Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 21.1929
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https://doi.org/10.11588/diglit.41323#0615
DOI Heft:
Heft 20
DOI Artikel:Grohmann, Will: Georges Braque
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Georges ßraque Früchte und Glas. 1925
London, Tate Gallery
je veux l’humaniser. Dieses Wort ist zwar von Gris, trifft sich aber mit Braques Satz:
»Pour etre l'imitation pure la peinture doit faire abstraction des aspects, car 011 n’imite
pas l’aspect, l’aspect c’est le resultat«. Der Gegenstand ist nur eine Funktion der ver-
schiedenen Bewegungsvorstellungen, die flächenhaft nebeneinander gesetzt ein gegen-
satzreiches Ganzes ergeben. Motive sind nur noch die Tonart, in der die betreffende
Komposition verläuft, der Antrieb liegt in der schöpferischen Imagination, die Ordnung
erfolgt, wenn die Farben und Formen Objekte geworden sind. Das Ergebnis: »Un fait
pictural, durable, un lyrisme qui sort completement des moyens«, das heißt die Poesie
entsteht aus der Wahl der Worte, der Syntax, dem Rhythmus, der Tonart, in denen
der Geist sich manifestiert.
Damit sind wir mitten in Braques Werkstatt. 1911 führt Braque als erster Buchstaben
im Bild ein, Etiketten »Rhum«, »Notes«, die wie Signale den Blick des Betrachters
leiten. Es entstehen Stilleben, vorwiegend mit Musikinstrumenten, Mandolinen, Geigen,
die in ihre Flächen zerlegt, ein Konstruktives bilden, wobei die braunen Lokaltöne und
übernommene, bereits vorhandene Formteile kontrapunktisch mit den erfundenen
Formelementen verknüpft erscheinen. (»Broc et violon« 1910, »Violon et fruits« 1911,
»Le Compotier« 1911, »Nature morte« 1912.) Bildnisse, in denen das Porträt nur zur
Konkretisierung des ungegenständlichen Schauens dient (»Le joueur de guitare« 1910,
»Portrait« 1911). 1915/14 verwendet Braque aufgeklebte Papierstreifen, Tapeten,
Wellpappe, Stoffe. Es ist dies die Zeit seiner hellen Stilleben. Sie zeichnen sich durch
besondere Einfachheit in der Führung der Flächenteile aus und durch ein temperament-
volles Lineament, das mit den Flächen spielt. Die Einführung tatsächlicher oder ge-
nau wiedergegebener Dinge in der ganz anders gearteten künstlerischen Pvealität ist
eine scharfe Kontrolle der Konsistenz des fait pictural, eine gewissenhafte Probe auf
die Sicherheit der Leistung. Die entscheidenden Arbeiten dieser Epoche sind »Com-
potier et cartes«, »Le violon«, »Pipe et journal« 1915, von 1914 »Mandoline« und »La
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