskanzler!
In Ausführung der Artikel 228—-230 des Vertrags von Versailles
und gemäß 8 3 des Protokolls vom 28. Juni 19ld habe ich in Meiner
Eigenschaft als Präsident der Friedenskonferenz am 3. Februar Herrn
v. Lersner, dem Vorsitzenden der deutschen Friedensdelegation, im
Namen der alliierten Mächte ein Exemplar der von der englischen, fran-
zösischen, italienischen, belgischen, polnischen, rumänischen und serbisch-
kroatisch - slowenjchcn Regierung aufgestellten Listen zugestellt.
Diese Listen waren von einem Briefe begleitet, der — es
sei nicht besonders bemerkt — festsetzte, daß nach Prüfung der in dem
Briefe Nr. 88 des Vorsitzenden der deutschen Delegation enthaltenen Er-
wägungen weitere Mitteilungen der Bedingungen wissen lassen
würde, unter denen die alliierten Mächte die betreffenden Bestimmungen
des Friedensvcrtragcs erfüllt 'zu sehen wünschten.
Herr v. Lersner hat aus diese Mitteilung mit einem Bries geantwor-
tet, dessen Abschrift beiliegt. Die Mächte haben nicht daran gezweifelt, daß
die Handlung des Hcn. v. Lersner eine persönliche Kundgebung war,
sür welche die deutsche Regierung keine Verantwortung trägt. Sie haben
in der Tat nicht annehmen können, daß diese Regierung sich der Ver-
pflichtung zu entziehen beabsichtigt, die sie durch die Unterzeichnung
des Vertrags von Versailles eingcgangen ist und daß sie nach weniger
als einem Monat nach Inkraftsetzung des Vertrags sich vorsätzlich, weigert,
die wesentliche Bestimmung des Vertrags zu erfüllen.
Ich habe also die Ehre, Euet Exzellenz die Liste, welche Herr v. Lcrs-
ner in Lmpsang zu nehmen sich geweigert hat, überreichen zu lassen, sowie
den Brief, der ihm beigelegt war. Dieser Brief ist vom 3. Februar da-
tiert, die Mächte haben demnach die durch das Protokoll vom 28. Juni
1919 bestimmte Frist eingehalten.
Genehmigen Sie, Herr Reichskanzler, die Versicherung meiner aus-
gezeichneten Hochachtung:
' '(gez.) Millerand, Präsident der Friedenskonferenz.
Heimkehr deutscher Kriegsgefangener
aus Rußland.
Berlin, 8. Febr. (W.B.) Die Reichszentralstelle für
Kriegsgefangene Leist mit, nach langer Unterbrechung wird mit dem
Eintreffen, eines Transports deutscher Kriegs- und Aivilgefangener
aus Rußland-gerechnet werden können. Ein Transport von 600
deutschen Invaliden, Greise, Frauen und Kinder wird am 7. Febr.
Moskau verlassen
8 4. D-e Ausfuhr der in 8 1 bezeichneten Gegenstände ist vom
Tage der Versündigung des Gesetzes ab verboten. Jeder Versuch
der Ausfuhr wird mit Beschlagnahme der Gegenstände, deren Aus-
fuhr versucht wurde, und mit Geldstrafe bis zum Zehnfachen des
beschlagnahmten Wertes bestraft.
Wer Gegenstände der in 8 1 genannten Art; deren Ausfuhr
versucht wurde, entdeckt, ist unter den Bedingungen des 8 3 zur
Wegnahme und Ablieferung an eine Reichsstelle berechtigt.
8 5. Dieses Gesetz erstreckt sich auch auf solche Gegenstände
der in 8 1 genannten Art, die sich im Auslande befinden und im
Eigentum vost Rcichsangehörigen stehen. Das Reich kann von
den Eigentümern fordern, daß sie ihm nach dem 1. April 1920 das
Eigentum daran verschaffen oder ihm die Hälfte desjenigen Prei-
ses zahlen, den sie durch Veräußerung der Gegenstände erzielen
könnten.
8 6. Alle g^mäß diesem Gesetze erworbenen Gegenstände sind
im Ausland für Rechnung des Reiches zu veräußern. Der Erlös
ist ausschließlich zur Beschaffung von Lebensmitteln zu verwenden.

Als siebenten und letzten Paragraphen dieses Notgesetzes
schlage ich vor: „Dieses Gesetz tritt mit seiner Verkündigung in
Kraft. Die zur Durchführung nötigen Verordnungen erläßt der
Reichswirsschaftsminister."
Wir freuen uns, daß endlich einmal einer den Mut gefunden
hat, zu schreiben was not tut und wir hoffen nur, daß Pothoffs
Vorschläge bei der Reichsregicrung nicht ungehört verhallen. Wie
tief ist das deutsche Volk gesunken, jedes.Schamgefühl sür Ehrlich-
keit und Anständigkeit ist verloren gegangen.
Wer jetzt goldene Zwanzigmarckstückc in je 350 Mark Papier um-
wenbeit, und damit beweist, daß er zur Zeit, als das Reich dps Gold
jedes seiner Bürger cinsorderte, diesem Befehl nicht gefolgt ist, braucht
sich nicht mehr dessen zu schämen, daß er sich jetzt auf Kosten aller derer,
die damals-ihre Pflicht talen, bereichert. Niemand denkt daran, ihn des-
halb an den Pranger zu stellen. Wer in den Zeiten der Geld- und De-
visenvrdnung rücksichtslos fremde Währungen gelaust hat und sich yeuic
der damit erspekulierten Millionen rühmt, hat wvhlgetan: niemand ree ist
mit dem Finger aus ihn als auf einen Vampyr, dessen Bereicherung Mit
der Verelendung der deutschen Wirtschaft erkauft ist. Diejenigen, denen
die anerzogenc Tradition noch in den Gliedern steckt und denen Ehnich-
keit gleichbedeutend mit Lebenslust ist, 'stehen vor der Unmöglichkeit, m
dem Gewirr der Gesetze und Verordnungen und gegeneinander arbei-
tenden Behörden überhaupt noch zu ihrem Recht geschweige zu ihrem
Lebensunterhalt zu -kommen. Sie frierMi, hungern und unterliegen ver-
ängstigt dem willkürlichen Eingreifen aller möglichen Kommissare in >yr
Privatrecht, und niemand steht auf, die Tausende, zu brandmarken, die
sich über all' diese Bestimmungen lächelnd Hinwegsetzen, indem sie im ge-
ewnetcn Augenblick die Lappen fliegen lassen. Das einzig Unbequeme
scheint zu sein, daß man zwar weiß, daß mit Geld alles gemacht werden
kann, daß sich aber- noch kein fester Tarif herausgebiidct bat, der dem
'Emporkömmling sagt, wieviel er im einzelnen Fall bezahlen muß.
So schreibt ein.Wissender, der es ekrlich meint mit der deut-
schen Wirtschaft, in dec „Voss. Ztg." Aber nicht nur die Regierung
kann hier helfen; alle die noch stolz find auf einen chruchen Namen
und sich dieser schweren Zeit ihrer Pflicht gegenüber dem Volks-
staat, müssen zusammenstehen gegenüber denen, sür die unser Elend
nur ein Anlaß zur Börsen- und Valutaspekulation ist., Armes
Volk, wach auf! Wehre dich gegen die wahren Feinde, die in dei-
nem eigenen Fleische sitzen: gegen die Börsenspekulanten und Geld-
schieber, gegen das ganze finanzkapitaiistifche Ausbeutertum und
profitgierige Händlertnm. Werktätiges Volk, schließ die Reihen.
Laß ab von dem Bruderkamps! Du hast nur einen Feind: das
Privatkapital mit seinen furchtbaren Auswüchsen.
Politische UeLersicht
Einberufung der Nationalversammlung.
Berlin,?. Febr. (W.B.) Die Reichsregierung hatte heute
eingehende Besprechungen mit den F r ak t i o n sv o r st ä n d e n
der Nationalversammlung.
Es wurde festgestellt, daß die Frage der Auslieferung nur un-
ter Mitwirkung des Parlaments gelöst werden könnnte.
Die Einberufung wird unverzüglich erfolgen, sobald die
zur Klärung der Angelegenheit nötigen Unterlagen vorlicgen.
Der Beamtenbund für den Achtstundentag.
Der Deutsche Bcamtenbund erläßt folgenden Ausruf
an die deutsche Beamtenschaft:
Das deutsche Wirsschaftsleben ist durch den verlorenen Krieg
mit seinen unglücklichen Folgen aufs allerschwerste erschüttert. Die
durch Machtspruch diktierten harten Friedensbedingungen unnach-
giebiger und unerbittlicher Gegner machen es unendlich
schwer, wenn nicht schon unmöglich, die deutsche Wirt-
schaft wieder aufzurichten.
Jahrelange beispielslose ^Entbehrungen aller Art haben an dem
Mark unseres Volkes gezehrt und noch immer liegt die Ernährung
unseres Volkes schwer -darnieder, weite Bevölkerungskreise leiden
unverkennbar unter einer st arkenllnterernährung.
Die rationierten Lebensmittel können eine ausreichende Er-
nährung um so weniger gewährleisten, als ein erheblicher Teil von
Nahrungsmittelbeständen auf dem Wege des Schleichhan-
dels zu Wucherpreisen an den Mann gebracht wird. Die meisten
zum Leben unentbehrlichen Bedarfsgegenstände haben infolge Roh-
stoffmangel und unzulänglicher Gütererzeugung einen so hohen
Preisstand erreicht, daß sie für die Schichten der minderbemittelten
Bevölkerung, zu denen die Beamtenschaft gehört, uner-
schwinglich geworden sind.
Unausgesetzte Gehalts- u. Lohnforderungen aller
derfenigen, die allein auf den Ertrag ihrer Arbeitskraft angewiesen
sind, sind die unausbleiblichen Folgen, wodurch aber das Uebel
nicht beseitigt, sondern es letzten-Endes immer mehr ver-
schärft wird.
Nur eine Vermehrung der Gütererzeugung m
Verbindung mit einer gerechteren Verteilung der vorhandenen Nah-
rungsmittelbestände vermag -der fortschreitenden Auflösung und
Zerrüttung unseres Wirtschaftslebens Einhalt zu tun. Es gibt nur
ein Allheilmittel, das heißt vermehrte Produktion durch
erhöhte Arbeitsleistung. - ,
Das. ist auch die Parole der deutschen Beamten-
schaft. Sie bat unsäglich gelitten während der Kriegsjahre.
Unter den dankbar schwierigsten Umständen, bei mangelhafter Be-
soldung und daraus sich ergebender unzulänglicher Ernährung
mußte sie ihre Aufgabe bei erheblich erhöhter Inanspruchnahme
ihrer Arbeitskraft erfüllen. Sie hat geduldig ausgeharrt bis zum
bitteren Ende, um die Zukunft des Vaterlandes zu sichern. Erst in
der höchsten Not wirtschaftlicher Bedrängnis, unmittelbar vor dem
drohenden Zusammenbruch, hat die Beamtenschaft die Forderung
anoemessener Erhöhung ihrer Bezüge nachdrücklich erhoben, um der
Selbsterhaltung willen.
Trotzdem aber hält sie fest den Blick aufs Ganze gerichtet. Auch
sie weiß, daß von dem baldigen Wiederaufbau einer geordneten
Wirtschaft alles für unser Volk und damit für sie selbst abhängen
wird.
Darum ist sie bereit,
mit gutem Beispiel vvranzugehen
und vor dem ganzen deutschen Volke ein
einmütiges Bekenntnis zum Achsstundentag
abzulegen. Die Gesamtheit der Beamten hat erforderliche Mehr-
 
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