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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 21.1929

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Heft 19
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.41323#0591

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Eindrücken nicht nur in Galerien, sondern
überall umgeben sind, zweitens weil sie
auf alle Menschen einhämmern, nicht
bloß in die Mappen einiger Ästheten ge-
langen, drittens, weil alles hier in sozio-
logischen und wirtschaftlichen Gescheh-
nissen verfugt ist, also nur diese Kunst
heute nicht in der Luft schwebt. Von
Deutschen machten vor allem Tschichold
(in dem München einen Gestalter ersten,
europäischen Ranges besitzt), sodann etwa
Fuß, Ibe und die anonymen Kathreiner
Plakate Eindruck. Aber es fehlten Bur-
chartz, Dexel, Moltzahn u. a. Somit der
Vorstoßtrupp der Entwicklung zu dünn
vertreten. W arum außerdem nur große
Plakate zeigen? Warum fehlten etwa die
kleineren, guten Ullsteinplakate? Warum
vor allem bloße Schriftplakate, welche
auszulassen so einseitig, als wenn man
abstrakte Malerei nicht als Kunst rech-
nen wollte. Ungenügend auch die Schweiz,
sowie Amerika vertreten. Bei derTschechei
fehlten Führer wie Teige und Sutnar.
Prachtvoll in Frankreich Gassandre,
schließlich Carbu, Loupot: In Rußland
Brüder Sternberg und Sjenkin, aber Lis-
sitzky, der edelste, wieder fehlend. Für
England Tom Purvis gut, aber Mc Knight
Kauffer wieder fehlend. Japan originell
in seiner unbefangenen Rezeption von
europäischem Kitsch hei raffinierter Form-
und Farbstufung. — Kleiner Überblick
über die wirkliche Avantgarde der Ent-
wicklung bleibt als gesonderte Ausstel-
lung nachzuholen. Würde gerade in Mün-
chen diese wichtigen Dinge beleben. Roh
WIENER AUSSTELLUNGEN


Der Wiener Kunstherbst hat mit einem
verheißungsvollen Auftakt begonnen. Im W. Lehmbruck Weibliche Figur. Torso. Paris 1910
Hagenbund die auch in Berlin gezeigte Aus der Oktober-Ausstellung im Kunstsalon Abels, Köln

(und damals im »Cicerone« besprochene)
Ausstellung russischer Ikonen, die Gedächtnisschau
der Sezession, für F. Schmutzer im Künstlerhaus
eine Ausstellung des ungarischen Bauernmalers
Peter Benedek.
Das in der Sezession zur Schau gestellte Werk
von Schmutzer, der, wohl der bedeutendste Bild-
nisgraphiker Österreichs, im Oktober des Vor-
jahres, erst 58 Jahre alt, verstarb, zeigt einen
Künstler, der, wie wenige seiner Zunftgenossen,
die Grenzen seiner Kunst richtig erkannte (wor-
aus sich auch der Verzicht auf die Malerei zugun-
sten der Graphik ergab, kommt doch seine PaleLte
nicht über eine unruhige Buntheit hinaus), dabei
aber auch seine Fähigkeiten zu einer souveränen
Beherrschung der Einzelform, vor allem aber der
ihm zunächstliegenden Radiertechnik zu entwik-
keln verstand. Lassen auch die großen Bildnis-

kompositionen bisweilen die Bindung zwischen den
einzelnen Gestalten und dieser mit dem Raum
vermissen (Joachim-Quartett, Prof. Chrobak bei
der Operation) — bei der Vorstandssitzung der
J. G. Farbenindustrie in Ludwigshafen behilft
sich Schmutzer mit dem Abendmahlschema Lio-
nardos —, in der Erfassung des Individuums kom-
men ihm nur wenige unter den Graphikern sei-
ner Generation nahe. Seine Bildnisse berühmter
Musiker (Golchnark, Joachim, Leschetitzky, P. Ca-
sals, R. Strauß), Gelehrter und Schauspieler tragen
deutlich den Stempel der ungewöhnlichen Persön-
lichkeit ihres Modells zur Schau. —
Bauer, Autodidakt (dies wohl im weiteren Sinn
genommen), ist Benedek ein Lyriker von allge-
meinerer Prägung. Ein Lyriker, und als solcher denn
auch weniger Porträtist (wenngleich ihm manch ein-

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