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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (1/2) — 1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.44126#0297
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Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung der Amtsbezirke Heidelberg, Wiesloch, Sinsheim, Eppinger;, Ebervach, Mosbach, Buchen, Adelsheim, Boxbr g,
Tauberbifchofsheim und Wertheim.


B*z»s«pr«t«: Menatllch einschl. Trägerlohn 2.30 Mk. Anzeigenpreise:
vte einspaltig« Petitzeile (36 mm breit) 70 Pfg., Reklame-Anzeigen
(»3 MM breü) 2.20 Mk. Lei Wiederholungen Nachlaß nach Tarif.
Geheimmtttel-Anzeigen »erden nicht ausgenommen.
SiefchLstSstunden: 8-'/,» Uhr. Sprechstunden der Redaktion: 11 -12 Uhr.
postsch«<tt»nto Nerieruhe Nr. 22577. Trl^Adr.: Dolkezettung Heidelberg.

HLiöelberg, Freitag, ^2 März 1S2V
Nr. 6^ » 2. Jahrgang

Derantroortl.: Für inner« u. äußere Politik, Volkswirtschaft u.Feuilleton: Dr,
S. Kraus; fitr Kommunales u. soziale Rundschau: I. Kohn: für Lokales:
O.Gelbel; für die Anzeigen: H.Hoffmann, sämtlich in Heidelberg
Druck und Verlag derllntrrdadischen Vrrlagsanstait G.m.b.H., Heidelberg
Geschäftsstelle: Gchröderstraßr 39.
Fernsprecher: AnzeigemAnnahme 2073, Redaktion 2648.

Gedanken über das
Betriebsrätegesetz.
Alf The»«.
Die norwegischen Arbeiter fordern, laut gestriger Notiz, an-
lätzktch der neuen Tarifverhandlungen das Recht auf Mitbestimmung
«n den Betrieben, sie verlangen deshalb Betriebsräte. Es scheint
also, daß diese neue Organisativnsform immer mehr neue Anhänger
gewinnt, nicht nur das, sondern als vorherrschende Idee sich in der
jetzigen Wirtschaftsform ausdrücken will. Vereinigungen der Ar-
beiter -um Zwecke der Interessenvertretung waren schon vorher die
Gewerkschaften. Mit dem Gedanken an die Betriebsräte tritt ein
neues Moment zu den Absichten der Produzenten hinzu.
Soll di« Tätigkeit der Arbeiterschaft sich nicht wie bisher außer-
hald des Betriebs, wie es der Kampf der Gewerkschaften um den
Tarifvertrag im Grunde doch ist, absp.ielen, sondern will sie als
erste Hand, die die notwendigsten Güter der Menschheit beschafft,
die gerechte Frage erheben, wie mit diesen Gütern die menschlichen
Bedürfnisse befriedigt werden, so mutz sie neben dem Interesse der
eigenen Eingliederung in den Erzengungsprvzeß überhaupt, den
Verbrauch, die Verteilung zu regeln versuchen.
Dieses Endziel, die Versorgung des Bedarfs unter Ausschaltung
von Interessenkreisen, die die Konsumtion nicht nach dem Grundsatz
der Bedarfsdeckung gerecht zu werden trachteten, viel eher die
Nachfrage durch Aufvltroierung ihrer Ueberprvdufte vergewaltigen,
wurde als Aufgabe der Partei überlassen, die es verwirklichen soll
durch Erringung der politischen Macht. Dann erst wäre es die
gegebene Zeit, durch Dekrete oder Verordnungen, wie sie in Deutsch-
laich benannt sein nwgen, dem Kapitalismus zu Leibe zu gehen,
ko ist es auch verständlich, dass beide Wege wenigstens der Form
nach sich trennten. ' Obgleich beide das Ziel in der Schaffung einer
sozialistischen Gemcinwirtschaft hatten, erklärten die Gewerkschaften
sich für politisch neutral.
Dah der Weg über Verordnungen sehr wenig den Charakter
einer Volkswirtschaft zu ändern imstande ist, ist eine der Erfahrun-
gen, die wir im neuen Deutschland gemacht haben. Die Umstände,
die es noch immer möglich machen, datz deutsche Kapitalisten einen
richtigen Ausverkauf der Warenbestände der deutschen Volkswirt
schäft zu „herabgesetzlen Preisen" zu inszenieren imstande sind, lasten
sicher nicht als Schuldbeweise auf sozialistischen Parteien, solange,
sie in der Regierung zu Koalitionen gezwungen sind und durch eine
schwere Geburt, wie sie ein solcher Friedensschluss oedeutet, ins
Regierungsdasein gelangen. Umsomehr müssen wir es als eine be-
deutungsvolle Leistung begrüßen, dass sie uns das Betriebsrätegesetz
gebracht haben.
Hierin liegen die Möglichkeiten des zweiten Weges verankert,
dessen Begehen selbstverständlich nicht den ersten Weg ausschaltet.
Die schaffenden Geister, Arbeiter und Angestellte, müssen sich schulen'
in die Tätigkeit des Organisierens und der Verwaltung, in die un-
saubere Hexenküche der Privatinitiative und des Schiebers einer
geniehaften Unternehmerclique einzudringen und diesen im Grunde
sv einfachen Wirtschaftsprvzch in das sonnenhelle Tageslicht eines
menschenwürdigen Daseins bringen. In dem Worte: „Wenn mein
starker Arm es will, stehen alle Räder Ml", in dem wahrhaftig ein
gut Teil Wahrheit liegt, kann keine Parole liegen und der dadurch
geschaffene naive Glaube aus ein formvollendeteres Wirtschafts-
prinzip hat noch nicht seine Bestätigung gefunden. Gelingt es aber
allen Angestellten und Arbeitern der einzelnen Volkswirtschaften,
auf der einmal gegebenen Grundlage eines Betriebsrates und dem
weiteren Ausbau der übergeordneten Wirtschastsräte die ange-
fangene Umformung des jetzigen Wirtschaftsprinzips gemeinsam
mit ihren Betätigungsmöglichkeiten im politischen Parlament durch
ihre Vertreter ganz zu vollziehen, so werden die Ausstrahlungen aus
die Weltwirtschaft nicht fehlen.

Politische Ueberstcht
Französische und deutsche Chauvinisten.
B « rn , 10. Marz. Wie die „Neue Korrespondenz" aus fran-
zösischen diplomatischen Kreisen in Berlin erfährt, hat man aus
französischer Seite nicht die Ab sicht, den Zwi-
schenfallim Hotel Adlon zum Gegenstand einer diplo-
matischen A k ti o n zu machen, umsomehr, als man das Vor-
gehen des Prinzen Joachim Albrecht und seiner Begleiter in erster
Linie aus die deutschnationale Agitation der letzten Zeit zurückzu-
führen zu müssen glaubt.
Ergebnisse des sozialdemokratischen Untersuchungsausschusses
im Fistle Sklarz.
Der Vorsitzende des sozialdemokratischen Untersuchungsaus-
schusses, Genosse Svllmann , gibt im „Vorwärts" eine ausführ-
liche Darstellung über den Verlaus und das Resultat der Unter-
suchung im Fall Sklarz. So schreibt Svllmann u. a.:
Ich gesteh«, bedenklich gewesen zu sein, als ich fern von Berlin
wochenlang die grossen ^Enthüllungen" las, und wurde noch sorgenvoller,
als Baumeister jein Material nur als einen winzigen Teil des Beweis-
stoffes bezeichnete und Davidfohn mir gewichtig sagte, dass noch „Akten-
schränke" davon vorhanden feien. Jedoch nichts von diesen „Aktenschran-
ken" ist dem Ausschuss vorgelegt worden. Sonnenfeld, Baumeister und
Davidfohn hatten sich schon vollkommen ausgegeben, als sie vor dem
sozialdemokratischen Untersuchungsausschuss erschienen. Ihre Vernehmung
war eine ununterbrochene Preisgabe oder Abschwächung von Behaup-
tungen, die bis dahin mit unfehlbarer Gewissheit durch taufend Zeitungen
ins Land geschlendert waren.
Dor dem Untersuchungsausschuss gab Herr Sonnenfeld die Erklärung
ab, dass er niemals Anschuldigungen gegen führende Parteigenossen er-
hoben habe. Leichthin rückte er von der ungeheuerlichen — aus
seinem Kreise in die Presse gegebenen — Behauptung ab, dass Sklarz
und Scheidemann gemeinsam eine hohe Summe für die Ermordung Lieb-
knechts und Luremburgs ausgesetzt hätten. Seelenruhig sagte Herr Son-
nenseld, er habe niemals geglaubt, dah Genosse Scheidemann eine solche
Bekohnung ausgesetzt habe, traue das Scheidemann auch nicht zu. Er
habe nur die Absicht gehabt, einen Bramarbas in der Umgebung Scheide-
Manns blosszustellen/ Zu diesem löblichen Zwecke wird also eine ver-
brecherische Sensationsnachricht durch die Presse der ganzen Welt gejagt
»nd von Millionen Menschen gläubig hingenommen, obwohl sie der Ur-
heber jekbp nicht glaubt.
Der sozialdemokratische Ausschuss hatte leider nicht den Vorzug, den
jungen Herrn Sonnenfeld vernehmen zu können .weil dieser sich wegen

Das Urteil im Helffrich-Prozetz.
Berlin, 12. März. (W.B.) Der Angeklagte Dr. Heisser ich
wurde wegen fortgesetzter Beleidigung im Sinn« der Paragraphen 185
und 186 zu 300 Mk. Geldstrafe verurteilt. Ferner wurde die Einziehung
der Broschüre „Fort mit Trzderger" sowie mehrere Nummern der
„Kreuzzeitung" sowie der zur Herstellung benutzten Platten ausgesprochen.
Deutsche Nationalversammlung.
Berlin, 11. März. In der heutigen Sitzung wurde das Lan-
dessteuergesetz und das Reichseinkommensteuergesetz in 3. Lesung
angenommen.
Sozialdemokratie und Einheitsstaat.
Karlsruhe, 12. März. Die sozialdemokratischen Landtags-
fraktionen von Baden, Hessen, Württemberg und Bayern werden
am kommenden Sonntag inStuttgart gemeinschaftlich mit Ver-
tretern der soz. Reichstagsfraktion die Frage des Einheitsstaates
erörtern.
Eine deutsche Note in der Verurteilungsfrage.
Berlin, 12. März. (W.B.) Der deutsche Geschäfts-
träger in London hat dem Premierminister Lloyd G e vrge
eine Note überreicht, in welcher die deutsche Regierung mitteilt, daß
sie die Auslieferungsliste dem Oberreichsanwalt beim Reichsgericht
in Leipzig übermittelt habe. Damit gemäh dem Gesetz zur Verfol-
gung von Kriegsverbrechen das Erforderliche veranlaßt würde.
Weiter heißt es in der Note, daß ein von der deutschen Regierung
eingebrachter Gesetzentwurf zur Ergänzung dieses Gesetzes von der
Nationalversammlung angenommen worden sei, die alle denkbaren
gesetzlichen Garantien für eine erschöpfende und unparteiische Unter-
suchung gebe. Die Note prv 1 estier 1 ferner gegendieVer-
Haftung und der Verurteilung Deutscher, in den besetzten Gebie-
ten durch alliierte Gerichte. Sie fordert, dah derartige Verhaf-
tungen nicht mehr vorgenommen und die bereits sestgenommenen
Deutschen dem deutschen Gerichtzur Verfügung ge-
stellt werden. In gleicher Weise würden auch diejenigen Deutschen
in die Heimat zu enitlafsen sein, die bisher wegen Beschuldigungen
in der bezeichneten Art in Gefangenschaft zurückbehal-
t e n worden sind.
Das Prinzip der Gemcinwirtschaft in der
Beratung des Reichswirtfchaftsrat.
Berlin, 12. März. (W.B.) InderweiterenBera-
tung des Wirtschaftsrates beim Reichswirtschastsmini-
sterium kamen gestern Vertreter aller interessierten Richtungen und
Landesteile, darunter auch führende Minister Süddeutschlands, Ar-
beitgeber und Arbeitnehmer zum Wort. Das Prinzip der gemein-
wirtschaftlichen Kapitalbildung sowie die Zentrali-
sierung des Geldverkehrs Mischen Deutschland und dem Ausland
wurde als richtig anerkannt. Uebereinsfimmung herrschte auch laut
„Allg. Ztg." darüber, daß einMora 1 oriu m für den Handel
unter keinen Umständen ausgeführt werden dürfe.
Die kommenden Sitzungen des Völkerbundrats.
Lvndon, 10. März. (Wolff.) Reuter meldet: Man glaubt,
daß der Völkerbundsrat die interessierten Länder einkaden
werde, an einer Konferenz zur Besprechung der europäischen Finanz-
krise, die a m 3. April in Brüssel stattfinden soll, teilzuneh-
men. Man glaubt auch, daß D e u t s ch l a n d bei dieser Konferenz
vertrete nseinwerde.
Die vierte Sitzung des Völkerbundsrates soll in R v m
stattfinden zur Besprechung verschiedener Fragen, welche sich aus
die Abrüstung beziehen.
Internationale Streikbewegung.
L vndo n, 10. März. (Wolff.) Die Bergleute sprachen
sich mit 546 000 Stimmen gegen 425 000 Stimmen zugunsten eines
Streiks zur Unterstützung ihrer Forderungen hinsichtlich Ver-
staatlichung der Bergwerke aus.
Mailand, 11. März. (W.B.) Der „Secolo" erfährt,
daß Vertreter der italienischen Eisenbahnergewerk-
schaften gestern dem Ministerpräsidenten zwei in Bologna vom
Generalrat und von dem Zentralvorstand angenommene Tagesord-
nungen unterbreitete. Die Vertreter der Eisenbahner erklärten, daß
sie die Antwort der Regierung bis zum 16. März
erwarteten. Wenn diese auf den genannten Tag nicht erfolgen, oder
wenn sie unbefriedigend ausfallen sollte, würden die Eisenbahner
neuerdingsindenStreik gedrängt werden.
A n z i n ,11. März. (Wolff.) Die B e r g a r be i te r des
Beckens von Anzin haben den Streik beschlossen.

angeblicher Defraudationen in Holland in Hast befand. Dass Davidfohn
und Baumeister aus eigenem von den ganzen Geschichten so gut wie
nichts wissen, sondern sie nur mit einem starken Glauben weitergetragen
haben, ist von ihnen selbst bekundet worden. Davidsvhns Hauptzeuge,
ein Genosse Friedländer, hat vollkommen versagt und feierlich erklärt,
„dass er weder Scheidemann noch Ebert oder anderen führenden Pattei-
genossen etwas vorwersen kann". Baumeister hat vor dem Ausschuss
unaufgefordert dieselbe Erklärung wiederholt und unzweideutig abgegeben.
Dass Sklarz gewagte Geschäfte gemacht hat, ist möglich. Dafür aber,
dah führende Sozialdemokraten Deutschlands an den Geschäften von
Sklarz oder Parvus irgendwie beteiligt seien, wurde vor dem Ausschuss
ein Beweis auch nicht einmal versucht. Begünstigung dieser beiden Ge-
schäftsleute durch sozialdemokratische Regierungsmänner wurde von Da-
vidfohn behauptet, jedoch ohne den Schatten eines einzigen Beweises.
Der in Druck befindliche Ausfchutzbettcht bringt für jeden einzelnen Fall
die Behauptungen und die Zeugenaussagen.
Nur zweierlei sei im Vorbeigehen noch gestreift: di« Lebensmittel-
sendungen an sozialdemokratische Parteiführer und deren „Schmausereien
hei Sklarz. Diese berühmten Lebensmittelpaketchen — wer hat während
des Krieges von seinen Rationen gelebt? — stammten gar nicht von
Sklarz, sondern waren Liebesgaben dänischer Patteigenossen, wie der

dänische Gewerkschaftsführer Kiefer in Gegenwatt Davidsvhns bekundet«.
Und die Schmausereien, die Gelage? Für die Erzählungen, dass sich st»
zialdemokratische Parteiführer bei Sklarz „durchgefrcssen und durchge-
loffen" hätten, juche ich vergeblich auch mir die Spur eine, Beweises.
Dass sich Familienangehörige Scheidemanns auf Kosten Sklarz im Aus-
lande aufgehalten, hat sich als v v l l k v m m e n unwahr herausgestellt.
Aus dem Fall Sklarz eine Korruptivnsgeschichte für sozialdemokratisch«
Parteiführer zu machen, wird schwerlich jemandem gelingen.
Der Unterrichtsminffter gegen das Urteil des akademischen Senats.
Berlin, 10. März. In der Angelegenheit Nicolai teilt»
der Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung dem Senat
der Berliner Universität auf das Urteil folgendes mit: Nachdem
eine Gruppe der Studentenschaft die Vorlesungen des ausserordent-
lichen Professors Nicolai unter schwerer Verletzung akademischer
Disziplin unmöglich gemacht hat, wurde von Nicolai mit meinem
Einverständnis der Schutz des akademischen Senats nachgesucht.
Statt daß dieser in seiner Stellungnahme die akademische Lehrfrei-
heit wiederherstellte, übte er die Tätigkeit eines Ehren-
gerichtes aus und fällte entgegen seiner eigenen Auffassung em
p o l i 1 is che s U r t e i l, bei dessen Bildung er freilich den völligen
Umsturz der Verhältnisse in Deutschland außeracht ließ. Man kann
über die Art, wie Nicolai seine Ueberzeugung während des Krieges
ausdrückte, verschiedener Ansicht sein. Aber eine akademische Be-
hörde kann nicht zur Verurteilung schreiten auf Grund von Hand-
lungen, die unter die allgemeine Amnestie einer vom Volk gewählten
Regierung fallen. Auch kann der Senat als rein wissenschaftliche
Verwaltungsbehörde für ein politisches Urteil nichtalszustän-
d i g angesehen werden. Eine Disziplinarbefugnis steht ihm einem
ausserordentlichen Professor gegenüber nicht zu. Sein Spruch Hal
also keinerlei rechtliche Folgen. Dagegen kann auch nicht eingcwandl
werden, daß sich Nicolai dem Urteil des Senats feiwillig unter-
worfen habe, denn er erhob sofort schriftlichen Protest, als der
Senat die Untersuchung vom akademischen auf das politische Gebiet
verlegte. Zwar mißbilligte der Senat in seinem Urteil den ord-
nungswidrigen Eingriff der Studenten in die Lehrfreiheit, aber er
geht mit Stillschweigen über die Tatsache hinweg, daß es dem
Rektor der Universität nicht gelang, die akademische Diszi-
plin zu wahren. Angesichts dieser Tatsachen fühle ich mich im
Interesse der unter allen Umständen aufrechtzuerhaltenden Lehrfrei-
heit verpflichtet, Nicolai, falls er seine Vorlesungstätigkeit fortsetzen
will, bei der Ausübung seines Amtes zu stützen und
die akademische Ordnung mitallenmirzuGebote st eh en-
de n Mitt»ln innerhalb der Universität zu schützen.

Die Abstimmung in der zweiten Zone.
Berlin, 9. März. Der deutsche Ausschuß für Schleswig
teilt mit: Bei der Abstimmung in der zweiten Zone Schleswigs am
14. März darf kein stimmberechtigter Deutscher fehlen. Von dem
Ergebnis dieser Abstimmung hängt auch das Schicksal der ersten
Zone ab. Insbesondere die vergewaltigten Teile der ersten Zone,
welche trotz aller Machenschaften der Gegner eine deutsche Mehr-
heit ergaben, haben an der Mstimmung der zweiten Zone das
größte Interesse. Nachdem durch das Vorbringen bestimmter deut-
scher Gegenvorschläge, namentlich durch das Eintreten für die soge-
nannte Tiedjolinie, die Unmöglichkeit der Clausenschen Linie klarer
geworden ist und die preußische Regierung neuerdings die Erhal-
tung der schleswig-holsteinischen Sonderrechte gewährleistete, ver-
doppelten sich die Anstrengungen der Dänen, auch die zweite Zone
von Deutschland lvszureißen. Es wird immer offensichtlicher, daff
die im Auftrage der internationalen Kommission arbeitende Polizei
nur dänische Interessen schützt.
Während französische Soldaten die deutschen schleswigscheq
Abzeichen herunterreißen, schmücken sie sich selbst mit dem
Danebrog. Den Reichsdänen wird jede Agitation im weite-
sten Umfang gestattet, den einheimischen deutschen Beamten, mögen
sie stimmberechtigt sein oder nicht, wird jedes Eintreten
für Deutschland untersagt. Oberbürgermeister Tvd-
s e n, welcher sich nach der ihm aufgezwungenen Niederlegung sofort
aus Flensburg in die Einsamkeit seiner väterlichen Marsch nach
Christian-Albrechts-Kvog begab, wurde gleichwohl von der inter-
nationalen Kommission ausgewiesen, um angeblich seine freie,
unbeeinflußte Stimmenabgabe zu sichern. Während in der ersten
Zone im Hinblick auf das Ueberwiegen der dänischen Bevölkerung
Las öffentliche Flaggen gestattet war, erging jetzt durch hie" inter-
nationale Kommission für die zweite Zone ein Flaggverb vt.
Es soll nach außen hin nicht in Erscheinung treten, daß die zweit«
Zone deutsch ist. Es wird unter dem Schein der Unparteilichkeit
kein Mittel unversucht gelassen, die Deutschen zu knebeln. An der
Festigkeit und dem unerschütterlichen Willen der deutschen Bevölke-
rung werden aber alle Vergewaltigungsversuche und Verschleie-
rungskünste scheitern.
Ausland.
Kongreß für Völkerbundspropaganda in Rom.
Lugano, 10. März. Der internationale Kongreß der Or-
ganisation für die Propaganda zugunsten des Völkerhundes
wird vom 22. bis 26. Mai in Rom stattfinden. Mit den Vor-
bereitungen wurde die italienische Abteilung beauftragt, die vom
Exminister Bissolati geleitet wird. Am Kongreß nehmen di«
Vertreter von dreißig Nationen teil. Besonders zahl-
reich sind die neutralen Staaten vertreten und man sieht des-
halb, wie der „Corriere della Sera" betont, voraus, daß diesmal
Probleme zur Sprache kommen werden, die bei den
bisherigen Zusammenkünften in London, Paris und Brüs-
sel nicht erörtert werden konnten.

England und die deutsche Presse.
Berlin, 10. März. Auf eine entsprechende Anfrage des
Auswärtigen Amtes ließ die großbritannische Regierung mitteilen,
daß in Uebereinstimmung mit Teil 10 Absatz 1 der Aliens restric-
tion (Amendement) Akt 1919 Z e i t u n g s b e ri ch te r st a t t e r,
die Staatsangehörige der früher feindlichen Länder sind, nun -
mehr nach Großbritannienzugelassen werden, vor-
ausgesetzt, daß 1. die vertretene Zeitung ein gutes Ansehen genießt
und in dem Lande, wo sie erscheint, als Preßorgan anerkannt ist,
 
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