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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (1/2) — 1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.44126#0469
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amtenbund) in den bisher geführten Verhandlungen mit der Regie-
rung eingehend dar. Bezeichnend war, daß zur Diskussion sich kei-
ner von der -vorgenannten Gewerkschaft cinfand. Der Aufschwung
und der Eintritt der Eisendahnbeamten in die freien Gewerkschaften
der Eisenbahnbeamten und Arbeiterschaft zeigt zur Genüge, daß die
„oben" so gerne gesehene und ins Leben gerufene Fachgewerkfchast
der Beamten, man doch sehr zurückhaltend gegenübersteht. Der Re-
ferent geißelte in markanten Worten den ganzen Aufbau, die innere
Organization und den Zweck und die Ziele der sogen. Fachg^verk-
schaft und ließ keinen Zweifel darüber aufkommen, daß man dort
-en Geistd e s a l t e n R e g i m e s beizubehalten sucht, denn schon
die bisher gewährten Vergünstigungen, wie Aufnahme von Prv-pa-
gandaartikel im dienstlichen Nachrichtenblatt, sowie Agitation durch
die Dienststellen, durch Sammelmappen kennzeichnen schon zur Ge-
nüge, daß alles andere nur kein freiheitlicher Wind in dieser „Auch-
Gewerkschaft" weht. Die anschließende Diskussion und der reiche
Beifall bewies das allgemeine Einverständnis mit dem Referenten.
Der Beamtenvertretungsgesetzentwurf wurde scharf unter die Luppe
genommen -und allgemein zum Ausdruck gebracht, daß nur eine
st a r ke E i n h e i t so r g a nisa ti v n auf dem Boden «der freien
und modernen Gewerkschaftsbewegung wie es der Verband des
deutschen Verkehrspersonals darstellt, die vorhandenen Härten zu
beseitigen in der Lage ist. Anschließend wurde «die Gründung einer
B e a mte nsek t i o n mit gleichstarker Vertretung sämtlicher
Sparten beschlossen. Zum ersten Vorsitzenden wurde der Kollege
Obereisenbahnsekretär Gamber, zum zweiten Vorsitzenden Schaff-
ner Wamsgans, zum- ersten Schriftführer Betriebsassistent
Kallenberg, zum 2. Schriftführer Betriebassistent Stein;
ferner wurden aus allen Sparten 11 Beisitzer gewählt.
Trotz aller Gegsnorganisativn der neutralen Fachgewerikschaft
ist die erfreuliche Tatsache festzustellen, daß innerhalb der hiesigen
Ortsverwaltung von 2000 Mitgliedern 300 Eisenbahnbeamte or-
ganisiert sind. Die Einrichtung eines Verbandsbüros im
Gewerkschaftshaus („Artushof") hier ermöglicht nun -eine bessere
Vertretung aller Beamten und Ärdeiterinteressen und bitten wir
alle Kollegen sich in internen Angelegenheiten dorthin zu wenden.
Nach einstimmiger Annahme einer der gegenwärtigen Stimmung
der Eisenbahner entsprechenden Resolution konnte der 1. Vorsitzende,
Kvll. Betriebsasstst-ent Reinemuth, die schon verlaufene Ver-
sammlung schließen.
Geschloffener llebertritt zu den Gewerkschaften im Ruhrgebiet. Der
Ernüchterungsprozeß macht unter den irregeleiteten Ruhrberg-
leuten riesige-Fortschritte. In den Reihen der kommunistischen Arbeiter
drückt sich elementar die Erkenntnis durch, daß sie seit langem ein Spiel-
ball in den Händen gewifsenlvferLockspitzelderReaktton
sind, von denen sie im Interesse des für die Reaktion so notwendigen
Bolschewismus zu sinnlosen Putschs mißbraucht werden. Zahlreiche
kommunistische Ortsgruppensührer wurden als deutsch-völkische O-f-
fiziere entlarvt. Die Men beweisen, daß sogar einer -der Haupt-
führer der Kommunisten, der kommunistische Bczirrsleiter in Barmen ein
Reichswehroffizier war, der an Aufpeiffchung der Leidenschaften
ein voll gerüttelt Maß von Schuld trägt.
Die Wirkung des Mißbrauches, der mit den ideal veranlagten vom
Kommunismus angeführten Bergarbeitern getrieben worden ist, zeigt sich
in den Uebertritten zu den Gewerkschaften und der Partei. Im Bezirk
Hamm sind in einer Woche über 300 Mitglieder der syndikalistischen
freien Vereinigung in den Bergarbeiterverband zurückg-e kehrt. Die
sozialdemokratische Partei des -Kreises Hamm hatte in den beiden Wo-
chen vor und nach Ostern in den Reihen der ehemals kommunistischen Ar-
beiter Hunderte von Ausnahmen. Nm Kreis Reckling-
hausen der Hochburg der syndikalistischen freien Vereinigung sind
zahlreiche Ortsgruppen der Syndikalisten geschlossen zum Bergarbei-
terserband üderactreren. Hoffentlich wird di« Ucberzeugung in den Ar»
beitcrkr-eksen allgemein, daß der Putfchismus nur der Reaktion
dient, daß nur die Demokratie den Weg öffnet in die sozialistische
Zukunft.
* Die Erhöhung der Invaliden-, Alters- und Hinterbliebenenrenten.
Im H-aushaltungsausschuß der Nationalversammlung teilte die Regierung
auf eine Anfrage mit, daß ein Entwurf über Abänderung der reichsgesetz-
lichen Invaliden- und Hirürrbliebenenversicherung dem Abschlüsse nahe
sei. Derselbe sicht zunächst die Weitcrgewährung der bisherigen Zu-
lagen für die Rentenempfänger vor und bringt eine Erhöhung
der Waisenrenten um jährlich 48 Mk. Sm übrigen sieht der
Entwurf neue Lvhnkl ass e n- -Vormund zwar von 1500 bis 2000 Mk,
von 2—3000 Mark, «von 3—4000 Mark, von 4—5000 Mark, von
5—7000 Mark und von mehr als 7000 Mark. Die Leistungen werden
künftig in einem festen Erund-betragvon 300 Mark bestehen
und aus Sbeigerungsfätzen, die nach Lohnklassen verschieden sind und in
den höchsten künftig für jeden Wochenbeitrag eine Mark betragen werden.
Auch für die Altersrenten und Hinterbliebenenrenten
sind erhebliche Erhöhungen vorgesehen.

Kommunales.
6 Gemeinderatssitzung Dilsberg. Die Erstellung eines Wirtschafts-
gebäudes bei dem neuen Schulhaus bedarf noch der Zustimmung des
Bürgerausschusses.. — Zur Zahlung wurden verschiedene Rechnungen an-
gewiesen — Der Schutt am neuen Schulhaus soll auf die Feldwege ge-
führt werden. — Die neu zu besehende Waldhüterstelle wird bekannt ge°
geben. — Genehmigt wurden die zur Neuverpachtung gekommenen Ge-
meiirdegrundstücke.
* Der Bezirksrat in Ludwigshafen a. Rh. wird nach dem vorläufi-
gen Ergebnis der Wahlen nach der „Pf. Post", wie folgt, zusanunenge-
fetzt werden: Svz. 7 -Sitze, U.-S.P. 5, Zentrum 3, Demokraten 2 und die
Deutsche Volkspartei 4 Sitze. Auch für den Bezirksrat ist eine sozial»
demokratische Mehrheit (12 gegen 9 bürgerliche) gesichert.
Aus Stadt und Land.
Der verhängnisvolle Schinke.
Neilich sitze mar am Schdammdisch un unnerhalde uns iwwer
die derzeitige Ernährungsschwierigkeite. „Ich weeß mt", secht do
mei'n Fremd un Schbortsgcnosse E-, „do drunner hab ich mt zu
leide. Mei'n Fraa, des is e Perl vunnere Hausfraa un nie, n frisch
ein'a'schdelldi Kichefee aus'm Odewald schdeht meiner Alde datkräftig
zur Seit'". Nadierlich hawwe mar uns nit im gerinßschde getraut,
an seine Worte zu zweifle, denn seiner körperliche Fülle nooch zu
urdeile, secht 'r die Wahrheit. Vor e paar Dag wollt ,ch mein
Freind E. in d'r Owere NeSerschdroß weaere g'schaftliche A nge-
legenheit uffsuche. Ich schdeh' vor sei'm Abschluß un kliny'l ee'nmol,
ich kling'! zweemol un 's dritte mol so kräfdia wie möglich; endlich
macht sei'n Älschder die Diehr uff un secht: „Een scheene Gruß vum
Babbe un er hät kse'n Zeit, denn er dät fische." „Was!" sag ich,
fische dut dei'n Babbe jetzt aach noch? Was dreibt dann der nrt
alles noch for Schbort?" Der Kleene macht e verschmitztes- G'sicht,
schlägd mir die Diehr vor d'r Ras' zu un verschwind. Herrgott,
denk ich bei mir, do muß ebbes nit ganz in Ordnung sei'n, un
wirklich, mei'n Ahnunge hawe mich nit geväuschd, denn am selwe
Owend noch hab ich im „Wachter" am Schdammdisch folgendes
„'hört. Mei'n Freind Hot vun sei'm Dienschtmädel een Schinke vun
11 Pund aus'm Odewald mitgebrocht kricht un 300 Meter dafor be-
zahlt, denn for so e Objekt scheit mar heit nadierlich kee'n Koschde.
Die Freed dodriwwer war nadierlich groß, un um den Schinke recht
lang kühl un «frisch zu Halde, Hot mar iwwer de Uffbewahrungsort
e Famiueraat abg'halde. Nooch halbschdmdiger Beratung is mar
sich eenig worre, daß mar den Schinke ans Luchefenschder hinne
naus noch'm Neck er hängt. Am annere Morae, als die Hausfraa
noch dem Schinke guckt, hockt e Muck druff. Aushole, druffkloppe
un die Muck dodschlage, war des Werk vunere Sekund. Awer o
weh! Die Babierkord'l, mit der d'r Schinke uffg'hängt war, reißt
un des 300 Mark-Objekt fällt in de Necker! Die Folge war een
lleener Familiekrach, der Hausherr schennt, dis Köchin heult, die
zwee Buwe gucke die Mamme vorwurfsvoll a'n un die Hausfraa
schdeht verzweifelt am Fenschder, guckt der Flugbahn vun dem
Schinke nooch un steht'n im Geischd schun nfs'm Neckergrund durch
die alt Brick rolle. Nadierlich is 's gleich mit Rache un Fischer-
hooke schdundclang'ans suche gange, doch ohne Erfolg, alle Mih war

urnsunscht. Die Altschdadt is vun dere G'schicht voll, nn wer de
Schade Hot, braucht for de Schbott nit zu sorg». Un die Moral
vun der« G'schicht:

wicht Du een Schinke mol im Haus,
>ann henk' ihn nit zum Fenschder naus! Schorsch'l.


WOmMlHMWÄkT

Genossinnen!

Genossen!

Heute abend Uhr im „Artushof"

MM.

Vollzähliges Erscheinen erforderlich.


Reichswehr und Arbeiterschaft.
Kriegsgerichtliches Verfahre» gegen verfassungstreue Soldaten.
Heidelberg, den 20. April 1920.
... An den heutigen Tagen, wo der Kampf der Partei immer noch wogt,
ist wohl die Reichswehr ein Zankapfel geworden. Von dem größten Teil
der Arbeiterschaft wird behauptet, daß die Reichswehr reaktionär sei.
Von rechtsstehenden Leuten wird die Behauptung ausgestellt, die Reichs-
wehr sei überhaupt kein Militär, sondern ein disziplinloses „Etwas". —
Letztere erledige ich mit dem kurzen Hinweis auf die jüngst in Dortmund
und Umgebung stattgefundenen Paraden und ihr Urteil über sie!-
Ich komme gerade vom Ruhrgebiet zurück und kann sagen, daß auch
ich sehr ost von der Arbeiterschaft hören mußte, daß wir reaktionär seien.
Hierzu muß ich sagen: Nein! Die Reichswehr ist in ihrem überwiegenden
Teil noch nicht reaktionär, aber sie kann und muß es werden durch Sug-
gestion ihrer Offiziere, genauer gesagt, durch die derzeitigen
Offiziere, mit ganz wenigen Ausnahmen. Und wie gerade in
der Auswahl der Offiziere heute noch immer gesündigt wird, das ist ein
Unrecht am ganzen werktätigen Volke. Als Beispiel von vielen im gan-
zen Reich, führe ich den Fall im Heidelberger Bataillon an. Als am 13.
März der Kapp-Putsch einfetzte hat auch ein Teil unserer Offiziere nicht
o gehandelt, wie es verfassungstreue Offiziere hätten tun sollen. Anstatt
, rei und offen zu sprechen, wurde geschwiegen. Die Bitte der Angehörigen
«>es Bataillons, Vertrauensleute in die statt findenden Protestvcrsamm-
lungen schicken zu dürfen, um vom «wahren Stand der Dinge ein Bild zu
bekommen, wurde abgelchnt. Ein Offizier bekannte sich offen zur Reak-
tion. Durch die Haltung und mehr oder minder offenen Erklärung zur
Reaktion -wurden den Leutnants Backfisch, Bassombierre und Marx, mit
ihm der Bataillonsschreiber Unteroffizier Heß, das Mißtrauensvotum
des Batl. durch mich im Auftrage meiner Kameraden ausgesprochen und
aufgefordert die Kaserne zu verlassen. Major Baader und Hauptmann
Sickinger (der -irreführende Bericht des Letzteren in der Mannheimer
„BoWstimme" und in -vorliegendem Matt wird in den nächsten Tagen
eine -besondere Richtigstellung erführen) waren vorher schon -abgereist, in
Erkenntnis der Lage. Meine Kameraden und ich ließen uns von dem
Gedanken leiten, daß wir Führer brauchen, die nicht mit der größten
Wohl-lust nach links schießen lasten, sondern auch genau so nach rechts ver-
fahren. Mit einem Worte gesagt, verfassungstreu und republikanisch
find. «Darüber ist der größte Teil des Bataillons sich im Klaren, daß
wir auch dazu -da -sind, dem arbeitenden- Volke, aus dem -wir fast alle
durchweg stammen, die Errungenschaften der Revolution helfen zu er-
halten.
«Aber -wie in -Schlesien und vielen- -anderen Orten des Reiches, wo beson>-
dere Organe zur Bestrafung der Mitschuldigen am Kapp-Putsch und
Säuberung des Militärs von unzuverläffigen Elementen eingesetzt wur-
den und auf den frärkstcn Widerstand beim Militär stießen, wo es bisher
nur gelungen ist, zwei der Hauptschuldigen Offiziere vorläufig zu beurlau-
ben, Mährend im übrigen statt der verdächtigen neun Offiziere, eine An-
zahl verfassungstreue Unteroffiziere und Mannschaften entlasten worden
sind, so ist es und scheint« auch ähnlich hier im Heidelberger Bataillon zu
kommen. Man höre und staune! Meine Kameraden und ich waren uns
bewußt, durch das Versagen weiterer Anwesenheit der als reaktionär be-
kannt gewordenen Offiziere im Bataillon, die Regierung die zum Kampf
gegen die Reaktion von rechts aufgerufen hatte, tatkräftig unterstützt zu
haben, wir müssen nun erleben, daß diese Offiziere nur hier untergetäucht
sind, um im Karlsruher Bataillon und anderen militärischen Stellen, von
neuem wieder aufzutauchen. Also fast überall im Reich, auch in Süd-
deutschland, denn ich weiß noch mehr, dasselbe Bild. Und woran liegt
es Ihr Arbeiter? Am Soldaten ganz und gar nicht! Ja, man ist auch
bei uns soweit gegangen, -daß man für die Unterstützung der Regierung
im Kampfe gegen die Reaktion ein kriegsgerichtliches Verfahren gegen
uns eingeleitet hat. — Unsere Kameraden, die vor einem Jahre die Re-
gierung im Kampfe gegen die angebliche Gefahr von links unterstützt hat,
hat man auch vor ein Kriegsgericht gestellt? Nie und nimmer! —
Aus alle dem kann ersehen werden, daß die Reichswehr, hauptsäch-
lich in Heidelberg, nicht die ist, für die man sie fälschlicher «Weise ansieht.
Darrrm gilt es, besonders für die Arbeiterschaft, zu erkennen, wer ihr
größter Feind ist! Ich rufe Ihr zu, das ist der reaktionäre Offizier, der
Krebsschaden der jungen Republik. Darum hinweg mit diesen unsau-
beren Elementen, chnen soll der Kampf gelten. Sucht ein Voiksheer zu
schaffen, in dem es republikanische Führer gibt. Habt Ihr die reaktionä-
ren Offiziere bezwungen, dann erst gibt es Ruhe im geliebten Vaterland.
Donald Seelig,
Waffenmeistergeh-ilfe im 2. Bad. Gren.-Bott. Reichswehr-Schützen-
Regimrnt 113, Heidelberg. (Neue Kaserne.)



Die Heimkehr der Wiener Kinder. Der Eisenbvhnerstreik aus der
Wiener WestbtHn ist wieder beendet. Die Wiener Kinder des Heidel-
berger Transportes fahren infolgedessen, wie vorher vereinbart war, am
Freitag vormittag 9.20 Uhr im Sonderzug zurück. Das gestern
eingelausene Telegramm des Wiener Jugendamts, den Zug zu verschieben,
ist also hinfällig geworden.
Die freien Turner zeigen sich am Sonntag wieder einmal vor großer
Oefsentlichkeit- in der -Stad-thalle. Die Veranstaltung wird Schauturnen
genannt. Das Programm bringt aber nur wenig Kunstturnen, viel mehr
Wert ist auf gestaffelte rhylmische Hebungen, auf gefällige unterhal-
tende kurzweilige Darbietungen gelegt, unter Mitwirkung beiderlei
Geschlechts, aller Altersklassen und aller »ur Gruppe gehörigen Vereine.
Der ständige Besucher der Sportfeste kennt die flotte gemütliche Art, den
eigenen Reiz, mit dem die Turner ihren Zuschauern «Vergnügen bereiten.
Der Heidelberger Orchesterverein wirft mit 15 Musikern mit. Das Pro-
gramm wird trotz siner Reichhaltigkeit um 7 Uhr abgewickelt sein-, nach
einer kurzen Pause -beginnt dann der Ball. Hier ,ei gleich daraus aus-
mensam gemacht, daß n-ur das Personal der «Stadthalle und die bestimm-
ten Ordner die Räumung des Saales vorzunehmen haben. Jeder, der
billig ein gutes Vergnügen Haden will, in rechter Abwechslung im Kreise
Seinesgleichen Erbauung und Erholung sucht, besuche dieses Fest.
* Die unentgeltlich« Ueberlaffung von Turnhallen. Das Unterrichts-
ministerium wird künftighin die Turnhallen und Spielplätze der Staats-
schulanstalten den Vereinen unentgeltlich überlasten und auch von der Er-
hebung der Beitragung für Heizung und Beleuchtung absehen. Die Ver-
eine haben nun an den Schuldiener für besten Inanspruchnahme eine ent-
sprechend« Vergütung zu leisten.
* Die Schlachtung von Ziegen hat in der letzten Zeit in erheblichem
Umfang zugenommen, weshalb erneut auf das bestehende Verbot des
Schlachtens, sowie des Verkaufs oder des Kaufs zum Schlachten von
weiblichen Ziegen jeden Alters, auch weiblichen Ziegenlämmern erneut
hinge-wiesen wird. Ausnahmen von dem Verbot können nur von den Be-
zirksämtern zugelassen werden. Das Verbot ist notwendig, damit die
Milchversorgung der Bevölkerung nicht noch weiter verschlechtert wird.
Einbruch in das Wachlokal. In Michelfeld, Amt Sinsheim,
wurde in das Wachztmmer eingebrochen und daraus 3 Kisten Margarine
3 Zentner Getreide und 13 Pfund Rohtadak entwendet.
Diebstähle. Aus dem Bootshaus des Ruderklub in der Uferstraße
wurde ein Fahrrad im Werte von 1000 Mk. gestohlen. — In der Nah-
mengaste ein solches im Werte von 900 M-k. — Aus dem unverschlossenen
Hof Handschuhsheimer Landstraße 114 -wurden 30 Stück Kopfsalat und
eine bl-auleinene «Schürze im Wert« von 70 Mk. entwendet. — Von drei

unbekannten Personen wurde in einem Gonhau, in der HH»ekqastr, ron
sie einlogiert waren, Bettwäsche im Werte von 105 AU. ««ilr-hie». --
Einem Schmied im Stadtteil Wieblingen wurde «ix Handlang»» «nd ««,
Anzug im Werte von 2000 Mk. entwend«.
Verhaftet wurde ein verheirateter Arbeiter aus Markranftadr n-ege«
Erregung öffentlichen Aergernisseo. — Ein Wollspinner wegen Bettelei
und Landstreicherei. — Eine Modistin wegen Umher^eoen.
Zur Anzeige kamen: ein Kaufmann aus Mannheim wegen Erregiukg
öffentlichen Aergernisses, zwei Wirte wegen Uedertrriung der Vottzel-
stunde, ein Bäcker wegen Körperverletzung: er yal einem Maurrrpokc?
einen irdenen Hafen auf den Kopf geschlagen, so daß dieser drei Koos-
wunden erhielt.

b. Leimen, 17. April. (Generalversmml ung) Vergangenen
Mittwoch sand im Paneilokal ,^um Rößle" die Generawersamnuung der
hiesigen sozialdemokratischen Partei statt, die sehr gut besucht war Die
Tagesordnung war eine reichhaltige. Als 1 Punkt gab drr Vorsitzende
Leonhard den Geschäftsbericht, aus dem hervorging, daß das ver-
flossene Jahr ein arbeitsreiches war. In der Aussprache wurde de:
Wunsch ausgesprochen, daß die jüngeren Genossen mehr von -unser«:
Bibliothek Gebrauch machen möchten. Der 2. Punkt. Abrechnung vom 3
Quartal, wurde ohne Beanstandung angenommen. Bei der sich anschlie-
ßenden Wahl des Eesamtvorstandes wurden solgende Genossen gewählt,
1. Vorsitzender I. L e o n h a r d, 2. K. S u n tz, Schriftführer R Bähr.
Kassier M. Anweiler. Unterkassier G. Kohl. Beisitzer V. Süsiing.
D. Sun h, und Frau -Gutrosf. Bei der Besprechung ülxr d«e Mac-
feier wurde beschlossen, die diesjährige Feier in erweiterter Form 'tat:,
finden zu lassen. Als Delegierte zur Konferenz nach Heidelberg find
die Genossen Diclhenn und Bähr bestimmt, die beauftragt Werber.-
verschiedene Wünsche der Ortsgruppe vorzulragen. Zum Parteitag soll
der Gen. D. KeIlerder Wahikreiskonferenz vorgeschlagen weiden Al«
letzter Punkt stand der Bericht der Rathaussräktion aus der Tagesord-
nung. Es wurde beschlossen, für die Gemeiiideangelegenheiten jeweils am
3. Mittwoch jeden Monats Mitgliederversammlungen abzlchalten Der
Bericht wird am Mittwoch, den 21. d. M. gegeben werden, worauf dir
Genossen besonders daraus aufmerksam gemacht werden. Noch Erledigung
per sch-ebener Anfragen konnte der Vorsitzende nach einem Appell an die
Gnoffinnen und Genossen, am politischen Leben regen Anteil zu nehmen
und vor allem unsere Organisation und Partcipresse zu stärken, die an-
regend verlaufene Versammlung schließen.
Eppingen, 20. April. (Bezirksratssitzung.) In der letzten
Sitzung wurden genehmigt: Das Gesuch des Landwirts Friedrich Bern-
hard Monninger Jung in Gemmingen um Erlaubnis zum Betrieb der
Gastwirtschaft „zur Sonne" in Gemmingen; das Gesuch des Mühlenbc-
sitzers Friedrich Hecker in Eppingen um Genehmigung zum Umbau seiner
Wasserkraftanlage. Die Festsetzung der Entschädigung für eine auf poli-
zeiliche Anordnung getötete tuberkulöse Kuh des Landwirts Karl M aier
in Essenz sowie Festsetzung der Gebühren der Schätzer wurde befürwortet,
ferner der Betrieb der Wirtschaft „Villa Waldeck" in Eppingen, hier die
Befristung von Auflagen. Die Gesuche um Anbau von Tabak im Jahre
1920 (Höchstsatz 18 Ar) wurden einzeln genchmigt. Die Gebühren des
Bezirksbaukontrolleurs wurden um 150 Prozent erhöht. Bei Familicn-
unterstütz-ungen wurden jedem Teil noch etwas genehmigt bei ganz drin-
gcn-bcn Fällen.


„Volkszeitung"

Telefonanruf:
Bnzsigsn-Annahwe: Nr. 2673
Redaktion: Nr. 2648


Die Mehlschiebungen in Karlsruhe.
Unverantwortlich. Unser Mannheimer Bruderblat-t schreibt zu den
Karlsruher Mehlfchicbungen folgendes: Nach dem in der „Karlsr. Ztg."
wiedergegebenen Sachverhalt hat eine größere Anzahl Bäckermeister da-
für die Bevölkerung bestimmt Mehl an einen Agenten namens Werncr
un-b einen Konditoreigehilfen namens Thum -verkauft. Das Mehl wurde
in .den -hiesigen Konditoreien verwendet. Insgesamt konnten noch 36
Doppelzentner beschlagnahmt werden. Soweit bisher seftgestellt, find
13 Bäckermeister beteiligt. Vier Personen sind verhaftet. Sämtliche
Bäckereien un-b Konditoreien «iverden n-un nachgeprüft. Das ist ein ganz
unverantwortliches Treiben und wirft ein grelles Schlaglicht ans die Pro-
fitgier gewisser Kreise. Wir haben keine Kartoffeln, resp. nur sehr wenig
Auslaüdsware; wir haben ein schlechtes, kaum genießbares Brot, und
das auch unr in knappster Ration, und da gehen noch Bäcker her und ver-
kaufen das ihnen zugewiesene Mehl, statt es für Grt zu verbacken, zu
Leckereien! Wahrlich, höher kan-n man den- Frevel an der Volksgesund-
heit nicht mehr treiben. Diese Leute dürfen sich gewiß nicht wundern,
wenn der Voi-kszorn sich gegen sie richtet. In der Bevölkerung wundert
man sich, daß die Regierung so spät eingearisfen und dem Brotskandal,
anders kann man die Vorgänge, wie sie sich zurzeit abspielen, nicht nen-
nen, nicht beizeiten gesteuert hak. Wir können hier wohl Orangen, Zitro-
nen Feigen, wir können Hartwurst und ausländischen Schinken kaufen,
so viel wir Lust und Geld haben, aber für außerbadisches Mehl beizu-
schaffen, dazu war angeblich unsere «Valuta zu schlecht. Wenn es möglich
war, für die von uns nur auswahlweise genannten Leckerbissen und
Schleckereien das Geld ins Ausl and zu geben, so hätte es -unbedingt auch
zur Herbeischaffung von geeigneten Mengen Aschl, zur Herstellung eines
gesunden Bortes, ausreichen- müssen! Setzt muß ja doch Äuslandsmebl
herbeigejchafst werben- und kann man nur sagen, daß es fast zu spät ist.
(Wir schließen uns dieser Auffassung vollständig an. Die Red.)
Karlsruhe, 19. Slpril. Die Bekanntgabe von Mehlschiebungcn
durch hiesige Bäckermeister hat in der Oefsentlichkeit einen Sturm der
Entrüstung hervorgerufen. Allgemein wird die Veröffentlichung der Na-
men der an den Schiebungen beteiligten Bäckermeister gefordert. In
einer amtlichen Pressenotiz der „Karlsruher Zeitung" wird demgegenüber
darauf hingewiesen, daß es im allgemeinen nicht üblich ist, die Namen von
Beschuldigten zu veröffentlichen, solange die Untersuchung noch schwebt.
Sobald diese aber abgeschlossen ist, würden die Namen der betreffenden
Bäckermeister veröffentlicht werden. Gegenüber dem Vorwurf einer un-
genügenden Kontrolle der Bäckercibetrieoe, wie er in einer Zeitung er-
hoben würde, wird in der amtlichen Pressenotiz bemerkt, daß das Landes-
preisamt seit etwa 2 Jahren im ganzen Lande die Bäckereien ständig durch
geeignete Sachverständige kontrollieren läßt. Der Karlsruher Fall sei der
erste, bei dem man Schiebungen im größeren Umsange auf die Spur ge-
kommen sei. (Und der Heidelberger Fall. Die Red.) In einem Redak--
tionsartikel der „Karlsruher Zeitung wird übrigens unter Bezugnahme
aus die Mehlschieberafsäre aufs neue die Forderung der Todesstrafe s-ur
Wucherer und Schieber ausgestellt.

Gerichtshalle
Heidelberg. 20. April. (Strafkammer.) Wegen Diebstahls
wurde Mechaniker Otto Hermann Weiß von Zuffenhausen Mitte
Januar von der Strafkammer Stuttgart zu 1 Jahr 3 Monate Ge-
fängnis verurteilt; Weiß konnte am Tag« der Urteilsverkundigung end
weichen und trieb sich in verschiedenen Städten herum. So kam er auch
Mitte Februar hiecher und verübte in verschiedenen Ortschaften Ein-
brüche bei denen ihm- Gegenstände im Werte von 5000 Mk. cn die Hande
sielen Während her heutigen Verhandlung entstanden Zweifel über d-e
Zurechnungsfähigkeit des vielfach vorbestraften Angeklagten; aus diesem
Grunde wurde der Fall vertagt zwecks Einholung eines Gutachtens über
seinen Geisteszustand. — Vom Schöffengericht wurde Ziaarrenfavrlkant
Bernhard Sido von hier wegen angeblich übermäßiger Preissteigerung
zu 500 Mk. Geldstrafe verurteilt. In der heutigen Berusungsoerhand-
tung erfolgte Freisprechung. — Schneider Gustav S ch e l I en b c r g e r
von hier erhielt wegen vier Einbruchsdicbstählen, die er im Hause seiner
Großeltern ausführte, 7 Monate Gefängnis abzüglich 6 -llvna.e Unter-
such» ngshast.__

Versarnrnlungr-Kalender
Sozialdemokratische Partei Leimen. Mittwoch, den 21. April,
abends 8 Uhr im Lokal zum „Rößle" Mitgliederversammlung.
Tagesordnung: Kommunal-Angelegenheiten. _
ArbeUer-Sck-tainat,««
10—12 und 4—6 Uhr. Auskunft in allen Arbeiterrechtsfragen.
 
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