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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 21.1929

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Heft 5
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Kunst-Literatur
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https://doi.org/10.11588/diglit.41323#0178

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KUNST-LITERATUR

MAX J. FMEDLÄJNÜEH: ECHT UND UNECHT.
Aus den Erfahrungen der Kunstkenner. Ver-
lag Bruno Cassirer. Berlin 1929.
Acht Aufsätze, die um ein Thema herum engere
und weitere Kreise ziehen und einige davon, die
sich die sogenannten »Kenner« sehr zu Herzen
nehmen sollten.
Denn nicht jeder, der das Metier des Experten übt,
ist dazu berufen, und die Wenigsten, die sich dafür
halten, sind auserwählt. Aber unter diesen ganz
Wenigen ist heute Friedländer der Bedeutendste.
Er hat die Gnade des Auges und hat an sich selbst
— nicht ohne vereinzelt auch einmal einem Irrtum
zu erliegen-—hunderte Mal feststellen können, daß
wirkliche Kennerschaft ohne Intuition nicht denk-
bar ist. Gewiß muß man sein Handwerk kennen,
und je reicher der Schatz des Wissens, um so bes-
ser. Aber durch Wissen ist noch nie ein Kenner
geworden, so wenig wie Beckmesser ein »Meister-
singer« war (obwohl er sich dafür hielt!). Der
handwerkliche Apparat ist besonders wichtig gegen-
über dem Raffinement der Fälscher, aber ob echt
oder unecht, ob Memling oder nicht, dies zu ent-
scheiden liegt zu 900/0 außerhalb des Lern-
baren.
Das ist ungefähr auch das Bekenntnis Friedlän-
ders, der den Mut nicht nur zur Wahrheit hat, son-
dern fast fanatisch die Wahrheit sucht. Alan lese
nur, was er über das Expertisenwesen sagt, wie er
nach Reform des jetzigen Zustandes ruft und seine
sechs Leitsätze an die Adresse der Sammler richtet.
Oder lese den zweiten Aufsatz vom Restaurieren
aller Bilder! Den sollten alle Restauratoren aus-
wendig lernen, sich alle Galeriedirektoren über
ihren Schreibtisch hängen. Und dann dies Kapitel
»Über Fälschung alter Bilder«, das so aktuell ist
wie nie zuvor und das nur noch ein Pendant haben
müßte etwa unter dem Titel »Über das Fälschen
alter und ältester (archaischer) Plastik«. Was sich
diesen drei grundlegenden Aufsätzen anschließt,
zieht sozusagen die weiteren Kreise um das eigent-
liche Thema, so die Kapitel über »Das Malerische«,
»Form und Farbe«, »Originalität«, »Stil und Ma-
nier«, und als letzter Höhepunkt <Iieses feinen be-
kennerischen Buches der Schlußaufsatz über »Ent-
wicklung und Einfluß«, sozusagen ein Vademecum
für den Kunstforscher und Kunstkenner. Das ist
beobachtet und erlebt! Dies Kapitel sollte in gro-
ßen Lettern in jedem kunsthistorisßhen Seminar
angeschlagen werden. So wie dieses Kapitel aber
ist das ganze Büchlein: Voll der Erkenntnis und
von einer inneren Fülle, die getragen wird von der
Brücke eines kultivierten Wortes. Biermann
Anmerkung. Der Pctropolis-Verlag A.-G. veröffent-
licht in Kürze eine russische Übersetzung der Fried-
länderschen Arbeit. Die Übersetzung ist von Dr.
V. Bloch besorgt. Geheimrat Friedländer bat ein be-
sonderes Vorwort zur russischen Ausgabe verfaßt.

JEAN EBERSOLT: ORIENT ET OCC1DENT. Re-
cherches sur les influenoes By zantines et Orien-
tales en France avant les Croisades. Paris et
Bruxelles, G. van Oest. 1928. 120 Seiten mit
2 Textabbildungen und 26 Lichtdrucktafeln,
in Quart.
Es hat ein gewisses Interesse, auf dieses Buch hier
hinzuweisen — allerdings nur, um Enttäuschungen
zu verhindern. Der Kunsthistoriker wird wenig
darin finden, was ihn ernsthaft fördern könnte.
Daß zwischen Frankreich und dem östlichen A'Iit-
telmeerbecken auch schon vor den Kreuzzügen ein
lebhafter wechselseitiger Verkehr geherrscht hat,
ist lange bekannt. Der A'erfasser beschränkt sich
darauf, eine Fülle von Beispielen anzuführen, um
diesen Austausch der materiellen und geistigen Gü-
ter zu belegen und mit den allgemeinen Gescheh-
nissen der politischen und religiösen Geschichte in
Einklang zu bringen. Besondere Bedeutung legt er
anscheinend dem Pilgerverkehr und denjenigen
Reisen zu, die unternommen wurden, um den Re-
liquienhunger des Abendlandes zu stillen: ich
fürchte, daß der Verfasser hier allzugläubig Quel-
len folgt, deren geistliche Schreiber dem wi rk-
lichen Leben kaum sehr offenen Auges gegenüber-
standen. Hin und wieder finden sich Hinweise auf
die Bedeutung dieses Verkehrs für die Übertra-
gung künstlerischer Formen: meist handelt es sich
um längst bekannte Dinge, andere, voll der schwer-
wiegendsten Problematik, werden völlig mit Still-
schweigen übergangen. Den deutschen Leser wird
die entzückende Naivität des Buches erfreuen: man
wundert sich aufrichtig, daß jemand glaubt, auch
heute noch mit der Ausbreitung eines Zettelkastens
auszukommen, von dem ein recht wichtiger Teil
unbemerkt verloren gegangen zu sein scheint.
Gail
GEORG SOBOTKA: DIE BILDHAUEREI DER
BAROCKZEIT. Herausgegeben von IlansTietze.
Wien 1927. Verlag von Anton Schroll & Go.
Sobotkas zusammenfassende Darstellung der
Bildhauerei der Barockzeit ist ursprünglich be-
stimmt gewesen, feil eines kunstgeschichtlichen
Sammelwerkes zu bilden. Jenes Gebiet, dem sich
die Spezialstudien des allzufrüh Dahingegangenen
vorzugsweise zugewandt hatten, ist in großzügi-
ger und sicherer Zusammenfassung und in bisher
unübertroffener Weise dargestellt. H. Tietze,
welcher die Herausgabe der vor mehr als 12 Jahren
schon geschriebenen Arbeit besorgte, hat durch An-
merkung der wichtigeren, später erschienenen Spe-
zialstudien der neueren Forschung Rechnung ge-
tragen. Sobotkas Arbeit ist aber als Zusammen-
fassung in einer auch den Fernerstehenden anzie-
henden W eise so vorzüglich geschrieben und be-
ruht auf einer so eingehenden Kenntnis des über-
reichen Ala terials, daß sie dauernd wertvoll blei-
ben wird. V . Suida
 
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