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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 21.1929

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Heft 12
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Eichborn, Kurt: Ein wiedergefundenes Altarwerk Pordenones
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https://doi.org/10.11588/diglit.41323#0367

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EIN WIEDERGEFUNDENES ALTARWERK
PORDENONES VON KURT VON EICHBORN
Ridolfi berichtet, daß Pordenone für die Franziskaner in Noale einen Georg gemalt
hat1. Mit dieser Notiz ist ein Gemälde in der Antisala delle Udienze im Vatikan in
Verbindung gebracht worden, das den Heiligen zu Pferde zeigt, wie er den Drachen
bekämpft. Es galt in Rom ursprünglich als Pordenone2, bis Venturi die auf einem Car-
tellino stehende Bezeichnung J. Reg. Pord. F. als eine spätere zweifelhafte Fassung und
unter dem P von Pord. ein ursprüngliches B erkannte und hierauf sowie auf manche
Stil- und andere Ähnlichkeiten mit Bildern von Bordone gestützt, zu der Überzeugung
kam, daß es sich um ein Werk von diesem Meister handle3. Sein Urteil fand allgemein
Zustimmung und wurde nachträglich durch später bekannt werdende Dokumente be-
stätigt, die außerdem bewiesen, daß das Bild früher einmal den Hauptaltar der Fran-
ziskanerkirche in Noale geschmückt hat4. Alles dies ist zweifellos richtig, und trotzdem
hat auch Ridolfi unbedingt recht, denn der nach seiner Angabe von Pordenone für
Noale einst gemalte Georg ist tatsächlich vorhanden und befindet sich heute in Breslau5.
Daß er nicht früher erkannt worden ist, ist lediglich eine Folge des Zustandes, in dem
er sich bis vor kurzem befunden hat. Das Bild ist auf Holz gemalt, 2,58 m hoch, 1,72 m
breit, und wurde 1906 in Venedig im Kunsthandel erworben. Es trug bisher eine
mehrfache alte Lackschicht, die derartig milchig geworden war, daß sie nicht nur die
Darstellung großenteils unsichtbar gemacht, sondern auch die alte Bezeichnung völlig
verdeckt hatte. Nach vorsichtiger Entfernung der einzelnen Lackschichten, die jetzt
erst vorgenommen worden ist, trat die ursprüngliche Farbenhaut des Bildes, unberührt
und selten gut erhalten, zutage. Kein Riß entstellt die Malfläche, nur die aus sechs
Brettern zusammengefügte Holzplatte ist an den Zusammensetzstellen hier und da
uneben geworden. Eine Anzahl meist kleiner Fehlstellen ist bereits von einem früheren
Restaurator ausgekittet und nachgemalt worden. Man darf annehmen, daß diese Fehl-
stellen auf gelegentlichen gewaltsamen Einwirkungen beruhen, da die Farbe selbst
von einer außerordentlichen Solidität ist. Die linke wie die rechte obere Ecke sind
ergänzt worden, doch läßt die Art der Ergänzung deutlich erkennen, daß der recht-
eckige Abschluß dem ursprünglichen Zustande entspricht. Die Ausbesserung auf der
linken Seite ist unbedeutend und belanglos, auf der rechten ist sie erheblicher und
umfaßt den größten Teil der Bildfläche, die auf dem Gemälde im Vatikan von der
Figur der Königstochter eingenommen wird. An der gleichen Stelle wie auf diesem
befindet sich ein Cartellino mit der alten Bezeichnung: G. (?) PORD...NE.F. Sie
hat wohl am Anfang des Cartellinos, am Rande des Bildes etwas gelitten, aber an
ihrer Echtheit und Ursprünglichkeit, besonders in den entscheidenden Buchstaben
PORD...NE.F., ist jeder Zweifel ausgeschlossen. Dies in Verbindung mit dem Stil-
charakter, der Art undKomposition der Darstellung und der Malweise machen es zur Gewiß-
heit, daß es sich in dem Breslauer Bilde ebenso sicher um eine eigenhändige, originale
Arbeit von Pordenone handelt, wie in dem Georg des Vatikan um eine freie und nicht immer
glückliche Wiederholung derselben von der Hand Bordones, wobei der Stilcharakter der
Breslauer Tafel durchgehends eine entscheidende Veränderung erfahren hat.
An und für sich ist die Darstellung in beiden Fällen bis auf die in Breslau fehlende
Königstochter und die in den Details fast überall von einander abweichende Ausführung
1 Ausgabe von Detlev Frhr. von Hadeln, Berlin 1914, Bd. I, p. 123.
Crowe und Cavalcaselle, Geschichte der italienischen Malerei, Deutsche Ausgabe von Jordan,
Bd. VI, p. 341 ; Morelli (Lermolieff), Die Galerien Borghese und Doria Panfili in Rom, p. 397k —
Das Bild ist auf Leinwand gemalt, 2,90 m hoch und 1,89 m breit.
3 Tesori d’Arte inediti di Roma, p. 7.
4 Bailo und Biscaro, Paris Bordone, p. 97 f., Dok. XXXV, XXXVI, XXXVII und p. 148 ff.
5 Im Besitz des Verfassers.

25 Der Cicerone, Jahrg. XXI, Heft 12

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