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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 21.1929

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Heft 20
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.41323#0622

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Frauenakt voll Harmonie der Form. Diese vier
Künstler erhielten die großen Ehrenpreise. Auch
einige andere Maler und Bildhauer halten Niveau.
Zum Gedächtnis des neunzigsten Geburtstages von
Hans Thoma entbreitet die hiesige »Thoma-Gesell-
schaft« im Erdgeschoß des Stadel das ganze Ra-
dierwerk des Künstlers, ungefähr dreihundert
Blätter.
Diese Gesamtschau läßt uns ein klareres Urteil ge-
winnen als eine nach künstlerischen Prinzipien ge-
sichtete. Am einheitlichsten und bildhaftesten sind
die reinen Landschaften. Diese Naturausschnitte
aus dem Taunus und dem Schwarzwald sind in
sich so geschlossen, daß schon das Figürliche
manchmal wie eine nachträgliche Zutat wirkt. Man
könnte die vordergrundhaften, mit dem Raum-
ganzen nicht zusammengesehenen Gestalten her-
ausschneiden, ohne daß der Bildvorwurf in seiner
Komposition beeinträchtigt wäre. Thomas Kirnst
fließt aus der Verwachsenheit mit dem Objekt.
Die Nähe des Bauern zur Natur macht ihn zum
Landschafter, die enge Verbundenheit zu Haus
und ITof, Tier und Pflanze zum volkstümlichen
Illustrator. Wie ein Kleinmeister, ein Beham,
spielt er mit diesen vertrauten Formen und Linien,
verschnörkelt Gewächs, Tier, Sprüche und Zahlen
zu phantastischem Rankenwerk, zu anmutsvollem
Ornament.
Gefährlich wird erst diese deutsche Neigung zum
Spintisieren, sobald sich Thoma ins Gigantische
(Heroische, Religiöse, Mystische) wagt. Dieser be-
schauliche, einfach religiöse Mensch besitzt keine
geheimnisreichen Tiefen wie die von wilder, apo-
kalyptischer Symbolkraft umdrängte Seele Dü-
rers. Das Dämonische fehlt, Vorstellungskraft und
zeichnerisches Vermögen bleiben infantil und lite-
rarisch dem grandiosen Vorwurf gegenüber oder
verfallen, wie in den Steindrucken der »Planeten-
blätter«, in »Jugendstil«.
Es ist schade, daß der Bildungshumanismus des
Richard-Wagner-Kreises Aufgaben an diesen wun-
dervoll erdverbundenen Künstler herangetragen
hat, die weit über seine schlichte Natur und Be-
gabung hinausgingen und nur von einem Genie ge-
löst werden konnten. Sascha Schwabacher
ALTE MEISTER IN KÖLN
Köln, noch vor wenigen Jahrzehnten einer der
Mittelpunkte des europäischen Kunsthandels, hatte
in den letzten Jahren diese Vorrangstellung gänz-
lich verloren. Nun macht die Kunsthandlung Mal-
me d e und Geissendörfer den mutigen und
unterstützungswerten Versuch, die alten Traditio-
nen des Kölner Sammelwesens wieder aufzuneh-
men. Im zweiten Stockwerk ihres schönen Hauses
hat die Firma eine Ausstellung von Gemälden alter
Meister eröffnet, die zum erstenmal seit vielen
Jahren Gelegenheit gibt, außerhalb der Museen
Bilder alter Meister in größerer Zahl zu sehen.
Diese Kunsthandels-Ausstellungen besten Niveaus

übernehmen Aufgaben, wie sie in dieser Weise
von den Museen nicht erfüllt werden können; sie
zeigen die weniger bekannten Namen, die Outsi-
der der Kunstgeschichte oder von den großen Mei-
stern Tafeln, die ein gewisses Etwas — oft ist
es der ungewöhnliche Reiz des Sujets — eher dem
kultivierten Privatsammler als dem Museum inter-
essant machen. Als Beispiele der Werke aus dieser
Familie nennen wir von den Bildern dieser Aus-
stellung in erster Linie die hier abgebildete Tafel
von Georg Lemberger, ferner den Flügel-
altar des Joachim Patinir aus der Sammlung Ri-
chard von Kaufmann mit den entzückenden klei-
nen Genreszenen der Ruhe auf der Flucht, dann
die Heilige Familie des Cornelis Massys, die an
dieser Stelle schon veröffentlicht worden ist (»Ci-
cerone« Heft i4, Juli 192g), Landschaften von
Antonio Diziani und Jan I. Griffier und einen
kleinen burlesken, köstlich gemalten Jan Steen.
Dem sorgfältig gearbeiteten Katalog hat Museums-
direktor Dr. Büchner ein Vorwort geschrieben.
E. Sch.
DRESDEN
G. Grosz (»Fides«)
G. Grosz bleibt am stärksten, wo er Durchleuch-
tungen des Zeitgenossen gibt; hier ist er auch weit
malerischer als in den beruhigteren französischen
Arbeiten von 1927, in denen er so viel von sich
verdrängt. Die neuen Bilder setzen die von 1926
fort, sind in der Beherrschung der Farbe so voll-
kommen, daß man das Sujet darüber vergessen
könnte. Man ist yersucht, jedes Bild zweimal zu
erleben, als künstlerische Leistung und als mensch-
liche; muß aber schließlich doch kapitulieren und
Grosz als Ganzes nehmen. Werke wie das »Modell«
1928 oder die »Ostseefischer« 1926 sind von einer
Perfektion dämonischen Sehens und exakter Ge-
staltung, daß man schon weit in der Geschichte
zurückgehen muß, um Ähnliches zu finden. Grosz
ist heute keineswegs nur Zeichner. Mag das Trans-
luzide seiner Ölbilder gelegentlich an Aquarell er-
innern (in letzter Zeit verfestigt er die farbige
Materie, nicht immer zum Vorteil), der Effekt
gibt Grosz recht imcl nicht der Theorie.
Grohmann
DUISBURG
Die Oktoberausstellung des Museumsvereins zeigt
einige dreißig Plastiken und eine Anzahl Aquarelle
von Rodin. Obgleich nur ein kleiner Ausschnitt
des Gesamtwerks geboten ist, wird durch die ge-
schickte Zusammenstellung doch dieselbe \ orstel-
lung von dem künstlerischen Wesen des französi-
schen Plastikers übermittelt, wie s:e ein Besuch des
Rodin-Museums in Paris gibt, das die Kunstwerke
der Stadt Duisburg zu Ausstellungszwecken über-
lassen hat. ■— Nur eine verhältnismäßig kleine
Anzahl der hier gezeigten Plastiken zeigt — wie
auch das umfassende Gesamtwerk — die Züge, die
gemeinhin als die künstlerische Physiognomie des
Zeitgenossen der Meister von Batignolle empfun-

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