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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (1/2) — 1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.44126#0274
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tneckt von 6a»uschau" e»tgogentrat, wurde er so behandelt wie im
Kreise seiner eigenen Genosse» von seinen eigenen Genossen. Dar nie-
derzuschreiben ist bitter. Es muß aber geschrieben werben. Den»
erbärmlich wäre es, nicht offen auszufprechen was ist. Es in u n
geschrieben werden, damit Besinnung und Scham und der Wille ge-
weckt werden, solche Parteisitten nicht auskommen zu lassen. Bis hier-
her und Nicht weiter!
Ja: Bis hierher und nicht weiter! — Hätte Lrispien nur
etwas früher „Bis hierher und nicht weiter" gerufen, dann
wäre ihm selber das nicht passiert. Aber er und seine Freunde
haben schmunzelnd und händer-eibend dabei gesessen
wenn ergraute Arbeiterführer dcrMehrheitssozia'demv-
Aralie, die mindestens die Parteivergangenheit eines Lrispien
aufweison konnten, von jungen Burschen in der gleichen und noch
schlimmeren Weise niedergebrüllt wurden. Die Verrohung über
die Lrispien hier klagt, haben wir im „Vorwärts" hundertmal fest-
gestellt. Aber dann war es für die „Freiheit" immer nur „präch-
tiger Proletarierzorn", der sich in angeblich sehr gerechtfertigter
Weise Luft machte. Nun, wo Lrispien mit der eigenen
Peitsche geprügelt wird, brüllt er nach Leibeskräften: Bis hier-
her und nicht weiter! Nein, an ihm bewahrheitet sich der Satz:
Die ich rief, die Geister, werd ich nun nicht los!
Frauenarbeit zur Hennbringung der ungücklichen Kriegsgefangenen.
Am 13. Februar fand auf Einladung der Intern. Frauenliga
für Frieden und Freiheit in Genf eine Versammlung statt zwecks
Zurückbringung der sibirischen Kriegsgefangenen. Frau Hertzke
aus Wien, die soeben aus London und Paris in dieser Angelegen-
heit zurückkam, erstattete den Bericht, sowie Madame Vaskai von
dem ungarischen Roten Kreuz.
AufAntrag einer Polin wurde ein Telegramm an den Mi-
nisterpräsident Pilsudski nach Warschau gesandt, unterstützt wurde
diese Aktion von dem „Comile central pour la reprise des relations
internationales", angeschlojsen an die „Union of democratic control"
in London, in dem die dringende Bitte ausgesprochen wird, ist un-
glücklichen Gefangenen, die der schirischen Gefangenschaft entflohen
sind, Polen passieren zu lasten, da sie an der Grenze Polens war-
ten, um nach langem Martyrium endlich zu ihren Familien zurück-
zukehren.
Diese Erlaubnis ist nötig, bevor die Organisation des Durch-
ganges und der Verproviantierung möglich ist.
Die Bewegung in Frankreich.
Von unserem Berliner Mitarbeiter wird uns geschrieben:
Es ist kennzeichnend für die zunehmende Ernüchterung in
Deutschland, daß auch die Presse der Unabhängigen zu den jüngsten
Vorgängen in Frankreich eine kühle und ruhige Haltung einnimmt,
und daß nur die Kommunisten-Preste in großen Lettern von einer
revolutionären Bewegung in Frankreich und in Belgien zu erzäh-
len weiß. Noch vor wenigen Monaten wäre unsere gesamte Linke
schnell dabei gewesen, den Eisenbahnerstreik in Frankreich und die
Bergarbeiterausstände in Belgien aks das nunmehr ganz untrügliche
Anzeichen der kapitalistischen Eötzendämmerung zu begrüßen und
daraus für Deutschland die entsprechenden Schlußfolgerungen zu
ziehen. Diesmal aber bemerkt man nichts von alledem, und darin
gibt sich eine Einkehr kund, die erfreulich ist. Gewiß, wir alle, die
sozialistisch denken und empfinden, würden es als den glücklichsten
Tag unseres Lebens so betrachten, wenn die kapitalistische Gesell-
schaftsordnung mit einem Schlag zusammenbräche und wir aus
ihren Trümmern sofort eine neue glücklichere Wirtschaftsordnung
errichten könnten. Nie aber dürfen wir uns durch einen Ueber-
schwang der Gefühle zu einer falschen Beurteilung der tatsächlichen
Verhältnisse verleiten lasten, denn ein solcher Irrtum könnte von
Tausenden ja von Millionen mit ihrem Leben gebüßt werden. Wie-
viel haben die deutschen Unabhängigen und Kommunisten schon an
der Arbeiterklasse gesündigt durch ihre rein gefühlsmäßige Einstel-
lung auf die Weltereigniffe, durch ihr vollständiges Verkennen der
gegebenen Situation!
Der französische E i s e n ba h ne r st re i k ist sicherlich
ein Zeichen der radikalisierten Stimmung, die sich auch bei der Ar-
beiterschaft der Siegerländer geltend macht. Aber weil er eben
weiter nichts ist als ein Stimmungsausbruch und ihm kein politi-
scher Plan zugrunde liegt, darum ist auch nicht anzunehmen, daß er
die Verhältnisse in Frankreich grundstürzend verändern wird. Man
muß bei alledem auch bedenken, daß sich die französischen Eisenbah-
nen heute noch fast ausschließkich sich in der Hand kapitalistischer
Gesellschaften befinden, und daß die Arbeiter drüben für die
Verstaatlichung der Eisenbahnen kämpfen, die bei
uns in Deutschland schon seit Jahrzehnten durchgeführt ist. So er-
innert uns der französische Eisenbahnerstreik gerade an den großen
Vorsprung, den wir auf dem Wege zum Sozialismus gegenüber
Frankreich schon besitzen.
Der französische Gewerkschaftsbund hat sich der Bewegung an-
genommen, nachdem er eingesehen hatte, daß sie nicht einzudämmen,
sondern nur aus dem Wege der Verhandlungen zu beenden war,
wenn sie nicht binnen kurzem mit einem fatalen Mißerfolg zusam-
menbrechen sollte. Die französischen Gewerkschaften, die vor dem
Kriege der Hort eines überspannten Radikalismus waren,-sind seit
sie an Mitgliederzahl gewaltig zunahmen, unter eine ruhigeund
besonnene Leitung gekommen, sie sind im Gegensatz zur
französischen Partei allem Kokettieren mit dem Bolsche-
wismus durchaus abgeneigt.
In der französischen Partei ringen jetzt in Straßburg die Rich-
tungen Longuet und Lvriot miteinander, während die gemäßigte
Richtung Renaudel fast völlig ausgeschaltet erscheint. Es zeigt sich
in diesem neuen Gegensatz, daß die jetzt in der französischen Partei
herrschende Richtung Longuer zwar die bolschewistische Geste liebt,
aber nicht die geringste Neigung hat, zur bolschewistischen Tat über-
zugehen, für die sich die Richtung Lvriot begeistert — wenigstens
so lange sie in der Minderheit ist. Was werden würde, wenn sie
die Oberhand gewänne und die Verantwortung für das Schicksal
der französischen Partei zu tragen hatte, läßt sich schwer prophe-
zeien. Klar ist einstweilen nur so viel, daß die sozialistische Partei
Frankreichs nur eine Minderheit des Volkes hinter sich hat — eine
viel kleinere Minderheit als der deutsche Sozialismus — und daß
sie zu einem einheitlichen politischen Handeln ebenso wenig fähig
ist wie leider heute die deutsche Arbeiterbewegung. Der Versuch
einer französischen Svzialistengruppe, die bürgerlich demokratische
und kapitalistische Republik Frankreichs gewaltsam in eine Sowjet-
Republik nach russischem Muster zu verwandeln, könnte gar nicht
anders enden, als mit einem blusigen Mißerfolg.
Gerade der ausgesprochen nationalistische Sinn, in dem die
Mehrheit des französischen Volkes heute noch gefangen ist, und der
rücksichtslose kapitalistische Charakter der französischen Republik hat
die Soziakisten Frankreichs in eine Oppositionsstellung gedrängt,
die derjenigen der deutschen Unabhängigen ähnelt. Der Unterschied
ist nur, daß sich in Deutschland der Weg zur demokratischen Macht-
gewinnung schon ganz deutlich zeigt, während er in Frankreich noch
mit hundert Hindernisten verbarrikadiert ist, daß in Deutschland die
Arbeiterschaft schon einen erheblichen Teil der politischen Macht er-
rungen hat, währerrd Frankreich ganz ausschließkich von seiner Bour-
geoisie beherrscht wird.
Es ist eine alte traurige Erfahrung der Arbeiterbewegung, daß
gerade das Gefühl der Machtlosigkeit leicht zu verzwei-
felten Gewaltexperimenten verführt. Zu mehr würde es der fran-
zösische Sozialismus heute auch nicht bringen können, und man muh
froh sein, wenn die besonnenen Elemente in ihm zahlreich genug
sind, um aussichtslose Kraftproben zu verhüten. Es liegt im
Intereste beider Völker, des deutschen wie des französischen, daß der
Sozialismus in beiden Ländern zu einer wirklichen Macht wird,
dos kann er aber nur, wenn wieder klare Linien für sein
politisches Handeln gefunden werden, und von solchen ist
man in Frankreich noch weit entfernt.

WlWMU. sSl Ml MM!

Soziale Rundschau.
Die Lage des Arbeitsmarktes.
Durch vermehrte Kohlenzufuhr in der Woche vom 16. bis 22.
Februar hat sich die Lage weiterhin gebessert, sodaß die Zahl
der Erwerbslosen wieder um rund 340 vermindert werden konnte;
sie beträgt nur noch 5724. Infolge der Kohlenzufuhr konnten auch
wieder einige Betriebe die Arbeit aufnehmen, die bisher stillgelegen
hatten, und weitere Einschränkungen konnten vermieden werden.
Die Metall- und Maschinenmdustrie leidet unter dem Mangel an
Facharbeitern, ebenso die Holzindustrie. Das Angebot ist hier gleich
Null. Die Bekleidungs- und Reinigungsindustrien sind gut be-
schäftigt, dagegen weist das Friseurgewerbe immer noch eine große
Anzahl Steliensuchender auf. Das Baugewerbe ist durch die günstige
Witterung der letzten Zeit ebenfalls gut beschäftigt, Angebot und
Nachfrage konnten hier bisher mit Ausnahme von Zimmerleuten,
die allgemein fehlen, ausgeglichen werden.
Betriebseinschränkungen und Schließungen wurden in der Be-
richtswvche keine vorgenommen. Die Eisengießerei A. Nieter in
Konstanz konnte ihren Betrieb Mit 120 Arbeitern wieder aufnehm-
men, nachdem Kohlen zugeführt worden waren.
Für Erwerbslose »Unterstützung wurden in der
Berichtsperiode 283 591 Mk., in der Vorwoche 257 753 Mk. ver-
ausgabt. Für Arbeitszeitverkürzung 209 360 Mk. Notstands-
arbeiten wurden noch von 4234 Erwerbslosen ausgeführt, denen
in der Vorwoche 4309 gegenüberstehen.
Arbeiter der Privatmdustrie zur Freifahrt der Eisenbahner.
Aus dem Ausschuß für Gesuche und Beschwerden. Diese weite
Kreise der Arbeiterschaft interessierende Angelegenheit beschäftigte
auch die letzte Sitzung des Ausschusses für Gesuche und
Beschwerden des badischen Landtags. Wie vor einiger Zeit
in der Presse mitgeteilt worden ist, hatte der Arbeiterausschuß der
KarlsruherPar s ü m er ie- u. Toilettenseifen sab-
rikWolffu. Sohn eine Eingabe an den Landtag gerichtet, -aß
den Arbeitern in der Privatmdustrie, die außerhalb ihrer Arbeits-
stelle wohnen, ebenfalls freie Fahrt, wie den Eisenbahnern gewährt
werden müssen. Auch sollten ihnen die sonstigen Vergünstigungen
zuteil werden, die heute die Eisenbahner genießen.
In dem Ausschuß für Gesuche und Beschwerden gab nun ein
Regierungsvertreter die gewünschte Auskunft. Darnach
beträgt der Einnahmeausfall, den die Badische Eisenbahnverwal-
tung durch Gewährung von Freifahrt an die Eifenbaner erleidet,
pro Jahr zwei Mi l l i o n e n Ma r k. Eingerechnet sind in
diesen Bettag noch einige andere, den Eisenbahnern gewährte Ver-
günstigungen. Ueberttägt man die zwei Millionen Mark auf die
Stundenlöhne der Arbeiter, so entfällt auf den Stundenlohn ein
Zuschlag von 4 Pfg. Auch die Kohlen werden den Eifenbahnarbei-
tern zu mSelbstkostenpreis geliefert, zudem erhalten sie die Kohlen
auch wirklich, während bekanntlich die übrige Bevölkerung nicht
regelmäßig beliefert wird. Ferner werden den Eisenbahnern zum
En gros-crinkauf von Waren Gelder zur Verfügung gestellt; aber
die Generaldirektion erleide dadurch keinen Schaden, da die Gel-
der stets wieder zurückgezahlt würden.
Von Mitgliedern des Ausschußes für Gesuche und Beschwer-
den wurde noch darauf hingewiesen, daß auch die Vergünstigungen,
welche den Karlsruher Eisenbahnarbeitern die Kantine bietet, we-
sentlich höhere seien, als allgemein angenommen würde. Es sei be-
greiflich, daß die Freifahrt der Eisenbahner bei den Arbeitern der
Privatindustrie Mißbilligung finde. Aber alle den Eiesnbahnern
gewährten Vergünstigungen bilden einen Teilihres Loh-
ne s, der manchmal niedriger sei, wie in der Priväsindustrie. Be-
sonders seien vor dem Kriege die Eisenbahner sehrschlechtbe-
zahltgewesen. Ein Teil von ihnen erstrebe die Lohnsätze der
Pnvatindusttie, dann verzichte er auf die Vergünstigungen. Der
Ausschuß für Gesuche und Beschwerden beschloß, dem Gesuch des
Arbeitsausschusses der Firma Wolff u. Sohn der Konsequenzen
wegen nicht stattzugeben. Die Eingabe wird aber der Regierung
zur Kenntnisnahme überwiesen.

KoMwurmLes.
8 Bürgerausschußsihung in Rohrbach. Am Montag abend 8 Uhr
fand eine Bürgercmsschußsitzung statt. Die Tagesordnung umfaßten fol-
gende Punkte. Punkt 1: Verlegung des Rechnungsjahres
und Umlage betr. für das 1. Vierteljahr 1920. Es wurde beschlossen,
daß der Voranschlag für das Jahr 1919 auch für die Zeit vom 1. Januar
1920 bis 31: März 1920 gelten soll unter Berücksichtigung der Aenderun-
gen, laut der den einzelnen Fraktionen zugegangenen besonderen Darstel-
lungen der mutmaßlichen Einnahmen und Ausgaben im Vierteljahr 1920.
Daß zur Deckung der sich ergebenden Aufwendungen in dem angegebenen
Zeitraum an Umlagen erhoben werden: von lOO Mk. Steuerwerk des
Liegenschaftsvermögens 11,5 Pfg., von 100 Mk. Steuerwerk des Betriebs-
vermögens 11,5 Pfg., Kapitalvermögen 5,95 Pfg. auf 1 Mk., Einkommen-
besteuerung 23 Pfg. Die Vorlage des Rechnungsjahres und Umlagetrcff-
nis vom 1. Vierteljahr 1919 bis 1920. Kriegsetat, Kriegssteuer sind laut
Reichsgesetzentwürfe auf Staat und Reich festgelegt. Die zweite Möglich-
keit wäre die, daß die Gemeinde bis 1. Aprli IWO vom vergangenen Jahr
das Plus erheben, um noch herauszubekommen, was herauszuholen wäre.
Das Stammkapisil der Gemeinde hat sich von 36 aus 54 Millionen ge-
teigett. Zur Vorlage 1 ergriff Gen. Mäding das Wort und betonte,
>aß es nicht recht klar ist, weshalb das Kapital nicht mit 6^ hinaufge-
chraubt wurde. Die Summe für Armen- und Krankenpflege ist ange-
ichts der enormen Preissteigerung bei weitem nicht ausreichend und
mußte die Summe auf 4000 Mk. erhöht werden. Auch für Kulturauf-
gaben, Position Gewerbe, Kunst und Wissenschaft muß der Betrag erhöht
werden. Die Position 33 weist dagegen ein enormes Entgegenkommen
auf, indem im Jahr 1919 für diesen Posten jährlich 2198 Mk. verausgabt
wurden, erreichte das Vierteljahr 1920 die Summe von 1-> 6o0 Mk. Be-
gründet wurde die Ausgabe mit der riesigen Ausgabe der Futtermittel.
Alle diese von uns erörterten Punkte, betr. Erhöhung verschiedener Posi-
tionen, wurde von den bürgerlichen Parteien niederge-
gesttmmt. Vorlage 2:Biidungvvn bleibenden Komm, s-
sionen betr. Lebensmittel, Wohnungs- und Kohlenkommission, setzte
von feiten unserer Fraktion scharfe Kritik ein, indem Gen. Sauter die
Tätigkeit des Vorsitzenden in der Wohnungskommission geißelte. Vor-
läge 3: Bekämpfung der Wohnungsnot, Bewilligung eines
Kredites von 100 000 Mk., welche aus Wirtschaftsmitteln bestritten wer-
den sollen. Durch Ausbau von Speichern und Scheuern^ soll der Woh-
nungsnot gesteuert werden. Scharfe Kritik übte Gen. Mäding an dem
Bauwesen der Siedlungsgesellfchaft, er betont«, daß die an der Landstraße
erstellten Häuser bei weitem nicht den Zweck erfüllen, als uns vor Jahres-
srist versprochen wurde, denn Wohnungen §ür kinderreiche Fulmuen aus
diesen Hausern zu erstellen, ist ein Kunststück. Die Vorlage wurde ge-
nehmigt. — Vorlage 4: 50 000 Mark Kredit für Notstands-
arbeiten, Straßen, Wegeherstellung, Abhebung des Marktplatzes. Die
Vorlage wurde bewilligt . Punkt „Geschäftliche Mitteilung
betrifft den Ausbau resp. Verlängerung der Panvramastraße; die Einge-
meindungsakten liegen bei dem Stadtrat. Ls wurden den Kriegerwitwen,
lt Mitteilungen, 5000 Mk. ausgezahlt. Ein Antrag der Gemeindebeam-
ten und Bediensteten, um Gewährung einer Teuerungszulage von 60
Prozent, wird in nächster Sitzung bearbeitet. Es beträgt dies einen Mehr-
aufwand von 50—60 000 Alk, bei dieser enormen Preissteigerung eine
gerechte Forderung. Um Mitternacht schloß der Vorsitzende die Sitzung.
o. Tagung des badischen Städteverbandes. Der Vorstand des Bad.
Städteverbandes war am Montag in Baden-Baden zu einer
Sitzung versammelt, in welcher er sich u. a. mit den Satzungen der Han-
delsschule befaßte. Da die Handelsschulen nach Ansicht des Unterrichts-
ministeriums zu den Fortbildungsschulen gehören, soll an ihnen kein Schul-
geld mehr erhoben werden. Deshalb müssen die Satzungen der Handels-
schule hinsichtlich der Regelung der Kostenverteilung zwischen Staat und
Gemeinde abgeändert werden. Der Vorstand des Städteverbandes be-
schloß einen entsprechenden Antrag beim Ministerium zu stellen. Sodann
wurde die Beteiligung der Städte an der zu gründenden badijchen Kraft-
verkehrsgesellschaft befürwortet, nachdem das Reich eine Beteiligung zu-
aesaqt hat und aus der Erwägung, daß die allgemein herrschende Ver-
kehrsnot durch die Gesellschaft eine Erle, .erung erfahren könne. Gegen
die Absicht der Reichsregierung die Kriegswohlfahrtspflege im wesent-
lichen mit dem 1. April ds. Is. einzustellen und von diesem Zeitpunkt ab
die Beiträge des Reichs in Wegfall kommen zu lassen, wurde nachdrücklich
Einspruch erhoben. Ferner befaßte sich der Städteverband mit der Ab-
sickt, die Ferienordnung zu ändern, damit das infolge der Kohlenferien
Versäumte nachgeholt werden kann. Es wurde beschlossen, das Unterrichts-

ministerium zu ersuchen, vor einer endgültigen Regelung dieser Angelegen-
heit den Stäüten Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Eingehend
erörtert wurde hierauf der neue Entwurf einer Gemeindeord-
nung. Sodann brachte der Vorstand des bad. Städteverbandes noch
zum Ausdruck, daß die Verordnung über die Gewährung von Bau -
da riehen im Jahre 1920 in keiner Weise den vorhandenen Bedürf-
nissen gerecht wird. Es wurde der Ansicht Ausdruck gegeben, daß eine
Abänderung der Verordnung beim bad. Arbeitsministerium und de»
Reichsbehörden entschieden zu verlangen ist, wenn die Bautätigkeit nicht
gänzlich eingestellt werden soll.

Aus Stadt und Laad.
Die badische Landesschulkonferenz.
Sn der letzten Mitgliederversammlung sprach Gen. Dr. Krau » über
die Bedeutung der badischen Landesschulkonferenz, die bekanntlich kürzlich
m Karlsruhe stattgefunden hat. Der Redner rügte zunächst den schlechten
Besuch der Versammlung, der ein schlechtes Symptom sei für da» Inter-
esse, das man gerade den, Forderungen der sozialen Kultursraqen entgegen-
bringen solle.
Zunächst sprach Dr. Kraus über die Bedeutung der Landesschul-
konferenz, die man nicht über-, aber auch nicht unterschätzen dürfe. Wir
in Baden können allein keine Schulfraoe mehr lösen. Der Grundsatz
wird durch das kommende Reichsschulaeseh gelegt, worin die Frage» in-
haltlich gelöst werden. Es war dennoch ein glücklicher Gedanke des Kul-
tusministeriums die Konferenz einzuberufen, hier konnte man das Ma-
terial verarbeiten für die nach Ostern in Berlin stattfindende Reichsschul-
konserenz. Aber auch in der Nationalversammlung kann die Schulfraqe
nicht allein gelöst werden, sondern durch Fachpariament«, die ohne Unter-
schied der Parteien aus hervorragenden Schulmännern sich zusammen-
setzen, die leidenschaftslos alle großen Fragen durchberaten. D,e Landes¬
ton,erenz hatte den Zweck eine Aussprache herbeizuführen und Stel-
lung zu den Scyulfragen zu nehmen. Was die Zusammensetzung der Kon-
ferenz anbelangt, so muß gesagt werden, daß die reaktionäre Richtung die
Oberhand gehabt hat. Seit der Revolution haben aber auch bi« Kultur-
un- Schulfragen bei uns an Boden gewonnen, denn wir müssen auch gei-
stig gewachsen sein für den Kampf- Der Marxismus beruht nicht nur
auf ökonomischer Grundlage, sondern erfordert auch die geistige lleber-
zeugung des einzelnen. Aus dieser Erkenntnis heraus ist die Forderung
entstanden, daß Schule und Bildung eine andere sein muß. Aus diesem
Grunde sind wir bei der Konferenz qualitativ zu kurz gekommen,, gegen-
über denjenigen, denen die heutige Schule noch ganz ihren sogen. Idealen
entspricht und damit ihre Aufgabe erfüllen. Eine erfreuliche Erscheinung
ist bei der Konferenz hervorgetreten, daß sich die Technischen- und Han-
delshochschulen wesentlich in ihren Grundanschauungen von den Umver-
sitäten unterschieden haben. Die Grundsätze der Gewerbeschulmänner
und des Bad. Lehrcrvereins können wir unterschreiben, so sind uns so-
zialistischen Geistesarbeitern wenigstens an diesen Gruppen Kampfgenossen
entstanden. Bedauerlich war es, daß bei der Konferenz die Lltem und
die Jugendorganisationen nicht vertreten waren. Es wäre auch zu be-
grüßen gewesen, wenn auch Vertreter derjenigen geistigen Berufe ver-
treten gewesen wären, die in unmittelbarer Berührung mit der Frage
der Volksbildmrg stehen.
Der Redner behandelte dann die Einheitsschule nach de» Grund-
sätzen, wie sie von Gen. Hauptlehrer Haebler ausgearbeitet worde»
sind. Da bekanntlich die Einheitsschule eine alte Forderung unserer Par-
tei ist, schließlich aber die Auffassung über die Einrichtung auseinander-
gehen, so war es eine dankbare Aufgabe die Gen. Hieblermit der Auf-
stellung der Grundsätze hier bewältigt hat. Haebler verwirft bei seiner
Auffassung jegliche Schematisierung der Schule.
Zunächst P die weibliche Vorbildung zur Kindererziehung zu for-
dern, ferner Mütterberatung, dann di- kulturelle Kinderfürforge in
Kinderhorten und Heimen. 6m Anschluß an die Kindererziehung reiht
sich erne sechsjährige Grundschule an, die sämtliche Kinder ohne Aus-
nahme besuchen müssen. Auf diese Weise wird uns die Garantie ge-
geben, baß die Volksschule anders ausgebaut wird. An diese Grund-
schule schließt sich eine zweijährige Mittelschule, in der dann die Be-
gabungsrichtungen zu erkennen sind, ob mit Arbeit oder Lernunterricht
die weitere Fortbildung zu vollführen ist. Dann wird man die Schüler
entweder in die Gewerbe- oder Handelsschulen oder in die Schulen mit
Fächern, die für die Vorbereitung des Studiums notwendig sind. Die
Oberstufen müssen die lebendige Form der Arbeitsgemeinschaft erhallen.
Neben den einzelnen Spezialfächern maß in jeder Schul« die menschlich«
Entwicklungslehre im Vordergrund stehen, die hauptsächlich die allgemein«
Geschichte von der Heimatkunde bis zur Weltgeschichte behandelt. Di«
allgemeine Bildung muß gehoben werden, damit wir praktische Gegen-
wartsmenschen bekommen. Bis jetzt war die Ausbildung «inseitig. Die
Volksschule genügt nicht, die höheren Anstalten bilden speziell für da,
Studium vor und wenn diese Leute ins praktische Leben treten, was bei
vielen der Fall ist, versagen sie. Die Aufgabe der Schulen muß die sein,
die Kultur dem ganzen Volk zugängig zu machen und nicht, wi« dies
bis jetzt der Fall war, nur einer kleinen Oberschicht. Bis beute hat der
größte Teil der Deutschen kein Teil gehabt an der deutschen Kultur.
Die Volkshochschulkurse haben bewiesen, daß durch die zusammen-
gewürfelte Zusammensetzung der größte Teil nicht folgen kann, obwohl
wissensdurstig, reichen die Vorkenntnisse nicht aus.
Eine bedauerliche Tatsache war es bei der Konferenz, daß die Ver-
treter der Universitäten dieser so hochwichtigen Frage kein Verständnis
entgegenbrachten, alles soll beim alten bleiben, ähnlich reaktionär v«rhielt
sich der bad. Philologenverein, der das heutig« „sogenannte" humanistische
Gymnasium als unbedingt notwendig bezeichnete. Wir Sozialdemokraten
verlangen eine allgemeine Volksbildung auf deutscher Kulturgrundlage.
Im besonderen muß aus internationalen Gründen di« Ausbildung in
modernen Sprachen gefordert werden.
Dr. Kraus behandelte dann noch sehr eingehend die Lehrerbil-
dungsfrag«. D.er Volksschullehrer muß ebenso Hochschule besuchen wie
der Lehrer der höheren Schulew Die Seminarbildung ist nicht genügend,
hier wird ein junger Mann ins Leben gestellt, der noch nicht im Innern
fettig ist mit sich selbst. Der Volksschullehrer muß ein Kulturfaktvr in
der Gemeinde werden. Weiter behandelte oer Redner noch die Aus-
führungen des Genossen Prof. Roßbach, die dieser in Beziehung auf
die Schulverwaltung auf der Konferenz machte. Die Verwaltung stellt
sich Roßbach in einer Art Rätesystem vor. Es wird eine Leurerkvnferenz
gewählt, die unter Heranziehung eines Elternrates und Vertretern der
Gemeinden, ferner wird von den Oberstufen ein Schülerrat herangezogen,
di« über alle Fragen, die die Schule betreffen, gemeinsam beraten. Die
Lehrer wählen dann als höhere Instanz eine Lehrerkammer. Nur wen»
wir Schulsrage mit diesem Geiste erfüllen, wird sie ihren volle» Zweck
erfüllen.
Die Ausführungen des Redners wurden mit größter Aufmerksamkeit
entgegengenommen und reicher Beifall lohnte den ausgezeichneten Vor-
trag. — Di« Aussprache über diesen Vortrag findet am Mittwoch, den
17. März, statt. Q-

Sonntags-Schalterdienst. Vom 1. März ab sind an Sonn- und all-
gemeinen Feiertagen beim Postamt 1 (Rohrbacherstr.) und beim Post-
amt 2 (Grabengasse) die Schalter nur noch vo» 8—S Uhr vormittags
geöffnet. .
Der Verein Heidelberger Presse hielt vorgestern nachmittag im
Nebenzimmer der Kümmelspalterei eine ordentlich« Mitgliederversamm-
lung ab. Zum 1. Vorsitzenden wurde Dr. Otto Pfeffer (Heidelber-
ger Tageblatt), zum 2. Vorsitzenden Kurt Fischer (Badisch« Post), zum
Schriftführer Fritz Satorius (Heidelberger Tageblatt) und zum
Rechner Jul. Krämer (Badische Post) gewählt. Dem turnusmäßig
ausgeschiedenen 1/ Vorsitzenden Hermann Bagusche (Neueste Nach-
richten) wurde für seine gewissenhafte Amtsführung der Dank der Ver-
sammlung ausgesprochen. Nach Aufnahme neuer Mitglieder und Be-
sprechung interner Angelegenheiten wurde beschlossen, einen gemütliche»
Presseabend zu veranstalten, der Ende März stattfinde» soll; damit hatte
di« Versammlung ihr End« erreicht.
Zur Heimkehr der Kriegsgefangenen. Seit Beginn der großen regel-
mäßigen Gefangenenheimkeyrtransporte Ende Januar d. I. sind bi»
zum 3. März einschließlich 88 Züge mit 32 861 Heimkehrern hier einge-
troffen, von welchen jedoch nur gegen 600 in dem hiesigen Bezirk ge-
blieben zu sein scheinen, die anderen sind Passanten. Der Februar
brachte allein 75 Züge mit 27 031 Insassen. Die regelmäßig« Liebes-
gabenverteilung an Zigarren und Postkarten, manchmal auch Blume»
und Aepsel, stellt eine umfangreiche Leistung derjenigen Organisationen
dar, welche an dem Empsangswerk beteiligt sind.

«LÄer^Äret-iat,
!8—12 und 4—6 Uhr. Auskunft in allen Arbeitecrechtsfragen.
WMWMIWWUkMW
Mroslundkn täglich vo-l 11—'/>1 vormit ag? m>V 4—'/-7 Ahr nachmittags.
IkliOkk MlMMllMlllNä
Sprechstunden täglich von 10—12 vormittags u.3—6 Uhr nachmittags.
 
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