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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (1/2) — 1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.44126#0199
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unsere

Man hätte zum
l Gewerkschaften

Geistesarbeiter Badens statt. Tagesordnung: Aussprache
über Ziel und Zweck der Arbeitsgemeinschaft. Der Zeitpunkt der
Tagung ist so gewählt, um den auswärtigen Genossen Gelegenheit
zur Rückkehr mit den Abendzügen zu geben. Zahlreiches Erscheinen
zu der wichtigen Tagung ist erforderlich. Als Referenten werden
die Genossen B ee tz und Mü l l e r - B e ck und die Genossin A n -
ders sprechen.

Aus dem Parteileben.
Ausserordentliche Landesversammlung der sozialdemokratischen
Geistesarbeiter Badens.
Am kommenden Samstag, den 21. Febr., nachm. 1 Uhr,
findet in Karlsruhe im Restaurant Monninger (Gartensaal)
eine ausserordentliche Landesversammlung der sozialdemokratischen

teilen Psychologie hielt, glaubte die experimentellen Begabungs-
statistiken gegen die einheitliche Grundschule verwerten zu müssen;
überzeugt hat er mit dieser Gewaltsamkeit nicht.
Das Einzige in die Zukunft weisende, wirklich Sozialistisch-
Revolutionäre im besten Sinne führt zu diesem Thema unser Gen.'
Hauptlehrer Haebler- Liedolsheim aus, er stützte sich dabei aus
die von ihm ausgearbeiteten Leitsätze der „Arbeitsgemeinschaft so-
zialistischer Geistesarbeiter" sowie auf den Einheftsschulentwurf des
badischen Gewerbeschulmannes, der jedem Genossen zu eingehendem
Studium zu empfehlen ist. Hier haben wir wirklich einen organisch^
einheitlichen Schulaufbau vor uns. Angefangen von der Ausbil-
dung der reiferen Mädchen in Säuglings- und Kinderpflege über
Grundschule, Mittel- und Oberschule bis zur Hochschule bzw. Volks-
hochschule oder Fachhochschule soll die Einheitsschule das ganze
Volk in allen seinen Bildungsstufen und ^Schichten umfassen. Am
revolutionärsten wirkte Haebler auf die Anwesenden, als er die
Auflösung des starren Systems der jetzigen sog. „höheren" Schulen
in eine einheitliche Oberstufe der Einheitsschule mit nach Begabung
und Neigung fachlich gegliederten Arbetsgemeinschaften forderte.
Als „Utopien" und „Zukunftsträume" tat man Haeblers Ideen
ab. Und doch weist die ganze Revolutionierung unseres Schul-
systems und unserer Kulturpolitik in diese Richtung, vor allem aber
das grosse Problem der Volkshochschule, das aus der Kon-
ferenz selber leider allzu kurz kam. Haebler hatte recht, wenn er
betonte, dass hier elementare Entwicklungstendenzen vorliegen, die
mit und ohne badische Schulkonferenz sich Bahn brechen werden.
Mit grosser Kürze musste die Konserenz die beiden letzten
Tagesordnungspunkte erledigen, womit deren Bedeutung nur all-
zuwenig zum Ausdruck kam. Dies gilt besonders für die Frage der
Schulverwaltung. Äusser den Sozialisten, vertreten durch
die inhaltsvollen Ausführungen unseres Genossen Prof. Roh-
da ch, und den Herren Fränkel und Dr. Daur, wagte sich niemand
an dieses so wichtige Thema der Schulgemeinde, Eltern- und
Schülerräte heran. Der aufmerksame Beobachter konnte in diesem
Punkt feststellen, dass von eigentlich demokratischem Freiheitsgefühl
bei uns, trotz der schönen Verfassung, noch recht wenig zu spüren
ist, ja dass man sich fürchtet, gerade auf dem Gebiet der Erziehung
den Obrigkettsstaat abzubauen zugunsten einer freieren Selbstver-
antwortung des Verwaltenden und Verwalteten. Natürlich darf
— wie auch Minister Hummel ganz richtig betonte — das Selbst-
verwaltungsprinzip nicht überspannt werden und zur Bildung des
Organisativnen-Ständestaats führen; sondern die freien Selbstver-
waltungskörperschaften müssen organische Glieder des Volksstaates
fein, dessen politisches Zentrum die demokratische Volkskammer ist.
— Völlig einig waren sich alle in der Forderung erhöhter Kör-
perbildung unserer Schuljugend. Das Zahlenmaterial, das
zu diesem Punkte die Mediziner vorlegten, zeigt, welch vernichtende
Wirkungen der Krieg auf unsere Volksgesundheit ausgeübt hat!
Wir hoffen, dass das Material dieser Schulkvnferenz von der
Reichsregierung einem eingehenden Studium unterzogen wird. Sie
wird vor allem den einmütigen Willen erkennen, daß wir in Baden
keine Konfessionsschule, sondern nur die Einheits-
schule wollen. Wir Sozialdemokraten Müssen jetzt mit dem
Material dieser hochwichtigen Konferenz unsere Genossen in Stadt
und Land bekannt machen, sie dafür interessieren und immer grössere
Kreise für unsere sozialistische Schulpolitik gewinnen. Auf der
nächsten Schulkonferenz muss noch mehr sozialistischer Geist wehen!
An die Arbeit! Es geht um unsere Jugend und damit um
Zukunft!

Ihr liegt schun lang in der Schublad,
Un ich mecht eich gern brauche.
Kardoffel-, Butter-, Eierkaard,
Wann mir eich aach besitze,
Ihr kummt, wie vieles, unner's Rad,
Ihr kennt uns nix mehr nitze.
Kartoffel-, Butter-, Eierkaard,
Mir hawwe 's jetzt erfahre,
Es is um eier drucke schad,
Des Geld, des kennt mar schbare.
Kardoffel-, Butter-, Eierkaard,
Lebt wohl, mir misse scheide,
Es kann im Dors un in der Schdadt
Keon Schiewer eich mehr le,de.
Kardoffel-, Butter-, Eierkaard,
Jetzt mißt ihr bald dran glaawe,
Ich heil uni eich vun frih bis schbat,
Mir misse eich begrawe.
Kardoffel-, Butter-, Eierkaard,
Ihr seid jo zu bedauere,
Jbr gelt' nix mehr im bad'sche Schdaad,
Warum, des frog die Bauere.
Schorsch'l.

Vom Landtag.
Die soziale Lage der Geistlichen.
In der Haushaltskommission des Landtags wurde bei der Po-
sition: 1735 000 Mk. als einmaliger Zuschuß zur Gewährung von
Teuerungszulagen an Geistliche aller Bekenntnisse (also auch der
Freireligiösen und Altkatholiken. D. Ber.) eingehende Erörterung
gepflogen über die niedrigen Gehälter der Geistlichen aller Kon-
fessionen. Allgemein erkannte man diese Notlage, auch unsererseits,
an. Da die Sozialdemokratie sich stets gegen die Dotie-
rung der Kirchen durch den Staat ausgesprochen, stellte sie folgen-
den Vermittelungsantrag:
„Der einmalige Zuschuss zur Gewährung von Teuerungs-
zulagen an Geistliche aller Bekenntnisse ist seitens der Staatskasse
als Vorschuß zu gewähren. Die Rückzahlung soll erfolgen,
sobald die Religionsgemeinschaften durch entsprechende Erhöhung
der Kirchensteuer die Mittel hierfür aufbringen können."
Diesen Antrag lehnten die bürgerlichen Parteien ab. Die
Position wurde schliesslich mit allen gegen die sozialdemokratischen
Stimmen bewilligt, nachdem noch der Zentrumsredner einer Auf-
besserung der pensionierten Geistlichen das Wort geredet hatte.
Bewilligt wurden noch für Bauten an der Universität Hei-
delberg: Neubau der medizinischen, 2. Teilsorderung 500 000
Mark, Errichtung einer Ambulanz der Hautklinik 66 000 Mk., an
der Technischen Hochschule Karlsruhe: Neubau der Ingenieur-
abteilung, 2. Teilforderung 700 000 Mk.

Unser Kaardesyschdem.
Im vorige Johr während meine Ferie, am -'me Dag, an dem
*»ei' Fraa grao Wäsch g'habt Hot, schickt se mich uffs Nahrungsmittel-
<ttnt, Kaarde hole, uffs Wohnungsamt wege unserer Wohnung un
iu unserm Kohlehändler, vun wege unsere Kohle. Ich kann Ihne
"^sichere, ich möcht' liewer Widder die lOschdündig Arweitszeit, als
vllch jeden Dag mit de Leit vun dene eenzelne Aemter rumreiße zu
"rüsse.
Jetzt zuerschd emol vun de Kohle! Was for Schlich un Drick
Mr do anwenne mutz, um zu sei'm Sach zu kumme, des schbricht
Und! Korz un gut, ich will nit zu viel sage, awwer des eene
Adeht feschd, unser Heidelberger Kohlehändler mit verschwindend
t^ene Ausnahme sin eenfach unberechenbar. Norleifig misse mar jo
stchig sein un unsern Schnawwel Halde, awwer des eene kenne mar
zfUe Herre doch sage: es kumme aach emol Widder annere Zeite!
Erlogt Eich druff, mir mache's Widder wedd!
Braucht mar heit Kohle for sein Haus,
Do schdellt mar dir e Kaard erscht ans
For so un so viel Räume!
Die drägt zum Kohlehändler man,
Der schreibt em in die Lischt sodann,
Des derf mar nit versäume.
Un nach Verlauf vun e 'me Verdeljohr
Schbricht drei mol mar beim Händler vor
Un frogt noch seine Kohle.
's sin keeni do, sie sinn uff der Bahn,
Verkehrsschdreik, es kummt nix an
So dun die eem „verkohle"
(Eich soll der Kuckuk hole!)
Wann mar aach secht, 's Gas ging schlecht,
Un daß mar nor een Zendner mecht,
Wann er aach noch so deier.
Dann macht so'n Kerl mit eem noch Krach,
Secht gleich, schdeigt doch dem drinn uff's Dach,
Un schickt eem hin zum Maier.
So is mir's bei'm Kohlehändler gange! Wann eener sich viel-
einbild', ich hätt' beim Wohnungsamt mehr Glick g'habt, dann
" er sich. Heule mecht mar! Bevor ich zu dem Wohnungsver-

Aus Stadt und Land.
Der neue Personenbahnhof in Heidelberg. Von parlamen-
tarischer Sette wird uns geschrieben: Es mag in Heidelberg da und
dort befremdet haben, daß im 7. Nachtrag zum Staatsvoranschlaa
für dm Jahre 1918 und 1919 unter der Hauptabteilung VIII — Vor-
anschlag des Eisenbahnbaues — sich eine Anforderung für oen Hei-
delberger Hauptbahnhof nicht vorfindet. Dazu ist zu bemerken, daß
eine derartige Anforderung aus dem Grunde nicht in dieses Budget
ausgenommen worden ist, weil sich darin nur solche Positionen de-
finden, die zum ersten Male erscheinen. Daß dem so ist, wurde von
einem Vertreter der Eeneraldirektion auf die Anfrage eines Heidel-
berger Abgeordneten in der Sitzung des Haushaltsausausschusses
vom 13. ds. Mts. ausdrücklich bestätigt. Im übrigen befindet sich,
wie gesagt werden darf, die Frage des Heidelberger Personenbahn-
hofs erfreulicherweise wieder im Fluß, und neben der badischen Re-
grerung werden die Vertreter der Stadt Heidelberg im Landtag
dafür Sorge tragen, daß angesichts der völl g unhaltbaren gegen-
wärtigen Zultände auf oiesem Gebiete die Frage auch nach dem
Uebergang der badischen Staatseisenbahnen auf das Reich bis zu
^er^befrledigenden Lösung nicht mehr von der Tagesordnung ver-
A-e Kinozensur. Bekanntlich besteht auch hier eine Zenfurkommission.
o Zusammensetzung ist jedoch ganz eigentümlicher Natur. Man findet
absolut keinen Vertreter derjenigen Klasse, die am meisten das Kino
besucht, und das ist bekanntlich die Arbeiterklasse. Man hätte zum
wenigsten erwarten dürfen, daß ein Vertreter von den Gewerkschaften
bei der Kommission zu finden wäre. Nichts von alledem. Die Kommission
setzt sich zusammen aus einem Lehrer, einem Rechtsanwalt, einem Kunft-
histonker und Theaterkritiker, einem Theologieprofessor und vier Damen
der Gesellschaft, ausserdem gehören der Kommission noch zwei Direktoren
von Kinos an. Die letzte Instanz, die einen Film verbieten oder korri-
gieren darf, ist das Bezirksamt. Ein hierzu bestellter Polizeioberwacht-
meister hat den Kinobesitzern die von der Kommission beschlossenen An-
ordnungen zu übermitteln. Bei der Zusammensetzung der Kommission
ist anzunehmen, dass die Tätigkeit derselben nicht den Zweck erfüllt, denn
sicherlich gehen hier die Ansichten weit auseinander. Was aber das
Kino dem Volk als Bildungsstätte bringen soll, wird sicherlich nicht erfüllt.
* Feststellungen. Vor einigen Tagen brachten wir eine Notiz, dass
ein Strassenbahnschaffner von 2 Damen körperlich misshandelt wurde. Es
nurd besonderer Wert darauf gelegt, festzustellen, dass es sich um einen
häuslichen Streit handelt und nicht wie vielleicht anzunehmen wäre, daß
der Schaffner in seinem Dienst mit den beiden Damen in Streit geriet.
Ferner bittet uns das staatl. Porphyrwerk in Dossenheim mitzuteilen,
dass der tätlich verunglückte Steinbrucharbeiter Herbig nicht bei ihnen)
sondern bei der Firma Gebr. Leferenz beschäftigt war.
* Wie ist es nur möglich? Im „Europäischen Hos" wird auf dem
beliebten Weg der Unterbringung der Kriegsgewinne ausgebaut. Wie ist
es nun möglich, dass zum Aufbau eines blossen Zierstücks — Aussatz auf
dem Hauptbau — grössere Backsteinmengcn verwendet werden konnten,
während doch gegenwärtig vom Landeswirtschaftsamt für dringende Bau-
werke Backsteine wegen Kohlenmangels nicht freigegeben werden können.
Eine Anfrage an das Wohnungsamt. Im Hause Ziegelhäuser Land-
strasse 1 sind bereits all« Läden geschlossen und das ganze Haus steht
seit dem Wegzug von Prof. Völker leer. Für wen wird das Haus
bereitgehalten? Eine Auskunft erwartet Carol.
Fastnachtsdienstag. Der gestrige Tag galt unserer Jugend. An-
gemalt und angestrichen tollten sie auf der Strasse und schwangen die
„Klatsche". Es war ein harmloses Vergnügen, das sich die Jugend er-
laubte, man gönnt es ihr.
Warnung an Wirte! In letzter Zeit wurden in verschiedenen Lokalen
Einbrüche verübt, so auch heute nacht im „Artushof", wo Zigarren, Zi-
garetten und eine Browningpistole im Gesamtwerte von 2009 Mk. ge-
stohlen wurden. Die Wirte tun gut daran, derartige Sachen besonders
sicher aufzubewahren.
Tabakdiebstähle. Der Aigarrensabrik Pfeifer wurde aus ihrem
Filialbetrieb in Dühren 3 Ztr. Sumatra im Werte von 23 000 Mk.
gestohlen. —.Der Witwe Treiber in Wieblingen wurden 2)H
Ztr. Tabak im Werte von 1000 Mk. und dem Ludwig Treiber von
Wieblingen Tabak im Werte von 600 Mk. gestohlen. — Auf der Strasse
St. Leon-Reilingen-Hockenheim wurde in einem Transpottwaren der
Firma Böninger von Duisburg 1 Kiste Zigarren mit 7000 Stück
Inhalt im Werte von 3000 Mk. entwendet.
Diebstähle. In St. Leon wurde einem Küfer eine Korbflasche mit
40 Liter Zwetschgenwasser im Werte von 1600 Mk. gestohlen. — Vor
dem Hause Karlstrasse 4 wurde ein Fahrrad im Werte von 500 . Mk.
entwendet.
Grosser Diebstahl. In der Zeit vom 14. bis 16. d. M. wurde in
einem hiesigen Fabrikbetrieb eine Anzahl Treibriemen und eine grosse
Anzahl reparierter Militärschuhe im Gesamtwert von 9000 Mk. gestohlen.
Sachdienliche Mitteilungen werden an die Kriminalpolizei erbeten.
Einbruch. Im Hause Häusserstrahe 59 wurde gewaltsam der Wäsche-
trockenraum erbrochen und daraus Wäsche, Messinggewichte und Lebens-
mittel im Werte von 500 Mk. entwendet.
Zur Anzeige gebracht wurde ein Bäckermeister wegen Herstellung
von 100 Gramm-Kleinbrot (Brödchen). .
Verhaftet wurde ein Taglöhner aus Sandhausen wegen Einbruch
und Diebstahl. Er hatte Kleider und Schuhe im Wette von 500 Mk.
gestohlen. — Zwei Taglöhner, die von auswärts wegen Diebstahl verfolgt
werden, wurden sestgenommen.
Unfall. Gestern nachmittag geriet der 8 Jahre alte Valentin Hei-
ler vor dem „Artushof" unter einen "Strassenbahnwagen, wodurch ihm
der rechte Fuss derart gequetscht wurde, dass er amputiert werden
musste. Der Knabe wollte einer Maske ausweichen und kam bei dieser
Gelegenheit am Randstein zu Fall und damit unter den Strassenbahn-
wagen.

Theater, Kunst und Wissenschaft.
Sm Anschluss an die Erklärung des Herrn Karl Maile in Nr. 35
der „Volkszeitung" geht uns folgende Zuschrift mit der Bitte um Ver-
öffentlichung zu:
Erklärung: Die Willkür dilettantischer Kritik hat es schon zu
allen Zeiten vermocht, dem Theater, der Kunst, den Künstlern und dem
Volksverständnis den grössten Schaden im Irrtum zuzusüqen. Unsere
Weltmeister der Kunst waren durchweg zu Lebzeiten ihrer Kritiker —
Stümper —; sie hätten sonst sicher vor ihrem Tode Karriere gemacht! —
Der dilettantische Kritiker irrt immer.
Der fachmännische Krittler irrt ost,
Das Genie allein irrt niemals. —
Hans Vogt.

Malsch b. Wiesloch, 16. Febr. (Eine L i eb e s t r a g ö d i e) hat
sich hier abgespielt. Die Figarrenarbeiterin Margarete Schmidt aus
Kirchheim b. Heidelberg hatte mit einem 19jährigen Burschen namens
Josef Beck ein Liebesverhältnis unterhalten, das von den Eltern nicht
gebilligt wurde. Die beiden fassten den Plan, aus dem Leben zu scheiden
und tranken Lysol. Das Mädchen erlag der giftigen Flüssigkeit, während
der Bursche nur so wenig getrunken hatte, dass er verhaftet werden sollte.
Er entzog sich aber der irdischen Gerechtigkeit und erhängte sich.

KomMunales.
8. Bürgerausschusssitzung in Nussloch. Bürgermeister-Stellvertreter
Herb eröffnete um 8 Uhr die Sitzung. Der erste Punkt der Tages-
ordnung betraf die Erhöhung der Grundzahl der Umlage
von 1,6 auf 2. Gemeindercchner Winter erläutert in kurzen Worten
die Notwendigkeit dieser Erhöhung, worauf dieser Punkt einstimmig ange-
nommen wurde. — Der zweite Punkt betraf die Aufstellungeines
Teiivvranschlags bis 31. März d. I. Nachdem Gemeinderechner
Winter dem Bürgerausschuss die einzelnen Positionen der Einnah-
men und Ausgaben bekannt gegeben, fand derselbe einstimmige An-
nahme. — Der dritte Punkt: die Erhöhung des Tagelohnes
der Steins etzer von 8 auf 12 Mk. pro Tag in der Gemarkung, für
auswärts 15 Mk., wurde ebenfalls einstimmig angenommen. Bei Punkt
Verschiedenes führte B.A.M. Ren sch (Natl.) Beschwerde we-
gen des schmutzigen Trinkwassers von der Quelle am Daiertalerweg. B.-
Stellvertr. Herb verspricht Abhilfe desselben. B.A.M. Blecholder
(Soz.) rügt einen längst zu beseitigenden Missstand betr. des Krankeneises.
Er führt hierzu einige Beispiele an, wonach verschiedene Einwohner,
welche Eis für Kranke benötigten, mitten in der Nacht nach auswärts
mussten, um von dort das nötige Eis zu holen. B.-Stellvertr. Herb
verspricht mit dem Gemeinderat in dieser Sache Rücksprache zu nehmen,
um diesem Mißstand abzuhelfen. B.A.M. Herb (Ztr.) verlangt eine
bessere Instandsetzung des Fussweges nach St. Ilgen. Diesem Wunsch soll
entsprochen werden. B.A.M. Kippenhan (Soz.) verlangt eine bessere
Instandsetzung der Loppengaffe, vor allem die Beseitigung der überflüs-
sigen Schottersteinc. Diesem Wunsche soll ebenfalls Rechnung getragen
werden. Hiermit war die Tagesordnung erschöpft.
Nachklänge zur Bürgermeisterwahl in Krautheim. Von unserem
/^-Mitarbeiter wird geschrieben: Bei der im November v. Is. stattgehab-
ten Bürgermeisterwahl wurde im dritten Wahlgang Herr Jos.
Rehbach mit 199 Stimmen gegen 159 Stimmen, die auf Herrn
Meixner entfielen, zum Bürgermeister gewählt. Da bei dieser Wahl
ganz ungehörige Verstösse zu verzeichnen waren, bei denen der katholische
Ottsgeistliche Stephan eine recht sonderbare Rolle spielte, wurde ge-
gen die Wahl Einspruch erhoben. Die Vernehmung der einzelnen Zeu-
gen durch das Bezirksamt Bvxberg beleuchteten wieder einmal die Zu-
stände, wie auf dem Lande cs einzelne Geistliche gibt, die glauben mit
allen Mitteln ihren Willen durchsetzen zu müssen und zu diesem Zwecke
in vielen Fällen, das Seelsorgcramt missbrauchen. Durch eine solche ver-
werfliche Tätigkeit wird in den Gemeinden und auch in der Familie der
Friede gestört. Der Pfarrer Stephan hat es bei dieser Wahl ganz
besonders toll getrieben, indem er sogar den Beichtstuhl dazu missbrauchte,
um seinem Busenfreund Retzbach zum Siege zu verhelfen. Um der
Oeffentlichkeit zu zeigen, wie von dieser Seite „agitiert" wird, ist es an-
gebracht, die Zeugenaussagen zu veröffentlichen:
Line Zeugin: Am Donnerstag, den 6. November war ich zur
Beichte gegangen. Im Beichtstuhl forderte mit der Pfarrer Stephan
auf, bei der Bürgermeisterwahl am kommenden Sonntag christlich zu
wählen. Als ich darauf keine Antwort gab, verlangte er, dass ich das
versprechen sollte. Er fragte darauf nochmals: „Habt Ihr das verstan-
den, wollt Ihr es tun? Ich versprach darauf. Schon bei der ersten Auf-
forderung hatte er hinzugefügt, wenn Ihr nicht folgen sollt, dann könnt
Ihr von der Kommunionbank wegbleiben. Einen Namen hat er nicht
genannt. Es war mir klar, dass er damit meinte, ich sollte Herrn Retzbach
wählen. Am Schlüsse sagte er noch: Wir müssen jetzt einen christlichen
Bürgermeister haben. Wie man aus dem Ortsgespräch hört, soll er noch
viele Frauen ebenso beeinflusst haben. Die meisten wollen es aber
nicht sagen.
Eine Zeugin: Ich war zur Allerheiligenbeichte bei Herrn Pfar-
rer Stephan. Er forderte mich auf, meinen Mann und meine Schwester
etwas wegen der bevorstehenden Bürgermeisterwahl zu sagen. Ich wei-
gere mich weitere Aussagen hierüber zu machen mit Rücksicht auf das
Beichtgeheimnis.
Eine Zeugin: Ich war zur Allerheiligenbeichte bei Herrn Pfarrer
Stephan. 8m Beichtstuhl sagte er zu mir: Wählt den Retz dach
zumBürgermeister, der wallt (wallfahren) auch mit. Zu einem
Versprechen hat er mich nicht gezwungen.
Line Zeug! n: Ich war in der Allerheiligenbeichte. Der Pfarrer
forderte mich im Beichtstuhl auf, bei der kommenden Bürgermeisterwahl
einen christlichen Bürgermeister zu wählen. Ich antwortete, mir ist es
gleich, wer Bürgermeister ist. Er forderte mich dann aus, es auch meinem
Mann, meiner Mutter und meiner Schwester zu sagen. Ein Versprechen
verlangte er nicht von mir. Den Namen Netzbach hat er ausdrücklich ge-
nannt. Meiner Mutter sollte ich sagen, wenn sie Retzbach nicht wählen
wolle, solle sic aus der Kommunionbank wegbleiben. Dasselbe solle ich
auch meinem Mann und meiner Schwester sagen. Ich teilte dieses meinen
Angehörigen mit. Mein Mann und meine Schwester gingen nicht zur
Beichte.
Eine Zeugi n: Ich war am Donnerstag vor der Bürgermeister-
wahl bei Pfarrer Stephan in der Beichte. Er forderte mich dabei auf,
dahin zu wirken, dass wir einen katholischen Mann bekommen. Ich ver-
stand es so, dass ich Retzbach wählen solle. Lin Versprechen verlangte
er nicht von mir.
Die Art, wie hier der Pfarrer vorgegangen ist, muh als ein gro-
ber Missbrauch seines Amtes bezeichnet werden. Er hat kein Recht
in einer derartigen Weise Wahlbeeinflussungen zu treiben.
— Gemeinderatssitzung in Sinsheim. Der Weg ber Werderstrasse
nach dem Friedhof soll hergerichtet und di« durch die Verlegung ab-
gängigen Bäume demnächst versteigert werden. — Den Kirchendienern
wurden auf ihren Antrag die Gebühren für das weltliche Geläute er-
höht. — Zwei Gesuche um Bürgerrechtsantritt wurden genehmigt. —
Von einem Schreiben des Badischen Landesausschusses für Leibesübungen
und Jugendpflege in Karlsruhe an das Bezirksamt hier wegen Erwer-
bung eines Sportplatzes nimmt der Gemeinderat Kenntnis. Es wurde
vorgeschlagen, daß die Finanzierung des Platzes nach dem sogen. Karls-
ruher Muster geschehen soll. _
mittlungsbeamte kam, mußt' ich erschd e halwi Schtund Polnees
schdehe! Endlich bin aach ich an die Reih' kumme. Ehrfurchtsvoller
Gruß, nadierlich nor meinerseits; een kleener Roman iwwer mei'
Verhältnisse, Kinnerzahl un so weiter, folgend e genaui Beschrei-
wung meiner zwee Dachstibche un dann die b'scheide Anfrog, wie's
eigendlich mit meiner Wohnung schdeht?
„Wie's mit Ihrer Wohnung schdeht?
E Wohnung is e Raridät,
Die sin bekanndlich selde.
Vielleicht liegt schbäder mol was vor,
Sie kenne in e 'me Verdeljohr
Sich noch e mol hier melde."
„E Verdeljohr?" sag' ich verwerrt,
^Jch alaab', Sie hawwe fick geerrt,
Mir sin doch sechs Personef
Ich hab' e Fraa, dazu vier Kinner,
Dofor hab' ich zwee kleene Zimmer,
Wie soll dann ich do wohne?"
Der Herr Beamte dut verwunnert,
Un Hot dann uff mich nei'gedunnert:
„Ich verkitt mir hier so 'n Krach,
Bin ich an Ihre Kinner schuld?
Do reißt em wirklich die Geduld,
Beschwere Sie sich doch beim Drach!"
schlägt mir de Schulder vor der Nas zu un verschwind. So is mir's
beim Wohnungsamt gange.
Uff'm Nahrungsmittelamt ging mir's besser. Ich zeig mein
griener Ausweis vor un krieg ohne viel Umschdänd en Haufe
Kaarde in die Händ gedrückt. Mein ganzer Erfolg war also een
Pack Lewensmittelkaarde. Ich bin heem, mein Fraa Hot die Kaarde
gleich sordiert, een großer Deel devun Hot se m die Schublad ein-
g'schlosfe, dann die, secht se, brauche mar nit, do gibts doch nix druff.
Un heft seh' ich ein, daß se Recht g'habt Hot.
Kardoffel-, Butter-, Eierkaard,
Die hab' ich einst empfange,
Ich hab' se in mei'm Schrank verwahrt,
Dort liege se schun lange.
Kardoffel-, Butter-, Eierkaard,
Dut ihr dann gar nix dauche?
 
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