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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (1/2) — 1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.44126#0505
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Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung der Amtsbezirke Heidelberg, Wiesloch, Sinsheim, Gppingen, Eberbach, Mosbach, Buchen, Adelsheim, Boxberg,
Tauberbischofsheim und Wertheim.

Bezugspreis: Monatlich einschl. Trägerlohn 3.S0 Ml. Anzeigenpreise:
Die einspaltige Petitzeile (36 mm breit) 70 pfg., Reklame-Anzeigen
(93 mm breit) 2.20 Ml. Bei Wiederholungen Nachlaß nach Tarif.
Geheimmittel-Anzeigen werden nicht ausgenommen.
Geschäftsstunden: 8—'/,6 ilhr. Sprechstunden der Redaktion: 11 —12 Uhr.
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Heidelberg, Donnerstag, 29. April ^920
7!r. 99 * 2. Jahrgang

Verantwort!.: Fürinnereu. äußere Politik, Volkswirtschastu. Feuilleton: Or.
E.Kraus,- furKommunales u.sozialeRundschau: I.Kahn,- für Lokales:
O.Geibelz für die Anzeigen: H. Hoffmann, sämtlich In Heidelberg
Druck und Verlag der Unterbadischen Verlagsanstalt G. m. b. H-, Heidelberg
Geschäftsstelle: Schröderstraße 39.
Fernsprecher: Anzeigen-Annahme 2673, Redaktion 2648._

Praktische Sozialisterung.
Berlin, 26. April.
Die Donnerstags-Sitzung der Nationalversammlung zeigte, daß
s der sozialdembkratischien Fraktion ernst ist mit der Sozialisierung
and wirklich sozialer SiedelungspolM.
Im Kohlenbergbau wurde km Verordnungsweg eine
großzügige Siedelungstätigkeit eingeleitet, die zur weiteren Ansiede-
lung von 150 000 Arbeitern für die Steigerung der Kohlenförderung
lotwendig sind. Die Mittel werden bekanntlich einem Kohlen-
r e i s a u fs chla g von 6 Mk. per Tonne entnommen. Der Ans-
chuß für WohnungspoMk stellte nun auf Anregung des deutsch-
nationalen Abgeordneten Mumm den Antrag, die Reichsregierung
aufzufordern, den Erzbergbau hinsichtlich der Siedelungstättg--
leit dem Kohlenbergbau gleichzustellen.
Die sozialdemokratische Fraktion stellte den Antrag, auch den
Kalibergbau neben dem Erzbergbau in die Siedelungstätigkeit
einzubeziehen, die Mittel aber nicht im Wege von Preis-
r h ö h un g en zu f cha ff en, sondern sie aus dem ganz erheb-
ichen A u sl a n d s üb e r p r ei s für Eisen, Stahl und Kaki zu
-ntnehmen. Abg. Osterroth begründete in sehr interessanter
Leise den sozialdemokratischen Antrag, besten Annahme nicht weni-
ger bedeutet, als eine ganz wirksame Sozialisierungs-
naßnahme, die den Monopolisten in der Stahl- und Eis-en-
ndustrie und Kalibergbau annähernd eine Milliarde entzieht zu-
gunsten des Wohnungsbaues und der Gcmeinwirtjchast.
Genosts Osterroth wies mit zwingender Logik nach, daß
man im Erz- und Kalibergbau nicht denselben Weg gehen könne
wie im Kohlenbergbau. Die Kohlenpreiserhöhung belastet mit
40 Prozent das Ausland mit. Die Tonne Steinkohlen kostet heute
ab Werk 200 Mk. oder 16 Schilling, während der Friedenspreis
12 Schilling betrug. Die englischen Kohlenpreise seien aber von
12 auf 48 Schilling gestiegen. Die Kohlenpreiserhöhung für Sie-
delungsMvecke könnte also unsere Wettbewerbsfähigkeit auf dem
Weltmarkt nicht beeinträchtigen. Anders liege es für den Erzberg-
bau. Die Stahl- und Eisenpreife haben den Weltmarkt-
preis erreicht und zum Teil schon überstiegen. Die F<Kg» s-t
daß die Fertigindustrie infolge des Steigens der Mark und bei den
hohen Eisen- und Stahlpreffen höhere Selbstkosten habe, als das
konkurrierende Ausland, also vom Export abgeschm'tten werbe durch
die Profistucht der StahlwerksverbäMer. Eine Preissteigerung
für Siedelungszwecke, wie sie dem Abgeordneten Mumm vorschwebe,
schneide uns also vom Weltmarkt ab. Dagegen seien
die Monopolisten in Stahl und Eisen sehr wohl imstande, aus den
riesigen A u s la nd s üb e r p r e ise n ihrer Rohstoffe und
Halbzeugwaren die Mittel abzugeben, die für Paritätisch verwaltete
Siedekungszwecke erforderlich seien.
Aehnlich liege es im Kalibergbau. Eine Preiserhöhung würde
in erster Linie die deutsch« Landwirtschaft belasten, deren Selbstkosten
wesentlich .erhöhen und so die landwirtschaftliche Erzeugung ver-
teuern. Die Landwirtschaft würde die Steigerung ihrer Produk-
tionskosten auf die Konsumenten abwälzen, was neue umfangreiche
Lohn- und Gehaltserhöhungen Hervorrufen müsse. Eine Steigerung
der Kalipreise im Inlandsabsatz müsse die Sozialdemokratie also
ablehnen. Die Kali-Industrie aber habe einen sehr starken Aus-
landsabsatz, der bei dem Stand der Valuta trotz der Steigerung der
Mark einen Milliardensegen ins Land bringe.
Der Wohnungsbau steigere den Auslandsabsatz noch in erheb-
lichem Maße. Auch die Kalk-Industrie könne aus den sehr ein-
träglichen Auslandsverkäufen die Mittel zum Wohnungsbau auf-
bringen, ohne daß das Reich und die Konsumenten belastet werden.
Das Kalifyndikat wolle jetzt schon den Werken 25 Milliarden Mark
zu Wohnungszwecken zur Verfügung stellen, ihnen also aus dem
unverdienten Wertzuwachs der Ä-uslandsüberpreise ein
Geschenk machen. Das gehe nicht an. Die aus den Aus-
landsüberpreisen entnommenen Mittel für Siedelungszwecke müssen
durch die Arbeitsgemeinschaft verwaltet und dem Gemeinbesitz
der Arbeiter und Arbeitgeber zugeführt werden. Notwendig sei die
stärkste Siedelungstätigkeit im Erz- und Kalibergbau nicht minder,
wie im Steinkohlenbergbau, zur Erschließung der Rohstoffquellen
und zum Aufbau der Wirtschaft. Der Aweck des Siedelungswefens
müsse sein, ein freies Volk auf freien Grund zu stellen.
Der Deutschnakionale Mumm und der Renvmmierbergmann
Winnefeld von der Deutschen Volkspartei suchten den sozialdemo-
kratischen Antrag vergeblich zu Fall zu bringen, den auch der
Unabhängige Henke warm begrüßte. Er wurde mit
den Stimmen beider sozialdemokratischer Fraktionen und einiger
Zentrumsstimmen angenommen. Hoffen wir, daß es nicht der letzte
Antrag ist, der beide sozialdemokratische Fraktionen zusamrmnführt
zum Wohle der Arbeiter und zum Schaden der privatkapitalistischen
Monopolisten.

Politische Ueberficht
Nationale Würde — Dummheit oder Heuchelei?
Wir lesen in der „Süddeutschen Zeitung", einem
Organ, das sich das Prädikat zuschreibt, für n a 1 i o n a l e Po l i -
1 ik zu wirken, folgende Meldung:
Berlin, 27. April. (Priv.°Dr.) Auf die Konferenz, die
Ende Mai in' Spaa stattfinden soll, setzen unsere Illusionisten
große Hoffnungen. Sie werden wohl wieder zu Master werden,
wie alles, was man seit den berühmten 14 Punkten Wilsons
erhofft hat. Die Entente hätte uns schon längst „retten" können,
wenn sie gewollt hätte. Vermutlich will sie auch in Spaa uns
nur wieder einwickeln und neue Zugeständnisse von uns erpressen.
Das Wickelkind soll der Reichskanzler Müller sein, wird be-
hauptet. Der eignet sich dazu vortrefflich. Aber in den Kreisen
selbst seiner Genossen sieht man doch bedenkliche Mienen und so
wird denn heute in RegierungSkreifen selbst das Gerücht kolpor-
ti-r-.t rck»ll§icka aiuno — Mirkt Bülow nach Svaa. Der kennt

Der 1. Mai.
Berlin, 28. März. Das Reichspvstmmisterium verfügte,
daß am 1 .Mai der P o st -, Telegraphen- u. Telephon-
bienstwie atz den allsghmvin.enFeiertalgenzu regeln ist.
Ein neuer DortenpnLsch.
Mannheim, 28. April. (Priv.-Tel.) Die schon feit einigen
Wochen im Rheinland« und in der Pfalz umlaufenden Gerüchte
von einer neuen Aktion Dr. Dortens und seiner Anhänger verdichten
sich nun zu der bestimmten Nachricht, daß in den ersten Tagen des
Monats ein Putsch der Anhänger Dortens zur Ausrufung der
Rheinischen Republik im Rheinlands und diesmal auch in der Pfalz
geplant ist. Als Datum des Plüsches wird der erste Mai genannt.
Die Bevölkerung der besetzten Gebiete sieht dem neuen Angriff mit
Ruhe entgegen und wird ihn, falls er gewagt wird, ebenso abwehren,
wie alle früheren Angriffe der Männer um Haatz und Dorten.
Die Auflösung des Heeres.
Berlin, 28. April, lieber die Auflösung des alten deut-
schen Heeres wird mitgeteilt, daß nur noch zwei Abwickelungsstellen
bestehen, die dem Reichsfinanzministerium unterstellt
sind und mit dem Heere gar keine Berührung mehr haben. Der
Große Generälstab wurde am 1. Oktober 1919 aufgelöst, ebenso
die Oberste Heeresleitung und das preußische Kriegsmimsterium.
An Stelle der früheren sieben Armeeinspektivnen und der 25 Armee-
korpskommandos besitzt Deutschland nur noch drei Reichs-
weh rgruppenkommandos. Auch die Militärschulen sind
aufgelöst. Die Auflösung der Zeitfrei willigen-Regi-
meuter erfolgte am 9. April. Nur in Westfalen und Dres-
den bestehen noch einige Verbände. Deutschland erfüllte also,
soweit es nur möglich war, di« Friedensbedingungen.
Pressestimmen zu den dänischen Wahlen.
-- Rom, 27-, April« Drr-vMHatzns" -vesössrMllichk. sssg-nde
Depesche aus Bologna: Der Zentralausschuß des Effenbähner-Syn-
dikats hat beschlossen, daß die Eisenbahner dieses Jahr an der
Feier des 1. Mai teilnehmen werden. Die Arbeit
wird am 1. Mai6 llhrfrüh niedergegt und am 2. Mai
um dieselbe Stunde wieder aufgenommen werden.
Kopenhagen, 28. April. Zu dem gestrigen Ausfall
derWahlen schreibt „Politiken" u. a., der Kampf sei gegen das
Ministerium Zahle geführt worden. Die Geschichte werde einmal
ein ruhiges Urteil über die sieben Jahre fällen, in
denen die Pol i tik D ä n ema r ks durch die Brandung geführt
wurde. Diesem Siege der gemäßigten Linken und dem Verluste
der radikalen Linken würden neue Wahltage folgen und das Bei-
spiel der anderen europäischen Länder zeige, daß die Stim-
mung jetzt schnell wechseln könne. Die Zeitung „S v -
ci a ld em o e r a t en" sagt: Der Appell der Konservativen und
der gemäßigten Linken an die chauvinistische Stimmung habe ihnen
ihre Gewinne gebracht. Bei den kommenden Wahlen aber werde
es ihnen unmöglich sein, ihre günstigen Stellungen
zu behalten. „Berlingsije Tidende" bezeichnet die Wahlen als ei«
Volksurteil. „Kjvebenhaven", das Organ der Linksparteien, nennt
die Antwort des Volkes ein n i ch t zu v e r kennend e s U r tei l
über die verräterische Pvl itik d es M in i st e r i um s Z ah le.
Ergebnisse non San Remo.
Paris, 28. April. Mille^^nk gab in der Kammer-
sitzung am 28. April eine Erftäu-affuvea das Ergebnis der Kon-
ferenz in San Remo ab: Die Türken rchttden in Konstantinopel
Ueiben, England werde in Mesopotamien utt^HalSstina, F r a n k-
reich in Syrien das Mandat würde
vom Juli ab nur noch 16 8Vü Mann in der .WM r al en Fon e
halten dürfen. Jeder Gedanke an eine RevistoWdes Versailler Ver-
trages sei aufgegeben. Die Entschädigungssumme solle
alsbald fest gelegt werden. Jetzt beginne die Perstde de?"
positiven Ausführung d. ensverlrages. Das
Bündnis der Alliierten sei enger und Är^Maer -Ml fesrall,./
-B e rli a, 28. April, der i r at. e .HM^e Lischest er
De Martino über -richte heute der.. die
E ! n I a o n n W?!
in Spaa beginnen soll.
„Populaire" bezeichnet die.-E inIad u n e n
Kanzlers zum 25. Mai nach Spaa cus den Br ginn
einer Revision des Friedensvertrages.
Brüssel, 28. April. Der Oberste Rat bestätigt, daß die
von Deutschland zu zahlende Entschädigungssumme
in Spaa festgesetzt werden solle. Deutschland werde jähr-
! i ch eine bestimmte Summe zu zahlen haben, die sich nach der
Verbesserung der wirtschaftlichen Lage er-
höhen würde. Die Alliierten werden unter sich die auf jeden
von ihnen entfallende Summe festsetzen. Belgien erhält eine bevor-
rechtigte Summe von 2)4 Milliarden.
Paris, 28. April. „Daily Mail" berichtet aus San Remo,
die Konferenz habe entschieden, die französischen Truppen, die Frank-
furt besetzt hielten, würden n'i chtnu r blei b e n, bis die deut-
schen Streitkräfte das Ruhrgebiet geräumt hätten, sondern
bis Deutschland die Entwaffnungsbestimmungen ausgeführt
und 12 660 Geschütze abgeliefert haben werde, die es ent-
gegen dem Fricdensvertrage noch besitze.
Nach einer Privatmeldung der „Information" aus San Remo
soll Lloyd George italienischen Journalisten erklärt haben, der deut-
sche Kanzler werde in Spaa als Minister mit anderen Ministern
verhandeln mit dem Rechte, vvrzuschlagen und zu erörtern, was die
Ausführung des Frisdensvertrages angche.

wenigstens seine Pappenheimer in der Entente und brächte Ge-
wandtheit und nationale Würde auf. Aber mehr als
ein Gerücht ist diese Meldung vorerst noch nicht.
Die „Süddeutsche Zeitung" glaubt ihre „Vaterlandsliebe nicht
besser beweisen zu können, als indem sie den errungenen Schritt der
direkten Verhandlungen mit Deutschländ im voraus diskreditiert.
Die gemeine Art dieses Schrittes ist treffend gekennzeichnet durch
die heuchlerische Absicht, ein Mißtrauen in diese Konferenz dadurch
hervorizurufen, daß sie ein „Gerücht" in einen Teil der Tagespresse
hineinlanzieren möchte. Zur Aufklärung über diese Konferenz wol-
len wir feststellen, daß zwei Strömungen vorherrschen und von den
Ententepolitikern vertreten sein werden. Einmal Frankreichs wirt-
schaftlicher Ruin durch die Zerstörung seiner ausgedehnten Nord-
west-Industriegebiete — treibt es dazu, die für seine Produktion
notwendigen Kohlen und Hilfsleistungen des Wiederaufbaus von
seinem früheren Gegner, der ihm diesen Schaden zugefügt hat, zu
verlangen; zeitweise unter dem Drucke der Militärs, die wie in
allen übrigen Ländern eine Bedrohung ihres eigenen unnützen Da-
seins mit der Gefahr des Vaterlandes identifizieren, benutzt Frank-
reich Konstellationen, die wie ein Aufmarsch an seiner Grenze aus-
sehen, dazu, um das Recht zu erlangen, Garantien für den Vertrag
zu fordern, der ihm ein Grundstein seiner Genesung fein sollte. Dre
Einstellung der übrigen Ententepolitik steigt mit dem Grade des
Erfassens einer notwendigen Gesamtregelung wirtschaftlichen Aus-
tausches. Sie sind deshalb unvoreingenommen in ihrer Stellung
zu Deutschland, da sie einer unmittelbaren Bedrohung nicht so sehr
ausgesetzt sind, ein Grund, der sie veranlaßt, manchinal beruhigend,
nervenstärkend auf Frankreich zu wirken und auf alle Fälle und
mit allen Kräften daran zu arbeiten, Deutschland als gleichberech-
tigtes Mitglied in eine Völkergemeinschaft aufzunehmen, sei sie nun
wirtschaftlicher, politischer oder finanzieller Art.
llebrigens ist die „demagogische" Handlungsweise, die wir hier-
mit blvßgestellt haben, ein weiterer Beweis», wie gefährlich die bür-
gerliche Presse wirken kann. Mögen sich unsere Arbeiter ihren ge-
sunden Menschenverstand nicht trüben lassen «und für immer der-
artige Organe aus ihrem Hause verbannen.
Die Internationale Finanzkonferenz.
Paris, 27. April. Der „Temps" veröffentlicht den Wort-
laut des Briefes, den der Rat des Völkerbundes an die Staa-
ten, die dem Bunde angehören, gerichtet hat, um sie für Ende Mai
zu einer Internationalen Konferenz nach Brüssel
einzuladen. Eine Reihe von Staaten, die zwar Mitglieder des
Völkerbundes sind, aber mit Europa keine entwickelten Beziehungen
haben, werden nun gebeten, Vorschläge zu unterbreiten, ohne
durch Delegierte selbst an der Konferenz teilzunehmen. An die Re-
gierung der Vereinigten Staaten ist die Bitte gerichtet
worden, sich gleichfalls bei der Finanzkonferenz vertreten zu lassen
oder wenigstens an den Arbeiten leitzunehmen. Der Rat behält
sich das Recht vor, a u ch S ta a t e n, d i e n i ch t ei n g e l a d en -
sind, um Mitteilungen über ihre finanzielle und wirtschaftliche
Lage zu ersuchen, und wird nötigenfalls entscheiden, unter wel-
chen Bedingungen diese Länder gehört werden
können. Unter diesen Landern sind insbesondere Deutsch-,
land und Oesterreich gemeint. Jedes eingeladene Land kann
drei Delegierte bestimmen. Der Rat wird den Präsidenten be-
stimmen und ein Sekretariat bestellen. Es wird ersucht, alle An-
regungen, die bei der Konferenz vorgebracht werden sollen, schon
vorher dem Generalsekretariat bekanntzugeben. Die Auslagen der
Organisation werden vom Völkerbund getragen, die Auslagen öer
Delegationen von ihren Regierungen.
Im Einladungsschreiben an die Vereinigten
Staaten heißt es: Die Welt ist augenblicklich in eine wirt-
schaftliche und finanzielle Verwirrung geraten,
deren Wirkungen schon, jetzt überaus ernst sind und deren Folgen
in Zukunft eine so große Gefahr bedeuten, daß der Völkerbund sie
nicht außeracht lassen kann, ohne seine wesentlichsten Pflichten zu
versäumen. Der Rat des Völkerbundes verhehle sich nicht die
SchwieriKeiten des Problems und erwarte von der Konferenz nicht
eine endgültige Lösung. Er wünsche, daß die gegenwärtige Lage
vom internationalen Standpunkt aus beraten werde, und für alle
Delegierten, die in Brüssel zusammentreten werden, gelte es, sich
bei der Behandlung der Fragen über die Sonderinteressen des eige-
nen Landes zu erheben. Es sei nicht die Absicht, die Weltherrschaft
zu reformieren, aber eine Verbesserung vorzubereiten, indem
die kompetentesten Persönlichkeiten aller Länder ersucht werden, un-
parteiisch die gegenwärtige Lage zu prüfen und praktische Vorschläge
zu machen. In Anbetracht der Wichtigkeit der Vereinigten Staaten
auf dem Gebiet der Volkswirtschaft hoffe der Rat, daß sich die Der-
einigten Staaten vertreten lassen oder doch an den Arbeiten teil-
nehmen werden.

Dir Aburteilung der Schuldigen.
Paris, 28. April. Nach einer Meldung des Newyork He-
rald aus San Remo beschloß der Oberste Rat gestern, der deutschen
Regierung alle nötigen Beweise für die Aburteilung der
Beschuldigten zu übermitteln.

Die deutschen Vertreter für Spaa.
Berlin, 28. April. Nach der „Nationatzeitung" ist übet
die Frage, wer Deutschland in Spaa vertreten soll, bereits im Ka-
binett beraten worden. Danach sollen nach Spaa reisen: Der
Reichskanzler Hermann Müller, Reichsminister des Mutzern Köster
und Neichssinanzminister Dr. Wirth. Ob der Reichsminister des
Innern Dr. Koch ebenfalls an'der Konferenz teilnehmen wird, steht
noch nicht fest. Der ReichsfinanMinister reift nicht nur zur Teil-
nahme an der von der Entente in Aussicht gestellten Erörterung
über die Festsetzung des Wiedergutm-achungsbetvages nach Spaa,
sondern auch zur Besprechung des finanziellen Teils der Wieder-
ausbausrage. Zur Regelung der Wiederaufbaufrage wird
 
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