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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (1/2) — 1920

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LageSzeirung Mr die werktätige Bevölkerung der Amtsbezirke Heidelberg, Wiesloch, Ginsheim, Gppingea, Eberbach, Mosbach, Buchen, Adelsheim, Boxberg
Tauberbrschofsheim und Wertheim.


Bezugspreis: Monatlich emschl. Trägerlohn 2.sc> Ml. Anzeigenpreise:
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Heidelberg, Freitag, 30. Januar 1920
Nr. 25 » 2. Jahrgang

Verantwortl.: Für innere u. äußere Politik, Volkswirtschaft u.Feuiileton: Or.
E.Kraus: für Kommunales u. soziale Rundschau: I. Kahn: für-Lokales:
O.Seibel: für die Anzeigen: H.Hoffmann, sämtlich in Heidelberg.
Druck und Verlag der Unterbadischen Verlaasanstalt G. m. b. H., Heidelberg.
Geschäftsstelle: Gchröderstraße 39.
Fernsprecher: Anzeigen-Annahme 2673, Redaktion 264«.

Wahlsteg der Reaktion in Ungarn.

bitabkommen mit Holland. Ueber seine Bedeutung schreibt jetzt
1» 1 l l D /> i ch se »
ätzenden ideellen Moment dieses Kredit-

Politische Übersicht.
Das Kreditabkommen mit Holland.
Am 22. Januar meldeten wir in der „Volkszeitung" das Kre-
ditabkommen mit Holland, lieber seine Bedeutung schreibt jetzt
die „De utsche Allg. Zeitung":
Neben dem nicht zu unterschätzenden ideellen Moment dieses Kredit-
abkommens tritt weit in den Vordergrund die praktische Seite für das
deutsch« Wirtschastsleben. Der Inhalt des Abkommens ist bereits in
giotzen Zügen bekannt. Selbstverständlich ist es, datz Holland für den
großen Dienst, den es unserem Volke erweist, Gegenleistungen fordert,
die hauptsächlich den Zweck haben, Holland in dem schwächst«: Punkte
seines Wirtschaftslebens, in der Kohlenversorgung, zu stärken.
Die Hauptbestimmungen des Abkommens sind im großen folgende:
Holland eröffnet Deutschland einen Kredit in Höhe von 200 Millionen
Gulden, ablösbar in 10 Jahren und mit sechs Prozent zu ver-
zinsen. Dieser Kredit teilt sich in zwei Hälften, und zwar: 60 Millio-
nen Gulden sind bestimmt für den Ankauf bolländischer Lebensmittel und
holländischer Produkte; der Rest von 140 Millionen Gulden zum Ankauf
von Rohstoffen für die deutsche Industrie.
Als Gegenleistung verpflichtet sich Deutschland: 1. die Erlaubnis für
eine Ausfuhr von jährlich 1 Million Tonnen Kohlen durch das Rheinisch-
Westfälische Kohlensyndikat nach Holland zu genehmigen und diese Aus-
fuhr, vorbehaltlich höherer Gewalt, bis Dezember 1923 zu garantieren;
2. regelt Deutschland die Frage der an der deutsch-holländischen Grenze
gelegenen Kohlengruben, die bereits im Besitz einer niederländischen
Gesellschaft sind, und die mit diesen Gruben im Zusammenhang stehenden
Fragen in einem für Holland und die holländische Regierung günstigen
Sinne. Der Lebensmittelkredit soll^ wie schon gesagt, zum Ankauf von
Lebensmitteln holländischen und holländisch-indi schen
Ursprungs dienen. Die Deckung dieser 60 Millionen erfolgt durch die
Kohlenlieferungen, und zwar ist festgesetzt, daß je 25 Prozent der durch
die Kohlenliefcrungen entstehenden Guthaben zur Ablösung dieser Schuld
verwandt werden. Da man annehmen kann, datz die Kohlen sich unge-
fähr auf einen Preis von 55 bis 60 Gulden pro Tonne stellen werden
und 40 000 Tonnen monatlich zu liefern sind, so kommt man auf eine
Summe von,etwa 60 Millionen Gulden. Durch eine Ablösung von
25 Prozent dieser Summe wird also der gesamte Lebensmittelkredit in
vier Jahren getilgt sein. Der Preis der Kohlen wird dabei von sechs
zu sechs Monaren durch holländische und deutsche Sachverständige fest-
gesetzt werden. Er wird die Mitte betragen von 1. dem Preis für ame-
rikanische Steinkohlen, cingeführt in Holland durch Regierungsfracht,
2. dem Pleis für amerikanische Steinkohlen, eingeführt in Holland durch
Weltmarktfracht und 3. dem Preise für englische Kohlen in Holland.
Der andere Teil des Kredits in Höhe von 140 Millionen Gulden ist
ein sich ablöscnder Kredit, ein sogenannter „Revolvingkredit". Deutsch-
land kann auf Grund dieses Kredites Rohstoffe kaufen. Die Kre-
dite werden durch den Verkauf der aus diesen ^ystoffen hergestellten
Exportware gedeckt. Dabei müssen die Waren nicht wieder nach
Holland zurückgehen, sondern können in irgend ein anderes Land
ausgeführt werden. Der Ertrag der verkauften Waren kann dem Kredit
hinzugefügt werden, und es besteht daher die Möglichkeit, daß, da natür-
lich die fabrizierten Fertigprodukte meistens einen vielfachen Wert des
eingeführten Rohproduktes besitzen, mehr als die benötigte
Ablösungssumme aufgebracht und dem Kredit hinzugesügt
wirb, dieser sich dadurch also automatisch vergrößert.
Der Kredit wird unmittelbar durch die holländische Regierung an
deutsche Fabrikanten gegeben werden, und zwar über dem Weg einer
deutschen Treuhandorganisation, deren Vorstandsmitglieder von der Re-
gierung unter Zustimmung der niederländischen Regierung zu ernennen
sind. Die deutschen Fabrikanten, die nun Rohstoffe auf Grund des hol-
ländischen Kredits wünschen, haben sich an diese Treuhandorganisation
mit der Bitte um einen Kredit zu wenden. Die Treuhandgesellschaft
untersucht die Forderung der deutschen Fabrikanten, auch deren Kredit-
würdigkeit und gibt den Antrag mit ihrer Stellungnahme an den nieder-
ländischen Regierungskommissar weiter; dieser beschließt dann darüber.
Diese Art der Kreditgewährung ist im internationalen Geschäfts-
leben völlig neu. Es war aber nötig, der holländischen Regierung irgend
eine Sicherheit zu geben, damit die von ihr gewährten Kredite für Roh-
produtte auch in vertrauenswürdige Hände gelangen, da Deutschland
für die 140 Millionen Gulden keinerlei Gegen werte ver-
pfänden kann. Das Direktorium der Treuhandorganisativn wird von
der deutschen Regierung aus den solidesten Industrie- und Handelskreisen
zu bilden sein. Wie die holländische Regierung diesen Kredit finanzieren
wird, steht noch nicht genau fest, da sie ihren Plan noch nicht bekannt-
gegeben hat. Wahrscheinlich wird sie ihn durch die Ausgabe von
Schatzscheincn finanzieren. Eine Anleihe auszugeben, war, nach-
dem Holland soeben erst eine Anleihe von 450 Millionen Gulden aus-
genommen hat, nicht möglich. Anderseits ist durch diese Anleihe die
Möglichkeit gegeben, den Kredit von 200 Millionen Gulden zu gewähren.
Denn die laufende Schuld der Niederlande wird durch die Anleihe be-
deutend vermindert, so datz die Regierung Schatzscheine mst nicht so
kurzer Laufzeit bei der niederländischen Bank hinterlegen kann, die diesen
ganzen Kredit finanzieren. Wesentlich und von größter Bedeutung für
Deutschland ist es, daß es jedem fremden Staate oder jedem
Privatmann frei steht, sich dem holländisch-deutschen Kredit-
abkommen anzuschliehen, so datz also eigentlich dieses Abkommen
die Grundlage für einen großen internationalen
Kredit an Deutschland bildet.

Erzberger über dieses Abkommen.
Dem Berliner Vertreter des holländischen „Allgemeen Han-
belsblab" gegenüber äußerte Erzberger u. a.:
Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, daß der Dienst, den Holland
mit dieser unmittelbar der produktiven Arbeit Deutschlands zukom-
menden Kreditorganisation Europa leistet, fundamental ist. Ich
habe neulich schon in einer Besprechung über das jüngst ver-
öffentlichte Memorandum der Haager Finanzkonserenz darauf hin-
gewiesen, daß jede Unternehmung, die darauf abzielt, die wirtschaft-
lichen Verhältnisse Europas wieder in ein natürliches Gleich-
gewicht zu bringen, von einer Stellungnahme zu D e u ts ch l a n d 's
Wirtschaftslage aus orientiert sein muß, besten Valuta in dem
stärksten Mißverhältnis zu dem inneren Wert seiner Volkswirtschaft
steht und an besten Lebensfähigkeit und Produktivität die ehemals
feindlichen Länder das Interesse des größten Gläubigers, die neu-
tralen Staaten das Intereste starker Markbesitzer haben. Ich glaube
auch, daß allmählich und hoffentlich nicht zu spät, Europa einsieht,
haß «in ruhig arbeitendes Deutschland mit einer endlich von der
Verzweiflung des Hungers befreiten Industriebevölkerung das erste
Ziel Europas sein muß zur Abwehr eines offensiven russischen Bol-
schewismus.

Verbot der Ausfuhr fremder Wertpapiere.
Berlin, 29. Ian. (W. B.) Wie wir hören wird das vom
Reichsfinanzminister erlassene Verbot der Ausfuhr, Veräußerung
oder Verpfändung ausländischer Wertpapiere über den 31. 1. 1920
hinaus wieder auf zwei Monate verlängert. Eine Aenderung der
zuerst am 26. 3. 1919 ergangenen Anordnung soll insofern eintre-
ten, als die bisherige Ausnahme, daß das Ausfuhrverbot keine An-
wendung findet auf die Ausfuhr von ausländischen Aktien, wenn
der Gegenwert in ausländischer Währung der Reichsbank zur Ver-
fügung gestellt wird, aufgehoben wird. Indessen beabsichtigt das
Reichsfinanzministerium, soweit nicht die Bestimmungen des Frie-
densvertrages Einschränkungen erforderlich machen, Anträgen auf
Genehmigung der Ausfuhr ausländischer Wertpapiere, auch festver-
zinslicher Wertpapiere, nach Möglichkeit zu entsprechen. Insbeson-
dere gilt biss für neutrale Papiere. Als Bedingung wird allerdings
der Grundsatz aufgestellt, daß der Gegenwert in ausländischer Wäh-
rung der Reichsbank zur Verfügung gestellt wird.
Das Befinden Erzbergers.
Berlin, 30. Ian. (W.B.) Das Befinden des Ministers Erz-
bergers ist normal. Temperatur 36,4, Puls 88. Die Kräfte
haben sich gehoben. Es besteht die Hoffnung, daß der Minister
seine Tätigkeit bald wieder aufnehmen kann.
Berlin, 29. Ian. (Von unserem Berliner Büro.) Im Befin-
den des Reichsfinanzministers Erzberger ist seit gestern keine
Veränderung eingetreten. Der Minister ist infolge seiner
Schwäche weiter außerordentlich ruhebebürftig. Die
Nacht hat er im allgemeinen ruhig verbracht. Eine neue genaue
Untersuchung wird der behandelnde Arzt Pros. Dr. Flesch in Ge-
meinschaft mit dem Geheimen Rat Prof. Dr. Hildebrand heute
abend vornehmen. Nach einem heute vormittag ausgegebenen
Krankheitsbericht ist der Patient sehr apathisch.
Dr. Mayer in Paris.
Paris, 30. Jan. (W.B.) Heute nachmittag 5 Uhr wurde der
deutsche Geschäftsträger Minister Dr. Mayer vom Ministerpräsi-
denten und Minister des Auswärtigen Mille rand in Quai
d'Orsay zur Uebrrreichung seines Beglaubigungsschreibens em-
pfangen.
15V Millionen Dollar für Europa.
Haag, 28. Ian. Der „Nieuwe Rotterdamsche Courant" ver-
breitet die Meldung, daß D euts ch l a n d m i t D ä n ema r k u.
Schweden in Unterhandlungen getreten sei wegen eines Kre -
dit abkommens ähnlich dem mit den Niederlanden abge-
schlossenen.
„New Pork Star" meldet, daß Präsident Wilson in den
nächsten Tagen den Kongreß um seine Zustimmung zu einer Kredit-
gewährung an Oesterreich, Polen und andere europäische Länder in
Gesamthöhe von 150 Millionen Dollar zur Beschaffung von Le-
bensmitteln ersuchen wird.
Das Friedensangebot zurückgezogen.
Nachdem die polnische Regierung auf das Friedensangebot der
russischen Räteregierung bisher nicht geantwortet hat, hat die russi-
sche Räteregierung in einem Funkspruch an Alle mitgeteilt, daß sie
das Friedensangebot an Polen zurückgezogen habe und den Kampf
gegen die polnischen Truppen wieder aufzunehmen gedenkt.
Ein Funkentelegramm aus Moskau meldet, daß Sinowjew
erklärt habe, eine neuerliche Mobilmachung des russischen Prole-
tariats einleiten zu wollen. Die Armee, welche aus dieser neuen
Mobilisation hervorgehen wird, ist dazu bestimmt, die neue Offen-
sive g e g en d i e P o l en und Rumänen zu ergreifen und zu
einem vollständigen Siege der russischen Räterepublik zu führen.
Keine Pässe nach Rußland.
London, 29. Ian. (Wolff.) LloydGeorge richtete einen
Brief an H e n d e r s v n, in dem er ihm mitteilt, daß er gemäß sei-
nem Versprechen vom August letzten Jahres sich mit der italienischen
und französischen Regierung über die Erteilung von Pässen an
Ramsay Macdonald und Buxton, die im Auftrage des
Berner internationalen sozialistischen Kongrestes die Lage in
Rußland prüfen sollten, besprochen habe. Nach reichlicher
Prüfung der Frage seien Nitti, Millerand und er selbst zu dem
Schlüsse gekommen, daß dem Verlangen nicht entsprochen werden
könne.
(Deutlicher kann die Angst der Entente vor dem russischen Bol-
schewismus nicht mehr dokumentiert werden. Die Red.)

Ausland.
Der Wahlsieg der Reaktion in Ungarn.
Wir haben in unserer gestrigen Nummer zu den Wahlen in'
Ungarn Stellung genommen auf Grund eines Artikels der Wiener
„Arbeiterzeitung". Zugleich haben wir unter den neuesten Tele-
grammen das Resultat der Wahlen mitteilen können. Ueber das
Ergebnis wird der „Voss. Zeitung" aus Budapest gedrahtet:
Die Wahlniederlage der liberalen Richtung ist geradezu ungeheuer.
Eine ganze Reihe von Politikern, die, obwohl von bekannter nanonanltl-
scher Gesinnung, mcht genug energisch den Liberalismus verdammten,
sind aus der Nationalversammlung ausgeblieben, darunter der Handels-
minister Heinrich, der ehemalige Ministerpräsident Wekerle, Lvrand,
Hagedues, Baron Sigmund Perenyi, Anton Eber, während der frühere
Handelsminister Sterenyi mit schwerer Mühe einer Niederlage entging;
er kommt in die Ersatzwahl. Die Mittelpartei brachte keinen einzigen
Kandidaten durch. Die christlich-konservativ-agrarische Richtung errang
einen überwältigenden Erfolg.

Bei den Wahlen in Budapest sind etwa 80000 ungültige, also
sozialdemokratische, Stimmzettel abgegeben worden, woraus deutlich her-
vorgeht, wie groß der Terror gewesen ist, der die Sozialdemokratie auf
jede Beteiligung verzichten ließ. In den offiziellen Budapester Berichten
wird selbstverständlich gerühmt, wie „unabhängig" und „friedlich" die
Wahl vollzogen wurde. Man wird indessen die nichtzcnsurierten Nach-
richten abwarten muffen und erfährt denn auch bereits, daß die Bauern-
partei über Beeinflussung und Störungen der Wahlen durch den
offiziellen Apparat Klage führt, worüber in einer der ersten Sitzungen
des Parlaments interpelliert werden wird. Ein beliebtes Mittel war es,
die Wähler, die zur Urne geführt wurden, ihren Kandidaten in der
Wahlzelle laut nennen und hvchleben zu lasten, was jedesmal
eine Rüge des Vorsitzenden eintrug. In Budapest ist Wekerle gegen
den Kriegsminister Friedrich, welcher 2200 Stimmen mehr erhielt,
unterlegen, da die Militärpartei Wekerle als den „Kandidaten der Ju-
den" bezeichnete. In der Leopoldstadt, der Hochburg des Judentums, wo
sich allerdings in der letzten Zeit sehr viele Juden haben umlaufen
lasten, scheint Dr. Paul Sandor, der jahrzehntelang diesen Bezirk vertrat,
gegen den katholischen Pfarrer Ortvav dennoch gesiegt zu haben. Auch
der frühere Iustizminister Dr. Wilhelm Vaszony, gleichfalls ein Jude,
der Führer der Demokraten, ist gewählt.
In West Ungarn haben die Deutschen, wie schon berichtet, zum
Teil auf die Aufstellung von Kandidaten verzichtet. In Oedenburg
wurde kein Kandidat von ihnen aufgestellt, während auf dem Lande die
deutschen Bauern scharf zur Wahl angetrieben wurden. In Oedenburg
stehen sich als Kandidaten der christlich-soziale Graf Kuno Klebelsberg,
der Bürgerliche Krittler und der „deutsche" Staatssekretär Gezar Zombev
gegenüber, wobei von offizieller Seite nicht etwa der Staatssekretär, son-
dern Klebelsberg unterstützt wurde. Der „Arbeiterzeitung" wird berich-
tet, daß die Bauern der drei Westkomitate unausgesetzt den mit der
graphischen Grenzaufnahme betrauten italienischen Oberst belagern und
ihm anscheinend die Petitionen für die „Integrität Ungarns" überreichen
wollten. Dem Obersten fiel es aber nicht schwer, herauszubekommen,
daß die Bauern „auf Befehl" zu ihm kamen.
Der ungarische Unterrichtsminister Haller hielt nach seiner Wahl
auf dem Platze, auf welchem König Karl bei der Krönung das Gelöbnis
für die Einhaltung der Verfassung ablegte, eine Rede, in der er sagte:
„Wir haben derzeit keinen König, aber wir wer d'e n einen haben.
Wir wollen, daß unser König Ungar sei, und datz alle seine Gedanken
dahin "ehen, aus diesem kleinen Lande wieder das grotze Ungarn
zu machen. Auf dem uralten Krönungsplatze erkläre ich: „Wir müssen
das alte, nationale Königreich wieder Herstellen."
In Budapest wird für den 2. Februar eine große rvnalistische
Kundgebung erwartet. In oer Oper soll eine Festvorstellung statt-
finden, bei welcher die Damen des ungarischen Hochadels in den Kostü-
men erscheinen werden, die sie vei der Krönung König Karls trugen. Sie
werden dem neuen König, welchen eine Krone symbolisieren wird,
eine Huldigung darbringen.

Badische Politik.
Zur Verreichlichung der Staatseisenbahnen.
Karl sruhr, 29. Ian. Ueber die in Berlin zwischen den
Vertretern der bundesstaatlichen Eisenbahnverwaltungen augen-
blicklich schwebenden Verhandlungen zur Verreichlichung der Staats-
bahnen erfährt die „Bad. Landeszeitung", daß diese Verhandlungen
bi sjetzt einen glatten Verlauf genommen haben, so daß man an-
nehmen darf, daß die Regelung der Personalfragen demnächst
zum Abschluß gelangt. Es sei gelungen, in allen wichtigen Fragen
eine Übereinstimmung zu erzielen und alle Schwierigkeiten bei den
Verhandlungen zwischen den preußischen und süddeutschen Eilen-
dahnverwaltungen zu vermeiden. Es sei ausgeschlossen, daß für
Süddeutschland unzweckmäßige Bestimmungen eingeführt würden.
Wie der Mannheimer „V o l k s st i m m e" aus Berlin tele-
graphiert wird, soll bei der künftigen Gestaltung des Verkehrswesens
die Zahl der Klaffen im Personenverkehr ans zwei herabgesetzt
werden und zwar soll nur noch eine „Polster-" (erste) und
eine „Holzklasse" (zweite) geführt werden. Die Tarife für
Personen-, Expreß- und Güterverkehr werden vereinfacht. Die
Uebernahme der Bahnen der einzelnen Länder aufs Reich er-
folgt nach dem Anlagekapital. Der Bereich der zu bildenden
Eisenbahn-Prvvinzialbehörde soll sich tunlichst an
die bisherigen Eisenbahnverwaltungsbezirke anlehnen, im Süden
also an die einzelnen Staatsbahnbezirke. Am Bodensee wird
eine Schiffahrtsstelle geschaffen, der die Verwaltung der bisherigen
badischen, württembergischen und bayerischen Bvdenseedampfschif-
fahrt unterstellt wird. Eine erhebliche Erhöhung der Tarife um
100 Prozent soll bereits in Kürze aus allen deutschen Staatsbah-
nen erfolgen.
Stellungnahme des Bad. Handelstages.
Baden-Baden, 29. Ian. Eine hier abgehaltene Prä-
sibialkonferenz des bad. Handelstages nahm Stellung zur Frage
des Einheitsstaats und sprach sich dabei dahin aus, daß gegen eine
zentralisierte Leitung des deutschen Wirtschafts- und Verkehrslebens
bei Handel und Industrie Bedenken nicht vorliegen. Die Ver-
einheitlichung der Eisenbahnen sei eine seit langen
Jahren vertretene Forderung des bad. Handelstages, es müsse aber
verlangt werden, daß beim Ausbau der Wasserstraßen und der
Verwertung der Wasserkräfte den Ländern weitgehendes Mitbe-
stimmungsrecht eingeräumt wird. Ferner forderte der Handelstag,
daß auch den Ländern ein möglichst weitgehendes Maß von Selbst-
verwaltung und Mitbestimmung auf allen Gebieten und besonders
auch in Persvnalangelegenheiten gewährleistet werde.
* *
Ueber die Grundsätze, nach» denen die Uebernahme der Eisen-
bahnen auf das Reich vor sich gehen soll, erfährt die „Volks-
stimm e" noch folgende Einzelheiten: .
Grundsatz für die Verwaltung der kommenden Reichselsenbahnen
ist, daß die Verkehrs- und wirtschaftlichen Interessen aller Länder gleich-
mäßig berücksichtigt werden. Ob das preußische Llsenbahngesetz, das den
am Bau einer Bahn interessierten Gemeinden und Amtsbezirken di«
halben Kosten des Baukapitals auferlegt, vom Reich übernommen wird,
ist noch unentschieden. Geschieht das, so wurde, da sich heute der Kilo-
meter Vollbahnbau auf ^ Million Mk. stellt und sich wohl bald aus
600 000 bis 700 000 Mk. erhöhen dürfte, der Bau von Kleinbahnen un-
möglich werben.
Die von den Ländern bereits begonnenen Bauten müs-
sen, soweit das Bedürfnis vorlikgt, vom Reiche zu Ende geführt
 
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