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Heidelberger Tagblatt — 1860 (Juli bis Dezember)

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November
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https://doi.org/10.11588/diglit.2834#0524

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a» die öffeiitll'chk Mei'iniiiq verkinidi'gt,
imd damit di'e Wclt wein'gstens zn täu-
schen sucht, — vernchincii wi'r von nclieii
poli'ti'schcii Veifolgunqcn i'n ei'nem Thei'lc
von Deiitschland, und zwar in'cht ctwa
wegcn Hl'iinel'gung zuin Bonapartl'sMllS,
sondern wegen unzwel'felhaft dentschpatri'o,
tt'scher Gksinnuiig, die aber, wi'e man be-
hauptet, ni'cht den „correctcn" Weg ei'ii-
schlage. Beincrkenswcrthcr Wei'se stim-
incn i'n di'escr letztcn Ansicht gerade auch
die entschiedenen Nepnbllkancr mi't dcn
Conservativen iiberel'n, was die letzteren
doch etwas beachten solltcn. Wenn die
alte Lehre hier ni'cht zuin crstenmal ihre
Nlchtl'gkcit ci'iibüßt: daß ncinli'ch ei'ne
Zcli'nde Bcdilickniig das bestc Förderungs-
mittel für eine derartige Sache sci, —
so wird für den bekämpften National-
Verein ans den ergriffencn Maßiiahmen
weit mehr Vorthe'il als Nachthcil cr-
wachsen, und dies um so mehr, als ein
Einschreiten gegen eine allgcinein ver-
breitcte Ansicht blos in dem einen oder
dcm andcrn Kleinstaate schon räumli'ch
eine wcsentliche Wirkung gar nicht er-
langcn kann. Aber abgesehcn vom Natio-
iial-Vcreine an sich, beklagcn wir das
Vorkominniß r'm Jnteresse Deutschlands,
das dcm Bonapartismlls eine solche
Ailgenweide wahrscheinlich nicht bereitcn
sollte.

Berlin, 24. Nov. Profeffor Dahl-
mann in Bonn hat bei Gelegenheit seiües
50jährigen Doctorjubiläums den -rothen
Adlerordcn dritter Classe erhalten.

Berlin, 24. Nov. Die Nationalver-
einS-Wocheiischrift sagt: Der Würzburger
Plan einer nelien Ordnung des Bundes-
heeres wird ohne Sang iiud Klang zum
alten Papier gelegt werden, aber cs wird
sicherlich an seiner Statt kcin besserer zur
Aufflihrung kominen, so lange die Auf-
rechterhaltung einiger Dutzend Einzel-Sou-
veränitäten für die höchste Aufgabe der
delitschcn^Bundespolitik gilt.

Berlin, 26. Nov. Ganz Berlin ist
in ficbrischcr Aufregung weqen des Stie-
ber'schcn Prozesses; dcnn er scheint erst
der Anfanq großartiqer Scandalose zu
seiii, die ans Tageslicht kommen werden.
vr. Stieber rechtfertiqt sich hcute in
einer auüführlichcn Erklärunq gegeu die
Schwarck'sche Beschuldigung, er habe ge-
logen, indem er darlcgt, daß allerdings
mit Vorwiffcn des Oberstaatsanwalts
Schwarck und des Justizmiiiisters Simon
politisch verdächtiqe Personen Wochen, ja
Monate lang in Polizeihaft qehalten wor-
deu sind, ohne daß ein richterlicher Befehl
vorlag oder auch nnr eingeholt wnrde,
ohiie daß die Verhafteten vom Nichter
vernommcn wurden. Stieber will i'n den
iiächsten Tagen, sobald er das erforder-
liche Matcrial gesammelt hat, cinc völlig
qenaue Denttnciation an dcn Präsidenten
des Staatsministeriums, den Fürsten von

Hohcilzollcrn richtcn. Sollte er eidlich
vcriiommen werden, so will er das ganz
zur Sprache gebrachte Sachvcrhältniß in
scincn Motiven wciter cnthülleii und noch
cinc Neihc aiidcrwcitiger Anklagcpiiiiktc
znr Sprachc briiiqeii. -,Jch hoffc vcr-'
traucnsvoll", so schlicßt scinc Erklärung,
daß untcr eiiicm Fürste» von Hohcnzollerii
auch gegen dcn Chef der prcußischcii Justiz
nnd dcn Oberstaatsanwalt des Kammer-
gerichts strenges Necht gcübt werden wird,
wie solches gegen mich gcübt worden ist."

Hannover, 25. Nov. Der kürzlich
erfvlgte Tod des Fürstcn Gcorg Wilhelm
von Schallinburg-Lippe hat uiisere Re-
qicrung vcranlaßt, einc eigenthümll'che
Erpcdition an dic Nachbarqränzc auszu-
schicken, nm cinen Thcil vcs Ländchens
mit hannoverischen Gränzpfählen zu be-
sctzen, wcil inan dieffcits aus cincm alten
Lcheiisverhältniß darauf rcchtliche An-
sprüche zu machen. hat und jctzt die
Gelegenhcit benützen will, um zum Ziele
zu kvmmcitt Der hanuoverische Bcamte
zog mit cinem kön. Notar an das Stein-
hudermeer, durch welches die Gränzliiiie
gchen soll, und setztc mit Hülfe iiiiserer
Jngenieure, untcr neügicrigem Zuschauen
der Bcsatzunq des klei'neii im See licqeii-
dcn blickcburgischen Forts Wilhelm, die
hannovcrischen Hoheitszei chen ohne
Störung eiu!

Hannover. Jm hannov. Gewerbe-
verein hiclt P'rof. Karmarsch einen an-
ziehenden Vortrag über die Nothwendiq-
kcit eincs einheitlichen Maaßcs in Deutsch-
land: „Menschcu, die mit verschiebcner
Miinze und vcrschiedcnem Hiaaß ver-
kehren", sagte der Ncduer, „stehcn sich
uiistrcitig frcmder einander geqenüber,
als die mit gleichcm Maaße mcsscn, und
Einheit in solchen Dingen mag wohl
dringender zu erstrcben sein, als vicllcicht
jedc andere." Es .kann wohl kciiicn
schlagenderen Bcweis von der Unfähigkeit
dcs deutschen Bundestages geben, als daß
dieser sogar für Dinge, von deren Zweck-
mäßiqkcit, ja von dcrcn Nothwendigkeit
er seiber überzeugt sein muß, nichts thnt.

Wien, 22. Nov. Gcneral Benedeck
wird, nachdem er das Commando über-
nominen, die in vier Corps'vertheilte
Armce von 130,000 Mann inspicireii;
das erste Cvrps unter Stadion hütet die
Niiiiciolinie und hat sein Hailptquartier
in Verona, daü zwcite unter Erzhcrzog
Ernst hütet die Etsch, sein Hanptquartier
ist Vicenza; das dritte untcr Prinz v,on
Hesscn am unteren Po hat sein Haupt-
quartier in Padua, und das vierte hält
Venedig und die Küste besetzt. Diese
Armee ist auf dem Kricgsfuß und mit
unqeheuerm Kriegsmaterial, meist ge-
zogenen Kanoncn, versehen; dic Cavallerie
beträqt nur 6000 Mann, wird aber anf'

10.000 gebracht. Eine andcre Armee von

150.000 Mann steht zwischen Briren,

Klagenfurt, Lapbach, Tricst, Fiume und
Cattaro. Liestcrrcich ergreift die Offen-
sive nicht, 'crwartet aber einen Angriff
und eincil furchtbaren Kampf im Früh-
jahr. Die Italicner', besser organisirt
als 1848, haben eine überlegene Flotte
niid zählcii auf eine Diversion von Un-
qarn aus, wodurch der Vorthekl des
Quadrilatcrs neiitralisu-t wird.

Wien, 24. Nov. Die heutige Sl'tzuiig
im Proccß Nichtcr wurde der Erörterung
jenes Theiles der Anklagc gcwidmet, iil
welchem Director Nichter deS an Priva-
tcn begangcncn Verbrcchens dcs BctrugeS
uiid Krumbholz der Mitschuld daran be-
zichtigt wird. Die Anklage stützt sich
nämlich darauf, daß Nichter, obwohl er
dem Armce-Obercommando nach einqe-
tretenem Fricden jeden Nachlaß an dcn
übernommenkii Baumwollstoff-Lieferungcn
vcrweigert hatte, an seinen Geschäfts-
führer Krumbholz ekiien Brief des Jn-
haltö, die Militär-Behörde fordere die
Reduction der Liefkrungen von 4 auf 3
Millionen Ellen, zu dem Zwcck geschricben
habe, um die Uiiter-Lieseranten zu ent-
sprechendcn Rcdlictioncn zu bestimmen.
Mithin habe, folgert die Anklage, Richter'
sich falschcr Vorspieliliigen bcdient und
davurch den Untcr-Lieferanteii einen
Schadcn zugefügt, woraus sich dcr That-
bestand des Verbrcchens des Betruges
ergebe. Die heute imii vernoinmciien
sieben Zeugen haben übereiilstiiniiiend aus-
gesagt, daß sie sich auf das bloße Er-
suchen Richtcrs der Ncduklion gefügt
hätten; daß ihneii daraus nicht nur kein
Schaden erwachsen, sondern dke Reduction
sogar angeiichm gewesen ist, da sie ohnehin
die Licferzcii nicht iniicznhalttii vermochtcn,
und nach eingetreteneiii Frieden vortheil-
haftere Beschäftigunq für ihre Fabrikcn
sanden, äls ihiicn die Lieferungcn für
Nichter bot. Nicht gcüuq damit, haben
die siebcn Zeugen anch, und zwar gleich-
falls übereilistl'mmend, erklärt, daß sie die
Vermittlung Richtcr's einer directen
Uebcrnahme von Licseriingen für das
Armee-Obercommando vorgezogen haben,
und daß sic die von Nichler bei der Ver-
theilung dcr Lieferllngeii an sie gcstellte
Btdingung, die Garne zu den von ihnen
zu fabricirenden Stoffen von ihm beziehen
zu müsscn, iiicht nur als kciue sür sie
lästige ansahcn, sondern im eiqenen
Intcreffe für nothwendig erachteten', um
sich eines guten und preismäßigcn Garns
zu versichern. Die 7 Zeugcn von heute
haben cndlich dcm Ali.geklagtcn auch das
Zeugniß ausgcstellt, daß cr sich mit eiileul
sehr bcscheidene» kaufmännischeii Gewinn
zufricdcngestellt hat, und auf die Er-
zenqiilig ciner guten, den Preisen ent-
sprcchendcn Waare bedacht gewesen ist.
Sind diesc siehen Zeugen das einzkge
Beweismittel, das dcm Ankläqcr zur Be-
qründnng der Anklage wegen Betrugs an
 
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