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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 9.1893-1894

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Pecht, Friedrich: Die Jahresausstellung 1893 der Künstlergenossenschaft zu München, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11970#0052

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Die Iahresausstellung ^695 der Rünstlergenossenschaft zu München.

in Paris soeben noch die Lleckuills ck'llonneur davongetragen, da sein Bild allerdings vollkommen an Caravaggio
hinanreicht, ja denselben in der Wahrheit des Ausdruckes wohl noch übertrifft (s. u. Bilderbeilage). Umsoweniger
thut das freilich sein Karl der Kühne, der eben in die Kirche einer erstürmten Stadt einreitet und dort dem abscheu-
lichen Gemetzel zusieht, ein Bild voll einzelner Bravourarien, die aber zusammen keine Musik ergeben, ja keinen
anderen Eindruck machen, als den großen Respektes vor dem Können des Meisters. Besser charakterisiert ist
dann des I. P. Laurens »?stite cks Lonotiaiiips« vor dem Revolutionstribunal, und sehr pikant wirkt die
Virtuoseneitelkeit bei zwei überdies sehr tüchtigen Porträts, einem Geiger von Brozik und einem Maler von
Gierymsky. Sonst gefallen sich die Pariser doch gar zu sehr in allerhand Sonderbarkeiten, die offenbar keinen
anderen Zweck haben, als auf der Ausstellung die Blicke auf sich zu ziehen. Das geht aus ihren dies Jahr
besonders reichen Einsendungen indes doch mit Sicherheit hervor, daß die Franzosen uns im Gebrauch der
technischen Darstellungsmittel, also im Können durchschnittlich immer noch überlegen sind, weil sie darauf weit
mehr halten, während die Fortschrittspartei bei uns statt des Studiums der Technik nur immer den Stoffkreis
zu erweitern sucht. — Denn was ist dieses beständige Bestreben, allerhand neue Phänomene der Luft und des
Lichtes darzustellen, am Ende anders als eine solche Vermehrung der Aufgaben, die nur zu oft zu immer
stümperhafteren Lösungen führt? Wenn man überhaupt keinen Kopf ordentlich malen und modellieren kann,
was soll es da helfen, wenn man ihn auch noch im Abendsonnenschein oder im Zwielicht der »lleurs blsns«
wiedergiebt? In dieser gesunden Kenntnis des Handwerks der Kunst sind uns aber nicht nur die meisten
Alten, sondern eben auch die besseren Franzosen noch immer überlegen, während unsere Fortschrittler sich nur
zu oft in einen völlig haltlosen Dilettantismus und eine widerwärtige Experimentiererei verlieren. Hier steht
nun Lei bl mit seiner Feinheit des Naturstudiums, das er im einsamen Aibling so wirksam betreibt, in der
That fast unerreicht da. Die naive Wahrheit des Ausdrucks der Murilloschen Betteljungen hat unsere
Malerei hie und da wenigstens annähernd erreicht, ihre Meisterschaft der Zeichnung und Modellierung dagegen
nirgends. Man sehe da nur, wie sie gleich abfällt, sobald es ihr etwa beikommt mit Frans Hals oder Murillo
und Velasquez einmal konkurrieren zu wollen.

Nichtsdestoweniger ist der Fortschritt ans den meisten Gebieten der Kunst doch so unleugbar, als be-
sonders die große Thätigkeit und Kühnheit,
die dabei entfaltet wird. München har
vielleicht niemals eine solche Masse von
Kunstwerken aller Art gesehen, als sie auf
unseren beiden Ausstellungen Heuer dem
Beschauer geboten ward, wenn auch eine
große Zahl derselben unleugbar zu oft einen
handwerklichen Anstrich zeigte. Dennoch
hatten wir auch eine Anzahl von Werken,
die hoffen dürfen ewig fortzuleben, nicht
nur Leibls Paar, sondern auch Lenbachs
Finanzminister (s. H. 1), Kampfs Friedrich
der Große (s.VIII, 22), Ed. v. Gebhardts
Bergpredigt (s. u. Bilderbeilage), Simms
Zahnoperation und Hartmanns Arbeiter-
diner, H- v. Bartels herrliche Sturmflut und
Erwartung. Ganz besonders aber werden
des unglücklichen Stauffer-Bern Por-
trät-Stiche von Gustav Freytag und Gott-
fried Keller (s. S- 37) so lange leben als
die Meister selber, die sie darstellen.

Selbst unter den Bildhauerwerken
dürfen einige auf Dauer hoffen, wie
Rümanns „Herzogin Max", Tauten-
hayns „Urteil des Paris", und selbst
Eberleins galante Damen. Kein Zweifel,
daß bei den Fremden in dieser Richtung
auch manches zu finden, vorab bei den
Franzosen, bei denen ich ja Roybets und
Laurens schon erwähnt, wie Millets,
In Trauer, von Lharles Giron. während Bonnats Lesseps sehr hinter

)adresaussteüung Is893 der UünstlergenoAenschaft zu München. UM ^0
 
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