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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 21.1929

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Heft 9
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Scheyer, Ernst: Neue Werke von George Minne
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https://doi.org/10.11588/diglit.41323#0294

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George Minne David. Bronze, patiniert. 1928
Photo: Kunsthandlung Dr. Becker, Köln

Gebärde beruhigt hat und nicht mehr der Zwang bestellt, den Leidensgestus bis zur
formalen Beruhigung vielfach zu brechen. Es ist ein Reiz mehr, jetzt zu empfinden,
wie auch heute noch von der zur Ruhe gebrachten Erregung jener Zeiten etwas in
der Umrißführung des »David« (1928) zu spüren ist. Unveränderter Grundbestand
seiner Kunst ist auch das beim »David« wieder verwendete Standmotiv (Stehen mit
gespreizten Beinen). Man vergleiche damit den »l’homme ä l’outre« von 1897, den
»petit blesse« von 1898 oder das in seinem Wesen begründete, in seinem Werk so
beliebte Motiv des Knieens (man vergleiche einen der »Knieenden« des Folkwank-
brunnens 1898 mit dem »großen Knieenden« 1925). Selbst ein Rest von der kan-
tigen Umrißführung seiner frühen Werke, die vielleicht im Zusammenhang steht
mit seiner gleichzeitig geübten Holzschnitt-Manier (Illustrationen zu Verhaeren und
Maeterlinck), wird im »David« noch zu finden sein.
Auch thematisch ist der Abstand früher und später Werke nicht so sehr groß. Immer
hat der »Jüngling« als dankbarstes Sujet der »reinen Form« in seinem Werk neben
den Themen des Leids und des Schmerzes gestanden. Nur daß es heut so scheint, als
ob die Apotheose des Urieids gänzlich zurückgedrängt sei von den Variationen über
das ewige Thema »Von der Jugend« und »Von der Schönheit«, dessen glücklichste
und glaubhafteste Gestaltungen zu finden wohl doch nur Vorrecht des Reifens und
Alterns ist.

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