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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 21.1929

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Heft 20
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Kunst-Literatur
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https://doi.org/10.11588/diglit.41323#0627

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KUNST-LITERATUR

AUGUST L. MAYER: GOTIK IN SPANIEN. Ver-
lag Klinkharclt & Biermann, Leipzig 1928 (mit
i55 Abb.), Bel. III der »Handbücher der Kunst-
geschichte«, herausgegeben von G. Biermann.
Dieses neueste, geschmackvoll ausgestattete Buch
Aug. L. Mayers liefert in 61 Aufsätzen Beiträge zur
Gotik in Spanien. In bunter Reihe folgen sie auf-
einander. Schlösser, Cistercienserbauten, Kathe-
dralportale, Schnitzaltäre, Sterngewölbe, Orgelflü-
gel, Zeremonienbücher, Kustodien, schmiedeei-
serne Arbeiten, ja selbst kirchliche Stickereien sind
hier thematisch aneinander gereiht, Beweis, welch
ausgezeichnete Materialkenntnis dem Verfasser eig-
net und welch ein sicheres Wissen von den histo-
rischen Quellen und den neuesten literarischen Er-
scheinungen ihm zur Verfügung steht. Jeder wird
aus der Lektüre dieses Buches Nutzen ziehen; es
belehrt, regt an, es fordert auf, fehlende Kunst-
werke mit suchen zu helfen, gestellte Probleme
noch weiter auszudenken und einer restlosen Klä-
rung entgegenzuführen! Der Verfasser spricht nicht
von mudejarer Kunst, nicht von spanischer Gotik
allein, sondern von Werken der Gotik in Spanien
überhaupt, d. h. von jenen Schöpfungen, die die
Vertreter der verschiedensten Nationen in Spanien
und für Spanien geschaffen haben: was die mu-
dejäre Kunst (= die von christlichen Künst-
lern unter Verwendung der Schmuckformen der
besiegten Mauren gepflegte Kunst) hervorbrachte
und wie lange ihre Fernwirkung dauerte -—• Se-
govia und Toledo sind bis ins i5. Jahrhundert hin-
ein ein Zentrum für die Pflege der moresiken
Kunst gewesen —; wie dann Franzosen, Italiener,
Vlamen, Niederdeutsche und Schwaben dazu bei-
trugen, die Gotik in Spanien, zusammen mit den
einheimischen Kräften, zu schaffen! Französische
Meister sind bis weit ins i4- Jahrhundert hinein an
Zahl sowie an Bedeutung den übrigen fremdländi-
schen Künstlern überlegen; dann kommt der ita-
lienische Einschlag und dann erst der beherrschende
Einfluß der deutschen und niederländischen Künst-
ler. Auf die Tätigkeit der deutschen Meister sei
hier wenigstens kurz hingewiesen! Bereits i338 ist
in Barcelona der deutsche Bildhauer F. Müller tä-
tig; 1424 in Valencia ein Goldschmied Lorenz von
Konstanz; der Straßburger Blanch arbeitet eine
Kustodie für die Kathedrale von Tortosa; Hans
von Scliwäbisch-Gmünd ist der Schöpfer des Ala-
baster-Hochaltars der Seo in Zaragoza (1467 bis
i477 in den Akten genannt); aus Lausingen (a. d.
Donau) kommt ein noch namenloser »magister et
aurifaber«; wir hören von einem deutschen Bild-
hauer Roderich; Enrique Aleman modelliert das
Stadtwappen von Valencia für die Puerta de Ser-
rano; Meister Hans von Köln erbaut die Türme der
Kathedrale von Burgos (vgl. meinen während der
Drucklegung des Mayerschen Buches im »Münche-

ner Jahrbuch« 1928, Heft4, erschienenen Aufsatz:
»Die Türme der Kathedrale von Burgos und Hans
v. Köln«); Gil de Siloe, der bedeutendste Plastiker
Alt-Kastiliens, stammt vom Niederrhein; ihm
schreibt Verfasser neue Werke zu, und er entdeckt
auch, daß die Teile des Grabmals für S. Pedro in
Ocana nunmehr in englischen und amerikanischen
Sammlungen vorhanden sind; der bedeutendste
Chorgestühl-Meister Spaniens Rndrigo Aleman ist
in Toledo 148g bis x49U nachweisbar; der Deut-
sche »Roland« vollendet am Ende des 15. Jahrhun-
derts den dekorativen Schmuck an der Börse in
Valencia! Alan sieht aus diesen wenigen Angaben,
wie oftmals deutsche Meister in Spanien geschaf-
fen haben: hier ist ein Punkt, wo die Forschung
noch weitergehen muß und sicherlich neue wich-
tige Ergebnisse bringen wird.
Endlich nicht zu vergessen, daß Aug. L. Alayer in
seinem inhaltsreichen Buche auch zum erstenmal
zwei wichtige Urkunden veröffentlicht: die eine
bezieht sich auf die Kanzel der Kathedrale von
Barcelona, womit bewiesen ist, daß sie bereits i4o3
vollendet war (S. 242); die andere, und es ist die
wichtigere, bezieht sich auf das Grabmal der Eula-
lia in der Krypta der Kathedrale von Barcelona;
dieses stammt von einem unbekannten Schüler des
Giovanni Pisano; laut Dokument erwägen u. a. die
Puatsherren von Barcelona, ob man für neue Werke
Marmor aus Italien kommen lassen solle; doch
fürchten sie, daß er bei dem Transport nach Spa-
nien zerstört werden könne! Hugo Kehrer
RALPH WARNER: DUTCII AND FLEMISH
FRUIT AND FLOWER PAINTERS of the
XVIIth and XVIIIth centuries, London, Alills and
Boon Ltd. 1928.
Die flämische und holländische Blumen- und
Früchtemalerei als Teil der Stillebenmalerei dar-
zustellen und gegen andere Zweige abzugrenzen, ist
eine ebenso lockende wie lohnende Aufgabe, die
eigentlich noch nie gelöst worden ist. Pcalph War-
ner hat leider in seinem Buche darauf verzichtet,
auf die kunstgeschichtlichen Fragen des Problems
der Stillebenmalerei, seiner historischen Voraus-
setzungen und seiner künstlerischen Entwicklung,
einzugehen. Was er dagegen bietet, ist eine sehr er-
staunliche Materialsammlung, die fast ausschließ-
lich gesicherte Arbeiten von mehr als hundert Alei-
stern, StiRebenmalern von Beruf und solchen, die
nebenbei Fruchtstücke gemalt haben, enthält. In
etwa dreihundert Abbildungen, von denen jeder
Beschreibung und kunstgeschichtliche Würdigung
beigegeben ist, lernt man die Blumenmalerei von
1600 bis 1800 in allen Phasen kompositioneil und
koloristisch kennen. Es ist ein Verdienst des Bu-
ches, viele bisher wenig beachtete Künstler ans
Licht gebracht zu haben, das nur dadurch geschmä-

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