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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 21.1929

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Heft 21
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Rundschau
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BRÜSSELER AUSSTELLUNGEN
Die englische Retrospektive im Musee
Moderne / George Minne inderGalerie
Gir o ux
In den Sälen des »Musee Moderne« findet
zur Zeit eine retrospektive Ausstellung eng-
lischer Malerei statt. Diese Manifestation gilt
dem Veranstalter — der »Union Anglo-
Belge« — als die Erwiderung auf die große
Ausstellung flämischer Kunst, welche vor zwei
Jahren in der Londoner Royal Academy statt-
gefunden hat. Die englische Retrospektive
enthält eine Hundertzahl von Gemälden und
ebensovielen Aquarellen und Zeichnungen des
18. und 19. Jahrhunderts, die großenteils aus
englischen Privatsammlungen stammen. Lei-
der müssen wir zugeben, daß das Ganze weder
den Umfang noch die Bedeutung hat, die wir
erwarten durften. Weniger im Hinblick auf
die verhältnismäßig geringe Anzahl der aus-
gestellten Werke, sondern infolge der Aus-
wahl im einzelnen. So war es vom ersten
Augenblick an klar, daß es den Urhebern in
erster Linie auf prunkvolle Repräsentation
mit Hilfe des englischen Porträts angekommen
ist, während der wirklich originalen, eigen-
schöpferischen Kunst nur ein beschränkter
Platz eingeräumt wurde, während gerade diese
zu ihrer Zeit auch auf dem Kontinent ohne-
gleichen war. Wir denken da in erster Linie
an Ilogarth, als den Ahnherrn, und an die
Landschaftsmaler aus dem Anfang des
1 g. Jahrhunderts, wie Constable, Crome und
hauptsächlich Bonington, der einen so tiefen
Einfluß auf die französische Malerei aus-
übte und in dieser Ausstellung nur durch
zwei wenig charakteristische Werke vertreten
ist. Der gewaltige Turner figuriert mit fünf
Landschaften, was ebenso unzureichend ist.
Dagegen sind Reynolds, Gainsborough und Raeburn
durch Porträts entsprechend vertreten, die fast alle
den Sammlungen des Herzogs von Devonshire und
des Grafen Spencer entliehen sind. Schließlich haben
es die Organisatoren für nötig gehalten, den Prä-
raphaeliten einen sehr bedeutenden Platz einzu-
räumen, so u. a. Ford Madox Brown, Hunt, Millais
und Rossetti, deren farblose literarische und un-
malerische Art eigentlich längst der Vergessenheit
angehört. Allein die Teppiche von William Morris
nach Kartons von Burne-Jones behalten einen ge-
wissen dekorativen Wert.
Es scheint als ob George Minne jetzt in Belgien,
seiner Heimat, endlich die Weihe findet, die an-
dere Länder — an erster Stelle Deutschland —
ihm schon vor langer Zeit dargebracht haben. We-
nige Tage, nachdem im »Musee Moderne« ein
»Saal Minne« eröffnet wurde, organisierte die Ga-
lerie Giroux eine Retrospektive der Minneschen
Werke. Man hat 88 seiner Skulpturen und etwa
100 Zeichnungen zusammengebracht, die unbe-


Raeburn Sir John Sinclair of Ulster
Sammlung Major Sir Archibald Sinclair
Aus der Retrospektiven britischer Kunst in Brüssel

dingt ein vollständiges Ganzes bilden, das höchst
persönlich wirkt und dessen verschiedene Etappen
harmonisch Zusammengehen. G. M.
BERLINER KUNSTAUSSTELLUNGEN
Akademie der Künste / Deutsche Kunst-
gemeinschaft / Klee / Karl Walther / Film
und Foto
Der vielbeklagte Überfluß an Talenten, für den
ein wohltuender Mangel an unbestritten führen-
den, notorisch prominenten Künstlerpersönlich-
keiten kaum entschädigen kann, macht sich erst
recht auf den der Zeichnung (vom Aquarell bis
zur Graphik) gewidmeten Ausstellungen geltend,
zu denen auch die Herbstschau der Akademie
der Künste traditionsgemäß gehört. Es spricht
nicht unbedingt gegen das leichte Format, wenn
nun einmal in seinem Rühmen eher Gültiges zu
leisten ist als unter dem hemmenden Anspruch
der Gemäldefläche. Schließlich kommt es ja dar-
auf an, daß recht viel erkenntnishaltige und Ah-

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44 Der Cicerone, Jahrg. XXI, Heft 21
 
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